Nr. 451 Ministerkonferenz, Wien, 8. Mai 1858 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 8. 5.), gesehen Bach 11. 5., Thun 12. 5., Toggenburg, Bruck, gesehen Kempen 14. 5., Nádasdy 15. 5., für Se. Exzellenz den Herrn Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät Kellner 15. 5.
MRZ. – KZ. 1718 –
Protokoll der zu Wien am 8. Mai 1858 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Kaiserliche Verordnung über § 284 des Berggesetzes
Der Minister der Finanzen las den Entwurf einer kaiserlichen Verordnung wegen Anwendung der §§ 284 und 285 des Berggesetzes im Sinne der Ah. Entschließung vom 20. März 1857, KZ. 2843[/1856], MCZ. 2608/1856, auf das Gebiet des ehemaligen Freistaates Krakau. Die Konferenz erklärte sich mit diesem Entwurfe aus den im Vortrage vom 25. v. M., KZ. 1803, MCZ. 1595, entwickelten Gründen einverstanden1.
II. Zulage für den Professor Schordann
Der Unterrichtsminister erhielt die Zustimmung des Finanzministers zu dem Antrage vom 6. 1. M., KZ. 1785, MCZ. 1586, wegen Belassung der Personalzulage von 100 fr. zur normalmäßigen Pension des in den Ruhestand tretenden Professors der Physiologie in Pest, k. k. Rat Sigmund Schordann, in Rücksicht auf dessen lange und verdienstliche Wirksamkeit und patriotische Haltung2.
III. Verbrüderungsklausel in Diensteiden
Mit Ah. Kabinettschreiben vom 20. Jänner 1858 geruhten Se. Majestät dem tg. gefertigten Vorsitzenden aufzutragen, über die Frage, ob die Erlässe einiger Ministerien von 1848 und 1849, womit die Weglassung der Reversklausel betreffs der Teilnahme an geheimen Gesellschaften aus den Diensteiden der k. k. Beamten und öffentlichen Lehrer angeordnet wurde3, aufzuheben wären; dann, ob und unter welchen Modalitäten die früher bestandene Vorschrift, derzufolge jeder Staatsbeamte bei seiner Anstellung die eidliche Angelobung wegen Nichtteilnahme an geheimen Gesellschaften zu leisten verpflichtet war, wieder in Kraft zu setzen sei, eine Beratung in der Ministerkonferenz unter Beiziehung des Chefs der Obersten Polizeibehörde zu veranlassen und deren Resultat gutächtlich der Ah. Schlußfassung zu unterziehen4.
|| S. 19 PDF || Der tg. Gefertigte hat behufs der gründlichen Beratung dieses Gegenstandes die Minister des Inneren und der Justiz, dann den Chef der Obersten Polizeibehörde unter Mitteilung einer Abschrift des vorbelobten Ah. Kabinettschreibens eingeladen, hierüber vorläufig, nach Einsicht der Vorakten, eine gemeinsame engere Verhandlung zu pflegen und deren Ergebnis in der Konferenz zum Vortrage zu bringen.
Anheute entledigte sich der Minister des Inneren dieser Aufgabe. Er schickte eine Darstellung des Ursprungs der Reverse in betreff der Teilnahme an geheimen Gesellschaften, dann der Aufnahme der diesfälligen Klausel in die Eidesformeln, endlich der verschiedenen Vorgänge und Verhandlungen voraus, welche zu deren Aufgebung geführt haben5. Hieraus ergibt sich: 1. daß schon vor 1848 die Handhabung der aus dem Jahre 1801 datierenden Vorschrift über die Verbrüderungsreverse und Eide in den verschiedenen Provinzen und bei verschiedenen Ämtern eine verschiedene war, und 2. daß schon damals die ungeeignete Textierung der Revers- und Eidesklausel (da sie im Vordersatze die Zusicherung, daß man keiner geheimen Gesellschaft angehöre, im Nachsatze aber das Versprechen, sich davon losmachen zu wollen, enthält, folglich bei der Wiederholung des Eides sogar die Voraussetzung des Bruchs des früheren Eides in sich schließt) und ebenso die Nutzlosigkeit und Unzweckmäßigkeit des Kumulierens des Eides und Reverses bei den nämlichen Personen anerkannt wurde. Der von allen Hofstellen einstimmig bevorwortete Antrag, den Revers nur bei jenen Personen, und zwar in einer angemesseneren Form, beizubehalten, welche entweder keinen Diensteid oder einen solchen, in den die bezügliche Klausel nicht wohl aufnehmbar erschien (wie bei Offizieren) ablegen, bei allen übrigen aber es lediglich bei der Aufnahme einer verbesserten Klausel in den Eid zu belassen, wurde bloß deshalb nicht genehmigt, weil besonders den ungrischen Provinzen gegenüber es geratener schien, an den bestehenden Einrichtungen nichts zu ändern. 3. Die dermal vorgeschriebenen Eidesformeln, welche die Verbrüderungsklausel nicht mehr enthalten, wurden mit Ah. Entschließung vom 12. September 1851 genehmigt6. Dagegen haben die ministeriellen Verfügungen, welche die Reverse aufhoben, keine Ah. Genehmigung erhalten und sind nur nebenher zur Ah. Kenntnis gekommen. Nur bei den Offizieren bestehen diese Reverse noch.
Was nun A. die Frage betrifft, ob die Verbrüderungsklausel in die Eidesformeln wieder aufgenommen werden soll, so haben sich die beiden genannten Minister und der Chef der Obersten Polizeibehörde darin geeinigt, daß dies nicht zu geschehen hätte, weil die Eidesformeln in ihrer gegenwärtigen Gestalt durch die Ah. Entschließung vom 12. September 1851 endgültig festgestellt worden sind und gegen die Wiederaufnahme der gedachten Klausel in dieselben alle diejenigen Bedenken sprechen, welche bereits in den Vorakten geltend gemacht und oben ad 2. in Kürze angegeben worden sind.
B. Belangend die Reverse, hat der Chef der Obersten Polizeibehörde deren Wiederabforderung bei der ersten Anstellung ein für alle Mal und deren Verwahrung bei den Dienstdokumenten der betreffenden Beamten, Lehrern und sonstigen öffentlichen || S. 20 PDF || Funktionäre in Antrag gebracht, indem deren Auflassung einseitig und inkompetent von einigen Ministerien verfügt worden, ihre Wiederherstellung nur eine Konsequenz der diesfalls bei den k. k. Offizieren noch bestehenden und nicht aufzuhebenden Vorschrift ist und die Reverse eine Art Ehrenpflicht und spezielle Garantie gegen ein Vergehen beurkunden, das sich so leicht der öffentlichen Wachsamkeit entzieht. Die Minister des Inneren und der Justiz hielten jedoch auch die Wiedereinführung der Reverse für entbehrlich, weil der Beamte, wie jeder andere Untertan überhaupt schon, insbesondere aber noch durch seinen Eid zur Beobachtung der Gesetze verbunden ist, die Teilnahme an einer geheimen Gesellschaft nach dem Strafgesetze als ein Vergehen7 und bei den Beamten insbesondere, vermöge der noch zu Recht bestehenden Ah. Kabinettschreiben vom 17. Dezember 1812 8, mit der alsogleichen Dienstentlassung geahndet wird und weil angesichts dieser beiden Strafsanktionen der Revers eine neue oder verstärkte Garantie gegen die Verletzung des Gesetzes nicht zu bieten scheint. Selbst beim Militär dürfte nunmehr die Abforderung der Reverse zu einer bloßen Formalität herabgesunken sein, seitdem im neuen Strafgesetze auf die Teilnahme an geheimen Gesellschaften ebenfalls die Entlassung gesetzt worden ist9. Endlich liegt gegenwärtig keine Tatsache vor, welche die Regierung veranlassen könnte, sich ihren Beamten gegenüber der Enthaltung von der Teilnahme an geheimen Gesellschaften noch durch eine besondere Maßregel zu versichern; eine solche Maßregel würde vielmehr als ein Zeichen des Mißtrauens aufgefaßt und als eine unverdiente Kränkung angesehen, von den Gegnern der Regierung aber als willkommene Gelegenheit zu feindseligen Darstellungen und Auslassungen ausgebeutet werden. Alles, was in dieser Beziehung noch zu veranlassen wäre, dürfte sich darauf beschränken, sämtlichen Beamten den Inhalt des vorbehaltenen Ah. Kabinettschreibens vom 17. Dezember 1812 in Erinnerung bringen zu lassen.
Bei der Abstimmung erklärte der Minister für Kultus und Unterricht sich für die Wiederherstellung einer der beiden bestandenen Vorschriften, sei es für die Aufnahme der Verbrüderungsklausel in den Diensteid selbst, was er vorziehen würde, sei es die Ausstellung eines eidesstättigen Reverses. Das stilistische Bedenken gegen die diesfällige Formel kann durch deren zweckmäßige Abänderung gehoben werden, und es wird wohl keinem Anstande unterliegen, daß der Beamte bei seiner ersten Anstellung ein für allemal schwöre oder sich eidesstättig erkläre, daß er einer geheimen Gesellschaft weder angehöre noch künftig angehören wolle. Eine solche besondere Versicherung zu fordern, scheint aber durch die gegenwärtigen Zeitverhältnisse überhaupt geboten zu sein. Die geheimen Gesellschaften sind ein wesentliches Mittel, womit die revolutionäre Partei allenthalben agitiert. Sie treten zuweilen, wie z. B. der Freimaurer Orden, anderwärts mit scheinbar unverfänglicher Tendenz selbst unter dem Schutze der Regierung auf, und mancher läßt sich dadurch über deren Verwerflichkeit blenden.
Der Minister für Kultus und Unterricht kann diesfalls aus dem einen der seiner Leitung anvertrauten Verwaltungszweige ein beherzigenswertes Beispiel anführen. Es kam vor, || S. 21 PDF || daß der von Breslau nach Prag berufene Professor Purkinje10 der Berlinera Freimaurer Loge angehört und auch in Prag noch die stipulierten Geldbeiträge dahin abgeführt hatte. Die hierwegen wider ihn eingeleitete Untersuchung wurde zwar in der Folge der bei Anlaß der Ah. Vermählung Sr. Majestät Ag. erteilten Amnestie niedergeschlagen; Purkinje erklärte, nicht gewußt zu haben, daß sein Vorgang gesetzwidrig gewesen und trat sogleich aus aller Verbindung mit dieser Gesellschaft. Aber diese Tatsache beweist, welcher Auslegung unsere über geheime Gesellschaften bestehenden Gesetze unterliegen können und wie notwendig es sei, besonders bei Berufung von Ausländern in österreichische Dienste, speziell darauf aufmerksam zu machen, daß der österreichische Staatsdiener keiner derlei Verbindung angehören dürfe. Nachdem nun auch in Österreich – wie bglaubwürdige Personen versichernb – mit der Freimaurerei Propaganda gemacht wird, die Regierung aber diese Verbrüderung nicht dulden kann, so hält es der Kultusminister für nötig, von jedem Staatsdiener speziell die eidliche oder wenigstens eidesstättige Versicherung zu verlangen, daß er keiner geheimen Gesellschaft angehöre, noch je angehören werde. Dies würde den einzelnen unmittelbar und speziell an die allerdings im Gesetze bereits vorgesehene Verpflichtung, sich von solcher Beteiligung zu enthalten, erinnern, die Möglichkeit jeder Ausflucht oder Entschuldigung von vorneherein abschneiden cund die Vermeidung jeder Teilnahme an geheimen Gesellschaften ohne Rücksicht auf ihren angeblichen Zweck wieder zu einer augenscheinlichen Forderung der Ehrenhaftigkeit, nicht bloß der Legalität machen und dadurch die moralischen Bürgschaften gegen die fraglichen Gefahren vermehrenc .
Der Minister des Inneren glaubte dem vom Kultusminister aus einem speziellen Anlaß hergenommenen Bedenken am wirksamsten dadurch begegnen zu können, wenn erklärt würde, daß der Freimaurerorden im österreichischen Kaisertume zu den geheimen, also verbotenen Gesellschaften gehöre, welche Erklärung unter einem mit der oben von ihm beantragten Republizierung des Ah. Kabinettschreibens vom 17. Dezember 1812 zu erlassen sein dürfte. Im übrigen sagt ja, setzte der Justizminister hinzu, der § 286 des Strafgesetzes ohnehin deutlich, welche Gesellschaften als geheime anzusehen seien, und es kann sich mit der Unkenntnis des Gesetzes niemand entschuldigen.
Der Chef der Obersten Polizeibehörde würde der Alternative des Kultusministers beitreten, wenn er nicht besorgte, daß die Änderung der von Sr. Majestät mit der Ah. Entschließung vom 12. September 1851 festgestellten Eidesformeln Aufsehen machen möchte – während sein Antrag wegen Wiederherstellung der Reverse nichts als eine Reparation der von einigen Ministerien eigenmächtig verfügten Aufhebung einer Anordnung des Ah. Landesfürsten bezweckt, ddie ohne Aufsehen ausgeführt werden kann.d
|| S. 22 PDF || Der Meinung der Minister des Inneren und der Justiz traten der Finanzminister und der tg. gefertigte Vorsitzende bei, weil sie es nicht für angemessen erkennen, daß ein Beamter sich in seinem Diensteide oder in einem eigenen Reverse noch insbesondere verpflichte, daß er sich von der Übertretung einer einzelnen Anordnung des Strafgesetzes, die noch überdies durch eine spezielle Ah. Anordnung verpönt ist, enthalten wolle, nachdem er sich schon vermöge der Ah. vorgezeichneten Eidesformel im allgemeinen verpflichtet hat, „den Gesetzen willigen Gehorsam zu leisten“. Der Handelsminister war zwar auch der Meinung, daß die Verbrüderungsklausel weder in den Diensteid aufzunehmen, noch durch einen besonderen Revers auszusprechen wäre. Wohl aber hielt er es für ratsam, daß den Beamten bei Gelegenheit der Eidesablegung die Vorschrift, sich der Teilnahme an geheimen Gesellschaften zu enthalten, als besondere Verpflichtung unter Erwähnung der auf deren Übertretung im Strafgesetze und im Ah. Kabinettschreiben vom 17. Dezember 1812 angedrohten Strafen vorgehalten und dieser Vorhalt beziehungsweise diese Verwarnung in das über die Eidesleistung aufzunehmende Protokoll eingeschaltet und von dem Beeidigten unterfertigt werde. Auf diese Art dürfte der Ah. Absicht wegen der besonderen Verpflichtung der Bediensteten in dieser Beziehung am sichersten und ohne alles Aufsehen entsprochen werden, indem die Konstatierung der Verwarnung im Protokoll der Wirkung nach gleich mit der Ausstellung eines Reverses ist. FML. Freiherr v. Kellner war der Ansicht, daß die Verbrüderungsreverse beim k. k. Militär, wo sie niemals aufgehoben wurden, fortzubestehen hätten, und zwar umso mehr, als die Annahme der diesfälligen Klausel in den Fahneneid, welcher bloß mündlich abgeleistet und worüber kein Protokoll aufgenommen wird, nicht als zulässig erscheint. Sollte die Ansicht der relativen Mehrheit der Konferenz, welche weder für die Herstellung der Verbrüderungsklausel im Eide noch für die Reverse stimmte, nicht beliebt werden, so würde sich derselbe eventuell eher für die Reverse als für die Aufnahme der Klausel in den Eid erklären.
Insofern endlich C. die Frage entsteht, ob die etwa wieder einzuführenden Reverse auch von der Geistlichkeit zu verlangen wären, bemerkte der Kultusminister , daß er hierauf eim allgemeinene nicht einraten zu sollen erachte, fsondern überhaupt der Ansicht sei, daß die Maßregel sich auf jene zu beschränken habe, welche aus Anlaß spezieller Amtspflichten Sr. Majestät Treue zu geloben haben, sodaß es sich nur um eine Näherbestimmung dieser Angelobung handle.f,11
IV. Galizische Baubehördenorganisierung
Der Handelsminister referierte über die zeuge seines Vortrags vom 6. April 1858, KZ. 1388, MCZ. 1250, zwischen ihm und dem Finanzminister obwaltenden Meinungsdifferenzen bezüglich der beantragten Änderungen im Personalstande der Baubehörden in Galizien und in der Bukowina.
Diese Differenzen betreffen 1. die Frage, ob die neue Organisierung eine definitive oder provisorische sein, 2. um wieviel Individuen das technische Personal vermehrt werden, und 3. in welcher Gehaltsklasse der Inspektor in Krakau stehen soll.
Die Differenzen zu 1. und 3. haben sich durch die Erklärung des Finanzministers behoben, wornach er den diesfälligen Anträgen des Handelsministers beitrat.
Was ad 2. die Anzahl des zu bestellenden technischen Personals betrifft, so hat der Finanzminister seinen Antrag dahin modifiziert, daß er statt der schon vom Handelsminister zugestandenen Ermäßigung des Status um vier Ingenieursassistenten im Lemberger und zwei im Krakauer Verwaltungsgebiete nur mehr auf der Ermäßigung um sechs im ersteren und um zwei im letzteren (im ganzen also eine Differenz um vier Individuen) bestand, wodurch der Mehraufwand von 25.946 fr. auf 23.346 fr. herabgemindert werden würde.
Mit dieser Modifikation hat sich sofort der Handelsminister zufriedengestellt und den sonach übereinstimmenden Anträgen gemäß die dem Vortrage beigelegten Tabellen und den Resolutionsentwurf abgeändert12.
Wien, am 8. Mai 1858. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, 10. September 1858.