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Nr. 244 Ministerkonferenz, Wien, 15. Dezember 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 19. 12.; bei II. abw.), Mecséry 20. 12., Vay 20. 12., Degenfeld 20. 12., Schmerling, Plener 23. 12., Lasser 25. 12., Szécsen 26. 12.; außerdem anw. Kemény.

MRZ. – KZ. 4256 –

Protokoll vom 15. Dezember 1860 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten und Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.

I. Instruktion für den Präsidenten der siebenbürgischen Hofkanzlei (1. Beratung)

Minister Graf Szécsen referierte infolge einer Aufforderung von Seite des Ministerpräsidenten über die Sr. Majestät erstatteten Anträge des provisorischen siebenbürgischen Hofkanzleipräsidenten Baron Kemény bezüglich der demselben zu erteilenden Ah. Instruktion über die Reorganisation Siebenbürgens1.

Der Referent führte an, daß man als Grundlage der Reorganisation nur die Wahl zwischen der jetzigen und der Einrichtung von 1847 habe2. Der ersteren stehen in ganz Siebenbürgen Antipathien entgegen, und da ein aneues Provisorium aber wieder nur ein Experiment wärea erübrige nichts, als auf der Basis der älteren Einrichtungen die politisch-administrative Reorganisierung vorzunehmen und dabei auch die früher an den politischen Berechtigungen nicht teilhabenden Nationalitäten, Konfessionen und Klassen im Sinne des Ah. Handschreibens vom 20. Oktober zu berücksichtigen3. Die Ah. angeordnete Beratung dürfte am passendsten in Karlsburg – als einem in Vergleich mit Klausenburg oder Hermannstadt neutralen Orte – vorgenommen werden4. Wenn in dem Entwurfe des Handschreibens an den Präsidenten Baron Kemény von dem selbstverständlichen Reservat der finanziellen Administration keine Erwähnung gemacht wird, so geschieht dies, weil die Finanzverwaltung durch das Ah. Diplom ohnehin ausgeschieden ist. Übrigens haben die in Ungarn gemachten Erfahrungen die Notwendigkeit gezeigt, daß wegen eines ordnungsmäßigen Überganges der Geschäfte von den dermaligen auf || S. 164 PDF || die neuen Behörden das vorläufige Einvernehmen zwischen diesen Behörden ausdrücklich anbefohlen werde5.

Hierauf wurde der Entwurf des Ah. Handschreibens an Baron Kemény vorgelesen, über welchen Entwurf Se. Majestät der Kaiser eine Konferenzberatung anzuordnen geruhten6. Im Laufe der sofort gepflogenen längeren Erörterung wurden im wesentlichen folgende Meinungen über den fraglichen Gegenstand ausgesprochen.

Der Staatsminister Ritter v. Schmerling fand es bedenklich, für die wahrscheinlich kurze Zeit bis zum Zustandekommen des siebenbürgischen Landtags und selbst noch vor Abhaltung der Karlsburger Konferenz ein Provisorium zu schaffen, wobei alle administrativen Abgrenzungen und Einrichtungen mehr oder weniger umgestürzt werden müßten. Der jetzige administrative Bestand dauert schon zehn Jahre, er ist mißliebig, aber geregelt; namentlich sind auch die administrativen Bezirke gehörig geschlossen und arrondiert, während in früherer Zeit eine außerordentliche Zerstückung und Kreuzung der verschiedenen Gebiete vorhanden war. Durch die Rückkehr zu diesem Territorialverhältnis werden zahllose Komplikationen und Schwierigkeiten für die Regierung und für die Regierten geschaffen und einem Zustand der Unordnung, wie es sich jetzt leider in Ungarn herausbildet – Tür und Angel geöffnet. Man schafft aber zum Überfluß nichts Bleibendes, sondern nur ein Provisorium, da der Landtag erst seine definitiven Anträge zu erstatten haben wird, deren Durchführung ohne Zweifel mit neuen Umstaltungen und wiederholten leidigen Übergangszuständen verbunden sein würde. Die Beibehaltung der bisherigen territorialen Einteilung wäre mit der Bildung der siebenbürgischen Hofkanzlei und der Reorganisierung des siebenbürgischen Guberniums keineswegs unvereinbarlich. Bei der Wiederherstellung der alten drei fundi7 käme das romanische Element gar nicht zur Geltung, und es würde mithin dem Ah. Befehle, welcher im kaiserlichen Handschreiben vom 20. Oktober d. J. ausgesprochen wurde, gerade entgegengehandelt. Der Leiter des Justizministeriums würde es ebenfalls sehr beklagen, wenn durch unmittelbare Einführung des alten Organismus den Beschlüssen der Karlsburger Versammlung und des Landtages ohne vorhandene Notwendigkeit vorgegriffen würde. Mit dem politischen Organismus würde man zugleich den gerichtlichen und finanziellen zerschlagen und einen geregelten Dienst dieser Zweige unmöglich machen. Hierzu kommt noch das höhere politische Bedenken, daß man bei Wiederherstellung der drei fundi die bisher nicht berechtigten Walachen ignoriert und gewissermaßen die walachische Frage präjudiziert, und zwar wird dadurch das Odium davon auf die Ah. Person geladen. Man höre doch vor allem die Vertrauensmänner und rufe nicht vorzeitig dort eine Krisis hervor, die noch schlimmer werden dürfte als jene in Ungarn! Der Finanzminister bleibt auf dem Boden des Ah. Handbillets und erklärt sich mit den zwei Vorstimmen völlig einverstanden. Die in Rede stehende und mit einer empfindlichen || S. 165 PDF || Gefährdung des Finanzdienstes verbundene Organisierung würde überdies in politischer Beziehung bei den Romanen, nach der Äußerung der romanischen Reichsräte zu schließen, sehr viel Anstoß erregen; sie würden darin die Täuschung der gerechten Erwartungen der Nation erblicken8. Man werde nicht die politische Bedeutung der Gefahr einer Verstimmung der zahlreichsten Landesbewohner Siebenbürgens unterschätzen, wenn man sich an die jetzigen Bestrebungen in den Donaufürstentümern erinnert9.

Der provisorische Präsident der siebenbürgischen Hofkanzlei motivierte umständlich seine Überzeugung, daß die Wiederherstellung der alten Landeseinteilung notwendigerweise sofort Platz zu greifen hätte. Die sei nämlich 1. eine unerläßliche Vorbedingung zur Wiederherstellung der von Sr. Majestät dem Lande zugesicherten Autonomie; 2. sei die dermalige Einteilung in Kreise eine bloß administrative, bei deren Einführung von dem früher bestandenen politischen Verhältnisse völlig abstrahiert wurde; 3. die sächsische Nation könne als solche dermal gar nicht beraten, ebensowenig können die Szekler zufrieden sein. Die Wiederherstellung des politischen Lebens und die Vornahme von Wahlen im Lande bleibt daher vorderhand unmöglich. 4. Ohne Wiederherstellung der alten Einteilung sei die Reaktivierung des alten Guberniums nicht ausführbar, man bekomme keine Obergespäne, und die Karlsburger Versammlung würde dann weder von Sachsen, noch Ungarn und Szeklern, sondern fast nur von Romanen besucht werden, wobei ihr Zweck vereitelt wäre. Es sprechen daher die wichtigsten Gründe für die unmittelbare Wiederkehr zur alten Landeseinteilung und politischen Verwaltung. Die Bildung eines „Landes der Romanen“ sei deswegen unmöglich, weil die Wohnsitze der Romanen nirgends einen größeren homogenen Komplex bilden. Allein, dies hindert nicht, daß die Romanen künftig politische Rechte gleich wie die übrigen Nationen ausüben, da sie in den Komitaten unter den gleichen Bedingungen wie alle anderen an den Wahlen teilnehmen und auch selbst zu Obergespänen, Gubernialräten, Landtagsablegaten etc. werden gewählt werden können, gleich wie es vor 1848 schon mit den Edelleuten romanischen Ursprungs der Fall war.

Der ungarische Hofkanzler bemerkte, er finde es begreiflich, daß der in Ungarn bis jetzt aus der Wiederherstellung der Komitate hervorgegangene Zustand abschreckend wirkt und den Wunsch rege macht, diese Wiederherstellung in Siebenbürgen möglichst hinauszuschieben. Wenn es aber auch vielleicht in Ungarn tunlich gewesen wäre, die neueste Komitatseinteilung und Verwaltung bis zum Zustandekommen des Landtages fortbestehen zu lassen, so müsse Baron Vay, gestützt auf seine genaue Kenntnis der Verhältnisse Siebenbürgens, erklären, daß in diesem Lande, wo die Nationen in vielen Enklaven zerstreute Wohnsitze haben, die Wiederkehr zu der alten politischen Einteilung und Verwaltung nicht aufgeschoben werden könne. Die Sachsen z. B. würden bei dem || S. 166 PDF || Fortbestande der Kreiseinteilung von den Romanen politisch ganz absorbiert, was nicht bloß im Interesse der Sachsen, sondern überhaupt in dem der Bildung bedauert werden müßte. Minister Graf Szécsen findet in den vorgebrachten Einwendungen keinen hinlänglichen Grund, von den Anträgen des Freiherrn v. Kemény abzuweichen. Jetzt, nachdem die siebenbürgische Hofkanzlei und das Gubernium Allerhöchstenortes wiederhergestellt wurden, kann die dermalige unpopuläre politische Organisation, welche keine einheimischen Persönlichkeiten an der Spitze hat, nicht länger mehr funktionieren. Das Ah. Handschreiben vom 20. Oktober spricht allerdings nicht ausdrücklich von der Wiedereinführung der älteren Organisation; allein, wie will man Siebenbürgen die Komitatsverfassung noch vorenthalten, da sie bereits in Ungarn und Kroatien durchgeführt wird? Wenn die früheren historischen Zustände wieder maßgebend geworden sind, wenn Se. Majestät Ihren Völkern die alten Rechte wiedergegeben haben, warum sollen bloß die altberechtigten drei siebenbürgischen Nationen davon ausgeschlossen sein? Die jetzige Landeseinteilung annulliere die politischen Rechte und verletze das Rechtsgefühl der Bevölkerung, welches sich bei den Sachsen und Szeklern am lebhaftesten ausspricht; sie können daher auch nur durch die Wiederherstellung der alten Einteilung befriedigt werden. Die Sachsen werden sich nicht gefallen lassen, daß man über ihre zukünftige Stellung entscheide, ohne ihre „Universität“ gehört zu haben10. Von einer Beeinträchtigung oder gar Annullierung der Romanen könne jetzt keine Rede mehr sein; aber es stehe dennoch fest, daß man faktisch kein „Land der Romanen“ schaffen könne. Dies sei übrigens auch nicht notwendig, um ihnen politische Rechte zu gewähren. Was endlich die besorgten anarchischen Übergangs­zustände betrifft, so würde denselben durch die Schlußbestimmung des Ah. Handschreibens vorgebeugt.

Der Polizeiminister war des Erachtens, daß vor allem die Karlsburger Konferenz zu hören wäre, in welcher die Romanen eine angemessene Vertretung erhalten würden. Je nach Ausschlag der Karlsburger Anträge könnte dann zu einer neuen Landeseinteilung geschritten werden.

Der Ministerpräsident schloß die Diskussion mit dem Bemerken, daß bei der vorhandenen Meinungsverschiedenheit der Gegenstand unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers wiederholt zu beraten sein werde11.

II. Sperrung der Schemnitzer Bergakademie

a Der Finanzminister referierte über das Einschreiten des Hofrates Ritters v. Russegger um Ermächtigung zur eventuellen Schließung der dem Finanzministerium ausschließend unterstehenden Schemnitzer Bergakademie12.

|| S. 167 PDF || Die nationale Aufregung unter den Akademikern wird durch äußere Einflüsse genährt und artet in Exzesse aus, welche rachsüchtige Reaktionen zur Folge haben und zuletzt eine bedrohliche Gärung hervorbringen könnten. V. Russegger gedenkt vor allem die jugendlichen Gemüter durch gütliche Mittel zu beruhigen und würde die Sperrung der Akademie vorderhand nur als eine Drohung gegen die schlechtgesinnte Bürgerschaft durchblicken lassen und selbe erst im äußersten Falle wirklich verhängen. Der Finanzminister würde unter diesen Umständen und bei der bekannten Umsicht des Hofrates v. Russegger keinen Anstand nehmen, ihm die angesuchte Ermächtigung zu erteilen.

Von keinem Konferenzgliede wurde dagegen eine Erinnerung erhoben und nur über Anregung des ungarischen Hofkanzlers beschlossen, daß der Tavernikus von der verfügten Sperrung seinerzeit in Kenntnis gesetzt werde13.

Ah. E. Ich haben den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 1. Jänner 1861.