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Nr. 178 Ministerkonferenz, Wien, 19. Juni 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 19. 6.), Thun 23. 6., Nádasdy, Gołuchowski 24. 6., Thierry 25. 6., Plener 25. 6., FML. Schmerling 26. 6.

MRZ. – KZ. 2053 –

Protokoll der zu Wien am 19. Juni 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Zinsengarantie für ein Bauanleihen der Kaiserin Elisabeth-Westbahn

Die Kaiserin Elisabeth-Westbahn bedarf zum Ausbau einer mittelst Anleihen aufzubringenden Summe von zwölf Millionen Gulden. Al pari ist es nicht zu bekommen, und es liegt nur ein Anbot von Baron Rothschild vor, der es um 94,60 übernehmen will. Nachdem der Staat der Unternehmung 51/5% Reinertrag des Anlagekapitals garantiert hat und diese Garantie natürlich auf die zum Bau bestimmte Anleihenssumme sich erstreckt, so fragt sich, ob sie vom ganzen Nominalbetrage des Anleihens oder nur von demjenigen Betrage zu gelten habe, der darauf effektiv gezahlt und zum Bau als Anlagekapital verwendet wird. Strenge genommen würde die letztere Auffassung die richtige sein. Allein, es ist zu erwägen, daß die Regierung, durch den Vertrag mit Bayern über den Ausbau der Bahn bis 1863 gebunden1, verpflichtet ist, der Unternehmung alle Unterstützung angedeihen zu lassen, und daß sie durch Beschränkung der Aktienemission von 65 Millionen auf 30 Millionen die Gesellschaft in die Notwendigkeit versetzt hat, zu Anleihen ihre Zuflucht zu nehmen; daß ferner die Westbahn eine solche Zukunft für sich hat, welche die einstige Refundierung der infolge der Zinsengarantie gemachten Vorschüsse in Aussicht stellt; daß es sich endlich um eine an sich nicht erhebliche Differenz von 28.000 fr. handelt. Der Leiter des Finanzministeriums würde daher den Antrag auf Gewährung der Zinsengarantie von dem Nominalbetrage des Anleihens bei Sr. Majestät befürworten, womit die Konferenz einverstanden war, der Minister des Inneren jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalte, daß er sich gegen jede Konsequenz auf ähnliche Zugeständnisse bei anderen Bahnunternehmungen verwahre, indem er im vorliegenden Falle bloß in der Rücksicht mit dem Antrage einverstanden sei, weil die Regierung durch die Beschränkung der ursprünglich zugestandenen Aktienemission die gegenwärtige Verlegenheit der Gesellschaft gewissermaßen selbst verschuldet hat2.

II. Verwaltungsräte der südlichen Staatseisenbahn

Nachträglich zu den in der Konferenz vom 16. d. M. sub III. besprochenen Propositionen über die Regelung der Verhältnisse der südlichen Staatseisenbahn brachte der || S. 261 PDF || Leiter des Finanzministeriums nochmals die Bedenken vor, welche gegen die Vereinigung der beiden Verwaltungsräte von Wien und Mailand in eine Versammlung für gemeinsame Angelegenheiten an einem dritten, mutmaßlich ausländischen Orte sich ergeben. Zur Beseitigung derselben würde er vorschlagen, daß ein österreichisches Komitee der Generaldirektion in Paris als integrierender Bestandteil beigegeben und dessen Stimmen jenen des österreichischen Verwaltungsrates zugezählt, oder daß die Zahl der Mitglieder der beiden Verwaltungsräte in Wien und Mailand im Verhältnisse zur Länge der betreffenden Bahnstrecken bestimmt werden, in welch letzterem Falle das Übergewicht auf Österreich käme.

Die Konferenz fand hiergegen nichts zu erinnern.

FML. Ritter v. Schmerling ersuchte um die Verfügung, daß zur definitiven Verhandlung mit der Gesellschaft über deren Propositionen ein Abgeordneter der Militärverwaltung zugezogen werde, um die bezüglich einiger noch auszubauenden Bahnstrecken zu beachtenden militärischen Rücksichten vertreten zu können, was der Leiter des Finanzministeriums auch zugestand3.

III. Ausfuhrzoll auf Getreide

Auf die Andeutung des Polizeiministers , ob nicht ein Ausfuhrzoll auf Getreide zu legen sei, nachdem infolge russischer und französischer Aufkäufe der Metzen Weizen im Banat schon auf 11 fr. gestiegen ist und hiermit eine bedenkliche Preissteigerung der Zerealien im Inlande zu besorgen wäre, antwortete der Leiter des Finanzministeriums ablehnend, nachdem die letzten Berichte ein Zurückgehen der Preise ausweisen, die Ernteaussichten gut sind und es nicht angemessen erscheint, die gedeihliche Bewegung inländischer Naturalvorräte durch beschränkende Verfügungen zu stören.

IV. Militärbudget pro 1861 und [Militärbudget] überhaupt

Der Leiter des Finanzministeriums referierte über das Militärbudget für 18614.

Vom Armeeoberkommando waren pro ordinario et extra ordinario nach Zugestehung aller tunlichen Einschränkungen 102,772.753 fr. angesprochen worden, wogegen das Finanzministerium erklärte, 100 Millionen seien das Äußerste, was die Finanzen für diesen Verwaltungszweig zugestehen könnten. Das Armeeoberkommando erklärte dagegen, es könne sich der Hoffnung nicht hingeben, der Erwartung des Finanzministeriums, mit 100 Millionen auszulangen, vollständig zu entsprechen, indem ein Teil der für 1860 präliminierten Kriegsmaterialergänzungen, der Zahlungen auf die kontraktmäßig sichergestellten Lieferungen und die Befriedigung der Kriegsprästationen im Venezianischen5 in das Jahr 1861 hinüberreichen wird und bei der Unzulässigkeit von Vorausfassungen in das Präliminare von 1861 aufgenommen werden mußte. Das Armeeober­kommando könnte daher dem Anerbieten des Finanzministeriums, der Militärverwaltung || S. 262 PDF || eine Dotation von 100 Millionen zur Verfügung zu stellen, nur unter der ausdrücklichen Voraussetzung beitreten, daß es ihm gestattet sei, falls das Auslangen nicht zu erreichen wäre, sowohl dasjenige, was zur Bestreitung der Kosten für Ergänzung des Kriegsmaterials abgängig bleibe, als auch die für die Kriegsprästationen erforderlichen Summen mittelst eines Nachtragspräliminares ebenso in Anspruch zu nehmen, wie es rücksichtlich des eventuellen Extraordinariums von 12 Millionen Gulden und des Erfordernisses für die modenesischen Truppen wird geschehen müssen, wenn die Verhältnisse den Fortbestand der diesen beiden Aufwandspositionen zugrunde liegenden Ursachen noch im Jahre 1861 bedingen sollten6. Als weitere Bedingung wird noch beigefügt, daß der Militärverwaltung das unbedingte Verfügungsrecht innerhalb der angewiesenen Dotation zugestanden werde7.

Der Leiter des Finanzministeriums bemerkte nun, er müsse sich an diese, wenn auch bedingte Annahme der angebotenen Dotation von 100 Millionen (worin nach Abrechnung der eigenen Einkünfte der Militärverwaltung mit circa 7 Millionen ein barer Zuschuß von 93 Millionen Gulden von den Finanzen zu verstehen sei) halten und in diesem Sinne die entsprechende Rektifizierung des gedruckten Militärbudgets pro 1861 zur Vorlage an Se. Majestät und an den verstärkten Reichsrat beantragen, welche sofort auch vom FML. Ritter v. Schmerling unter obigen Vorbehalten zugesagt wurde.

Nach dieser Annahme würde sich beim Gesamtbudget pro 1861 ein Defizit von 43 Millionen herausstellen, für welches jedoch noch durch die gewöhnlichen Kassabestände, dann durch die im Jahre 1861 zur Zahlung kommenden Raten des 1860er Lottoanlehens8 die Bedeckung beschafft werden kann.

Was die eventuellen Ansprüche für die modenesischen Truppen und die 12 Millionen Gulden jährlich betrifft, welche sich auf die außerordentliche Erhöhung des Truppenstandes im lombardisch-venezianischen Königreiche beziehen, so glaubte der Leiter des Finanzministeriums auf erstere als eine ganz fremde Post nicht eingehen und bezüglich der letzteren anfragen zu sollen, ob sich die Verhältnisse nicht günstiger gestalten dürften, um den erhöhten Truppenstand im Jahre 1861 reduzieren zu können, oder ob dieser Truppenstand nicht überhaupt zur Schonung der Finanzen einzuziehen wäre, da er für den Fall eines Krieges doch niemals ausreichen, sondern immer aus dem Inneren der Monarchie herangezogen werden müßte. Es wurde jedoch vom Minister des Äußern entgegnet, daß wohl kein Krieg, aber ein Überfall im Venezianischen zu besorgen wäre, und vom FML. Ritter v. Schmerling , daß, solange diese Gefahr besteht, der bisherige Stand von beiläufig 65.000 Mann beibehalten werden müsse, der gerade ausreiche, um die Festungen gehörig zu besetzen und im freien Felde 10.000 –12.000 Mann zur Abwehr eines plötzlichen Angriffs etc. für so lange disponibel zu haben, bis weitere Truppennachschübe aus dem Inneren erfolgen können.

|| S. 263 PDF || Sonach erübrigt dem Leiter des Finanzministeriums nichts, als das Militärbudget pro 1861 mit 100 Millionen Gulden mit dem Beisatze festzustellen, daß das Armeeoberkommando bemüht sein werde, damit das Auslangen zu finden, insofern nicht die Fortdauer der politischen Verhältnisse auch im Jahre 1861 die Beibehaltung der ao. Streitkräfte im lombardisch-venezianischen Königreiche erheischt, für welche ein monatlicher Aufwand von einer Million Gulden, also zwölf Millionen Gulden für das Jahr, erforderlich sein würde.

Indem die Konferenz sich hiermit einverstanden erklärte, fügte der Leiter des Finanzministeriums die weitere Bemerkung bei, daß durch diese zwölf Millionen das oben mit 43 Millionen ausgewiesene Defizit auf 55 Millionen Gulden sich erhöhen würde, und daß zur Deckung des Mehrabganges unter den bestehenden Verhältnissen, wo an eine Kreditoperation nicht zu denken ist, kein Mittel zu Gebote stehe, als etwa die Vermehrung der schwebenden Schuld mittelst Hinausgabe von Hypothekar­anweisungen.

Zugleich hielt sich der Leiter des Finanzministeriums für verpflichtet anzudeuten, daß für die folgenden Jahre, wo ebensowenig auf Kreditoperationen als auf ao. Zuflüsse zu rechnen, vielmehr der bloß für die Dauer des Kriegs und seiner Folgen auferlegte ao. Steuerzuschlag mit circa 28 Millionen bei der Einnahme in Abschlag zu bringen sein wird, für die Militärverwaltung schlechterdings nicht mehr als 83 Millionen Gulden werden gewidmet werden können, daß daher allen Ernstes an Einschränkung in diesem Zweige Hand angelegt werden müsse.

Es wurden einzelne Posten bezeichnet, bei denen nach Ansicht der Minister dies geschehen könnte, und sie vereinigten sich in dem Antrage, eine Konferenz unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät zu erbitten, worin im Interesse der Erhaltung der Monarchie die dringende Notwendigkeit solcher Einschränkungen dargestellt und die Vorschläge dazu näher entwickelt werden könnten9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Laxenburg, 30. Juni 1860.