Nr. 500 Ministerkonferenz, Wien, 9. April 1859 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 9. 4.), gesehen Bach 11. 4., Thun 12. 4., Toggenburg, Bruck 20. 4., Kempen 20. 4., Nádasdy 21. 4.; abw.abwesend Kellner.
MRZ. – KZ. 1375 –
Protokoll der zu Wien am 9. April 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.
[I.] Ermächtigung des Finanzministers zur Sistierung der Barzahlung der Bank und zu einer Zwangsanleihe
Mit Beziehung auf die Konferenzberatung vom 7. April über die Anträge des Finanzministers wegen Sistierung der Barzahlungen der Nationalbank, dann wegen Auflegung einer Zwangsanleihe, brachte der Minister des Inneren nachstehende Bedenken vor: 1. Belangend die Sistierung der Barzahlungen der Bank scheint dermal kein genügender Grund zu dieser amit Rücksicht auf den Münzvertrag jedenfalls nur im äußersten Notfalle zu treffendena mit Rücksicht auf den Münzvertrag1 jedenfalls nur im äußersten Notfalle zu treffenden Maßregel zu bestehen; denn es liegt nicht vor, daß bisher diese Barzahlung in mißbräuchlicher oder bedenklicher Weise wäre in Anspruch genommen worden, vielmehr steht bei der faktisch bereits eingetretenen Beschränkung derselben auf kleinere Beträge nicht zu besorgen, daß ein bedeutender Abfluß von Silber stattfinden werde. Hält man an dieser Beschränkung fest, so braucht man zu jener den Kredit der Bank erschütternden Maßregel, bsolang nicht der Andrang an die Bank bedenklich wirdb, ebensowenig zu greifen, als 2. zu der noch bedenklicheren Dispens der Bank von der [in] § 3 der kaiserlichen Verordnung vom 30. August 18582 angeordneten Drittelbedeckung. Gegenwärtig sind Banknoten im Umlauf 380 Millionen, hievon aber die Einser ab[gezogen], 100 Millionen, für welche mit kaiserlicher Verordnung vom 26. Dezember 1858, § 3, die aparte Bedeckung mit Staatsgütern gegeben ist3, bleiben 280 Millionen; der Barschatz der Bank beträgt 113 Millionen, es ist also gegenwärtig die Silberdeckung weit über ein Drittel vorhanden, und es wird auch in nächster Zeit nicht erforderlich werden, die Drittelbedeckung aufzugeben, besonders wenn durch Anleihen neue Hilfsquellen eröffnet werden. Die Loszählung der Bank von der Verpflichtung des § 3 der kaiserlichen Verordnung vom 30. August würde nur das kaum wiederhergestellte Vertrauen in die Solidität der Bank vollständig untergraben und zu der Befürchtung Anlaß geben, daß man Noten ohne Beschränkung nach Bedarf auszugeben gedenke. Ehe man dieses aufkommen läßt, möge lieber versucht werden, durch ein im Auslande zu kontrahierendes Anlehen Geld für die außerordentlichen Staatsbedürfnisse aufzubringen. || S. 273 PDF || 3. Es ist gesagt worden, die Einführung der Banknoten im lombardisch-venezianischen Königreiche mit dem Privilegium des § 4 der kaiserlichen Verordnung vom 30. August sei nicht tunlich. Nach der Ansicht des Ministers des Inneren aber wäre sie ein Gebot der Gerechtigkeit den anderen Kronländern gegenüber und der Notwendigkeit, weil die Regierung, welche zur Erhaltung der k. k. Truppen im Königreiche effektiv noch Silbergeld dahin schicken muß, alsdann in die Lage käme, dieselben wenigstens im Inneren mit Banknoten zu zahlen und das Silber für weitere Eventualitäten aufzusparen. Der Finanzminister erwiderte darauf ad 1. und 2: Wie schon in der Konferenz vom 7. d. M. bemerkt, handelt es sich nicht um die augenblickliche Ausführung der fraglichen Maßregeln, sondern nur um die Ermächtigung, dieselben im Momente der Notwendigkeit unverzüglich eintreten lassen zu können. Der für 1859 präliminierte Militäraufwand ist itzt schon um 40 Millionen überschritten, weitere Auslagen sind nach den politischen Konjunkturen unvermeidlich. Sie lassen sich nicht genau berechnen, dürften aber mindestens mit 60-80 Millionen angenommen werden. Das kürzlich erst in England caufgelegte Anlehen konnte nur mit einem sehr kleinen Teile realisiert werden, da man noch nicht in der Lage ist, Kriegskurse zu bewilligenc,4. Um unter diesen Verhältnissen für die weiteren Erfordernisse, die doch jedenfalls gedeckt werden müssen, gerüstet zu sein, blieb dem Finanzminister nichts übrig, als sich die eventuelle Benützung des Bankkredits zu erbitten. Die Bank würde 100 Millionen vorschießen, durch einstweilige Übergabe von 150 Millionen in Obligationen gedeckt und durch den Ertrag eines in günstigerer Zeit aufzulegenden Anlehens bezahlt worden sein. Mit dieser Operation aber ist die Einstellung der Barzahlung der Bank und die zeitweilige Enthebung derselben von der Verpflichtung des § 3 der zitierten Verordnung dnicht untrennbar verbunden und soll damit nur im äußersten Falle vorgegangen werden. Die neuen Noten zu 5 f. würden in den deponierten Staatsschuldverschreibungen ebenso ihre gesonderte Bedeckung finden wie die Noten zu 1 f. in den Staatsgütern, so daß die Drittelbedeckung für die Noten zu 1000, 100 und 10 f. vielleicht vollständig aufrechterhalten werden kannd .
Nach dem Konferenzantrage vom 7. d. [M.] hätte nun zwar die Auflage eines allgemeinen Zwangsanlehens den Staatsbedürfnissen zu Hilfe zu kommen, und der Finanzminister hat sich auch mit Rücksicht auf die politischen Verhältnisse, welche gegen seinen weitern Vorschlag, das lombardisch-venezianische Königreich allein dazu in Anspruch zu nehmen, sprechen, hiermit einverstanden erklärt. Es mußte aber anerkannt werden, daß auch in diesem Falle die Mitwirkung der Bank nicht werde vermieden werden können, weil diese Kreditoperation in ihrer regelmäßigen und sukzessiven Abwicklung zur Deckung || S. 274 PDF || der augenblicklichen großen Bedürfnisse eben für den Moment des Bedarfs die nötigen Mittel nicht verschafft. Dieselben werden daher von der Bank antizipiert, und in dem Maße, als dies geschieht, wird das Verhältnis des Barschatzes evon 105 Millionen, nicht 113 Millionen, wie der Minister des Inneren angegeben, da die vorhandenen Devisen zum Ersatz des abfließenden Silbers verwendet werdene, zum Notenumlauf alteriert. Die Wirkung bleibt dieselbe und erfordert, um sie mit der gesetzlichen Bestimmung der kaiserlichen Verordnung vom 30. August nicht in Widerspruch zu setzen, die zeitliche Behebung der der Bank im § 3 auferlegten Verpflichtung fnur für die neuen Noten zu 5 f.f Ad 3: Gegen die Einführung des Zwangskurses der Banknoten im lombardisch-venezianischen Königreiche spricht nicht nur die teure Erfahrung des Jahres 1850, sondern auch – neben anderen politischen Rücksichten – das eigene Interesse der Regierung. Mit der Einführung der Banknoten im Königreiche versiegt dann die letzte Quelle, woraus Silber zu schöpfen; denn dann werden auch dort alle Steuern nur mehr in Banknoten gezahlt. Würde dagegen der in der Konferenz vom 7. angenommene Vorschlag beibehalten, die Tangente des allgemeinen Zwangsanlehens für das Königreich (wie nicht anders vorauszusetzen) in Silber einzuheben, so wäre die Regierung für das laufende Jahr aller Verlegenheit hierwegen überhoben, und das Land bliebe mit einer von jeher verhaßten, unter den itzigen Verhältnissen aber vollends als die härteste Bedrückung erscheinenden Maßregel verschont, die, wie der Handelsminister hinzusetzte, den übrigen Kronländern keinen Vorteil gewähren würde.
Wie in der Konferenz vom 7. d. [M.] erklärte sich auch heute die Mehrheit der Konferenz für den Finanzminister, namentlich in betreff der Nichteinführung des Zwangskurses der Banknoten im lombardisch-venezianischen Königreiche.
Bezüglich der Anträge ad 1 und 2 bemerkte der Kultusminister noch, daß es für den Fall der Notwendigkeit einer Dispens der Bank von der Verpflichtung der Dritteldeckung wünschenswert wäre, in vorhinein die Summe zu fixieren, bis zu welcher von jener Verpflichtung abgegangen werden darf, um etwaigen Besorgnissen einer maßlosen Notenausgabe zu begegnen. Der Justizminister aber knüpfte seine Zustimmung zur Suspendierung der Barzahlung an die Bedingung, daß alsdann wegen Ordnung der Rechtsverhältnisse mit ihm die erforderliche Rücksprache gepflogen werde, rücksichtlich der Enthebung des lombardisch-venezianischen Königreichs vom Banknotenwesen aber an die Voraussetzung, daß mit dem dort in Silber einzuhebenden Zwangsanleihen der Abgang an dem eigenen ordentlichen Ertrage zur Deckung des erhöhten Aufwands vollständig gedeckt werde5.
Wien, am 9. April 1859. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 29. April 1859.