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Gemeinsamer Ministerrat, 31. 1. 1868

I. Interpellation in der ungarischen Delegation

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z10.pdf.

58 Nr. 10 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 31. 1. 1868

der Seiner Majestät über die gemeinsamen Angelegenheiten solche nicht
kennt, da dieses Gesetz mit dem oberwähnten Gesetze infolge gegen¬
seitigen Übereinkommens vollständig übereinstimmt, nachdem ferner der
Gebrauch des Titels eines ,,Reichsministers" in Hinsicht der Selbständig¬
keit und Unabhängigkeit der ungarischen Krone besorgniserregend ist, in¬
sofern als derselbe den Ministern einen solchen Wirkungskreis zu vin-
dizieren scheint, welcher denselben nach dem Gesetze nicht gebührt, so
stelle ich an die Mitglieder des gemeinsamen Ministeriums die Anfrage,
wie es geschehen konnte, daß während in der der Delegation der ungari¬
schen Krone eingereichten Vorlage sich die Minister ,,gemeinsame Mini¬
ster" nennen, sie sich in den Vorlagen an die Delegation der übrigen Länder
Seiner Majestät so wie auch in sonstigen amtlichen Kundgebungen des Ti¬
tels ,,Reichsminister" bedienen.

                Nr. 9c Interpellation Kerkäpoly und Genossen
      an das gemeinsame Ministerium betreffend die Organisation

                            des Ministeriums, o. O., o. D.

     Beilage zum GMRProt. v. 30. 1. 1868, RMRZ. 9
    Abschrift

    Nachdem das gemeinsame Ministerium mit der Delegation der ungari¬
schen Krone nach dem Gesetze unmittelbar in Berührung zu stehen hat, und
es konsequenterweise so eingerichtet werden muß, daß diese Berührung,
welche auch durch den schleunigen Gang der Geschäfte notwendig ist, ohne
Hindernisse erfolgen könne, so stelle ich an das gemeinsame Ministerium
die Anfrage, ob es in dieser Beziehung gesonnen sei, die erforderlichen
Vorkehrungen zu treffen.

         Nr. 10 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 31. Jänner 1868

     RS. (und RK.)
     Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke, der Reichskriegsminister
 [FML.] Freiherr v. Kuhn, der k. k. Ministerpräsident Fürst Auersperg, der kgl. ung. Minister¬
 präsident Graf Andrässy, der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay.
     Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
      Gegenstand: Interpellation in der ungarischen Delegation.

     KZ. [fehlt] - RMRZ. 10
     Protokoll des zu Wien am 31. Jänner 1868 abgehaltenen Mimsterrates für
 gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Frei¬
 herrn v. Beust.
<pb/>Nr. 10 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 31. 1. 1868  59

   Nachdem Reichsfinanzminister Freiherr v.
Becke die zwischen den gemeinsamen Ministerien vereinbarte1, hier in
Abschrift beiliegende, neueste Fassung der Beantwortung der Inter¬
pellationen verlesen hatte, nahm bezüglich derjenigen Stelle, in welcher es
heißt: ,,daß die Minister auch in dem hierländigen Gesetze Anhaltspunkte
für den Titel Reichsminister gefunden hätten&quot;, Graf Andrässy
das Wort, um sich für Weglassung dieses Passus aus folgenden beiden
Gründen auszusprechen: 1. weil es besser sei, den Punkt, daß die Gesetze in
beiden Teilen der Monarchie nicht gleichlautend seien, nicht aufzurühren
und 2. weil die ungarischen Minister dann immer attackiert werden würden,
wenn sie den Ausdruck ,,Reich&quot; gebrauchten.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Man habe ihm
eine Lektion gegeben, es sei sehr unangenehm, sich ungerechterweise ver¬
halten lassen zu sollen, man habe etwas übersehen. In der Weise, wie das
gemeinsame Ministerium die Sache jetzt anfasse, seien Folgerungen - wie
sie Graf Andrässy fürchte - nicht wohl möglich. Durch den Beweis, wie
man eigentlich im Recht gewesen sei, wird die beabsichtigte Konzession
noch erhöht.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Der Zweck,
den das gemeinsame Ministerium erreichen wolle, sei ja doch Verständi¬
gung. Wenn man der diesseitigen Delegation beweist, Recht gehandelt zu
haben, so werde dieser eine Waffe zum Beharren gegeben. In Ungarn sei der
Ausdruck ,,Reichsminister&quot; einmal nicht legal. Auch habe der Ausdruck
,,Reichsministerium&quot; keinen Sinn, wenn er nicht von beiden Seiten aner¬
kannt sei. Man solle die Deduktion durch einzelne Abgeordnete ausführen
lassen, aber nicht vom Ministerium der ungarischen Delegation gegenüber
so sprechen. Er betrachte sich solidarisch mit dem Reichsministerium, wol¬
le man aber in diesem Sinne Vorgehen, so sei er sicher, daß ihm die

Majorität ,,ausrutsche&quot;.
   Fürst Auersperg: Es sei wohl nicht die richtige Ver-

fahrungsweise, wenn die ungarische Delegation jedes Wort im Gesetze zum
Gesetze selbst mache. Wollte man sich selbst zu dieser Konzession ent¬
schließen, wer könne eine Bürgschaft übernehmen, daß es damit abgetan
wäre? Ungarn gebraucht der anderen Hälfte der Monarchie gegenüber den
Ausdruck: ,,übrige Länder&quot;, während es nach hiesigem Gesetze heißen
müsse ,,Königreiche und Länder&quot;, verfalle also selbst in den Fehler, den es

an andern rüge.
    Graf Andrässy: Dieser Gegenstand habe keine Portee.
    Fürst Karl Auersperg: Dieser Vorgang habe hier sehr

verletzt und werde als eine Zurücksetzung angesehen.

1 Vgl. GMR. v. 30. 1. 1868, RMRZ. 9.
<pb/>60 Nr. 10a Beantwortung der Interpellationen, o. O., o. D.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Er müsse auf
Beibehaltung der Passage Wert legen. In Ungarn sei die öffentliche Mei¬
nung ausgebildet und hätten sich die Zeitungen der Sache bemächtigt. Man
könne sich nicht sagen lassen, es seien Versuche gemacht worden, Unge¬
setzliches zu begehen. Der hiesige Reichsrat habe das Wort in das
Delegationsgesetz aufgenommen, man habe letzteres in Ungarn gelesen
und keine Reklamation erhoben. Nicht eine Erfindung des Ministeriums lie¬
ge vor, nur eine Ausdrucksweise für das, was man ,,gemeinsam&quot; nennt, sei
gegeben worden.

   Graf Andrässy: Im Delegationsgesetze heiße es bloß ,,Reichs¬
hälfte&quot;, nicht Reichsministerium. Reichsfinanzminister
Freiherr v. Becke: Es heiße ,,Ministerien für die beiderseitigen
Reichshälften&quot;.

   Graf Andrässy: Rücksichtlich Interpellation 2 müsse er sich
eine Fassung vorzuschlagen erlauben, worin gesagt werde, daß wenn eine
Anstellung ungarischer Funktionäre in dem Reichsministerium noch nicht
stattgefunden habe, dies lediglich den Schwierigkeiten der Ausführung zu¬
zuschreiben sei. In bezug auf die Interpellation sub 3 von Ghyczy und Ge¬
nossen erklärte Graf Andrässy, daß dieselbe möglichst kurz und entschie¬
den zurückzuweisen sein würde.

   Hiemit wurde die Beratung geschlossen.2
                                                          [Unterschrift von Beust fehlt.]

[Ah. E. fehlt.]

Nr. 10a Beantwortung der Interpellationen, o. O., o. D.

Beilage zum GMR. v. 31. 1. 1868, RMRZ. 10
Abschrift

Auf die erste Interpellation des Reichstagsdelegierten Kerkäpoly und

Genossen:

In den an die verehrte Delegation des hohen ungarischen Reichstages

gerichteten Vorlagen wurde die Bezeichnung ,,gemeinsames Ministerium

und gemeinsame Minister&quot; nach dem Wortlaute des XII. ungarischen

Gesetzesartikels angewendet. Wenn in den an die Delegation des Reichs¬

rates gerichteten Vorlagen der von derselben nicht beanstandete Ausdruck:

,,Reichsministerium&quot; und ,,Reichsminister&quot; gebraucht wurde, so war damit

keine mit der konstitutionellen Selbständigkeit Ungarns unvereinbare Be¬

zeichnung beabsichtigt. Es wur             lehr dieser Ausdruck in deutscher

Siehe Beilage Nr. 10a.
<pb/>Nr. 10a Beantwortung der Interpellationen, o. O., o. D.  61

Sprache als gleichbedeutend mit den Worten ,,beiden Teilen der Monarchie

gemeinsame Angelegenheiten&quot; angenommen.
   Indem jede Absicht, hiermit einen über die gemeinsame Angelegenhei¬

ten hinausreichenden Wirkungskreis anstreben zu wollen, sonach entschie¬
den in Abrede gestellt wird, so nimmt doch das Ministerium, um die Lösung
der wichtigen Aufgaben der Delegationen nicht durch Herumfragen zu er¬
schweren, keinen Anstand, dem ausgedrückten Wunsche mit der Erklärung
entgegenzukommen, daß es sich im Verkehre mit der einen und der anderen
Delegation künftig die Bezeichnung ,,gemeinsames Ministerium&quot; und ,,ge¬
meinsame Minister&quot; bedienen werde, indem man sich einer entsprechenden
Auffassung seitens der Delegation des Reichsrates versichert halten zu dür¬

fen glaubt.

   Zur zweiten Interpellation des Abgeordneten Kerkäpoly:
   Das gemeinsame Ministerium hat schon kurz nach seiner Konstituierung
aus eigener Initiative sich mit dem königlichen ungarischen Ministerium in
das Einvernehmen gesetzt, um geeignete Persönlichkeiten herbeizuziehen,
durch welche seitens des gemeinsamen Ministeriums sowohl rücksichtlich
der Geschäftsführung im allgemeinen als auch insbesondere in sprachlicher
Hinsicht mit der Delegation des ungarischen Reichstages eine direkte und
unmittelbare Berührung und Geschäftsverkehr hergestellt werden sollte.

Der Umstand, daß diesfalls noch kein Resultat erreicht worden, ist bloß den
Schwierigkeiten der Ausführung zuzuschreiben.

   Auf die Interpellation des Abgeordneten Ghyczy:
   In bezug auf die Erwägungen unter 1 und 2 bezieht sich das gemeinsame
Ministerium auf die eben abgegebenen Erklärungen. Was aber die Ernen¬
nung eines im XII. Gesetzartikel nicht ausdrücklich erwähnten gemeinsa¬
men Kriegsministers betrifft, wird folgendes bemerkt: daß nachdem § 27
des Gesetzartikels XII/1867 ausdrücklich die Bestimmung enthält, daß für
jene Gegenstände, welche als in der Tat gemeinsam weder unter die geson¬
derte Regierung der Länder der ungarischen Krone, noch die übrigen Län¬
der Seiner Majestät gehören, ein gemeinsames Ministerium zu errichten sei,
in dem § 9 desselben Gesetzes aber das Kriegswesen unter den in den nach¬
folgenden §§ 10 und 11 bestimmten Modalitäten als gemeinsam bezeichnet
wird; nachdem ferner nach § 15 des bezogenen Gesetzes die Ausgaben des
Kriegswesens gleichfalls gemeinsam sind, laut § 40 aber das gemeinsame
Budget durch das gemeinsame Ministerium der Delegation vorgelegt wird,
nachdem sonach dem Vorerwähnten zufolge durch den GA. XII/1867 die
Bestellung eines gemeinsamen Kriegsministers nicht nur nicht ausgeschlos¬
sen wird, sondern vielmehr durch den Geist dieses Gesetzes bedingt wird,
so hat Seine k. k. Apostolische Majestät durch einen Akt, womit Aller-
höchstderselbe die Ausübung eines Teiles der ihm als obersten Kriegsherrn
im Sinne des 11. § Art. XII zustehenden Funktion auf einen verantwortli-
<pb/>62 Nr. 11 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 2. 1868

eben Minister übertrug, nur einen erneuerten Beweis der Ah. verfassungs¬
mäßigen Absicht gegeben. Demzufolge kann die Ernennung des gemeinsa¬
men Kriegsministers um so weniger Grund zu Besorgnissen bieten, als in
den §§ 12, 13 und 14 XII Gesetzartikel diejenigen Punkte bezeichnet sind,
welche in bezug auf das Kriegswesen zu dem Wirkungskreise der betreffen¬
den Gesetzgebung gehören und die Herstellung des Wehrsystems im Sinne
der obbezogenen Gesetze derselben ungeschmälert Vorbehalten bleibt.

        Nr. 11 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. Februar 1868

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige:1 der Reichskanzler Freiherr v. Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v.
Becke (13. 2.), der k. k. Ministerpräsident Fürst Auersperg, der k. k. Finanzminister Brestei,
der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy, der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay.
    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
    Gegenstand: Anstände in der ungarischen Delegation das Reichsbudget betreffend.

   KZ. 68-RMRZ. 11
   Protokoll des zu Wien am 1. Februar 1868 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kai¬
sers.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: In der ungari¬
schen Delegation habe sich über mehrere Punkte eine Schwierigkeit erge¬
ben: Es handle sich nun darum, zwischen den Ministerien ein Einverständ¬
nis darüber zu erzielen, ob und inwieweit der Anschauungsweise der Dele¬
gation entgegengekommen werden könne.

   Finanzminister v. Lonyay, auf den Gegenstand näher
eingehend, äußerte: Bezüglich des Kriegsbudgets würde man die Vorlage
annehmen in der Erwägung, daß es sich nur um ein Übergangsbudget hand¬
le. Was das Äußere und die Finanzen betrifft, so ergäben sich folgende
Differenzen: 1. die Kosten für Erzeugung von Staatspapiergeld erschei¬
nen mit 1 150 000 fl. viel zu hoch beziffert. Man glaube nicht weniger als
650 000 fl. ersparen, daher nur 500 000 fl. bewilligen zu können. 2. Die
Zolleinnahmen, durch welche zum Teile die gemeinschaftlichen Ausgaben
gedeckt werden sollen, seien zu gering veranschlagt. Der Wahrheit nach
lassen sie sich berechnen mit 9 582 000 fl. Silber. Hievon kämen abzuzie-

       Auf dem Einsichtsbogen sind nur die gemeinsamen Minister angeführt, und er ist nur
       von Becke signiert. Nach den Namen ist hier und auch später in Klammern das Datum
       der Signierung angegeben.
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