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Nr. 235 Ministerkonferenz, Wien, 29. November 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Rainer 7. 12., (Rechberg 1./6. 12.), Gołuchowski 2. 12., Mecséry 3. 12., Degenfeld, Lasser 3. 12., Szécsen 3. 12., Plener 6. 12., Szőgyény; abw. Vay.

MRZ. – KZ. 3999 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 29. November 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Mobilisierung des 8. Armeekorps; Aufstellung der Infanteriedepotdivisionen

Der Kriegsminister referierte über die Maßregeln, welche notwendig seien, um die österreichische Kriegsmacht in Italien und eventuell am Rhein auf einen den dort möglicherweise in mehr oder weniger naher Zukunft eintretenden Verhältnissen entsprechenden Stand zu bringen1.

Unter diesen Maßregeln erscheint, abgesehen von einem Kriege am Rhein, am dringendsten: 1. die Mobilisierung des 8. Armeekorps, und 2. die Errichtung von 80 Depotdivisionen bei den Infanterieregimentern. Der Bedarf an Oberoffizieren ist durch disponible, der an Unteroffiziers durch die vorhandene Überzahl daran gedeckt. Die Mannschaft wird aus dem Grundbuchsstande und durch Werbungen mit 10 fl. Handgeld ohne Schwierigkeit beigestellt werden können. Diese Errichtung sichere den Nachschub für die Mannschaft im Felde und sei zugleich auch wichtig für die Ruhe im Inneren. Der Gesamtaufwand für diese zwei Maßregeln teilt sich in den bei der ersten Ausrüstung mit 1,353.000 fl. und in einen monatlich wiederkehrenden von circa 300.000 fl. Doch würden diese Ausgaben größtenteils mit Papier bestritten werden können.

Über die vom Reichsrate v. Plener geltend gemachten, dringenden finanziellen Rücksichten, welche es gebieten, den Staatsschatz mit jeder Ausgabsvermehrung so lange als möglich zu verschonen, um die beiläufig bis Ende Dezember reichenden Gelddispositionen nicht zu beirren, erklärte FZM. Graf Degenfeld , daß diese Maßregeln allenfalls noch einen Monat lang ohne Nachteil aufgeschoben werden könnten.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten sofort den Kriegsminister Ah. zu beauftragen, mit beiden Maßregeln noch durch einen Monat zurückzuhalten, jedenfalls aber vor deren Vollzug mit dem Leiter des Finanzministeriums entweder im Wege der Konferenz oder direkt darüber Rücksprache zu pflegen2.

Bei der Beratung über den Punkt 1. kamen unter anderen auch nachfolgende Gegenstände zur Erörterung.

II. Finanzlage; ungarische Zustände; Untunlichkeit der Einberufung des verstärkten Reichsrates; politische Gleichstellung der deutschen und ungarischen Länder; Verantwortlichkeit der Minister

Die Finanzlage und die Mittel zur Beischaffung des anfangs Jänner nötig werdenden außerordentlichen Zuflusses von 24 Millionen3.

Reichsrat v. Plener sieht jetzt nicht die Möglichkeit ab, eine große Finanzoperation ins Werk zu setzen. Es könnte höchstens ein kleines Anlehen von 40 – 50 Millionen untergebracht werden, und man müsse diesfalls keine Opfer scheuen, um die letzte, ihrer Folgen wegen traurigste Maßregel der Papiergeldemission wenigstens erst bei dem Ausbruche des Krieges zu ergreifen4. Das größte Hemmnis der Aufnahme eines Anlehens liegt darin, daß die Regierung dabei der moralischen Stütze des verstärkten Reichsrates entbehrt. Mit dessen Zustimmung ließen sich Erfolge erzielen, auf die man dermal nicht hoffen kann. Denn die jetzt in Anwendung gebrachte Klausel „gegen nachträgliche verfassungsmäßige Behandlung im verstärkten Reichsrate“ gelte nicht als eine Garantie, abemäntle nicht die Unregelmäßigkeit des Vorganges und gewähre bei dem Mangel einer eigentlichen Ministerverantwortlichkeit keine wahre Garantie für ein verfassungsmäßiges Gebaren.a Die Börse zittert vor dem Gedanken, eine Assignatenwirtschaft eintreten zu sehen, und betrachtet die finanziellen Hülfsquellen aus Ungarn schon als verloren. Dies und die steigende Unzufriedenheit in den deutschen Ländern mit den ihnen gewährten politischen Institutionen und die Ungewißheit über das, was noch kommt, drücken die Kurse und steigern das Silberagio in einer Weise, welche jetzt bei den oft auftauchenden böswilligen Gerüchten völlig in eine Panik ausartet.

Minister Graf Szécsen sprach die Erwartung aus, daß sich binnen Monatsfrist die öffentliche Meinung über die Herstellung geordneter Zustände in Ungarn beruhigt haben dürfte. Eine weitere Beruhigung für die Finanzwelt und überhaupt für das Publikum werde daraus hervorgehen, wenn die Landtage zu funktionieren anfangen, für den verstärkten Reichsrat wählen etc.

Der Polizeiminister glaubt, daß das Mißtrauen der Börse, nachdem es auf Ziffern – auf den Berechnungen über Hilfsquellen, Lasten und Defizit Österreichs – beruht, durch politische Institutionen nicht behoben werden dürfte.

Der Leiter des Finanzministeriums entgegnete, daß er dieser Meinung, gestützt auf die ihm von allen Seiten zukommenden Äußerungen, entschieden widersprechen müsse. Wäre der verstärkte Reichsrat jetzt versammelt, so könnte man seine Zustimmung zu einem Anlehen und zugleich zu einer neuen Steuer erhalten, wodurch das Anlehen fundiert würde. Dies würde die Operation außerordentlich erleichtern. bÜbrigens könne er nur wiederholen, daß die Stimmung in den nichtungarischen Kronländern eine sehr unzufriedene ist, daß die Ungleichheit in dem Ausmaße der politischen Rechte dies- und jenseits der Leitha eine tiefe Kränkung begründet, daß das Vertrauen in den Bestand der Gesamtmonarchie bei der einreißenden Anarchie in Ungarn, bei dem Versiegen der dortigen Finanzquellen gänzlich erschüttert ist und daß die öffentliche Meinung die Notwendigkeit eines moralischen Gegengewichts unerläßlich findet und nur in der Schaffung einer kräftigen Vertretung der nichtungarischen Länder erblickt und diese schmerzlich vermißt, indem in den bereits erschienenen und noch zu erwartenden Landtagsstatuten eine diesfällige Vermittlung durchaus nicht erkannt wird. Ebenso hat auch das Ausland sein Vertrauen auf Österreich aufgegeben und beweiset dies durch das massenhafte Hereinwerfen der österreichischen Papiere auf die hiesige Börse. Ich wiederhole nochmals, daß die Finanzfrage (nämlich Opferwilligkeit der Steuerpflichtigen und Kreditfähigkeit des Staates für Operationen) ohne zeitgemäßige Konstituierung unserer inneren politischen Zustände unlösbar und ihrer Natur nach eine politische Frage ist.b Übrigens könne er nur wiederholen, daß die Stimmung in den nichtungarischen Kronländern eine sehr unzufriedene ist, daß die Ungleichheit in dem Ausmaße der politischen Rechte dies- und jenseits der Leitha eine tiefe Kränkung begründet, daß das Vertrauen in den Bestand der Gesamtmonarchie bei der einreißenden Anarchie in Ungarn, bei dem Versiegen der || S. 111 PDF || dortigen Finanzquellen gänzlich erschüttert ist und daß die öffentliche Meinung die Notwendigkeit eines moralischen Gegengewichts unerläßlich findet und nur in der Schaffung einer kräftigen Vertretung der nichtungarischen Länder erblickt und diese schmerzlich vermißt, indem in den bereits erschienenen und noch zu erwartenden Landtagsstatuten eine diesfällige Vermittlung durchaus nicht erkannt wird. Ebenso hat auch das Ausland sein Vertrauen auf Österreich aufgegeben und beweiset dies durch das massenhafte Hereinwerfen der österreichischen Papiere auf die hiesige Börse. Ich wiederhole nochmals, daß die Finanzfrage (nämlich Opferwilligkeit der Steuerpflichtigen und Kreditfähigkeit des Staates für Operationen) ohne zeitgemäßige Konstituierung unserer inneren politischen Zustände unlösbar und ihrer Natur nach eine politische Frage ist.

Der Hofkanzler v. Szőgyény erklärte die Besorgnisse der Börse wegen des Versiegens der Einnahmen aus Ungarn für ungegründet und durch Manövers hervorgerufen. Förmliche Steuerverweigerungen seien nicht vorgekommen, und die ungarische Hofkanzlei habe sich erst kürzlich mit Entschiedenheit über die Aufrechthaltung der Steuerpflicht und der Steuereinrichtungen ausgesprochen. Den Obergespänen wird der größte Nachdruck in Einhebung der Steuern empfohlen. Versuche, sich der Steuerpflicht zu widersetzen, wird man mit Energie zurückweisen. Dies werde zur Beruhigung wesentlich beitragen. Dagegen könne er nicht verhehlen, daß keine Aussicht ist, den verstärkten Reichsrat unter Teilnahme ungarischer Reichsräte vor dem Monate Juni 1861 zu versammeln, da der diesfälligen Wahl noch so vieles cund namentlich die richtige prinzipielle Verhandlung beim ungarischen Landtage über die Beschickung des verstärkten Reichsrates und der Anerkennung seiner Kompetenz im Sinne des kaiserlichen Diplomesc vorausgehen muß. Bis dahin also werden Finanzmaßregeln wohl ohne reichsrätliche Zustimmung ergriffen werden müssen.

Der Ministerpräsident äußerte, daß neben den politischen und finanziellen Verhältnissen noch zwei tiefer liegende Gründe an dem vorhandenen Mißtrauen Anteil haben: a) Machinationen vom Auslande her, um Österreich zu schwächen und b) Machinationen von Parteien im Inlande, um weitere Konzessionen zu ertrotzen. Durch letztere soll man sich nicht einschüchtern lassen; zudem kosten sie viel Geld und werden daher nicht in die Länge fortgesetzt werden.

Minister Ritter v. Lasser dknüpft vor allem an die vom Reichsrat v. Plener angedeutete Auffassung der Geldmänner über die Bedeutungslosigkeit der Formel „gegen nachträgliche verfassungsmäßige Behandlung“, weil die Minister nicht verantwortlich seien, einige Bemerkungen über diese Verantwortlichkeit. Ohne an ein Verantwortlichkeitsgesetz, an eine Inanklagestandversetzung der Minister und derlei unpraktische Phrasen konstitutioneller Theoretiker und ohne daran zu denken, daß die Verantwortlichkeit der Minister gegenüber ihrem kaiserlichen Herrn im mindesten alteriert werde, halte er (Votant) es doch für eine selbstverständliche Folge des Systems vom 20. Oktober d. J., daß die Minister, namentlich dort, wo sie Maßregeln, die eigentlich die landtägige oder reichsrätliche Zustimmung voraussetzen, im Drange der Verhältnisse zur Oktroyierung beantragen müssen, diese Maßregeln seinerzeit den Repräsentantenkörpern gegenüber verteidigen und rechtfertigen, und zwar, da sie die geheiligte Person des Monarchen zur Motivierung und Verantwortung nicht vorschützen dürfen, mit Einsetzung ihrer eigenen persönlichen Verantwortlichkeit. Von diesem Gefühle reeller Verantwortlichkeit ausgehend, teile er bezüglich der Notwendigkeit, jedes nicht absolut erforderliche finanzielle Gebaren zu vermeiden, bezüglich der Anschauung über die Rückwirkung politischer Mißstimmung im Publikum auf die Geld- und Finanzverhältnisse und darüber, daß man, weil man die Staatsfinanzen dermalen nicht in Ordnung bringen könne, die andere Seite der Hilfe, nämlich die Besserung der politischen Stimmung ins Auge fassen sollte,d knüpft vor allem an die vom Reichsrat v. Plener angedeutete Auffassung der Geldmänner über die Bedeutungslosigkeit der Formel „gegen nachträgliche verfassungsmäßige Behandlung“, weil die Minister nicht verantwortlich seien, einige Bemerkungen über diese Verantwortlichkeit. Ohne an ein Verantwortlichkeitsgesetz, an eine Inanklagestandversetzung der Minister und derlei unpraktische Phrasen konstitutioneller Theoretiker und ohne daran zu denken, daß die Verantwortlichkeit der Minister gegenüber ihrem kaiserlichen Herrn im mindesten alteriert werde, halte er (Votant) es doch für eine selbstverständliche Folge des Systems vom 20. Oktober d. J., daß die Minister, namentlich dort, wo sie Maßregeln, die eigentlich die landtägige oder reichsrätliche Zustimmung voraussetzen, im Drange der Verhältnisse zur Oktroyierung beantragen müssen, || S. 112 PDF || diese Maßregeln seinerzeit den Repräsentantenkörpern gegenüber verteidigen und rechtfertigen, und zwar, da sie die geheiligte Person des Monarchen zur Motivierung und Verantwortung nicht vorschützen dürfen, mit Einsetzung ihrer eigenen persönlichen Verantwortlichkeit. Von diesem Gefühle reeller Verantwortlichkeit ausgehend, teile er bezüglich der Notwendigkeit, jedes nicht absolut erforderliche finanzielle Gebaren zu vermeiden, bezüglich der Anschauung über die Rückwirkung politischer Mißstimmung im Publikum auf die Geld- und Finanzverhältnisse und darüber, daß man, weil man die Staatsfinanzen dermalen nicht in Ordnung bringen könne, die andere Seite der Hilfe, nämlich die Besserung der politischen Stimmung ins Auge fassen sollte, ganz die Anschauung des Reichsrates v. Plener. Im Publikum gewinnt die Meinung immer mehr Raum, daß Österreich sich nur unter einem halben Bankrott zu einem Kriege rüsten und denselben nur unter einem vollständigen Bankrott führen könne. Daher fangen schon kleinere Leute an, Devisen zu kaufen oder Dukaten „für alle Fälle“ anzusammeln. Die finanzielle Lage ist auch allerdings bedenklich genug, so daß man außerordentliche Auslagen nur bei unumgänglicher Notwendigkeit beschließen darf. Dafür, edaß diese Grenze eingehalten werde,e halte Ritter v. Lasser sich als ein Rat der Krone verantwortlich fund kompromittiere auf die mit den Verhältnissen vertrauteren Minister des Äußern und des Kriegesf . In bezug auf die Stimmung in den deutsch-slawischen Kronländern halte der Minister sich verpflichtet, offen auszusprechen, daß sie seit dem 20. Oktober bedeutend ungünstiger geworden ist. Anfänglich hoffte man, daß die ausgesprochene Bevorzugung Ungarns die Befestigung der dortigen und somit der allgemeinen Zustände zur Folge haben werde. Diese Hoffnung schwindet, und die ungleiche Behandlung wird daher auch diesseits der Leitha schwerer empfunden. Von allen Seiten erhält der Minister Mitteilungen, welche beweisen, daß eine politische Gleichstellung immer lebhafter gewünscht wird. Unter dieser Gleichstellung mit Ungarn versteht man aber nicht eine formelle Gleichstellung aller einzelnen Landtage, die bloß eine Begünstigung des Separatismus und somit durchaus kein Glück wäre, sondern das Heil erwartet man vielmehr von der Institution und den erweiterten Befugnissen des Reichsrates.

Minister Graf Szécsen äußerte, daß bei der Vorberatung über die Ah. Beschlüsse vom 20. Oktober ungarischerseits keine Bevorzugung, sondern Gleichstellung der übrigen Kronländer beansprucht worden sei. Im Diplome selbst sei auch das gleiche oberste Prinzip für alle Kronländer ausgesprochen. Es war die Ansicht, daß auch die „Mitwirkung“ der außerungarischen Landtage eine entscheidende sein sollte, allein Sr. Majestät ein ausgleichender Einfluß zur Beseitigung des Druckes der Majoritäten zu wahren wäre. Ein wesentlicher Unterschied wurde nicht angestrebt.

Reichsrat v. Plener teilt die Meinung des Ministers v. Lasser über gdas von der Bevölkerung nur auf erweiterte Befugnisse und zeitgemäße Institution eines Zentralvertretungsorganes, nämlich des Reichsrates, gerichtetes Augenmerk und überg von den Ministern zu tragende Verantwortlichkeit für die von ihnen vorgeschlagenen Maßregeln, || S. 113 PDF || diese Verantwortlichkeit sei nun wie immer geartet. hEr erklärt die Verantwortung für jeden von Sr. Majestät genehmigten, aber von ihm gestellten Antrag wie selbst und in eigener Person vor der Öffentlichkeit, vor der Welt und vor jedem wie immer Namen habenden Vertretungskörper tragen zu wollen. Er würde es als einen Frevel betrachten, bei diesfälligen Angriffen sich auf die erhaltene Ah. Genehmigung rechtfertigen zu wollen; ein solcher Vorgang sei mit der Unverantwortlichkeit der Krone und mit den Pflichten des Ministers unverträglich. Erh stimmt ferner für eine Ausdehnung der Befugnisse des verstärkten Reichsrates.

Der Staatsminister fand, daß dies eigentlich nichts anderes wäre, als die Einführung einer modernen Konstitution mit einem verantwortlichen Ministerium. Überdies müsse er aufmerksam machen, daß in Ungarn eine Verantwortlichkeit der Minister nicht bestand, worauf Graf Szécsen entgegnete, daß allerdings dort immerhin eine Art administrativer iund gesetzlicheri Verantwortlichkeit der höchsten Reichsbeamten jin betreff positiver Gesetzverletzungen, wenn auch nicht im Sinne der modernen parlamentarischen Regierungenj, dem Landtage gegenüber bestanden habe5.

III. Militärpferde

Der Kriegsminister machte auf die Notwendigkeit aufmerksam, für den Fall des Ausbruches eines großen Krieges6 auf die Deckung des plötzlichen Bedarfs an Pferden bedacht zu sein. Zur Vermeidung großer Kosten wäre wie in Preußen und Württemberg das System der Konskribierung und sohin die Zwangsstellung der Pferde einzuführen7.

Der Staatsminister warf den Zweifel auf, ob denn eine so nahe Kriegsgefahr vorhanden sei, die es rechtfertigt, zu einer solchen, für die Pferdebesitzer äußerst lästigen Zwangsmaßregel zu schreiten.

Der Kriegsminister brachte ferner die Anwendung des preußischen Systems zur Sprache, wornach bei Desarmierungen die Militärpferde den Landleuten geliehen werden, und ersuchte, es wolle auch hierüber vorgedacht werden8.

IV. Berechnung des Armeeaufwandes

Schließlich erwähnte FZM. Graf Degenfeld , er lasse eine Berechnung verfassen über die Kosten, welche die Armee nach den verschiedenen Stadien ihrer Aufstellung und Vergrößerung bis zur höchsten Stärke kosten würde, als einen Anhaltspunkt für die finanziellen Maßnahmen.

|| S. 114 PDF || Der Staatsminister würde für angezeigt halten, daß man sobald als möglich den erforderlichen Geldbedarf im Wege eines Anlehens sicherstelle, weil es bei dem wirklichen Ausbruche eines Krieges weit schwerer und mit größeren Opfern verbunden wäre. Reichsrat v. Plener sieht jetzt die Möglichkeit der Aufnahme eines größeren Anlehens, selbst eines Zwangsanlehens, nicht ab9.

V. Einfluß der Regierung auf die Gemeindewahlen; Gestattung von Kandidatenlisten in den Journalen

Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Frage zu stellen, ob und auf welche Weise die Organe der Regierung auf die bevorstehenden Gemeindewahlen Einfluß zu nehmen haben10.

Der Staatsminister hielte es für sehr bedenklich, wenn die Regierung den bevorstehenden, an sich und in ihren weiteren Folgen sehr wichtigen Gemeindewahlen gegenüber passiv bliebe; es sei vielmehr sehr nötig, sowohl den voraussichtlichen Umtrieben der extremen Partei entgegenzutreten, als auch positiv dahin zu wirken, daß die Wahlen in einem guten Sinne ausfallen. Diese Aufgabe sei aber sehr schwierig, und deren glückliche Lösung erfordere viel Klugheit und Takt, weil man eine ungeschickte Einflußnahme der Regierung gleich verdächtigt und im entgegengesetzten Sinne ausbeutet. Anfänglich beabsichtigte der Staatsminister, darüber ein vertrauliches Schreiben an die Statthalter zu richten; doch scheine es ihm jetzt am sichersten, sich mit denselben darüber mündlich zu verständigen und zu diesem Ende die Chefs der wichtigsten Kronländer einzuberufen.

Der Ministerpräsident bemerkte, die Statthalter wären insbesondere anzuweisen, die strengste Preßpolizei zur Hintanhaltung von Wahlumtrieben zu üben; namentlich wäre den Journalen die Aufstellung von Kandidatenlisten zu verbieten. Denn, da die Umsturzpartei in der Presse die vorherrschende ist, würde es ihr sonst gelingen, ihre Kandidaten in der ganzen Monarchie durchzusetzen. Dies sei eine höchst gefährliche Agitation, die man nicht dulden kann. Der Staatsminister erkannte gleichfalls an, daß die Journale durch ihre Kandidatenlisten die Gemüter präokkupieren werden. Der Polizeiminister sprach sich dahin aus, daß die Regierungen das Recht und selbst die Pflicht haben, bei den Gemeindewahlen Einfluß zu nehmen, und es geschieht auch faktisch allenthalben. Freilich dürfe dieser Einfluß nicht durch Zwang oder Einschüchterungen erzielt werden wollen. Baron Mecséry könne nicht dafür stimmen, daß man der Presse ein gänzliches Schweigen über den Wahlakt auferlege, sondern es wäre nur jeder Agitation im revolutionären Sinne und den Verleumdungen von Kandidaten entgegenzutreten. Das Aufstellen von Kandidatenlisten dürfte den Journalen nicht verboten werden, da ein solches Verbot schlimmen Eindruck auf die Wähler machen und andererseits doch nicht verhindern würde, daß Kandidaten unter allerlei Formen in und außer den Journalen empfohlen würden. Faktisch findet die Aufstellung von Kandidatenlisten für die Handels- und Gewerbekammern schon längere Zeit mit höherer Genehmigung und ohne Nachteil statt.

Die Minister Ritter v. Lasser und Graf Szécsen, der Kriegsminister, Vizekanzler v. Szőgyény, Reichsrat v. Plener, dann Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer traten dem Polizeiminister bei.

|| S. 115 PDF || Die Minister v. Lasser und Baron Mecséry machten noch insbesondere aufmerksam, daß die Kandidatenlisten der Journale auf dem Lande wenig Eindruck machen würden. In den Städten aber, wo der Einfluß der Journale größer ist, müsse man mit ähnlichen Mitteln entgegenwirken und den Einfluß des Klerus überhaupt benützen.

Schließlich geruhten Se. Majestät der Kaiser Allerhöchstsich dafür zu entscheiden, daß der Staatsminister sich mit den sämtlichen Statthaltern persönlich über die Art und Weise verständige, wie mit Vermeidung von Zwang und Einschüchterung auf die Wahlen ein günstiger Einfluß zu nehmen sei. Kandidatenlisten wären nicht zu beanständen, aber positiv revolutionären Angriffen auf gewisse Kandidaten und den Verleumdungen Gutgesinnter wäre entgegenzutreten. Die Elemente der Ordnung müssen den feindlichen Bestrebungen gegenüber sich zu sammeln und zu wahren lernen. Für Wien sei ein Mann des Vertrauens zu suchen, dem man die Sache in die Hand geben könne. In Böhmen sollte der Adel nicht als Partei zur Wahlagitation in Bewegung gesetzt werden, weil dies nur eine umso lebhaftere und ausgedehntere Opposition hervorrufen würde11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 9. Dezember 1860.