Nr. 193 Ministerrat, Wien, 5. Februar 1862 — Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 6. 2.), Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels 7. 2., Forgách 8. 2., Esterházy, Hock 6. 2.; abw.abwesend Pratobevera; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Rechberg 15. 2.
MRZ. 997 – KZ. 451 –
Protokoll I des zu Wien am 5. Februar 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.
I. Gesetz zur Regelung des Promessengeschäftes mit Anlehenslosen
Sektionschef Freiherr v. Hock referierte über einen an den Reichsrat zu leitenden Gesetzentwurf des Finanzministers, womit die bestehenden Anordnungen über das Promessengeschäft mit Anlehenslosen abgeändert werden1.
|| S. 253 PDF || Der Referent beleuchtete umständlich die Natur der gegenwärtig so häufig vorkommenden Promessengeschäfte und die Notwendigkeit, diese Geschäfte unter Aufhebung des bestehenden aber ganz wirkungslosen Verbotes derselben auf eine Weise zu regeln, die dem Mißbrauche steuert, dem Publikum eine Garantie gewährt und dem Staatsschatze eine unter den gegenwärtigen Verhältnissen besonders erwünschte Mehreinnahme von ungefähr 400.000 fl. jährlich in Aussicht stellt. Laut des brevi manu eingesehenen Protokolls der staatsrätlichen Beratungen über diesen Gegenstand habe sich der Staatsrat mit dem diesem Entwurf zum Grunde liegenden Prinzipe einverstanden erklärt.
Der Präsident des Staatsrates äußerte, er wolle heute nicht erörtern, ob die Erlassung eines Promessengesetzes absolut notwendig sei; so viel sei allerdings gewiß, daß das Publikum auf diese Art von Spiel, an die es gewohnt ist, nicht werde verzichten wollen. Über die Hauptfrage, ob die dem Promessengeschäfte zu widmenden Lose zu deponieren seien, wie es in Preußen der größeren Sicherheit wegen gefordert wird, hätten sich die meisten kompetenten Stimmen negativ geäußert, und es sei nicht zu leugnen, daß man trotz aller Kontrollen nicht allen Unterschleifen zu begegnen vermag2. Der Staatsrat sei daher auch der diesfälligen Meinung des Finanzministers beigetreten. Sektionschef Baron Hock las hierauf den ganzen Gesetzentwurf, wobei die vom Staatsrate bezüglich der Textierung einiger Stellen erhobenen Bedenken einer eingehenden Erörterung unterzogen wurden.
Die Notwendigkeit, den Eingang des Gesetzes zu ändern, wurde vom Finanzminister anerkannt, und wird diesfalls dieselbe Form beobachtet werden, wie bei den anderen an den Reichsrat geleiteten Finanzgesetzentwürfen3.
Bezüglich des Formulars eines Promessenscheins machte der Staatsratspräsident aufmerksam, es entspreche nicht dem juridischen Begriff einer Bestätigung, wenn es darin heißt: „Der Gefertigte bestätigt zugleich, Eigentümer des oben angegebenen Loses zu sein“ oder „die Berechtigung zu diesem Geschäfte erhalten zu haben.“ Man könne nämlich nicht in eigener Sache ein Zeugnis, eine Bestätigung ausstellen. Der Staatsrat habe daher statt dessen folgende Textierung vorgeschlagen: „bezüglich welchem Lose dem Gefertigten das ausschließliche Spielrecht zusteht“. Sektionschef Baron Hock erkannte, daß der ungeeignete Ausdruck „bestätige“ zu beseitigen wäre, fand jedoch, daß die vom Staatsrat vorgeschlagene Fassung nicht auf die beiden hier zu berücksichtigenden Fälle passe und auch von dem Ausdrucke „Spielrecht“ besser Umgang genommen werden dürfte. Der Finanzminister äußerte sich in gleicher Weise und sicherte zu, durch eine neue Textierung das Wort „bestätige“ zu vermeiden. Der Staatsratspräsident erklärte, daß durch aeine solchea Modifikation das Bedenken behoben wäre und || S. 254 PDF || auf die vom Staatsrat proponierte Textierung des Formulars weiter kein Wert gelegt werde. bEs dürfte diesem gemäß in dem Formulare für den ersten Fall bloß der Ausdruck zu gebrauchen sein: „dieses ihm eigentümliche Los“, für den zweiten Fall aber der Ausdruck: „dieses Los, rücksichtlich dessen ihm von … mit der Rechtsurkunde vom … die Berechtigung zu dem vorliegenden Geschäfte eingeräumt worden ist usw.“. Hiedurch entfiele jede Notwendigkeit einer eigenen Stelle in dem Formular über Eigentum oder Berechtigungb .
Gegen die vom Staatsrate proponierte präzise Textierung des Eingangs § 2: „Jede den Bestimmungen des § 1 zuwiderlaufende Veräußerung der Gewinnsthoffnung eines Anlehenloses“ wurde keine Erinnerung erhoben.
Eine längere Erörterung veranlaßte im § 2 der Absatz: „Dem Verbote unterliegt auch“ bis „Gewinnsthoffnung“, aus dessen nicht ganz deutlicher Fassung selbst vielleicht gefolgert werden könnte, daß jede weitere Veräußerung und Übertragung von Promessen verboten sei. Schließlich erklärte der Finanzminister , diesen Absatz einer neuen sorgfältigen Textierung unterziehen zu wollen4.
Dieser Minister erklärte sich ferner auch einverstanden, daß im § 4 aus dem vom Staatsrat geltend gemachten Grunde statt des Ausdrucks „begründeter Verdacht“ bloß gesetzt werdec „Verdacht“.
Ebenso wurde im § 6 a statt „oder der verabredete Tausch mit einem nicht gezogenen Lose vollzogen werde“ nach dem Antrage des Staatsrates substituiert: „oder das gezogene Los mit einem nicht gezogenen vertauscht werde“.
Die vom Staatsrate zu § 7, Absatz 6, vorgeschlagene Fassung „oder von dem Eigentümer das ausschließliche Spielrecht erworben zu haben“ entfällt zugleich mit der vorgeschlagenen Textierung des Formulars (siehe oben).
Im § 7, Absatz 2, hat der Staatsrat beantragt, den zweiten Satz, „Die Arreststrafe“ bis „Strafgesetze eignet“, folgendermaßen zu textieren: „Eignet sich der Fall zur Anwendung der allgemeinen Strafgesetze, so hat neben der durch letztere festgesetzten Strafe nur die für die Gefällsübertretung vorgezeichnete Geldstrafe Platz zu greifen (Gefällsstrafgesetzbuch § 103).“ Ebenso wurde beantragt, im Absatz 3 desselben § 7 statt des zweiten Satzes, „Übertretungen, welche die Gewinnsthoffnung“ bis „zu bestrafen“, zu setzen: „Als ein erschwerender Umstand ist es anzusehen, wenn die Übertretungen die Gewinnsthoffnung ausländischer Lose oder Anteile einer Gewinnsthoffnung zum Gegenstand haben, oder wenn die Einladung durch Zeitungsblätter oder andere öffentliche Ankündigungen erfolgte.“ Der Finanzminister erkannte diese vorgeschlagenen neuen Textierungen als Verbesserungen und wird davon bei der Redaktion des Sr. Majestät demnächst zu unterbreitenden Gesetzentwurfes Gebrauch machen. Gegen den dergestalt einverständlich amendierten Entwurf des in Rede stehenden Gesetzes ergab sich von den übrigen Stimmführern des Ministerrates im Wesen keine Erinnerung, nur hätten der Minister Ritter v. Lasser und Graf Wickenburg gewünscht, daß man || S. 255 PDF || nicht in so viele Details eingegangen wäre, worauf der Finanzminister erklärte, daß die Ökonomie des Gesetzes und die Notwendigkeit, der Umgehung desselben vorzubeugen, diese Details unentbehrlich machten. Der Staatsminister drückte schließlich den Wunsch aus, daß der fragliche Entwurf baldmöglichst an das Abgeordnetenhaus geleitet werde5.
Über den zweiten Beratungsgegenstand, die Handhabung der Militärexekution zur Einhebung der Steuern in Ungarn, wird ein besonderes Protokoll aufgenommen.
Wien, 6. Februar 1862. Rechberg.
[Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 13. Februar 1862. Empfangen 15. Februar 1862. Rechberg.