Nr. 110 Ministerkonferenz, Wien, 9. Februar 1860 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser, BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 5. 3.), Thun 10. 2., Bruck 10. 2., Nádasdy 11. 2., Gołuchowski 12. 2., Thierry, Schmerling 18. 2.
MRZ. – KZ. 744 –
- I. Definitive Bestreitung der Etappengebühren für die k.k. Armee im Venezianischen
- II. Mitteilung über die politische Lage an Statthalter Ritter v. Toggenburg
- III. Ausfuhr von Waffen und Kriegsmaterial aus Triest
- IV. Herstellung der Verbindung zwischen Nabresina und Casarsa, dann der Süd- und Westbahn
- V. Stand der Verhandlungen über das Staatsanlehen
Protokoll der Ministerkonferenz am 9. Februar 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Definitive Bestreitung der Etappengebühren für die k.k. Armee im Venezianischen
Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer , Präsident des Reichsrates, referierte über die Meinungsverschiedenheit, welche sich im Schoße der Konferenz in bezug auf die definitive Bestreitung der Kosten per 1,200.000 fl. für Etappen der k. k. Truppen im italienischen Feldzuge ergeben hat1. Der Minister des Inneren beantragt in seinem diesfälligen, dem k. k. Reichsrate zur Begutachtung Ah. zugewiesenen Vortrage2, daß diese Auslagen als eine allgemeine Staatslast zu behandeln und die hierauf im Lande bereits eingezahlten Beträge zurückzuersetzen seien, während die Majorität der Konferenz sich in der Beratung am 24. Dezember 1859 mit dem Antrage des Ministerpräsidenten vereinigte, daß die Etappengebühren als eine Landeslast zu behandeln und deren Bestreitung, da der Territorialfonds dermal insolvent ist, mittels Aufnahme eines Anlehens durch die Zentralkongregation der venezianischen Provinzen zu erleichtern sein dürfte.
Der Minister des Inneren hatte adiese unausgetragene Meinungsverschiedenheit mittels au. Vortrages Allerhöchstenortes zur Kenntnis gebracht, weil Se. Majestät den Vortrag dieser Verhandlungen ihm zur Pflicht zu machen geruht hatte, wie dies aus dem betreffenden Konferenzprotokolle ersichtlich ist. Graf Gołuchowski war gleich im Anfange darüber gar nicht im Zweifel, daß es schon bei der ursprünglichen Anordnung der Etappengebühren gar nicht in der Absicht Sr. Majestät gelegen war, mit dieser Gebühr den Landesfonds bleibend zu belasten, zumal in der diesfälligen, über Ah. Auftrag an den Minister des Inneren gerichtetena diese unausgetragene Meinungsverschiedenheit mittels au. Vortrages Allerhöchstenortes zur Kenntnis gebracht, weil Se. Majestät den Vortrag dieser Verhandlungen ihm zur Pflicht zu machen geruht hatte, wie dies aus dem betreffenden Konferenzprotokolle ersichtlich ist3. Graf Gołuchowski war gleich im Anfange darüber gar nicht im Zweifel, daß es schon bei der ursprünglichen Anordnung der Etappengebühren gar nicht in der Absicht Sr. Majestät gelegen war, mit dieser Gebühr den Landesfonds bleibend zu belasten, zumal in der diesfälligen, über Ah. Auftrag an den Minister des Inneren gerichteten Note des Ersten Generaladjutanten Grafen Grünne|| S. 433 PDF || nur „von der vorläufigen Übernahme der Etappen bauf das Landb gegen seinerzeitige Abrechnung“ die Rede war. Die Etappen wurden zur besseren Subsistenz der Truppen Ah. bewilligt und selbe bildeten eine allgemeine Kriegsauslage, cwelche den Truppen für gewöhnlich nur dann bewilligt werden, wenn dieselben auf fremdem Boden operieren;c nirgends kommt vor, daß ddiese Zahlung als Strafe den venezianischen Provinzen auferlegt worden seid . Man hat nur in Ermanglung andere Bedeckungsmittel zu dieser provisorischen Überweisung gegriffen, allein dermal kann man sich der zugesicherten Abrechnung nicht entschlagen. Graf Gołuchowski müsse daher an seinem au. Antrage wegen Übernahme der Etappen auf den Staatsschatz festhalten.
Der Ministerpräsident äußerte, daß er über seinen Antrag wegen Bedeckung der Etappen durch ein Landesanlehen mit dem Ritter v. Toggenburg gesprochen habe, welcher die Aufnahme eines solchen Anlehens durch die Kongregationen wegen mangelnder gesetzlicher Vollmacht hiezu nicht für tunlich hielt und darauf hindeutete, die Auslage als Monteschuld zu behandeln, wofern die unmittelbare Repartition desselben als Territoriallast nicht angezeigt erschiene. Der Finanzminister fände gegen diesen Ausweg nichts zu erinnern. Jedenfalls müßte er sich aber dagegen erklären, daß die Zentralfinanzen und somit alle übrigen Provinzen in Anspruch genommen würden, welche aus Anlaß des Krieges bereits auf verschiedene Weise empfindlich belastet wurden, fortan höhere Steuern zahlen und an der Entwertung des Papiergeldes noch schwer leiden, ohne Aussicht auf baldige Abhilfe, während die Entwertung der Vaglien im Venezianischen bereits aufgehört hat eund die Geldzirkulation in Silber hergestellt iste . Wenn der Aufenthalt der großen Armee einerseits jenen Provinzen manche Opfer auferlegt hat, so brachte er andererseits auch viele Millionen im Umlauf, welche sonst nie dahin geflossen wären und wobei die große Masse der dortigen Bevölkerung auch gewonnen habe. Der Minister des Inneren entgegnete auf diesen letzten Umstand, daß nach den in Galizien gemachten Erfahrungen der Aufenthalt großer Truppenmassen in einem Lande nur einzelne bereichert, der Masse der Bevölkerung aber keinen Vorteil bringt und selbst viele Kontribuenten zugrunde richtet. Der Justizminister kann die Etappengebühren nur als eine Landeslast betrachten und weist auf die Analogie mit den sogenannten Deperditen bei den reglementmäßigen Militärprästationen Ungarns in der Zeit vor 1848 hin4. Die Anerkennung des vom Minister des Inneren in dieser Sache angenommenen Prinzips findet Graf Nádasdy wegen seiner Folgerungen bedenklich. Der Kultusminister glaubt, daß die Finanzen sich dieser Auslage als einer allgemeinen Kriegslast nicht wohl entschlagen können. Hinzu kommt, daß der Territorialfonds in Venedig ganz erschöpft ist und die Grundsteuer, auf welche man die Etappen neu repartieren müßte, mit Einschluß der bereits bestehenden Zuschläge dortlands bereits eine unerschwingliche Höhe erreicht hat.
|| S. 434 PDF || Se. Majestät der Kaiser sehen einer reifen Erwägung dieses Gegenstandes von Seite des Reichsrates entgegen4.
II. Mitteilung über die politische Lage an Statthalter Ritter v. Toggenburg
Der Minister des Inneren brachte die Bitte des designierten Statthalters von Venedig Ritter v. Toggenburg zur Sprache, daß ihm auch, gleich dem Armeekommandanten Grafen Degenfeld, Mitteilungen über die jeweilige politische Lage zu seiner Orientierung gemacht würden.
Se. Majestät der Kaiser geruhten zu befehlen, daß dem Ritter v. Toggenburg von Zeit zu Zeit die geeigneten Mitteilungen über die äußere Politik zu machen seien5.
III. Ausfuhr von Waffen und Kriegsmaterial aus Triest
Der Finanzminister referierte über eine Allerhöchstenortes gestellte Frage, daß nach einer telegraphischen Meldung des Statthalters Baron Burger aus Triest keine Ausfuhr von Waffen oder Kriegsmaterial stattfinde6.
IV. Herstellung der Verbindung zwischen Nabresina und Casarsa, dann der Süd- und Westbahn
Der Finanzminister referierte über die Hindernisse, mit welchen die Herstellung der Verbindung zwischen der Süd- und der Westbahn bei Wien7, dann jener zwischen Nabresina und Casarsa noch zu kämpfen hat8.
Auf die Bemerkung Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Chef des Armeeoberkommandos , daß man der Südbahn, um sie zur beschleunigten Brückenherstellung bei Casarsa zu bestimmen, vorschreiben könnte, daß sie binnen eines bestimmten Termins entweder die stabile oder eine provisorische Brücke herzustellen habe, antwortete der Finanzminister , die Vollendung dieser Brücke sei bloß durch das Eintreffen eines Schiffs mit Eisenbestandteilen in Venedig bedingt. Diesem werde noch im laufenden Monat entgegengesehen. Ist es eingetroffen, so werde Baron Bruck einen Präklusivtermin bestimmen. Überdies ist bereits angeordnet, daß alle noch unvollendeten Bauobjekte durch eine Kommission aus Ingenieurs der Staatsverwaltung || S. 435 PDF || und der Gesellschaft besichtigt und wegen der beschleunigten Vollendung das Nötige vorgekehrt werde. An dem guten Willen der hiebei selbst interessierten Gesellschaft glaube Baron Bruck nicht zweifeln zu sollen9.
V. Stand der Verhandlungen über das Staatsanlehen
Der Finanzminister brachte schließlich zur Ah. Kenntnis den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen zur Zustandebringung eines Staatsanlehens10. Es liegen hiezu drei verschiedene Projekte vor, doch ist die Sache noch nicht zu einer definitiven Entscheidung reif. Damit aber die Finanzoperation demnächst, nach erfolgter Ah. Schlußfassung, in befriedigender Weise durchgeführt werden könne, sei es dringend notwendig, daß die Gesetze über die Besitzfähigkeit der Juden und über die Verstärkung des Reichsrates bald veröffentlicht werden11.