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Vorwort - Retrodigitalisat (PDF)

Im Sinne der Auffassung, daß Edition und Diskussion der Ministerratsprotokolle der Donaumonarchie eine gemeinsame Aufgabe der Mitglieder des ungarischen und des österreichischen Komitees für deren Veröffentlichung bilden, sind drei österreichische Mitglieder der Einladung des ungarischen Komitees zu einer Besprechung in Budapest am 27. und 28. November 1975 gefolgt.

Es wurden hiebei die Schwierigkeiten bei der Grenzziehung der Kommentierung der zu bearbeitenden Protokolle eingehend erörtert und die zeitliche Abgrenzung des nächsten zu edierenden Bandes fixiert. Von ungarischer Seite wurden von Doz. Dr. István Diószegi und von Doz. Dr. Miklós Komjáthy Referate über die Probleme von Sonderprotokollen und des Ursprungs der „gemeinsamen Angelegenheiten“ gehalten, an die sich eine Diskussion anschloß.

In der gleichen Auffassung hat das österreichische Komitee das Manuskript des nun vorliegenden ersten Bandes der Protokolle des Ministeriums Erzherzog Rainer – Schmerling dem ungarischen Komitee zur Begutachtung übersendet, und Dozent Komjáthy hat hierüber am 15. März 1977 ein neun Seiten umfassendes Gutachten erstattet, mit dem sich Generaldirektor Dr. Győző Ember mit Brief vom 17. März 1977 im Namen des ungarischen Komitees solidarisch erklärt hat. Nachdem Dozent Komjáthy einleitend es unternommen hat, darin die Problematik der Situation der Habsburgermonarchie um 1861 zu umreißen, spricht er sein Einverständnis mit den Grundgedanken der österreichischen Einleitung aus und verweist besonders auf die Bedeutung der hier zum erstenmal bekanntgemachten Sätze aus den „Denkwürdigkeiten“ Schmerlings. „Die maßhaltende, mit nüchterner Objektivität abgefaßte Einleitung“, schreibt er, „wird eine sehr gute Grundlage für die Untersuchungen bilden, die die breitere gesellschaftliche Basis der Entscheidungen des Ministerrates aufklären wollen.“

Die Ausführungen von Dr. Brettner-Messler nennt Komjáthy „vorzüglich ... von ungemeiner Gründlichkeit“, von denen „nur mit Anerkennung gesprochen werden kann“.

Wenn Komjáthy im folgenden „sachte konservative Sympathien“ bei den österreichischen Ausführungen feststellen zu sollen glaubt, so wären diese Bedenken bei einer mündlichen Erörterung, die infolge einer Erkrankung des Referenten Prof. Dr. Hanák unmöglich wurde, wahrscheinlich zerstreut worden; denn wer, wie der Verfasser dieses Vorworts, noch selbst die Auswirkungen des in der Februarverfassung verankerten Notverordnungsrechtes, dessen geradezu groteske Entstehung in diesem Band zum erstenmal aufgeklärt wird, miterlebt hat, wird sich sicher von jeder Versuchung frei fühlen, solche „sachten Sympathien“ bei der Bewertung des § 13 im Ernste zu empfinden.

Wenn Komjathy im folgenden darauf verweist, daß nicht nur die Ungarn, sondern auch der Kaiser die Märzverfassung „verwünscht“ haben, so ist diese radikale Verurteilung aus allzu unähnlichen Motiven erfolgt, um sie ohne weiteres in Parallele setzen zu sollen. Aber es sei zugegeben, daß nicht nur Graf Gołuchowski, sondern auch, ja vorzugsweise, Graf Szécsen die Gedankenwelt des Oktoberdiploms beeinflußt hat. Doch diese und ähnliche berechtigten Bemerkungen Dr. Komjáthys beweisen eben, wie nützlich, ja notwendig die mündliche Aussprache zwischen den beiden Komitees zur Herstellung einer opinio communis für die Beurteilung der österreichischen Ministerrats­protokolle ist und bleiben soll – das, wenn nichts anderes, kann am 10. Geburtstag des Inslebentretens der Tätigkeit des österreichischen Komitees zur Publizierung dieser Protokolle ruhig gesagt werden.