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Nr. 230 Ministerkonferenz, Wien, 18. November 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 19. 11.), Gołuchowski 19. 11., Mecséry 19. 11., Vay 20. 11., Lasser 20. 11., Szécsen, Plener 19. 11., FML. Schmerling 20. 11.; abw. Degenfeld.

MRZ. – KZ. 3818 –

Protokoll vom 18. November 1860 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten Grafen Rechberg.

I. Verkauf der Podampfflottille des österreichischen Lloyd

Der Leiter des Finanzministeriums las ein Schreiben vom Verwaltungsrate des Lloyd, worin er anzeigt, daß ihm von Seite eines sardinischen Handlungshauses der Antrag gemacht worden sei, die zur Poschiffahrt bestimmten Schiffe des österreichischen Lloyd im Werte von einer Million zu verkaufen1.

Der Verwaltungsrat müsse vom Standpunkte der Aktionäre diesen Verkauf lebhaft wünschen, da die Podampfflottille, welche hauptsächlich aus politisch-militärischer Rücksicht angeschafft wurde, sich nie rentierte, unter den dermaligen Verhältnissen untätig in der Brenta liegt und ein zehrendes Kapital der ohnehin hartbedrängten Unternehmung bildet. Sollte jedoch dieser Verkauf aus Staatsrücksichten nicht zulässig befunden werden, so müsse der Verwaltungsrat bitten, daß an ihn darüber recht bald ein positives Verbot ergehe, um sich dadurch gegen die vorauszusehenden Vorwürfe von Seite der Aktionäre schützen zu können. Das Marineoberkommando findet die Erwerbung der fraglichen Schiffe für die k. k. Marine nicht angezeigt, erklärt sich jedoch auf das bestimmteste gegen den in Antrag stehenden Verkauf2. Vom rein finanziellen Standpunkte wäre es allerdings nur sehr erwünscht, wenn der österreichische Lloyd sich der Poflottille durch Verkauf an wen auch immer entäußern könnte, weil dadurch die Passiven der Gesellschaft und somit auch der jährliche Zuschuß vom Ärar vermindert würden. Doch sehe Referent wohl ein, daß dieser Gegenstand vor allem vom militärischen Standpunkte gewürdigt werden müsse.

FML. Ritter v. Schmerling äußerte, daß, nachdem alle Kriegsfahrzeuge auf den Binnenwässern zur Amtswirksamkeit des Marineoberkommandos gehören, dieses zunächst kompetent beraten kann, ob der beantragte Verkauf der Poflottille ins Ausland zu gestatten sei. Vom allgemeinen militärischen Standpunkte aus müsse man sich aber ebenfalls dagegen verwahren, daß eine Flottille von größeren Flußdampfschiffen, welche nach ihrer Bauart leicht armiert und zum Transport von Truppen oder Kriegsmateriale || S. 66 PDF || und zu militärischen Operationen verwendet werden können, unter den dermaligen Konjunkturen, direkt oder indirekt, an Sardinien übergehe. Der Polizeiminister , diese Ansicht vollkommen teilend, glaubte, daß man dem Verwaltungsrate des Lloyd gegenüber ohne Verzug das entschiedene Verbot des Verkaufes dieser Schiffe aussprechen und auch alle Vorsichtsmaßregeln brauchen sollte, um dieselben gegen einen Handstreich des Feindes zu sichern. Den Gegenstand einer weiteren Verhandlung mit dem Marineoberkommando dürfte die Frage bilden, ob die Poflottille des Lloyd nicht mit Nutzen von der k. k. Kriegsmarine übernommen werden könnte, zumal der Preis derselben einfach durch Abschreibung von der Forderung des Ärars an den Lloyd per drei Millionen Gulden berichtigt werden könnte.

Sämtliche Stimmführer traten dieser Meinung bei3.

II. Ausfertigung der Exemplare des kaiserlichen Diploms vom 20. Oktober 1860

Der Ministerpräsident referierte über die Art und Weise, wie die Exemplare des kaiserlichen Diploms vom 20. Oktober 1860 für das Haus-, Hof- und Staatsarchiv und für die Archive der Kronländer (im Vollzug des Diplomartikels IV) auszufertigen wären.

1. Das Diplom für das k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv dürfte auf Pergamentblättern beiläufig in der Größe der Adelsdiplome mit angemessener kalligraphischer Ausstattung und – in Übereinstimmung mit der Wiener Zeitung und dem Reichsgesetzblatte – mit dem kleinen kaiserlichen Titel zu schreiben, in rotem Sammet steif zu binden und mit dem großen Reichssiegel an einer goldenen Schnur zu versehen sein.

2. Die Exemplare des kaiserlichen Diploms für die Kronländer wären unter angemessener typographischer Ausstattung in der k. k. Hof- und Staatsdruckerei auf Pergament, mit Anwendung des großen kaiserlichen Titels abzudrucken. Siegel, Schnur, Format und Einband wären wie bei dem Exemplare für das k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, und jedes Exemplar wäre mit der eigenhändigen Ah. Namensfertigung samt den Gegenzeichnungen zu versehen.

Wegen der hohen Wichtigkeit dieser Urkunde, in welcher auch speziell die staatsrechtliche Stellung des Reichsrates ausgesprochen wird, schiene es dem Ministerpräsidenten sehr angezeigt, daß von Sr. k. k. apost. Majestät ein Exemplar (von der unter 2. bezeichneten Form) dem Reichsrate übergeben werde. Ferner dürften das Staatsministerium, dann die königlich ungarische und die siebenbürgische Hofkanzlei mit ähnlichen Exemplaren dieses Staatsgrundgesetzes Ah. beteilt werden, zumal die politischen Zentralbehörden vor 1848 stets Ah. unterzeichnete Ausfertigungen der zu ihrem Ressort gehörigen Ah. Patente erhielten.

Nachdem die Konferenz sich mit diesen Anträgen einverstanden erklärte, wird der Ministerpräsident darüber au. Vortrag erstatten4.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 24. November 1860.