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Nr. 1 Ministerrat, Wien, 29. Juli 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Belcredi 29. 7.), Mensdorff 7. 8., Esterházy 7. 8., Mailáth 7. 8., Komers, Haller; abw. Franck.

MRZ. 1 – KZ. 2344 –

Protokoll des zu Wien am 29. Juli 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Ansprache des Kaisers an das Ministerium. Regierungsgrundsätze[1]

Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu eröffnen, Allerhöchstdieselben hätten heute die Konferenz berufen, um den neuen Ministern bei ihrem Antritte1 einige allgemeine Ansichten und Wünsche bekanntzugeben.

Vorerst fände Sich Se. Majestät Ah. bewogen, das neue Ministerium der kaiserlichen Huld und Gnade zu versichern und demselben zu sagen, daß es das volle Vertrauen Sr. Majestät genieße und Allerhöchstdieselben Sich in der glücklichen Lage sehen, nun Minister um Sich zu haben, von denen Se. Majestät überzeugt sind, daß sie die Ah. aus der innersten Überzeugung entspringenden Absichten vollkommen teilen.

Bei der schwierigen Aufgabe, welche dem neuen Ministerium auferlegt ist, wolle Se. Majestät demselben einige Schlagworte vorzugsweise an das Herz legen. Diese seien: Vertrauen, Mut, Ausdauer und Festigkeit.

Das Vertrauen müsse gegenseitig sein. So, wie Se. Majestät den Ministern das volle Vertrauen schenke, ebenso nehmen Allerhöchstdieselben auch für Sich das unbedingte Vertrauen der Minister in Anspruch und verpflichten daher dieselben, stets und bei jedem Anlasse die volle Wahrheit zu sagen, in allen Angelegenheiten ihre Ansichten und Meinungen stets wahr und offen, selbst auch dann, wenn sie mit den Ah. Anschauungen nicht übereinstimmen, Sr. Majestät darzulegen. Austausch der Ansichten führe am besten zur Verständigung, so, wie man auf geradem und offenem Wege am sichersten zum Ziele gelange.

Mut! Diesen setze Se. Majestät zwar als selbstverständlich voraus, doch wollen Allerhöchstdieselben aufmerksam machen, daß in den gegenwärtigen Verhältnissen ein ganz besonderer Grad von Mut dazu notwendig sei, das Amt eines Ministers zu übernehmen, denn an Opposition gegen das jetzige Ministerium werde es gewiß nicht fehlen, nicht geringe Hindernisse werden demselben in den Weg gelegt werden, und man müsse eines Kampfes gewärtig sein, der nicht so leicht durchzuführen sein wird. Se. Majestät erwarten daher, daß sich das Ministerium durch nichts beirren lassen und an den vorgezeichneten Grundsätzen festhalten und in allem und jedem mit festem Willen und Energie vorgehen werde.

|| S. 4 PDF || Ausdauer erwarten Se. Majestät, weil das begonnene Werk nur dann gedeihen und zum günstigen Resultate gebracht werden kann, wenn man bei der Arbeit gleichmäßig bis zum Schlusse ausharrt.

Festigkeit! Diese sei vor allem sehr notwendig, und Se. Majestät erwarten daher, daß mit unerschütterlicher Treue an den bestimmten Grundsätzen festgehalten werde. Voran stehe der Grundsatz der „Einheit der Monarchie“; und in dieser Beziehung wollen Se. Majestät besonders den ungarischen Herren des Ministeriums2 die Aufgabe stellen, an diesem Grundsatze namentlich gegenüber ihrem engeren Vaterland, von wo sie manchen Anfechtungen ausgesetzt und mancher Opposition begegnen werden, mit aller Kraft festzuhalten.

Nebst diesen vorangeführten Eigenschaften seien aber noch zwei Punkte, welche Se. Majestät ebenfalls hervorheben wollen. Der erste sei der Fleiß; denn nur mit dem größten Fleiße und rastloser Tätigkeit werde es möglich sein, die große Aufgabe zu lösen und durch faktische Resultate die Wünsche zu befriedigen. Der zweite und wichtigste Punkt sei „die Einigkeit des Ministeriums nach außen“. Die Sitzungen des Ministerrates seien dazu da, um alle wichtigen Fragen und Gegenstände vorläufig einer reiflichen Erwägung und eindringlicher Beratung zu unterziehen. Sobald aber der Ministerrat einen Beschluß gefaßt hat, so muß derselbe nach außen immer nur als eine Ansicht des Gesamtministeriums zutage treten, und es darf nicht auch nur durchschimmern, daß irgendeine Divergenz hiebei bei einem oder dem andern Minister vorhanden war. Dieses bedinge vor allem die Wahrung des strengsten Geheimnisses, nicht bloß bezüglich der Beratungen in den Konferenzen, sondern überhaupt in allen wichtigen Regierungsangelegenheiten. Die schriftlichen Protokolle der Ministerberatungen dürfen nur in die Hände der Minister selbst kommen, und Se. Majestät erwarte, daß es von nun an nicht mehr vorkomme, wie es bisher leider geschah, daß selbst untergeordnete Beamte der Ministerien von diesen Schriften Einsicht bekamen.

Seine k. k. apost. Majestät sprachen schließlich die Überzeugung aus, daß die Minister diesen allgemein angedeuteten Wünschen gewiß nachkommen werden, und geruhten nur noch zu bemerken, daß Allerhöchstdieselben einige Vorträge der früheren Minister den betreffenden neuen Ministern zur Begutachtung zurückstellen werden.

Der Staatsminister erbat sich hierauf das Wort, um Sr. Majestät im Namen seiner Kollegen für das ihnen in so huldreicher Weise entgegengetragene Ah. Vertrauen den ehrerbietigsten Dank auszusprechen und zugleich die heiligste Versicherung Sr. Majestät zu Füßen zu legen, daß das gesamte Ministerium mit seiner ganzen Kraft und mit unverbrüchlicher Treue den Ah. Befehlen nachzukommen bemüht sein werde.

Erh[alten] 12. August 1865. Belcredi. A[h]. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 11. August 1865.