MRP-1-5-02-0-18611102-P-0146b.xml

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Nr. 146b Geheime Instruktion über die Leitung und Handhabung der Polizei, o. O., o. D. [Wien, 2. November 1861] (Beilage zu: MRP-1-5-02-0-18611102-P-0146.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • Handschriftlicher Entwurf als Beilage 2 zum MRProt. v. 2. 11. 1861; dieses nur mit Instruktion überschriebene Schriftstück war als Beilage zur Instruktion für den Statthalter gedacht, wurde aber auf Antrag des Staatsministers als eigenständige Instruktion behandelt. Die Reinschrift, die Pálffy im Jahre 1892 dem Kaiser zurückgestellt hat, liegt bei HHSTA., Kab. Kanzlei, Direktionsakten, Z. 5/1892 (für diesen Hinweis dankt der Bearbeiter Frau Dr. Éva Somogyi; vgl. dazu Somogyi , Abszolutizmus és kiegyezés 161) .

MRZ. – KZ. –

I

I.  Die Leitung und Handhabung der Polizei im Lande steht dem Statthalter und den ihm untergeordneten politischen und Polizeibehörden zu. Das Hauptaugenmerk des Statthalters sowie aller untergeordneten Organe muß darauf gerichtet sein, jede Verletzung der bestehenden Regierungsautoritäten und Ordnung hintanzuhalten. Bestrebungen gegen dieselbe muß, ohne zu provozieren, durch rechtzeitig ergriffene Präventivmaßregeln, und wo sie doch hervortreten, rasch und energisch entgegengewirkt werden. Regierungsfeindliche Kundgebungen, wie Verbreitung von beunruhigenden oder aufreizenden Gerüchten, absichtliche Entstellung von Nachrichten und Tatsachen, Tragen politischer Abzeichen, böswilliger Tadel von Regierungsmaßregeln und dergleichen, dürfen nicht geduldet und müssen an den Urhebern und Teilnehmern geahndet werden. Gegen tätliche Exzesse, Renitenzen oder Ruhestörungen muß schleunigst und kräftigst und nach Erfordernis unter Entwicklung militärischer Macht mit aller Strenge eingeschritten und darf überhaupt keine wie immer geartete Verletzung der bestehenden Regierungsgewalt gestattet werden.

II

II.  Es ist ferner notwendig, die der öffentlichen Ruhe gefährlichen Individuen von den Orten, wo sie die Staatssicherheit bedrohen könnten, rechtzeitig zu entfernen und dabei das Hauptaugenmerk darauf zu richten, regierungsfeindlichen Verabredungen die Wortführer, den etwa zu besorgenden Bewegungen ihre wahrscheinlichen Leiter zu entziehen. Zu dem Ende wird der Statthalter ermächtigt und angewiesen, Personen, die nach ihren Antezedenzien und bekannten politischen Gesinnungen oder nach ihrem Tun und Treiben in neuerer Zeit geeignet erscheinen, die Urheber und Mittelpunkte solcher Verabredungen, Pläne oder Bewegungen zu werden, nicht nur der strengsten Überwachung zu unterziehen, sondern sie auch mit gehöriger Auswahl bei der ersten Feindseligkeit gegen die Regierung an Tag legenden oder aufreizenden Handlung, die sie sich erlaubena, sogleich zur Haft zu bringen undb in einer Festungc nach den diesfalls bekanntgegebenen besonderen Andeutungen unschädlich zu machen.

III

III.  Versammlungsorte, in welchen Malkontente zusammenzutreffen und von welchen beun­ruhigende Gerüchte und aufreizende Schlagworte auszugehen || S. 489 PDF || pflegen, sind sorgsamst zu überwachen und, sobald daselbst regierungsfeindliche Kundgebungen vorfallen, sogleich zu schließen. Der Statthalter wird ermächtigt und angewiesen, Vereine, Unternehmungen oder Anstalten, die ihre Organe oder Lokalitäten zu solchen Kundgebungen mißbrauchen oder mißbrauchen lassen, sogleich in ihrer Wirksamkeit zu beschränken oder nötigenfalls ganz zu suspendieren.

IV

IV.  Sowohl in betreff der allgemeinen Vorkehrungen im Interesse der Staatssicherheit und bei Erlassung von Verordnungen und Kundmachungen zu diesem Zwecke als auch insbesondere bei den nach I., II. und III. zu treffenden Einleitungen hat der Statthalter stets das Einvernehmen mit dem Chef des Landesgeneralkommandos zu pflegen. Der Statthalter wird insbesondere verpflichtet, dem Chef des Landesgeneralkommandos Wahrnehmungen und Vorfälle, welche für die Sicherheit des Landes und die öffentliche Ruhe bedeutsam sind oder werden können, wie namentlichd das Erscheinen oder Aufgreifen von Emissären oder Aufwieglern, eifriges oder mehrseitiges Drängen nach Waffen­lizenzen, Zusammenkünfte politisch bedenklicher Personen, auf Verabredung hinweisende Fälle des wenn auch nur passiven Widerstandes gegen Regierungsmaßregeln und sonstige auffallende Anzeichen einer politischen Aufregung bei der Bevölkerung, unverzüglich mitzuteilen und die dagegen etwa zu treffenden Vorkehrungen mit ihm zu verabreden. Es dürfen aber diese Mitteilungen nicht bis zu der Aufforderung, die Akten der Statthalterei an den Chef des Landesgeneralkommandos einzusenden, denselben von den Personal- und Disziplinarangelegenheiten der lf. Beamten in fortlaufender Kenntnis zu erhalten oder in die administrative Gestion der Behörden mittelbar oder unmittelbar einzugreifen, ausgedehnt werden.

V

V.e  Wenn wider Erwarten die Bedrohungen und Gefährdungen der öffentlichen Ordnung im höheren Grade hervortreten oder ernstlichere Ruhestörungen vorkommen sollten, wird der Statthalter ermächtigt, die Haftung der Gemeinden für einzelne Gewalttätigkeiten sowohl als für mehr ausgebreitete Ruhestörungen nach den folgenden Grundsätzen dort, wo es für angemessen und nötig befunden wird, mittelst förmlicher Kundmachung auszusprechen und in Vollzug zu setzen.

a) Wenn in einer Gemeinde des Landes das Eigentum des Ärars, eines öffentlichen || S. 490 PDF || Fonds oder Institutes oder einer im kaiserlichen Militär- oder Zivildienste stehenden Person oder deren Angehörigen durch öffentliche Gewalttätigkeit oder im Falle der Störung der öffentlichen Ruhe boshaft beschädigt wird, so hat die Gemeinde, falls der Täter nicht zustande gebracht und überwiesen werden kann, dem Beschädigten vollen Ersatz zu leisten. Unter ebendieser Voraussetzung wird die Gemeinde, in welcher eine im kaiserlichen Zivil- oder Militärdienste stehende Person verbrecherischerweise verwundet oder getötet wird, zum vollen Schadenersatze an den Beschädigten bzw. zur Versorgung seiner hinterlassenen Angehörigen zu verhalten sein.

b) In Fällen von Aufruhr, Aufstand oder solcher Störung der öffentlichen Ruhe, daß zu deren Unterdrückung militärische Macht einzuschreiten hat, haften die betreffenden Gemeinden gegen Vorbehalt ihres Regresses an die Schuldtragenden nicht nur für allen Schaden, welcher dem Ärar, öffentlichen Anstalten und Fonds oder im Zivil- und Militärdienste Angestellten hiebei zugefügt wird, sondern auch für alle Kosten, welche zur Unterdrückung der Unruhe und Wiederherstellung der Ordnung aufgewendet werden müßten.

c) Die Ersätze, welche nach der vorausgegangenen Bestimmung unvorgreiflich der den Verbrechern nach dem allgemeinen Strafgesetze obliegenden Ersatzpflicht die Gemeinden zu leisten haben, sind ihnen sogleich nach dem ihre Ersatzpflicht begründenden Ereignisse als außerordentliche Kontribution aufzulegen und aus ihrem Vermögen oder durch eine gerechte Repartition aus dem Vermögen der Einwohnerschaft für Rechnung des Staatsschatzes und zur Schadloshaltung der Beschädigten aufzubringen.

d) Befreit von der Haftung und Zahlung in der Gemeinde sind nur diejenigen Einwohner, welche beweisen können, sich der Unruhestiftung tätig entgegengestellt zu haben.

e) Welche Organe mit Ausschließung des Rechtsweges über die Ersatzleistung und über den Regreß an die Schuldtragenden zu entscheiden sowie die Einhebung der Ersätze zu verfügen und durchzuführen haben, wird der Statthalter bestimmen.

VI

VI.  Wenn endlich in einer Stadt oder [einem] Komitat die öffentliche Ruhe in so ausgedehntem Maße und so ernstlich bedroht sein sollte, daß gegen diese Gefahr auch die in gegenwärtiger Instruktion bestimmten außerordentlichen Vollmachten und Mittel der Behörden nicht mehr ausreichend erscheinen, so ist der Chef des Landesgeneralkommandos einvernehmlich mit dem Statthalter berechtigt, den Belagerungszustand für die betreffende Stadt oder [das] Komitat zu verhängen. Ergibt sich in dieser Beziehung zwischen dem Statthalter und dem betreffenden Militärbefehlshaber eine Meinungsdifferenz, so ist nach dem Ausspruche der Militärautorität, welche dafür die Verantwortung trägt, vorzugehen.

VII

VII.  Auch außer dem Belagerungszustande, falls bei eintretenden Ruhestörungen zum wirklichen Gebrauche der Waffengewalt zu schreiten ist, haben die auf Unterdrückung der Störung zunächst abgesehenen Vorkehrungen und Befehle von den militärischen Befehlshabern allein und unter ihrer Verantwortlichkeit auszugehen.