Nr. 167 Ministerkonferenz, Wien, 1. Juni 1860 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 2. 6.), Thun 2. 6., Nádasdy 2. 6., Gołuchowski 2. 6., Thierry 2. 6., Plener 2. 6., FML. Schmerling 2. 6.
MRZ. – KZ. 1748 –
Protokoll I vom 1. Juni 1860 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten und Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.
[I.] Pensionierung des zweiten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes und Ernennung des Reichsrates Baron Lichtenfels an seine Stelle
Der Justizminister referierte, daß, nachdem der Präsident des Obersten Gerichtshofes Freiherr Karl Krauß demnächst einen Urlaub anzutreten gedenkt, die Notwendigkeit vorhanden sei, für eine in jeder Beziehung entsprechende Vertretung desselben Sorge zu tragen, indem der zweite Präsident, Baron Sommaruga, dieser schwierigen Aufgabe bei seinem hohen Alter nicht mehr gewachsen ist.
Graf Nádasdy sei außerstande, jemand zu bezeichnen, der für diese Stelle eines zweiten Präsidenten besser geeignet wäre als den Reichsrat Freiherrn v. Lichtenfels, und er gedenke daher bei Sr. Majestät au. darauf anzutragen, daß Baron Sommaruga in den bleibenden Ruhestand – unter Belassung aller seiner dermaligen Bezüge an Gehalt und Quartiergeld – versetzt und Reichsrat Baron Lichtenfels an seine Stelle Ah. ernannt würde. Die Belassung des Quartiergeldes von 1000 fl. habe Präsident Baron Sommaruga selbst angesucht und sich dabei auf die ihm obliegende Fürsorge für seine zahlreichen Enkel berufen. Der Justizminister glaube diesen Gnadenakt auf das wärmste befürworten zu sollen, da der im 80. Lebensjahre stehende Baron Sommaruga mit Auszeichnung durch 54 Jahre gedient hat und die gleiche Begünstigung bereits vielen, minder verdienstvollen Beamten nach kürzerer Dienstzeit zuteil geworden ist.
Der provisorische Leiter des Finanzministeriums äußerte, daß er weit entfernt sei, die notorischen Verdienste dieses hochbetagten Mannes in Abrede zu stellen; aber er halte sich verpflichtet, prinzipiell gegen die Ag. Zugestehung dieses nicht in den Normalien gegründeten Ruhegenusses zu stimmen, da sich in neuerer Zeit die Ansprüche auf eine günstigere als die bloß normalmäßige Behandlung zum empfindlichen Nachteil der Finanzen auf eine bedenkliche Weise mehren.
Der Meinung des Reichsrates v. Plener traten die Minister des Kultus und des Inneren bei, während alle übrigen Stimmen, somit die Majorität der Konferenz, sich dem Gnadenantrage des Justizministers anschloß. Der Polizeiminister bemerkte hiebei, die Ansprüche auf eine günstigere als die normalmäßige Pensionsbehandlung seien eine ganz natürliche Folge von zwei unleugbaren Tatsachen, 1. daß das Zivilpensionsnormale die Abstufung der Ruhegenüsse in vielen Fällen auf eine höchst unbillige Weise festsetzt, und 2. daß bei der enormen Steigerung der Lebensbedürfnisse die normalmäßigen Pensionen jetzt oft kaum zureichen, das nackte Leben zu fristen, während sie allerdings bei ihrer vor bald hundert Jahren stattgefundenen Festsetzung als reichlich gelten konnten.
Der Justizminister bemerkte schließlich, daß, wenn die Belassung des Quartiergeldes nicht in den Ah. Absichten liegen sollte, Se. Majestät Allerhöchstsich bewogen finden || S. 221 PDF || dürften, dem verdienstvollen Veteran Baron Sommaruga das Großkreuz des Leopoldordens statt des Kommandeurkreuzes Ag. zu verleihen1.