Nr. 90b Károlyi an Mensdorff, Nikolsburg, 23. Juli 1866 (Beilage zu: MRP-1-6-02-0-18660726-P-0090.xml) - Retrodigitalisat (PDF)
- Bericht Nr. 1 B; Ausfertigung in HHSTA., PA. III 93 ; Abschrift als Beilage zum MRProt. v. 26. 7. 1866.
MRZ. – KZ. –
Hochgeborner Graf!
Der König empfing mich heute mittag. Se. Majestät trug mir in warmen Worten auf, Seinen tiefen Schmerz über den Krieg, den Er einen naturwidrigen nannte, zur Kenntnis Sr. Majestät des Kaisers zu bringen, und mit Tränen in den Augen und mit zitternder Stimme ließ Er Sich über die Verhältnisse und Ereignisse aus, welche zu dem kriegerischen Konflikte zwischen Österreich und Preußen geführt haben.
Hinsichtlich der auf Grundlage der französischen Vermittlungsvorschläge zu verhandelnden Friedenspräliminarien vertrat ich mit aller Entschiedenheit die Territorialintegrität Sachsens und empfahl der billigen Berücksichtigung Preußens die Frage der Kriegsentschädigung. Was den ersten Punkt betrifft, bemerkte der König, daß er den Minister Beust als den speziellen Urheber des Zerwürfnisses betrachte, welches den Krieg herbeigeführt hat: Sachsen sei der Verführer, die anderen Staaten, namentlich Kurhessen und Hannover, seien bloß die Verführten gewesen, und es sei unbillig, ersteren, nämlich den Verführer, ganz unversehrt aus dem Kampfe hervorgehen zu lassen, während Preußen sowohl für die notwendige Territorialverbindung seines Gebietes als vom Standpunkte der Rechte des Siegers sich veranlaßt sehen würde, bei den weiteren Friedensverhandlungen mit den betreffenden Staaten eben auf Kosten jener Verführten Territorialerwerbungen zu machen. Diese Äußerungen des Königs rücksichtlich beabsichtigter Annexionen in Norddeutschland wurden auch durch gleichlautende Andeutungen des Grafen Bismarck bestätigt, und es unterliegt in meinen Augen keinem Zweifel, daß Preußen bei den definitiven Friedensverhandlungen ähnliche Forderungen durchzusetzen entschlossen ist. Der König möchte in dieser Beziehung von Seinem Standpunkte aus Gerechtigkeits- und Gefühlspolitik treiben, während Graf Bismarck, die Situation mit nüchternem Blicke beurteilend, bloß positive Vorteile anstrebt und der Ansicht ist, daß sich der Einverleibung Kurhessens oder Hannovers oder einzelner Teile dieser Länder in Preußen seitens Europas viel weniger Schwierigkeiten entgegenstellen werden als einer Zerstückelung Sachsens, für dessen Integrität sich namentlich Frankreich bereits durch das Organ des Herrn Benedetti entschieden verwendet hat. Hinsichtlich der Wahrung der Integrität Sachsens erwähnte der König schließlich, daß Er Seine Absichten noch nicht definitiv festgestellt habe, und obwohl ich glaube, daß es ebensosehr Seinem innersten Wunsche entsprechen würde, den Leipziger oder den Bautzner Kreis von Sachsen zu erwerben, als Österreichisch-Schlesien mit Preußen zu vereinigen, so hoffe ich doch, daß die im vorstehenden Berichte angeführten, vom Grafen Bismarck ad referendum genommenen Vorschläge von Sr. Majestät gutgeheißen werden. Was die von Österreich zu leistende Kriegsentschädigung anbelangt, so enthielt Sich der König einer eingehenden Äußerung hierüber und schien nicht der eventuellen Zusicherung unserer Zustimmung || S. 184 PDF || zu etwaigen Territorialvergrößerungen Preußens innerhalb der Mainlinie einen genügenden Wert beizulegen, um hierin eine Kompensation für die Kriegsentschädigung zu erblicken.