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Nr. 36 Ministerkonferenz, Wien, 22. September 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Rechberg 23. 9.), Erzherzog Wilhelm, Nádasdy 23. 9., Hübner 23. 9.; abw. Thun, Bruck, Gołuchowski.

MRZ. – KZ. 3364 –

Protokoll [der Ministerkonferenz] vom 22. September 1859 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.

I. Modifizierung des § 58 der Bauordnung

Der Minister Freiherr v. Hübner referierte im Namen des Ministers des Inneren, daß an dem § 58 der von Sr. Majestät jüngst Ah. genehmigten Bauordnung für die Stadt Wien eine kleine Modifikation des Textes infolge der Ah. beschlossenen Auflösung des Handelsministeriums notwendig werde.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten hierauf zu genehmigen, daß in jenem Paragraphe statt „ein Rat des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten“ gesetzt werde „ein höherer technischer Beamter“1.

II. Einziehung der lombardischen Stiftungsplätze im Theresianum

Der Ministerpräsident referierte infolge Ah. Handschreibens vom 19. September 1859 über die Frage, ob die Entscheidung wegen der Behandlung der lombardischen Stiftlinge in der Theresianischen Akademie nicht bis nach erfolgter Unterzeichnung des Friedensschlusses zu verschieben wäre. Das Ministerium des Inneren hat nämlich bei Sr. Majestät unterm 13. d. M. den Antrag gestellt, die zwei lombardischen Stiftlinge Ignaz de Piantanida und Karl Nobile Nava aus der Theresianischen Akademie auszuscheiden und ihren Angehörigen zurückzustellen, da sie ihrer österreichischen Staatsbürgerschaft verlustig werden dürften2.

Graf Rechberg könne als Minister des Äußern nicht dafür stimmen, daß diesen zwei Zöglingen schon jetzt die Stiftungen entzogen würden; denn der Vertrag über die Abtretung des Lombardei ist noch nicht sanktioniert, und um daher nicht auf faktischem Wege vorzugreifen, wäre die Entscheidung über diesen Gegenstand bis zur erfolgten Auswechslung der Ratifikationen aufzuschieben; ja, es dürfte selbst dann noch zu erwägen sein, ob nicht Nava und Piantanida aus politischen Rücksichten im Gnadenwege noch länger in der Akademie zu belassen wären.

Nachdem von keiner Seite gegen diesen Antrag eine Erinnerung erhoben wurde, geruhten S e . k. k. apost. Majestät anzudeuten, es werde seinerzeit auch in Überlegung || S. 126 PDF || zu nehmen sein, ob nicht die bisher lombardischen Stiftplätze im Theresianum für venezianische Landesangehörige zu systemisieren wären3.

III. Durchführung der kaiserlichen Verordnung vom 12. Mai 1859 über die Verzehrungssteuer vom Wein

Se. Majestät der Kaiser geruhten zu erwähnen, daß sich die Anträge des Herrn Erzherzog Statthalters von Tirol bezüglich der Verzehrungssteuer durch das Ah. Handschreiben vom 15. September 1859 (womit die Wirksamkeit der kaiserlichen Verordnung vom 12. Mai 1859 vertagt wurde) vorläufig beheben, daß jedoch Allerhöchstdieselben beabsichtigen, nach der Rückkehr des Finanzministers vom Urlaube die Frage über die Durchführungsmodalitäten zu dieser kaiserlichen Verordnung in Erwägung ziehen zu lassen, da die wohlwollenden Absichten Sr. Majestät nicht bloß auf eine einfache Vertagung, sondern auf eine verbessernde Adaptierung dieser Vorschrift gerichtet sind4.

IV. Reduktionen in der Armee

Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Frage zur Beratung zu bringen, ob und inwiefern es vom politischen Standpunkte aus zulässig erscheine, den Finanzen jetzt schon durch weitere Reduktionen im Armeestande Erleichterungen zugehen zu lassen? Diese Reduktionen könnten nach Zulaß der Umstände durch Entlassung der Reservemänner, dann durch teilweise Zurückführung der 1. Armee auf den Friedensstand und durch Verkauf von Bespannungen erzielt werden5.

Der Ministerpräsident äußerte, daß er nach reifer Erwägung aller politischen Verhältnisse weder für die nächste Zukunft noch für das kommende Frühjahr einen feindlichen Angriff besorgen könne. Von Frankreich insbesondere sei keine Aggression vorauszusehen. In den äußeren Verhältnissen liege daher kein Hindernis, den gegenwärtigen Augenblick zu benützen, um sich dem anzustrebenden Ziele der Herstellung des Gleichgewichts der Einnahmen und Ausgaben zu nähern. Die traurige Lage unserer Finanzen sei in Europa nur zu bekannt; wenn es gelingt, sie zu verbessern, so wird unsere Stellung nach außen wesentlich gestärkt; die fortgesetzte Erhaltung einer imposanten Streitmacht ohne vorhandene Notwendigkeit aber würde die Hülfsquellen verzehren, die wir für den entscheidenden Augenblick bewahren müssen.

Nebst diesen Betrachtungen müsse aber Graf Rechberg noch ferner gegenwärtig halten, daß es unerläßlich werden wird, die Landstände in den Kronländern nach erfolgter Erlassung der diesfälligen Statute zusammenzuberufen, und daß von den Ständen, wenn bis dahin der Staatshaushalt nicht in beruhigender Weise geordnet ist, ein wahrer Sturm nach konstitutionellen Einrichtungen und Garantien zu gewärtigen ist. Um dem vorzubeugen, ist es daher eine ebenso wichtige als dringende Aufgabe, schon jetzt mit aller Energie und Umsicht nach dem Ziele des Gleichgewichts im Staatsbudget zu streben.

|| S. 127 PDF || Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Wilhelm machten vom militärischen Standpunkte aus die Notwendigkeit geltend, bei den Reduktionen das Maß einzuhalten, daß unsere Armee der piemontesischen Armee an Stärke wenigstens gleich sei, und Höchstdieselben erinnerten zugleich daran, daß Reduktionen im Pferdestande bei einem bald darauf wiedereintretenden Bedarfe Mehrauslagen statt Ersparungen zur Folge haben.

Der Minister Freiherr v. Hübner , in allen Punkten dem Ministerpräsidenten beistimmend, bemerkte ferner, daß eine Entwaffnung unsererseits die Aussicht auf den Frieden vermehren und den Piemontesen den oft geltend gemachten Grund ihrer fortgesetzten Rüstungen nehmen würde. Sollte übrigens eine Intervention im Bund mit Frankreich beschlossen werden, so würde es hiezu österreichischerseits kaum einer großen Kraftentwicklung bedürfen.

Der Minister der Justiz erklärte im eigenen Namen und in dem des Finanzministers, nur den Anträgen des Ministerpräsidenten beipflichten zu können6.

V. Erhöhung der Unterstützung für v. Görgey

Schließlich erbat sich der Polizeiminister die Ah. Ermächtigung, die Bitte des in Klagenfurt konfinierten v. Görgey um Erhöhung seiner jährlichen Sustentation von 2000 fl. der Ah. Schlußfassung unterziehen zu dürfen, da der Bedarf nachgewiesen wird, die Haltung Görgeys dermal vollkommen tadellos ist, und man nur wünschen kann, ihn dabei zu erhalten7.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 29. September 1859.