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Nr. 90a Károlyi und Brenner an Mensdorff, Nikolsburg, 23. Juli 1866 (Beilage zu: MRP-1-6-02-0-18660726-P-0090.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • Bericht Nr. 1 A; Ausfertigung in HHSTA., PA. III 93 ; Abschrift als Beilage zum MRProt. v. 26. 7. 1866.

MRZ. – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Hochgeborner Graf!

Gestern nachmittags hier eingetroffen, hatten wir heute um 12 Uhr die erste Konferenz mit Grafen Bismarck, welcher auch der Chef des preußischen Generalstabes, Generalleutnant v. Moltke, beiwohnte.

Graf Bismarck eröffnete die Verhandlungen auf der Basis der von Frankreich vorgeschlagenen und von Preußen angenommenen Präliminarien, indem er dieselben ihrer Reihenfolge nach zur Sprache brachte. Die Punkte in betreff der Aufrechterhaltung der Integrität der österreichischen Monarchie, der Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes und der Bildung einer nördlichen Union unter Preußens Führung sowie eventuell eines süddeutschen Staatenbundes, endlich der Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen gaben zu keiner Erörterung Anlaß, weil wir ermächtigt waren, in diese Bestimmungen einzuwilligen. Am meisten Schwierigkeit bot die Frage wegen der Kriegsentschädigung dar. Graf Bismarck berechnete in runder Summe die von Preußen geforderten Kriegskosten auf 100 Millionen Taler, wovon die eine Hälfte von Österreich, die andere von dessen Verbündeten zu tragen wäre. Wir machten dagegen in erster Linie geltend, daß von ersterer Summe jedenfalls der Betrag abzuziehen wäre, den Österreich für seine Kriegskosten im deutsch-dänischen Kriege von den Herzogtümern zu fordern habe, was Graf Bismarck als gerechtfertigt anerkannte. Dieser Anspruch beläuft sich nach seiner Angabe auf 12 Millionen Taler. Ferner hoben wir nachdrücklich hervor, daß auch die von den durch Preußen okkupierten österreichischen Landesteilen während des gegenwärtigen Krieges geleisteten enormen Naturallieferungen und Geldzahlungen in Abschlag gebracht werden müßten. Graf Bismarck sowohl als General Moltke suchten hartnäckig unsere Aufstellung zu bestreiten, ließen sich aber schließlich doch herbei, diesen Posten, den sie auf beiläufig 8 Millionen Taler anschlugen, ebenfalls von der preußischen Kriegsentschädigung abzuziehen. Es blieb somit nach Abzug obiger zwei Posten die Summe von 30 Millionen Talern übrig, welche Graf Bismarck als den auf Österreich entfallenden Anteil der Kriegskostenentschädigung formulierte. Er fügte jedoch zugleich die Bemerkung bei, daß im Falle die kaiserliche Regierung unter dem Titel einer Grenzregulierung in [die] Abtretung einiger keilförmig in das preußische Schlesien vorspringenden Gebietsteile einwillige, Preußen auf jede pekuniäre Kriegsentschädigung verzichten würde. Diese Gebietsteile wären: 1. der Winkel oberhalb Reichenbergs in der Richtung Friedland–Neustadtl, wobei der südwärts von Friedland liegende Höhenzug die Grenze bilden würde. 2. Ein ähnlich vorspringender Winkel westlich von Braunau, wo die Grenze längs der Linie des Heuschnera Gebirgsrückens zu laufen hätte. Endlich 3. ein Teil von Österreichisch-Schlesien nordwärts von der || S. 180 PDF || Linie Hirschbad–Gräfenberg–Johannesthal–Roßwald. Graf Bismarck erklärte, hauptsächlich wegen gewisser unter den zwischenliegenden Teilen Preußisch-Schlesiens herzustellenden Eisenbahnverbindungen großen Wert auf eine solche Abtretung seitens Österreichs zu legen, deren Umfang er im ganzen auf etliche 20 Quadratmeilen mit ungefähr 100.000 Einwohnern veranschlagte. Wir erklärten dagegen, zu einem derartigen Zugeständnisse, welches mit der in den Präliminarien festgestellten Integrität der österreichischen Monarchie im Widerspruch stehe, nicht ermächtigt zu sein und suchten dem Grafen Bismarck eine Verzichtleistung auf jede pekuniäre Entschädigungsforderung dadurch annehmbar zu machen, daß wir die Zustimmung Österreichs zu einer eventuellen Abtretung von Landesteilen in sichere Aussicht stellten, welche Preußen von Hannover und Kurhessen erwerben würde, um einen ununterbrochenen Zusammenhang zwischen seiner westlichen und östlichen Reichshälfte herzustellen. Graf Bismarck schien aber diesem Zugeständnisse von unserer Seite keinen hohen Wert beizumessen, weil er schon früher und noch heute durch ein eben erhaltenes Telegramm aus Paris versichert worden sei, daß Kaiser Napoleon eine Annektierung hannoverischer und kurhessischer Landesteile zur Herstellung der Kontiguität Preußens als in Billigkeit anerkenne und dazu seine Beistimmung zusage. Die Wahrung der Integrität Sachsens wurde von uns als eine unerläßliche Bedingung unserer Annahme der Friedenspräliminarien festgehalten. In der langen Erörterung, welche sich über diesen Punkt entspann, suchte Graf Bismarck uns zu überzeugen, daß er für seine Person, wenn dadurch der künftigen staatsrechtlichen Stellung Sachsens zu dem neuen preußisch-deutschen Staatsorganismus nicht vorgegriffen werde, gegen die ungeschmälerte Integrität Sachsens gar nichts einzuwenden habe, hingegen sei der König gegen die sächsische Regierung derart erbittert, daß Se. Majestät nur schwer dazu zu bewegen sein werde, einer Vergrößerung Preußens durch sächsisches Gebiet zu entsagen. Dennoch machte sich Graf Bismarck auf unser Zudringen anheischig, beim König dahin zu wirken, daß in die Präliminarien ein Passus eingeschaltet werde, wonach die Wahrung der Integrität Sachsens eine der Stipulationen des definitiven Friedensvertrages zu bilden hätte, vorausgesetzt, daß die Frage der Kriegsentschädigung durch Österreich in dem Sinne der obigen Alternative, d. h. entweder Zahlung von 30 Millionen Talern oder Abtretung der vorerwähnten österreichischen Grenzdistrikte, entschieden sei. Wir übernahmen es, unsererseits die vorgeschlagenen Modalitäten zur Lösung der Entschädigungsfrage der kaiserlichen Regierung vorzulegen, und erbitten uns daher über letztere baldmöglichst die betreffenden Instruktionen.

Was die militärische Seite der Waffenstillstandsbedingung angeht, so erhoben die Preußen mit keinem Worte den Anspruch, eine oder mehrere österreichische Festungen während dessen Dauer eingeräumt zu erhalten, sie bestanden nur darauf, daß ihnen die freie Kommunikation mit ihrem eigenen Lande gesichert werde, eine Forderung, die sie namentlich auch auf die Feste Königstein ausdehnten und anheimgaben, ob es nicht angemessen wäre, schon jetzt, während der Waffenruhe, die hoffentlich vor ihrem Ablaufe in einen Waffenstillstand übergehen werde, dem Kommandanten von Königstein rechtzeitig den Befehl zugehen || S. 181 PDF || zu lassen, daß er den Verkehr im Elbetal nicht hindere, was gegenwärtig noch immer der Fall sei und in Folge des dadurch notwendigen Umweges eine Verteuerung der preußischen Proviantbezüge etc. und somit eine Erhöhung der Sachsen anzurechnenden Kriegskosten veranlasse. Graf Degenfeld hat die unsererseits beantragte Demarkationslinie dem General v. Moltke mitgeteilt, welcher sich seine Rückäußerung darüber vorbehielt. Hinsichtlich der Dauer des Waffenstillstandes machten die beiden preußischen Herren wiederholt und nachdrücklich geltend, daß sie gegen eine längere Frist, als entschieden unvorteilhaft für Preußen, sich aussprechen müßten und daher höchstens eine zweiwöchige Dauer zugeben könnten. Wir glaubten jedoch schließlich aus ihren Äußerungen annehmen zu dürfen, daß sie, falls, wie es zu hoffen steht, es binnen der Waffenruhe zur Unterzeichnung der Präliminarien kommen sollte, wodurch der definitive Friedensabschluß selbst als gesichert zu betrachten wäre, gegen die Festsetzung einer vierwöchigen Frist keine Einwendungen mehr erheben würden.

Einen sehr wichtigen Punkt bildete die Frage der Beiziehung Italiens zu dem zwischen Österreich und Preußen abzuschließenden Waffenstillstande. Graf Bismarck stellte nicht in Abrede, daß in dieser Hinsicht von Italien möglicherweise Schwierigkeiten zu gewärtigen seien; er würde sich aber seinerseits nicht dadurch abhalten lassen, sich ohne Rücksicht darauf mit uns zu verständigen und wolle gern in das betreffende Instrument des Waffenstillstandes einen Artikel einschalten, wonach sich Preußen verpflichtet, binnen kürzester Frist Italiens Beitritt zu erwirken, vorausgesetzt, daß die Abtretung Venetiens an dasselbe stattgefunden habe. Herr Benedetti versicherte uns wiederholt, wir sollten über diesen Punkt ohne Sorge sein; wenn wir uns nur einmal mit Preußen über die Präliminarien geeinigt hätten, würde die Zustimmung Italiens ohne weiteres erfolgen. Graf Bismarck wolle das Bündnis mit Italien nur so lange nicht fallen lassen, als noch die Gefahr eines Wiederausbruches des Krieges vorhanden wäre; sowie er aber durch Unterzeichnung der Präliminarien mit Zuversicht darauf rechnen könne, daß der definitive Friede gesichert sei, werde er auf Italien schon im Sinne des Friedens einzuwirken wissen, und Frankreich habe wohl bereits zur Stunde durch die Sendung des Prinzen Napoleon die Angelegenheit der Abtretung Venetiens seinerseits zum Abschlusse gebracht. Übrigens werde er, Benedetti, noch heute abermals in diesem Sinne an seine Regierung telegrafieren. General Govone hat Florenz am 18. 1. M. verlassen, um sich hieher zu begeben, wo man ihn täglich erwartet. Durch ihn wird man erfahren, wie sich Italien zur Frage des Waffenstillstandes zu stellen gedenkt.

Wir haben dem Grafen Bismarck von allem Anfange erklärt, daß wir die Beteiligung Bayerns an den Friedenspräliminarien vorbehalten müßten. Er konnte natürlich dagegen nichts einwenden, sprach jedoch den dringenden Wunsch aus, daß wir gegenseitig uns einigen möchten, ehe Freiherr v. der Pfordten hier eintrifft, damit man imstande sei, ihm ein bereits zwischen Österreich und Preußen vereinbartes Instrument zur Annahme vorlegen zu können. Wir stellen es daher Euer Exzellenz ergebenst anheim, dahin zu wirken, daß der bayerische Minister sich erst dann hieher begebe, sobald ein solches Resultat unmittelbar in Aussicht steht.

|| S. 182 PDF || Schließlich betonte es der preußische Ministerpräsident als besonders wünschenswert, ja selbstverständlich, daß die Verhandlungen über den definitiven Friedensvertrag ohne Zeitverlust nach der Unterzeichnung der Präliminarien zu eröffnen wären und eine hierauf bezügliche Bestimmung in letztere aufgenommen werden sollte. Was den Ort der Friedenskonferenzen betrifft, meinte Graf Bismarck, es wäre am vorteilhaftesten, einen solchen zu wählen, der möglichst nahe vom Hauptquartier des Königs und zugleich von Wien wäre. Nikolsburg selbst oder etwa Eisgrub, gegenwärtig Hauptquartier des Kronprinzen, scheine dieser Bedingung am besten zu entsprechen.

Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck unserer tiefen Ehrfurcht Károlyi m. p. Brenner m. p.