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Nr. 15 Ministerkonferenz, Wien, 21. Juni 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Bach; BdE. und anw. (Bach 22. 6.), Thun, Toggenburg 22. 6., Bruck 22. 6., Kempen 28. 6., Nádasdy 23. 6., Eynatten; abw. Rechberg.

MRZ. – KZ. 2321 –

Protokoll [der Ministerkonferenz] vom 21. Juni 1859 unter dem Vorsitze des Ministers des Inneren Freiherrn v. Bach.

I. Instruktion an die Landesbehörden für den Fall einer Invasion

Der Handelsminister ersuchte um Mitteilung der Instruktion, welche von den Ministerien an die Justiz- und politischen Behörden der mit einer feindlichen Invasion bedrohten Kronländer für den Fall des Eintretens dieser Eventualität erlassen worden ist, da dieselben Bestimmungen auch auf die dem Handelsministerium unterstehenden Ämter analoge Anwendung finden dürften.

Der Minister des Inneren sicherte die unverzügliche Mitteilung zu und las einen diesfälligen Erlaß an die küstenländische Statthalterei vor1.

II. Verfügung hinsichtlich der Strafanstalten im Invasionsfalle

Der Minister des Inneren eröffnete, er habe gemäß des in der Konferenz am 4. Juni 1859 gefaßten Beschlusses bereits angeordnet, daß die Sträflinge im Küstenlande bei einer Invasion von den Gerichts- an die Lokalgemeindebehörden zu übergeben wären2.

|| S. 53 PDF || Nachdem aber die letzteren die Geldmittel zur Bewachung und Verpflegung einer so großen Zahl von Sträflingen, wie in Capodistria und Gradiska derzeit vorhanden sind, selbst nur auf kurze Zeit keineswegs besitzen, und da es den Gemeindebehörden auch gänzlich am Personal fehlt, um eine große Anstalt dieser Art zu leiten und die Aufsicht über so viele, für die öffentliche Sicherheit gefährliche Individuen wie bisher fortzusetzen, so seien noch zwei weitere Verfügungen unerläßlich: nämlich a) daß den Gemeinden bei der Zurückziehung der Behörden eine mäßige Gelddotation für den Unterhalt der Strafhäuser während der ersten Invasionszeit erfolgt wird, wobei es der faktisch eintretenden feindlichen Administration überlassen bleibt, diesfalls für die Folge Sorge zu tragen; und b) daß die kaiserlichen Beamten, Aufseher und Diener in den gedachten Anstalten ausnahmsweise angewiesen werden, ihren Dienst nach dem Zurückziehen der übrigen Ämter etc. ainsolang fortzusetzen, bis die Übergabe an die neu eintretende Autorität stattgefunden hat.a

Die Konferenz war mit diesem Antrage vollkommen einverstanden3.

III. Fortgesetzte Dienstleistung der Sanitäts- und Lazarettsbeamten in Invasionsfällen

Der Handelsminister bemerkte, daß öffentliche Rücksichten es ebenfalls wünschenswert machen, daß die unteren Seesanitätsbeamten, dann das Personal in den Seelazaretten ihre Tätigkeit bei dem Eintreten einer feindlichen Invasion nicht sofort einstellen. Überdies wäre das Zurückziehen einer so großen Zahl kleiner Funktionäre von der langgedehnten Seeküste eine äußerst schwierige, zum Teil unmögliche, jedenfalls aber mit vielen Verlegenheiten und großen Auslagen verbundene Maßregel. Der Handelsminister finde es daher in jeder Beziehung angezeigt, auch bei diesen Beamten eine Ausnahme zu statuieren.

Gegen diesen Antrag wurde von keiner Seite eine Erinnerung erhoben4.

IV. Gehaltszulage für Beamte in Welschtirol

Der Minister des Inneren referierte, die politischen Beamten Südtirols hätten mit Berufung auf den Stand des Silberagios und die hieraus entstandene Teuerung um Bewilligung von Gehaltszuschüssen gebeten; er beabsichtige jedoch, dieses Einschreiten seiner Konsequenzen wegen zurückzuweisen, womit sich die Konferenz einverstanden erklärte.

V. Ausdehnung der Vollmacht für die Statthalter in den östlichen Kronländern zur Unterdrückung von Unruhen

In den östlichen Kronländern ist ungeachtet der unleugbarb vorhandenen Bewegung der Gemüter noch keine Ruhestörung vorgefallen, und bis jetzt ist noch kein Grund zu ernsten Besorgnissen vorhanden. Der Minister des Inneren bemerkte jedoch, man könne sich nicht verhehlen, daß Bewegungen im benachbarten Auslande oder die Landung einer bedeutenden feindlichen Truppenmacht im kroatischen Littoral, endlich wahre oder falsche Nachrichten von ungünstigen kriegerischen Ereignissen eine bedenkliche Aufregung und selbst Ruhestörungen hervorrufen könnten, welche zu unterdrücken || S. 54 PDF || die Autoritäten im Lande gerüstet sein müssen. Der Minister halte es daher für notwendig, daß den Landeschefs in Ungarn, Siebenbürgen und der serbischen Woiwodschaft, dann in Kroatien und Slawonien alle den Statthaltern im lombardisch-venezianischen Königreiche bereits eingeräumten Befugnisse zu Präventiv- und Repressivsicherheitsmaßregeln, cinsbesondere auch zur Konfinierung politisch bedenklicher Individuen außerhalb des Landes und Aufstellung von Kriegsgerichten für die gegen die Staatssicherheit gerichteten Handlungenc eingeräumt würden.

Nachdem die Ministerkonferenz der Meinung des Ministers des Inneren vollkommen beitrat, wird sich der letztere in dieser Angelegenheit sofort an Ihre k.k. Hoheiten die durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge Albrecht und Rainer wenden5.

VI. Aufhebung der Degradierungsstrafe

Der vorsitzende Minister Freiherr v. Bach teilte der Konferenz die Ah. Entschließung vom 13. d. M. mit, wodurch die Degradierungsstrafe der Beamten aufgehoben wurde. Sämtliche Zentralstellen werden hievon übrigens durch den Minister des Äußern demnächst schriftlich unterrichtet werden6.

VII. Bergzehent­entschädigung für die großen Grundbesitzer in Böhmen

Der Finanzminister referierte über die Meinungsverschiedenheiten, die sich zwischen ihm und den Ministern des Inneren und der Justiz in Beziehung auf die den Grundherrn der drei oberen Stände in Böhmen, Mähren und Schlesien für die mit dem Ah. Patent vom 11. Julius 1850 verfügte Aufhebung ihres Bergbauzehentgenusses gebührende Entschädigung ergeben hat7. Nach kurzer Darstellung des Sachverhaltes las der Finanzminister den Entwurf der kaiserlichen Verordnung, welche er diesfalls au. in Antrag zu bringen gedenkt.

a) Die Differenz mit dem Justizminister betrifft den zweiten Absatz im § 5 des Entwurfes, welcher folgendermaßen lautet: „Die mittlerweile als provisorische Bergzehententschädigung an die früheren Bezugsberechtigten aus Staatskassen geleisteten Zahlungen sind als Vorschüsse zu behandeln und von der Summe des Entschädigungskapitals samt fälligen Zinsen in Abschlag zu bringen.“ Das Justizministerium bemerkt, daß dies für die vormaligen Zehentbezugsberechtigten eine sehr empfindliche retroaktive Schmälerung ihrer bisher bezogenen Entschädigung begründen würde, indem die definitive Entschädigung nach den dermaligen Anträgen des Finanzministeriums nur beiläufig halb so groß sein würde, als die bisher provisorisch bezogene. Diese Schmälerung sei aber nicht im Einklang mit dem Patent vom 11. Juli 1850, womit ihnen bis zum Zustandekommen der definitiven Entscheidung über die Entschädigung ein bestimmter jährlicher Genuß ohne allen Vorbehalt zugesichert worden ist. Der Finanzminister, dem auch der || S. 55 PDF || Minister des Inneren beigetreten ist, könne sich jedoch mit dieser Meinung durchaus nicht vereinigen, nachdem gemäß Wortlaut und Sinn des gedachten Patents und der Ah. genehmigten Finanzministerialverordnung vom 20. Mai 1856 8 die fragliche Entschädigung bloß eine provisorische sei, welche bei der endlichen Entschädigung nach dem definitiven Gesetz (d. i. der jetzigen kaiserlichen Verordnung) zu behandeln sei. Es sei kein Rechtsgrund vorhanden, die Entschädigung vor und nach Erlassung des definitiven Gesetzes nach verschiedenen Grundsätzen zu berechnen.

Bei der Abstimmung vereinigten sich der Minister des Inneren und der Chef der Obersten Polizeibehörde mit dem Finanzminister, während die übrigen Votanten, somit die Majora, dem Justizminister beitraten.

b) Die Differenz mit dem Minister des Inneren bezieht sich auf den § 4, indem der Finanzminister die Kapitalsentschädigung bloß mit dem zehnfachen des ermittelten jährlichen reinen Zehentertrags bemessen will, während der Minister des Inneren das fünfzehnfache dieses Reinertrages der Billigkeit sowie den Anträgen der Behörden angemessener findet. Finanziellerseits wird geltend gemacht, daß der Ertrag von Bergwerken sehr prekärer Natur sei und daher der Zehentbezug nicht mittels zwanzigfacher Kapitalisierung und somit durch eine ewige 5% Rente reluiert werden könne, welche in vielen Fällen durch die Bergfrone auf die Dauer keineswegs äquipariert würde. Der Staat sei jetzt nicht in der Lage, die reichen Gutsbesitzer aus dem Staatsschatze so freigebig zu entschädigen.

Der Minister des Inneren führte dagegen an, daß das Herabgehen von der zwanzigfachen auf eine bloß zehnfache Kapitalsentschädigung zu weit gehe, zumal ohnehin vom Bruttoertrage 10% vornweg abgezogen werden sollen. Das fünfzehnfache würde die richtige Mitte zwischen den Extremen halten.

Bei der Abstimmung über den Punkt b) vereinigte sich der Handelsminister dund der Justizministerd mit dem Antrage des Finanzministers, während die übrigen Votanten sich dem Minister des Inneren anschlossen9.

VIII. Aufhissung der Schweizer Flagge auf zwei im Bau begriffenen Schiffen

Der provisorische Leiter des Armeeoberkommandos FML. Baron Eynatten referierte, edaß die Gebrüder Martin, Schiffbaumeister zu Capodistria, das Ansuchen gestellt haben, auf ihre dortige Schiffswerfte ihre nationale Schweizerflaggee aufhissen zu dürfen, um ihr Eigentum gegen mögliche Wechselfälle sicherzustellen. Die Zentralseebehörde fand sich in diesem Falle nicht kompetent, nachdem die schweizerische Flagge keine „Seeflagge“ ist und ihr (der Behörde) der Gegenstand politischer Natur zu sein scheine. Der Armeekommandant FML. Graf Degenfeld erbittet sich höhere Weisungen in dieser Sache.

|| S. 56 PDF || Die Minister des Handel s, des Inneren und der Finanzen erklärten sofort, daß die Aufsteckung fremder Flaggen auf dem österreichischen Territorium zur Bezeichnung fremden Eigentums mit den bestehenden Vorschriften durchaus unvereinbarlich sei, und es werden die Bittsteller im Sinne dieses Konferenzbeschlusses beschieden werden10.

IX. Einkäufe von Militärtuch durch italienische Kommissionäre

FML. Freiherr v. Eynatten teilte schließlich mit, daß dem Vernehmen nach italienische Kommissionärs auf dem hiesigen Platze massenhaft ordinäres graues Militärtuch einkaufen, dadurch die Preise steigern und dieses Tuch, wie es heißt, auf Umwegen ins feindliche Lager spedieren wollen.

Der Chef der Obersten Polizeibehörde sicherte zu, vor allem der Richtigkeit dieses Gerüchts auf den Grund zu sehen; man habe auch ähnliches von Leinwand- und Kapseleinkäufen11 gesagt, ohne daß dieselben jedoch bis jetzt konstatiert werden konnten12.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, 8. September 1859.