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Nr. 5 Ministerkonferenz, Wien, 26. Mai 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 29. 5./3. 6.), Bach 30. 5., Thun 31. 5., Toggenburg 31. 5., Bruck 31. 5., Grünne, Kempen 1. 6., Nádasdy 1. 6., Eynatten.

MRZ. – KZ. 2131 –

Protokoll [der Ministerkonferenz] vom 26. Mai 1859 unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Rechberg-Rothenlöwen.

I. Mitteilungen über die Reise Sr. Majestät nach Italien

Der Erste Generaladjutant Sr. Majestät des Kaisers FML. Graf Grünne eröffnete der Konferenz, daß Se. k. k. apost. Majestät wahrscheinlich am 29. d. M. die Reise nach Italien anzutreten geruhen werden. Die Verbindung zwischen Sr. Majestät und den Zentralstellen wird während der Dauer der Ah. Reise in beiden Richtungen durch täglich abgehende Kuriere hergestellt. In Wien werden dieselben vom Expedite der k. k. Militärzentralkanzlei abgefertigt1.

II. Telegramme über militärische Ereignisse

Der Erste Generaladjutant Sr. Majestät gab die Versicherung, er werde im k.k. Hauptquartiere darauf bedacht sein, daß nebst den schriftlichen Relationen über die wichtigeren Kriegsereignisse auch vorläufige, möglichst vollständige telegrafische Mitteilungen über die militärischen Tagesbegebenheiten regelmäßig nach Wien gelangen2, und brachte die Frage zur Sprache, unter welchen Modalitäten diese Mitteilungen zu geschehen hätten, damit die zu deren Empfange berufenen Personen und Behörden ohne allen Aufschub die Telegramme erhalten.

Nach längerer Erörterung wurde es einstimmig als das zweckmäßigste befunden, daß unmittelbar nach dem Eintreffen der Depeschen des k.k. Ersten Generaladjutanten aus dem Telegrafenbüro selbst fünf Abschriften derselben an die Minister des Äußern, des Inneren und der Finanzen, an das Armeeober­kommando und an die Oberste Polizeibehörde abgesendet werden. Die Mitteilung der Telegramme an die Journale erfolgt durch den Minister des Inneren, und zwar „als Telegramme des Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät“.

III. Telegramme über persönliche Beziehungen Sr. Majestät

Die telegrafischen Mitteilungen über die persönlichen Beziehungen Ah. Sr. Majestät werden an den Minister des Inneren gerichtet, welcher wie bisher deren Veröffentlichung besorgen wird.

IV. Wahl eines Berichterstatters aus dem Hauptquartier für die Journalpresse

Da es für das größere Publikum des In- und Auslandes von großem Interesse ist, nebst den offiziellen militärischen Berichten über die Kriegsereignisse inhaltsreiche und verläßliche Schilderungen über Kriegs- und andere Ereignisse aus dem Hauptquartier, Skizzen aus dem Soldatenleben, charakteristische Züge etc. von einer gewandten Feder zu lesen, und da eine glückliche Wahl in dieser Beziehung wegen des Eindruckes im Publikum von Wichtigkeit ist, brachte der Erste Generaladjutant Sr. Majestät die Frage zur Sprache, wen – sei er In- oder Ausländer – man zu diesem Zwecke ins k. k. Hauptquartier berufen solle.

Es wurden diesfalls von verschiedenen Seiten mehrere Personen genannt: v. Littrow, Hackländer, Orges, Warrens, Kreishauptmann v. Wohlfahrt, Bergrat Baron Hingenau etc. Allgemein wurde anerkannt, daß Hackländer in Stuttgart wegen seines wiederholt und glänzend bewährten Talents in diesem Fach als eine vorzüglich wünschenswerte Akquisition betrachtet werden müßte. Nachdem jedoch die Vermutung ausgesprochen wurde, daß derselbe vielleicht durch die von ihm geleitete Unternehmung einer illustrierten Zeitung gehindert sein dürfte, einem diesfälligen Rufe zu folgen, übernahm es der vorsitzende Minister des Äußern, hierüber sofort auf telegrafischem Weg Erkundigungen einzuziehen3.

V. Vertretung des k. k. Ersten Generaladjutanten durch FML. Freiherrn v. Eynatten

Der k. k. Erste Generaladjutant eröffnete, daß der provisorisch mit der Leitung des Armeeoberkommandos betraute FML. Freiherr v. Eynatten infolge Ah. Handschreibens vom 24. Mai 1859 für die Dauer der dienstlichen Abwesenheit des ersteren den Konferenzen beiwohnen werde4.

VI. Bedenken des Finanzministers gegen die Erhöhung des Armeestandes

Der Finanzminister brachte das ihm soeben zugekommene fünfte Nachtragspräliminar5 zur Sprache, wonach der Aufwand für die auf einen Stand von 750.000 Mann zu bringende k. k. Armee mit Einschluß der Marine sich im ganzen Verwaltungsjahr 1859 auf 300 Millionen Gulden steigern wird. Diese außerordentlich vermehrte Anforderung bringt die Finanzen in die schwierigste Lage, nachdem der Minister, um ihr zu entsprechen, gezwungen wäre, noch im laufenden Jahre eine zweite Anlehensoperation6 mit den größten Opfern zu unternehmen, wodurch adie Beischaffung der Mittel für den Aufwand im nächsten Jahre außerordentlich erschwert würdea die Beischaffung || S. 19 PDF || der Mittel für den Aufwand im nächsten Jahre außerordentlich erschwert würde – ein Aufwand, der mit Hinblick auf einen so gewaltigen Armeestand nicht geringer als 300 Millionen angeschlagen werden kann, zumal ein großer Teil desselben in Silber zu bestreiten sein dürfte. Eine solche Vermehrung der Staatsausgaben müsse mit Beschleunigung den finanziellen Ruin der Monarchie herbeiführen, und der innere Zustand derselben müßte sich dann, selbst bei einem glänzenden Ausgang des Krieges, höchst traurig gestalten. Angesichts einer so drohenden Aussicht in die Zukunft halte es Freiherr v. Bruck für seine Pflicht, dringend zu bitten, daß die Frage über die in Rede stehende neue Vermehrung der Armee noch einmal aus dem Gesichtspunkte in Erwägung gezogen werde, ob denn die Stärke unserer Gegner und die allgemeine politische Lage von der Art sind, um die Erhöhung unserer Streitkräfte bis zu einer solchen Ziffer unausweichlich zu gebieten. Der Minister sei bemüht gewesen, auf ganz verläßlichem Wege Auskünfte über den dermaligen Stand der französischen Armee einzuziehen. Nach den erhaltenen Notizen würde Frankreich jetzt nicht mehr als 550.000 Mann ins Feld stellen können, wovon ein großer Teil vom Kriegsschauplatze in Italien fern in Paris und Lyon, dann bin Algier undb an den Rheingrenzen zurückgehalten wird. Unter diesen Umständen, dann mit Hinblick auf die allgemeine politische Lage, schiene es wohl noch nicht nötig, ja nicht einmal geraten, schon am Anfange eines voraussichtlich längeren Krieges die finanziellen Kräfte bis zur Erschöpfung anzuspannen.

Der Erste Generaladjutant Sr. Majestät Graf v. Grünne erwiderte hierauf, er verkenne jetzt ebensowenig als bei den früheren Beratungen dieser Angelegenheit die Gefahren und Nachteile, welche aus der Finanznot für den Staat entstehen können; allein, er hege die feste Überzeugung, daß die gegenwärtige europäische Krisis nur dadurch zu einem raschen und befriedigenden Ausgang gebracht werden könne, wenn Österreich, das auf dem Kampfplatze bis jetzt isoliert steht, durch rasche Entfaltung einer großartigen Streitmacht imposant auftritt. Unzeitige Ersparungen würden sich ohne Zweifel furchtbar rächen. Die nächste Rekrutierung habe vor allem den Zweck, die entstandenen Lücken auszufüllen und dann die Mittel zu gewähren, der stets wachsenden Anzahl unserer Gegner ein Gleichgewicht zu halten. Die daraus entstehenden Mehrauslagen würden übrigens erst nach und nach eintreten. FML. Freiherr v. Eynatten äußerte, daß die der obersten Militärbehörde zugekommenen ganz sicheren Daten die französischen Truppen weit zahlreicher erscheinen lassen als die dem Finanzminister zugekommenen Auskünfte. Hiezu kommen noch die piemontesischen und auch die toskanischen Truppen zu rechnen, welch letztere dem Kampf nicht fremd bleiben werden. Andererseits ist auch Österreich genötigt, an der russischen sowie an der türkischen Grenze Truppenkörper aufzustellen, und einige Kronländer dürfen überhaupt nicht von Truppen entblößt werden. Nebstdem hat es seiner Bundespflicht zu genügen. Unter solchen Verhältnissen schmilzt der Teil der Streitmacht von 550.000 Mann, welchen wir im italienischen Feldzug verwenden können, bedeutend zusammen und es ergibt sich daraus die unerläßliche || S. 20 PDF || Notwendigkeit, der beschlossenen Vermehrung der k. k. Armee, welche sich vom kompetenten militärischen Standpunkt aus als vollkommen gerechtfertigt darstellt.

Der Finanzminister erklärte hierauf, er sei noch immer über seine früher geltend gemachten Bedenken nicht beruhigt. Zugleich machte er auf dringende Notwendigkeit der größten Sparsamkeit in der Militärverwaltung aufmerksam, da dies nicht bloß in finanzieller sondern auch in politischer Beziehung, wegen der Volksstimmung, von Wichtigkeit sei, indem das Publikum, welches freiwillig viele Opfer für die gute Sache gebracht hat und noch fortwährend bringt, die ökonomische Gebarung mit ängstlicher Aufmerksamkeit beobachtet.

Der Erste Generaladjutant Sr. Majestät und FML. Freiherr v. Eynatten gaben im Laufe der hierauf gepflogenen längeren und eingehenden Erörterung nähere Aufschlüsse und Zusicherungen, welche verbürgen, daß auch künftig die möglichste Sparsamkeit werde angestrebt werden, so wie bisher jeder nicht streng notwendige Aufwand vermieden wurde7.

Am 29. Mai/3. Juni 1859. Rechberg. [Ah.E.] Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Verona, den 7. Juni 1859. Franz Joseph.