MRP-1-4-02-0-18600623-P-0180.xml

|

Nr. 180 Ministerkonferenz, Wien, 23. Juni 1860 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 26. 6./6. 7.), Thun 27. 6., Nádasdy 26. 6., Gołuchowski 26. 6., Thierry 27. 6., Šokčević 5. 7., Plener 28. 6., FML. Schmerling 29. 6.

MRZ. – KZ. 2179 –

Protokoll II der Ministerkonferenz am 23. Juni 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Geschäftssprache in Kroatien

Der Minister des Inneren referierte über die vom Ban von Kroatien1 angeregte dringende Notwendigkeit, die bestehenden Normen über die Geschäftssprache bei den lf. Behörden in Kroatien und Slawonien im Sinne des Ah. Patents vom 7. April 1850 zu modifizieren2.

Der Minister verkenne nicht, daß etwas geschehen müsse, um die in diesem Lande sehr hoch gesteigerte Unzufriedenheit zu beschwichtigen, und bringe daher in Antrag, daß die Erlässe der Statthalterei nach unten und oben deutsch bleiben sollen, doch wären die Erlässe in allgemeinen Landesangelegenheiten an die Unterbehörden zugleich deutsch und kroatisch zu schreiben. Im Verkehre mit kroatischen Parteien sei sich bei den politischen Behörden stets der kroatischen Sprache zu bedienen. In der Justizsphäre wäre sich noch fortan an das Gesetz vom Jahre 1854 zu halten3. Bei den Polizei-, Finanz- und Postbehörden habe die deutsche Sprache im inneren Dienste und mit den Parteien noch die Amtssprache zu bleiben4.

Der Banus FML. Baron Šokčević ergriff das Wort, um zu zeigen, daß diese Normierung noch immer mit den Bestimmungen des Patents vom 7. April 1850 in zu großem Widerspruche stehe, als daß sie in Kroatien einen befriedigenden Eindruck hervorrufen könnte. In diesem Lande beruft man sich auf das im Jahre 1850 in feierlichster Weise ausgesprochene kaiserliche Wort, dessen Widerruf man nicht als möglich betrachtet, || S. 273 PDF || zumal man die damaligen Zugeständnisse nach dem Wortlaute des Patents als einen Lohn für „bewiesene Treue und dargebrachte Opfer“ ansieht. Der Banus müsse sich auch offen zu derselben Ansicht bekennen und daher dringend bitten, daß die Zusicherungen in der Sprachenfrage nicht bloß in so beschränkter Weise gehalten und dadurch das Vertrauen des kroatischen Volkes noch mehr erschüttert werde. FML. Freiherr v. Šokčević verkenne nicht die Schwierigkeiten, welche mit der ausgedehnten Einführung der kroatischen Sprache bei den Behörden verbunden seien, Schwierigkeiten, mit welchen er selbst persönlich zu kämpfen haben werde. Gleichwohl halte er sich zu diesem au. Antrage verpflichtet, da es dringend nötig geworden ist, die Kroaten über diese ihnen sehr wichtige Angelegenheit zu beruhigen, widrigens das ganze Land sich für die Vereinigung mit Ungarn aussprechen wird, was das Ziel der offenkundigen magyarischen Bestrebungen ist. Eine Gefahr für das Allgemeine sei aus der ausgedehnteren Einführung der kroatischen Sprache nicht zu besorgen. Schon der Umstand, daß in Kroatien und Slawonien eine ungemischte Nationalität besteht, schließt die meisten Exemplifikationen in Ungarn, Banat, Siebenbürgen etc. aus.

Der Minister des Inneren äußerte, daß ungeachtet dieser Verschiedenheit in den Verhältnissen eine Konzession an Kroatien in der Sprachenfrage auch gewisse Konzessionen in den anderen Ländern, namentlich Galizien und Ungarn, unvermeidlich machen werde. Jedenfalls wäre, wenn Se. Majestät darauf einzugehen geruhen, besonders herauszuheben, daß Allerhöchstdieselben den Kroaten ausnahmsweise ein Geschenk damit machen. Indessen würden doch gewisse Zugeständnisse in den andern Kronländern unvermeidlich werden, wenn man gleich dort die deutsche Amtssprache der Behörden im inneren Dienste beibehält. Dahin gehöre auch das Recht für die galizischen Advokaten, sich der Landessprache in ihren Satzschriften zu bedienen. Diese Zugeständnisse würden genau zu präzisieren sein5. Der Justizminister erinnert daran, daß das Gesetz vom Jahre 1854 nur nach langer reiflicher Erwägung erlassen worden sei. Was man durch sechs Jahre im Interesse des Justizdienstes und der Einheit der Rechtspflege festgehalten habe, solle jetzt aufgegeben werden. Darum erscheine es angezeigt, den Schritt wohl zu überlegen und sich auch dabei schon gegenwärtig zu halten, wie weit man dann in anderen Ländern gehen wolle. Auch die Serben würden ihre Treue, ihre Opfer geltend machen. Reichsrat v. Plener machte auf die unüberwindliche Schwierigkeit aufmerksam, im Gefällsdienste die deutsche Sprache mit den vielen technischen Ausdrücken zu beseitigen, ohne die größte Verwirrung hervorzubringen. Der Kultusminister äußerte, daß Konzessionen in Absicht auf die Nationalsprachen für sein Ministerium ganz besondere Schwierigkeiten, namentlich auch in Böhmen, herbeiführen würden. Indessen verkenne er nicht die Notwendigkeit, das im Jahre 1850 den Kroaten gegebene Versprechen so weit als möglich zu halten. Man müsse sich aber nicht durch die Konsequenzen in den anderen Ländern zu weit führen lassen und dort alles mühsam Gewonnene mit einem Male wieder aufgeben.

Im Laufe der hierüber gepflogenen längeren Erörterung äußerte der Ban von Kroatien , daß die Beibehaltung der deutschen Geschäftssprache bei den Finanz-, Post- und Baubehörden allerdings in dienstlicher Beziehung am nötigsten sei und dieselbe auch bei || S. 274 PDF || der Bevölkerung am wenigsten Anstand erregen werde, besonders wenn die Erlässe und Zahlungsaufträge an die Parteien in der Landessprache ausgefertigt werden.

Se. Majestät der Kaiser geruhten die Ah. Geneigtheit auszusprechen, in Erwägung der vorhandenen wichtigen politischen Rücksichten und der in sprachlicher Beziehung exzeptionellen Verhältnisse Kroatiens den Wünschen des Landes in Beziehung auf die Geschäftssprache ausnahmsweise soweit Ag. willfahren zu wollen, als es mit den unerläßlichen Erfordernissen des öffentlichen Dienstes sich vereinbaren läßt. Se. Majestät gestatten daher den Gebrauch der kroatischen Sprache bei den Kreisämtern und den politischen sowie Justizbehörden erster Instanz. Dagegen habe sich sowohl die Statthalterei als die Banaltafel bei den aKorrespondenzen mit den Zentralbehörden, dann im inneren Dienste und im dienstlichen Verkehr der übrigen Dienstzweige wie auch mita Behörden außerhalb Kroatiens der deutschen Sprache zu bedienen, welche Sprache fernerhin ebenfalls für alle Korrespondenzen der kroatischen Behörden ohne Unterschied mit den Militärbehörden vorgeschrieben bleibt. Ebenso bleibt die deutsche Sprache die Geschäftssprache bei allen dortigen Bau-, Post- und Finanzbehörden, jedoch mit Ausnahme der Bescheide auf kroatische Eingaben und der Zahlungsaufträge an die Parteien.

Über die Form, in welcher dieser kaiserliche Beschluß zu erlassen wäre, ergab sich eine längere Erörterung, infolge welcher Se. Majestät Allerhöchstsich schließlich dafür zu entscheiden geruhten, daß bder Minister des Inneren nach gepflogener Rücksprache im kurzen Wege mit jenem der Justiz Sr. Majestät den Entwurf eines Ah. Handschreibens an den Ban unterbreite,b welches demselben, jedoch ohne Publikation, zur Richtschnur bei den von ihm an die Statthalterei, die Banaltafel und die Finanzlandesdirektion zu erlassenden Weisungen zu dienen haben wird. Der Justizminister habe seinerseits die erforderliche Weisung an den Obersten Gerichtshof pro foro interno zu erlassen6.

|| S. 275 PDF || Zugleich geruhten Se. Majestät den Minister des Inneren zu beauftragen, im Vernehmen mit dem Justizminister jene Verfügungen über die Geschäftssprache zu beantragen, welche in den anderen Kronländern mit gemischter Bevölkerung aus dem gegenwärtigen Anlasse zu treffen wären7.

II. Ersatz eines Vorschusses an die Notleidenden in Kroatien

Hierauf wurde die Frage über die Erteilung der Nachsicht des Ersatzes der Vorschüsse, zusammen 30.000 fl., an die Notleidenden Kroatiens in Erwägung gezogen und über die vom Minister des Inneren und dem Reichsrate v. Plener dagegen vom finanziellen Gesichtspunkte erhobenen Bedenken von Sr. Majestät entschieden, daß eine solche Nachsicht nicht Platz zu greifen habe8.

Am 26. Juni/6. Julius 1860. Rechberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Laxenburg, 10. Juli 1860.