Nr. 263a Stellungnahme Degenfelds zur Gemeindeordnung und Gemeindewahlordnung, o. O., o. D. (Beilage zu: MRP-1-5-04-0-18621001-P-0263.xml) - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; Beilage zum Sammelprotokoll v. 18. 9. und 1. 10. 1862.
MRZ. – KZ. –
Das Kriegsministerium hält bezüglich des Wahlrechtes der Offiziere bei Gemeindewahlen folgende Ansichten fest: Belangend das aktive und passive Wahlrecht der im definitiven Ruhestande befindlichen und mit Beibehalt des Militärcharakters ausgetretenen Offiziere hat das Kriegsministerium über den Entwurf nichts zu erinnern. Was aber die aktiven Offiziere betrifft, so wird zugestanden:
1. Daß diese Offiziere, sofern sie einen Realbesitz in der Gemeinde haben oder ein steuerbares Einkommen daselbst besitzen, mithin zu den Gemeindegliedern zählen, nach § 1, Absatz 1, der entworfenen Wahlordnung für wahlberechtigt (aktives Wahlrecht) erklärt werden und daß sie dieses Wahlrecht nach § 4, Absatz 2, der entworfenen Wahlordnung nur durch Bevollmächtigte ausüben können.
2. Daß ein aktiver Offizier, sofern er von seinem Besitze wenigstens ein Vierteil von den gesamten in der Gemeinde vorgeschriebenen direkten Steuern entrichtet, auch ohne Wahl in den Gemeindeausschuß als Mitglied eintreten könne (Virilstimme), sich jedoch, wenn er von diesem Rechte Gebrauch machen will, durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen müsse (Entwurf Hauptstück III, § 16).
Dagegen ist das Kriegsministerium nicht der Meinung, daß aktive Offiziere, welche nur durch ihre Geburt einer Gemeinde angehören oder nur zeitlich sich daselbst aufhalten, das aktive Wahlrecht bei Gemeindewahlen ausüben sollen, wenngleich durch Bevollmächtigte. Der vorzüglichste Grund dieser Negation liegt darin, daß es notwendig erscheint, dienende Offiziere überhaupt und unter den dermaligen politischen Zuständen insbesondere von politischen Versammlungen und Verhandlungen möglichst fernzuhalten. Zwar wurde in der Ministerkonferenz von einer Stimme die Bemerkung gemacht, daß Gemeinden keine Politik zu treiben, sondern nur für ihre eigenen Angelegenheiten zu sorgen haben. Allein, obgleich diese Einwendung theoretisch richtig ist, so lehrt doch die Erfahrung, daß sich gerade bei Gemeindewahlen stets auch politische Tendenzen geltend machen, indem die auf dem politischen Gebiete einander entgegenstehenden Parteien zu diesen Wahlen ihre politischen Parteiansichten mitbringen und ihr Wahlrecht vorzugsweise nach diesen ihren Anschauungen ausüben. Am sichtbarsten zeigt sich diese Erscheinung in den städtischen Gemeinden Böhmens, wo bei Gemeindewahlen die politischen Bestrebungen der Ultratschechen mit jenen der Verfassungspartei in sehr lebhafte Kämpfe geraten.
Wäre es nicht sehr bedenklich, alle aktiven Offiziere ohne Unterschied an solchen Agitationen teilnehmen zu lassen? Und welches Interesse kann ein Offizier, der in einer Gemeinde nichts besitzt, an den Wahlakten derselben haben? Welche unfruchtbare Schreiberei würde dadurch veranlaßt, wenn z. B. Offiziere, die weit entfernt von ihrer Gemeinde, der sie als heimatberechtigt angehören und mit der sie meistens nicht einmal in persönlichen Beziehungen stehen, an solchen Akten, wenngleich durch Bevollmächtigte, teilnehmen sollten? Schließlich kann nicht unbemerkt gelassen werden, daß der von dem Herrn Staatsminister zur Unterstützung || S. 225 PDF || seiner Ansicht angeführte Grund, es müsse nämlich der Regierung daran liegen, daß an den Ausschußberatungen 30—40 verläßliche Männer sich beteiligen, kaum maßgebend sein dürfte, denn wenn es, wie der Entwurf verlangt, den aktiven Offizieren zur Pflicht gemacht wird, sich an den Ausschußverhandlungen nur durch Bevollmächtigte zu beteiligen, so hängt alles davon ab, ob die Offiziere solche Bevollmächtigte zu wählen in der Lage sein würden, deren loyale Gesinnung keinem Zweifel unterliegt. Dies ist aber bei den nur sehr lockeren Beziehungen, worin die Vollmachtgeber mit den Gemeindegliedern leben, im höchsten Grade problematisch. Nur bei jenen Offizieren, die in einer Gemeinde einen Realbesitz haben, daher auf einen näheren Verkehr mit der Gemeinde angewiesen sind, läßt sich dies annehmen, nicht aber auch bei jenen, die bloß durch ihre Geburt Gemeindeangehörige sind und seit ihrer Geburt vielleicht gar nicht wieder in die Gemeinde gekommen sind. Degenfeld, FZM.