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Nr. 456 Ministerrat, Wien, 18. März 1864 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Rechberg 20. 3.; nur BdE.), Mecséry, Schmerling, Plener, Esterházy, Burger, Franck; abw. Rechberg, Nádasdy, Lasser, Hein, Lichtenfels, Forgách; BdR. Rechberg 29. 3.

MRZ. 1260 – KZ. 904 –

Protokoll I des zu Wien am 18. März 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzoges Rainer.

[I.] Mehraufwand für die Kriegsabnützung der Armee

Der Kriegsminister las seinen Allerhöchstenortes zur Konferenzberatung bestimmten au. Vortrag vom 12. März 1864 wegen eines Mehrerfordernisses für Kriegsabnützungsperzente der Armee, dann für Montur und Rüstung auf 85.000 Rekruten (für den Fall, daß im laufenden Jahre eine zweite Rekrutierung Platz greifen sollte)1. FML. Ritter v. Franck hat nämlich durch eine Kommission die Kriegsbedürfnisse für ein Feldzugsjahr prüfen lassen und damit die Lösung der Aufgabe verbunden, ob a) überhaupt, und inwieferne die bisher bestandenen Abnützungsperzente einer Änderung fähig sind und b), inwieweit es mit dem eine volle Beruhigung gewährenden Zustande der Schlagfertigkeit des Heeres vereinbar sei, die Bedürfnisse dieser Kriegsabnützungsperzente und der Erfordernisse für die 85.000 Rekruten nur teilweise zu bedenken2. Aus || S. 299 PDF || den im Vortrage entwickelten Gründen trägt der Kriegsminister einstimmig mit der Kommission darauf an, für die Kriegsabnützung der Armee an Montur und Rüstung (mit Rücksicht auf die vorauszusehenden Preissteigerungen) auf 6,989.100 fl. Ah. zu bestimmen. Sollte jedoch der finanziellen Lage die weitestgehende Berücksichtigung zugewendet werden müssen, so wollen wenigstens vier Fünftel der obigen Summe, d. i. 4,891.280 fl., Ag. bewilligt werden. Was aber die Montur- und Rüstungserfordernisse für 85.000 Rekruten betrifft, so wäre das Material dazu vollständig beizuschaffen. (Das diesfällige Gelderfordernis ist im Vortrag nicht angegeben.) Schließlich erbittet sich der Kriegsminister die Flüssigmachung der bezüglichen Geldsummen.

Der Finanzminister äußerte, daß nach den soeben vernommenen au. Anträgen eine weitere, beträchtliche Vermehrung des bereits auf 132 Millionen gestiegenen Armeebudgets eintreten soll, eines Budgets, das vor einem Monate erst mit der Reichsvertretung auf 107 Millionen vereinbart worden ist3. Man macht den Bedarf für die Schlagfertigkeit als Motiv der neuesten Anforderungen geltend, aber hatte denn nicht schon der frühere Kriegsminister diesen Bedarf seinem Voranschlage pflichtmäßig zum Grund zu legen? Wenn die Abnützung der Montur etc. während eines Feldzuges etwas Unvermeidliches ist, warum hat man die diesfällige Berechnung nicht früher gemacht und dem Reichsrate behufs eines Nachtragskredites vorgelegt? Da den vorliegenden Anträgen die nahe Aussicht auf einen europäischen Krieg zum Grunde liegt, so wendete sich der Finanzminister zur Erörterung, ob denn diese Gefahren wirklich jetzt eingetreten und die Aussichten so kriegerisch seien, um sich auf so kostspielige Weise zu rüsten. Nach den eigenen Anschauungen des Ministers sowohl als nach den ihm auf verschiedenen Wegen zukommenden Berichten ist eine Gefahr drohende Wendung in neuester Zeit nicht eingetreten. Es wiederholt sich nämlich nur, wie alljährlich im Frühling, das Kriegsgeschrei der Agitatoren, welches allem Anschein nach bald wieder verstummen wird. Das „holsteinsche Zündhölzchen“ scheint auch nicht angetan, einen europäischen Brand zu schüren. Angenommen aber, selbst es bräche jetzt oder bis zum Mai ein großer Krieg aus, so würde doch die erst nunmehr machenden aund auf zwölf Monate zu verteilendena Tuchlieferungen für die Bekleidung der Armee zu spät kommen. Es würde daher unter allen Umständen sehr schwer werden, die in Rede stehende abermalige Budgetüberschreitung z. B. vom Standpunkt der gegenwärtigen Weltlage zu rechtfertigen. Dieses Bedenken, bnämlich die Unzulässigkeit, in einem Zeitraum von kaum vier Wochen nach geschlossener Reichsratssession mit einem neuen Erfordernisse, welches nicht durch außerordentliche Ereignisse motiviert werden kann, das festgestellte Budget zu belastenb, stehe dem Finanzminister in erster Linie. Beiläufig wolle er aber auch noch erwähnen, daß schon unter den gegenwärtigen Verhältnissen dem Staatsschatz bereits im Mai ein Abgang von sechs Millionen bevorsteht, für den Rat || S. 300 PDF || geschaffen werden muß. cDagegen stehe nichts entgegen, die in Frage stehenden Auslagen für die erhöhte Schlagfertigkeit der Armee im Budget für 1865 aufzunehmen und bei der diesfälligen reichsrätlichen Verhandlung gehörig zu vertreten.c Der Kriegsminister erwiderte, man könne ihn doch nicht dafür verantwortlich machen, daß sein Amtsvorfahre gewisse Posten in seinem Voranschlag nicht berücksichtigt hat. FML. Ritter v. Franck aber betrachte sich dafür verantwortlich, jene Maßregeln au. zu beantragen, welche zur Schlagfertigkeit der k. k. Armee unter den gegenwärtigen drohenden Verhältnissen nötig sind. Daß diese Maßregeln mit neuem Kostenaufwande schon jetzt, bald nach Schluß der Reichsratssession, ergriffen werden müssen, sei allerdings zu bedauern, aber doch nicht zu vermeiden. Ein großer Krieg ist nämlich dermal nicht bloß möglich, sondern selbst wahrscheinlich. Bei dessen Verwirklichung muß dann sofort eine Rekrutenaushebung stattfinden, und diese 85.000 Mann muß man bekleiden, wenn sie eingereiht werden sollen. Es ist daher ein Gebot der einfachsten Vorsicht, wenigstens das Material zur Bekleidung beizuschaffen, um den eventuellen Verlegenheiten und größeren Anschaffungskosten vorzubeugen. Den Kritiken im Abgeordnetenhause sei es überhaupt schwer zu entgehen, und sie würden die Regierung am härtesten treffen, wenn sie sich unvorbereitet vom Kriege hätte überraschen lassen. Man würde ihr mit Recht vorwerfen, gerade in diesem Fall vom § 13 keinen Gebrauch gemacht zu haben. Der Polizeiminister verkannte nicht die Richtigkeit dieser Bemerkung, wollte auch nicht die Notwendigkeit der Maßregeln zur Vermehrung unserer Schlagfertigkeit überhaupt bestreiten, allein es schien ihm doch, daß der Moment dazu noch nicht gekommen ist, und daß es geraten wäre, den nahen oder entfernteren Zeitpunkt abzuwarten, wo sich diese Notwendigkeit in schlagender Weise herausstellen wird. Der Staatsminister teilte ganz diese Meinung. Obgleich ein warmer Vertreter der k. k. Armee, könne er doch nicht verkennen, wie mißlich es wäre, wenige Wochen nach Votierung eines für eine schlagfertige Armee berechneten Budgets, bedeutende Mehrauslagen zur Erzielung der „Schlagfertigkeit“ zu machen. Der Vorwurf aus diesem Titel träfe wohl nicht den neu eingetretenen Kriegsminister, wohl aber die älteren Mitglieder des Kabinetts. Nur eine neu entstandene dringende Kriegsgefahr könnte als Motiv genommen werden. Tritt dieselbe in den nächsten Monaten noch nicht ein, so kann der Mehraufwand wahrscheinlich vertagt werden, bis er durch Einstellung der fraglichen Posten in das Budget für 1865 oder durch einen Nachtragskredit für 1864 seine verfassungsmäßige Bedeckung erhalten hat.

Die Minister Graf Esterházy, Baron Burger und schließlich der Finanzminister vereinigten sich mit der vom Staats- wie vom Polizeiminister ausgesprochenen Meinung, und Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog formulierten den au. Antrag der Stimmenmehrheit dahin, daß – wofern nicht neue Ereignisse die Gefahr eines großen Krieges entschieden hervortreten lassen – von den in Rede stehenden nicht präliminierten Ausgaben vorderhand Umgang zu nehmen und eventuell die verfassungsmäßige Bedeckung für dieselben während der nächsten Reichsratssession einzuholen wäre4.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 27. März 1864. Präs[entatum] 29. März 1864. Rechberg.