MRP-1-4-01-0-18590929-P-0037.xml

|

Nr. 37 Ministerkonferenz, Wien, 29. September 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

MRZ. – KZ. 3429 –

Protokoll [der Ministerkonferenz] vom 29. September 1859 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.

I. Teilnahme Sr. k. k. Hoheit des Erzherzogs Reichsratspräsidenten an den Ministerkonferenzen

Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu eröffnen, daß Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Präsident des Reichsrates von nun an den unter dem Ah. Vorsitze abzuhaltenden Ministerkonferenzen beiwohnen werden, damit Höchstderselbe in fortlaufender unmittelbarer Kenntnis der Tendenzen der Regierung und der in dieser Sphäre stattfindenden Beratungen erhalten werde1.

II. Behandlung der aus der Gefangenschaft rückkehrenden Ungarn

Der Polizeiminister referiert, daß die Besorgnis vor politischen Umtrieben der aus der Kriegsgefangenschaft nach Ungarn zurückkehrenden ungarischen Soldaten durch den Inhalt von Interzepten bestätigt werde2. Würden diese Revertenten nun auf einmal in ihre Heimat beurlaubt, so seien Ruhestörungen zu besorgen. Vom polizeilichen Standpunkt aus sei es daher höchst wünschenswert, daß diese Leute nach Möglichkeit bei den Fahnen verbleiben und nur nach sorgfältiger Sichtung allmählig auf Urlaub entlassen werden. Die Beurteilung, ob diese Behandlung mit den gegenüber Frankreich eingegangenen Verpflichtungen vereinbarlich sei, müsse Baron Hübner aber dem Minister des Äußern anheimstellen.

Graf Rechberg äußerte hierauf, daß wir keine Verpflichtungen übernommen haben, die fraglichen, in feindliche Korps eingereiht gewesenen Gefangenen aus ungarischen Regimentern günstiger zu behandeln als überhaupt alle andern zurückkehrenden Kriegsgefangenen. Man habe daher freie Hand, selbe nach eigenem Ermessen bei der Truppe zu behalten; dies könne nicht als Strafe gelten.

Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Wilhelm bemerkten, FML. Graf Degenfeld sei angewiesen worden, die gefährlichsten Individuen, namentlich jene, welche Offiziersstellen in Sardinien angenommen haben, in deutsche oder slawische Regimenter einzuteilen und im Stande derselben zu belassen3.

|| S. 129 PDF || Se. Majestät der Kaiser sprachen die Hoffnung aus, daß der bei weitem größte Teil dieser Ungarn sich als unbedenklich erweisen werde; sollte aber einer oder der andere sich jetzt noch politisch tadelhaft benehmen, so werde er sogleich in eine Strafkompanie einzuteilen sein.

Se. kaiserliche Hoheit und der Polizeiminister werden in diesem Sinne einverständlich das Nötige erlassen4.

III. Modifikation der kaiserlichen Verordnung über die allgemeine Verzehrungssteuer vom Wein vom 12. Mai 1859

Se. k. k. apost. Majestät geruhten an den Finanzminister die Frage zu richten, ob nicht zur allgemeinen Versteuerung des Weins weniger drückende Maßregeln gefunden werden könnten, als die in der kaiserlichen Verordnung vom 12. Mai 1859 festgesetzten5.

Der Finanzminister motivierte hierauf umständlich seine Überzeugung, daß diese kaiserliche Verordnung nicht notwendig vexatorische Maßregeln im Gefolg habe. Die Agitation gegen diese Verordnung ist auch hauptsächlich bloß Folge eines unrichtigen Verständnisses derselben und beschränkt sich nur auf ein paar Kronländer. In den übrigen sind keine Klagen vorgekommen; namentlich sind in Ungarn az.B. von 904 Gemeindena 870 freiwillige Abfindungen zustande gekommen und die diesfälligen Verhandlungen nur bei etwa 30 Gemeinden gescheitert. Durch die Abfindung aber werden alle Plackereien von Seite der Gefällsorgane beseitigt und die Finanzen erhalten dadurch eine stets reichlicheren Zufluß versprechende Einnahmsquelle. Das große Defizit im Staatshaushalt gestatte nicht, auf eine Jahreseinnahme von elf Millionen zu verzichten, zu deren Erzielung sich sonst keine andere neue Quelle im Bereich der indirekten Besteuerung eröffnen läßt. Minister Baron Bruck müsse daher au. darauf antragen, daß an der Verordnung vom 12. Mai d. J. nichts geändert werde und man die mit dem besten Erfolge begonnenen Abfindungsverhandlungen allenthalben fortsetze, damit das Gesetz am 1. Mai k. J. ohne Anstand in Wirksamkeit treten könne.

Über einige hierauf von Sr. Majestät angedeutete Bedenken gab der Finanzminister folgende Aufklärungen: Die Abfindung wird allerdings dort, wo sie nicht freiwillig zustande kommt, von den Behörden gewissermaßen oktroyiert; allein, dieser Zwang, der nur durch böswillige Renitenzen hervorgerufen wird, ist für die Gemeinden bloß vorteilhaft; sie entgehen nämlich allen Plackereien und zahlen nur eine mäßige, von den zu ihrem Schutz bestellten politischen Behörden mit den Finanzbehörden billig vereinbarte Summe. Es ist dafür vom Finanzministerium gesorgt, daß besonders jetzt, im Beginne, kein Druck geübt werde. Die im Gesetz erscheinenden unvermeidlichen Kontrollmaßregeln, welche man vexatorisch findet, sind eigentlich nur ein Compelle, welches zur Abfindung drängen soll. Findet eine Gemeinde die oktroyierte Abfindungssumme zu hoch, so kann sie im Instanzenzug dagegen rekurrieren oder sich selbst der Steuerregie unterwerfen. Dies wird nur sehr selten geschehen; bei den Abfindungen aber ist keine Vermehrung des Gefällspersonals und der Regieauslagen nötig.

|| S. 130 PDF || Der Ministerpräsident machte gegen die beabsichtigten Modalitäten der allgemeinen Versteuerung der Weinkonsumtion geltend, daß dadurch nicht bloß der Reiche, sondern auch der arme Weinproduzent mit seinem Haustrunke, der Landwirt mit dem schlechten Wein getroffen wird, den er nach Landessitte den Feldarbeitern geben muß. Da die Steuerquoten aber nicht verhältnismäßig zu den so verschiedenen Weinpreisen abgestuft sind, könne man nicht in Abrede stellen, daß die Steuer nicht gerecht verteilt ist.

Der Finanzminister erwiderte hierauf, daß es, um dieser Einwendung zu begegnen, genügen dürfte, die Steuer vom Haustrunk auf ein Drittel oder ein Viertel des Steuersimplums herabzusetzen.

Von Seite der übrigen Stimmführer wurde hierüber nichts weiter erinnert6.

IV. Betrieb und Bau der lombardisch-venezianischen Eisenbahnen; Spurweite derselben

Der Finanzminister referierte hierauf, daß N. Böhm, welchen FML. Graf Degenfeld besonders warm empfohlen hat, bereits als Eisenbahnbetriebsdirektor nach Verona gesendet worden ist7. Die Eisenbahn von Nabresina nach Casarsa wird im nächsten Sommer (1860) vollendet sein8.

Bezüglich des Unterschieds in der Spurweite der lombardisch-venezianischen und der übrigen österreichischen Eisenbahnen berichtete der Finanzminister, daß laut der eingeholten genauen Auskünfte diese Differenz nur 1 1/4 Linien beträgt und bei ihrer Geringfügigkeit kein Hindernis bietet, daß dieselben Waggons und Lokomotiven auf den beiderseitigen Eisenbahnen zirkulieren9.

V. Politische Demonstration in Mantua

Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Wilhelm las einen Bericht des Kommandanten der II. Armee über eine zu Mantua am Todestage Manins stattgefundene politische Demonstration und die dagegen ergriffenen Maßregeln10.

VI. Gewerbegesetz

Se. Majestät der Kaiser geruhten zu befehlen, daß gleich nach dem Eintreffen des Ministers des Inneren in Wien an das Gewerbegesetz die letzte Hand gelegt werde11.

VII. Kirchliche Angelegenheiten der nichtunierten Griechen

Der Polizeiminister brachte in Anregung, daß man sich nun auch von Staats wegen mit der Reglung der kirchlichen Angelegenheiten der nichtunierten Griechen beschäftige, aus welchem Anlasse Se . k. k. apost. Majestät Allerhöchstsich dafür erklärten, daß vor allem zur Beteilung der Kirchen mit den hiezu bereitliegenden Ritualbüchern geschritten werde. Zur Beteilung des griechischen Klerus mit einer höheren Kongrua sei der Augenblick noch nicht gekommen.

Der Finanzminister bemerkte, daß für die Oberste Leitung der griechisch-nichtunierten Kultusange­legenheiten in ähnlicher Weise gesorgt werden könnte, wie für die der ungarischen Protestanten12.

VIII. Unteroffiziere bei den Generalkonsulaten in Jassy und Bukarest

Bei den k. k. Generalkonsulaten zu Jassy und Bukarest fungieren Unteroffiziers aus der Militärgrenze als Gerichtsdiener, Dolmetscher und selbst als Parteienvertreter zur vollen Zufriedenheit der Generalkonsuln sowohl als der Nationalen; dieselben wären überhaupt nur schwer und mit namhaften Kosten durch Individuen aus dem Zivilstande zu ersetzen. Nachdem es aber Anstoß erregt hat und selbst bei den Pariser Konferenzen von Seite der Westmächte mißliebig hervorgehoben wurde, daß diese Unteroffiziers in ihren Funktionen sowie überhaupt die österreichische Militäruniform und Waffen tragen, geruhten Se . k. k. apost. Majestät über Antrag des Ministers des Äußern Ag. zu genehmigen, daß die gedachten Unteroffiziers, unbeschadet ihres Verbandes mit der Militärgrenze und ihres Dienstcharakters, während der Dauer ihrer Verwendung bei den Generalkonsulaten stets sowohl in als außer Dienst Zivilkleider zu tragen haben.

Das Armeeoberkommando wird im Vernehmen mit dem Ministerium des Äußern die diesfälligen Anordnungen zu treffen haben13.

Am 1. Oktober 1859. Rechberg. Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, den 6. Oktober 1859.