MRP-1-3-06-0-18580106-P-0427.xml

|

Nr. 427 Ministerkonferenz, Wien, 4. und 6. Jänner 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Ransonnet (RS.: Kanzleischrift); VS. Kaiser; BdE. und anw. gesehen Erzherzog Albrecht, gesehen Bach, gesehen Thun, gesehen Hauer.

MRZ. – KZ. 1719 –

Protokoll der am 4. und 6. Jänner 1858 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät abgehaltenen Konferenzen.

[I.] Die Koordinierung der kirchlichen Verhältnisse der Akatholiken in Ungarn

Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu erinnern, daß in den Konferenzen am 30. und 31. v. M. die Fragen über die Notwendigkeit und Opportunität der Abhaltung von Synoden der akatholischen Glaubensgenossen in Ungarn, die Orte ihrer Einberufung, deren Zusammensetzung und die denselben zur Beratung vorzuzeichnenden Gegenstände im allgemeinen in Beratung gezogen worden seien. Nunmehr handle es sich darum, die von der Regierung zu machenden Vorlagen speziell zu erörtern und die Zwecke, welche die Regierung bei der Synodalberatung anstreben soll, wie auch den einzuschlagenden Weg reiflich zu beraten1. Der Kultusminister , von Sr. Majestät dem Kaiser zur Entwicklung seiner diesfälligen Anträge aufgefordert, äußerte hierüber folgendes: Die Zwecke, welche die Regierung bei den bevorstehenden Verhandlungen anstreben soll, wurden bereits in seinem au. Vortrage vom 14. Dezember 1852 dargelegt, und in Erledigung dieses au. Vortrages wurden mit Ah. Entschließung vom 9. Dezember 1854 die Grundsätze vorgezeichnet, welche für die weitere Verhandlung des Gegenstandes bezüglich der Evangelischen beider Konfessionen in Ungarn maßgebend sein sollten2. In diesen Grundsätzen lassen sich zweierlei Bestimmungen unterscheiden: a) solche, welche als Ah. Konzessionen, als Wohltaten betrachtet werden müssen, die den Evangelischen von der k. k. Regierung, und zwar zum Teil mit finanziellen Opfern zugewendet werden, obgleich sie darauf bisher (wenigstens zum Teile) keinen gesetzlichen Anspruch haben; b) solche, die dem staatsrechtlich begründeten Majestätsrechte der Oberaufsicht Wirksamkeit sichern sollen. Dahin gehören vorzüglich: 1. die Einsetzung der zwei Oberkirchenräte; 2. der Vorbehalt der Genehmigung für die Wahlen der Pfarrer, Senioren, Dekane, Superintendenten etc.; 3. die Bestätigung der von den Konventen gefaßten Beschlüsse im Wege der Vorlage umständlich redigierter Protokolle an die höhere kirchliche Behörde; 4. die neue geographische Abgrenzung der Superintendenturen nach den Sprengeln der politischen Landesbehörden (Statthaltereiabteilungen)3. Diese Ah. genehmigten Grundsätze bilden die Grundlage des a1856 gedruckten „Entwurfes zu einem Gesetze über die Vertretung und Verwaltung der Kirchenangelegenheiten der Evangelischen beider Bekenntnisse im Königreiche Ungarn, in der serbischen Woiwodschaft und dem Temescher Banate“a 1856 gedruckten || S. 264 PDF || „Entwurfes zu einem Gesetze über die Vertretung und Verwaltung der Kirchenangelegenheiten der Evangelischen beider Bekenntnisse im Königreiche Ungarn, in der serbischen Woiwodschaft und dem Temescher Banate“, und wenn auch die Ah. Entschließung vom 9. Dezember 1854 ausdrücklich in dem Sinne erfloß, daß dadurch dem einstigen definitiven Ah. Ausspruche nicht vorgegriffen sein solle, so glaubt doch der Minister jene Grundsätze der zweiten Art immer noch als das Ziel betrachten zu müssen, welches aus politischen Gründen erreicht werden müsse. Minister Graf Thun spricht die Überzeugung aus, daß, wenn in den bezeichneten vier Punkten die Absichten der Regierung nicht erreicht werden, alles Bestreben, das Oberaufsichtsrecht in wirksamer Weise zu üben, vergeblich sein würde.

Was namentlich die Idee der Gründung von obersten kirchlichen Behörden für die Protestanten in Ungarn anbelangt, so sei dieselbe keineswegs eine neue. Schon in den früheren Verhandlungen über die Synodalvorlagen von 17914 sei dieselbe angeregt worden, insbesondere infolge des wiederholten Begehrens der Protestanten, daß ihre Angelegenheiten bei den Regierungsbehörden nur von Protestanten behandelt werden solle; zu welchem Ende selbst die Bildung einer evangelischen Sektion im Staatsministerium verlangt wurde. Auf den Namen komme es dabei allerdings nicht an. Man könnte deshalb allenfalls auch an die Bildung einer protestantischen Sektion im jetzt bestehenden Kultusministerium denken. Allein sollte damit dem obenerwähnten Begehren der Protestanten entsprochen werden, so müßte diese Sektion selbständig, nicht unter der Unterschrift des Ministers handeln, was eine ganz abnorme Stellung wäre. Bei weitem zweckmäßiger wäre die Kreierung selbständiger Oberkirchenbehörden für Ungarn unter dem oben vorgeschlagenen oder irgendeinem anderen Namen. Diese Behörden, aus sachkundigen, geachteten, auf die Lebensdauer ernannten und von den Gemeinden unabhängig gestellten Männern zusammengesetzt, werden durch fortgesetzte Einsicht der Verhandlungsprotokolle von den wichtigen Angelegenheiten unterrichtet und imstande sein, die nötige Oberaufsicht zu üben. Gegen die Errichtung solcher kirchlichen Oberbehörden sei auch von den Konventen durchaus keine Einwendung erhoben, vielmehr sei diese Idee mit Dank begrüßt worden.

Die Einwendungen, welche gegen die im gedruckten Entwurfe enthaltenen Bestimmungen über den Oberkirchenrat erhoben wurden, seien nur darauf gerichtet, ihn aller jener Funktionen zu entkleiden, welche bestimmt sind, einen geordneten Zustand zu verbürgen, indem behauptet wurde, daß diese Funktionen nicht in den Bereich des lf. Oberaufsichtsrechtes gehören. Nicht gegen den Oberkirchenrat, sondern gegen eine wirksame Ausübung dieses Oberaufsichtsrechtes durch was immer für Organe werde also protestiert von denjenigen, die eben den Fortbestand der alten Unordnung wollen. Jener Teil der Protestanten hingegen, welche die Notwendigkeit erkennen, daß die kirchliche Ordnung durch den Landesfürsten geschützt werde, seien mit dem vorgeschlagenen Oberkirchenrate ganz einverstanden.

Wenn nun aber die Notwendigkeit anerkannt werde, auf der Durchführung obiger Punkte zu bestehen, so könne man über die Ah. Willensmeinung in dieser Beziehung nicht länger Ungewißheit bestehen lassen, und Graf Thun müsse daher au. antragen, daß || S. 265 PDF || dieselbe von Sr. Majestät dem Kaiser schon bei Einberufung der Synode Ah. definitiv ausgesprochen und deren Durchführung angeordnet werde. Zu dem Ende müßten in Erledigung der Synodalvorlagen von 1791 die Oberkirchenräte eingesetzt, unter ihrer Leitung die neue Abgrenzung der Superintendenzen vorgenommen, zur Konstituierung der Lokalgemeinden und sofort zur Wahl der Superintendenten und Inspektoren bzw. Kuratoren geschritten werden. Sodann hätten die Synoden nach den Bestimmungen des Entwurfes zusammenzutreten und diejenigen Gegenstände zu beraten, welche zur weiteren Ausführung des Organismus erforderlich sind und in das eigentliche Bereich der kirchlichen Gesetzgebung gehören. Durch diese entschiedene Maßregel werde sofort auch der Status quo, insoweit es am dringendsten nötig ist, für alle Fälle, selbst für jenen Fall modifiziert, als die Synoden zu keinem erwünschten Erfolge führen sollten. Zu einem solchen Vorgange werde man auch durch den Umstand gedrängt, daß die Regierung, wenn sie die Bestimmungen des Entwurfes über die Superintendentenwahlen und die Zusammensetzung der Synoden für die Zukunft zur bleibenden Geltung bringen wolle und diese Absicht einmal Allerhöchstenorts ausgesprochen werde, nicht zugeben könne, daß vorerst noch nach einem anderen, unverläßlichen Modus tatsächlich vorgegangen werde. Diese Maßregeln werden zwar dermal im Lande nicht erwartet, und es sei für den weiteren Verlauf der Angelegenheit von der größten Wichtigkeit, daß die Absicht, so vorzugehen, nicht im vorhinein bekannt werde. Eben deshalb habe der Kultusminister sich bis jetzt, wo er dem ausdrücklichen Ah. Befehle Folge leiste, jeder Andeutung solcher Art enthalten, indem er sich vorbehalten habe, diese Anträge dann zu stellen, wenn die politischen Landesbehörden genötiget worden sein würden, über die ganze Angelegenheit gründliche Gutachten zu erstatten, aus welchen, wie er erwarte, die Notwendigkeit des entwickelten Vorganges hervorleuchten würde.

Übrigens unterliege es keinem Zweifel, daß Se. Majestät zu einem solchen Vorgange berechtiget seien. Auch werde die Regierung nur auf diesem Wege wieder jene aktive Stellung in Evangelicis gewinnen können, die ihr gebührt; nachdem einerseits niemals zu erwarten stehe, daß die Protestanten auf dem Wege der Synodalberatung selbst die Hand bieten werden, um das lf. Oberaufsichtsrecht zur Geltung zu bringen, andrerseits,- wie schon in der letzten Beratung erwähnt wurde, das Haynausche Provisorium5 nichts Positives geschaffen, sondern nur einige widerstrebende Organe beseitiget habe, und sich daher aus dem Provisorium ein nur einigermaßen befriedigender Zustand unmöglich entwickeln könne. Nach der Meinung des Kultusministers dürften daher Se. Majestät geruhen, über seinen in Ah. Händen befindlichen Vortrag6 eine genehmigende Ah. Resolution zu fassen. Der Minister werde sofort die Konvente bezüglich die Synoden über die vielbesprochenen drei Punkte vernehmen. Nach dem Einlangen der diesfälligen Äußerungen wäre das oben bezeichnete Gerippe der kirchlichen Organisation und der Aufsichtsbehörde zu dekretieren und zugleich wären die Wahlen für die Synoden nach dem angedeuteten Modus anzuordnen.

Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Albrecht bemerkten hierauf, daß durch die jetzt vorgetragenen Vorschläge die ganze Verhandlung in ihrer Wesenheit || S. 266 PDF || auf ein anderes, neues Feld gestellt werde, indem für selbe jetzt neue Ausgangspunkte beantragt sind, gegen welche er sich vom staatlichen Standpunkte entschieden aussprechen müsse. In allen bisher mündlich und schriftlich erflossenen Mitteilungen und selbst in der Ah. Entschließung vom Juni 18547 ist ausdrücklich der 26. Landtagsartikel 17918 als die Basis bezeichnet worden, auf welcher Ah. Se. apost. Majestät diese Frage verhandeln lassen wollen, und jetzt werde beantragt, Se. Majestät möge vor Einberufung der Synode das Gerippe der kirchlichen Organisation und Oberaufsicht in seinen wesentlichen Punkten – wodurch die wichtigsten kirchlich organisatorischen Fragen schon im vorhinein ohne Mitwirkung der Protestanten entschieden werden – imperativ anordnen, imperativ durchführen und nach der Durchführung erst die Synoden nach einem imperativ erlassenen Wahlmodus zusammenrufen und sie über die Einfügung der untergeordneten Fragen in den anbefohlenen Rahmen zu hören. Diesen Vorgang würden Se. kaiserliche Hoheit als einen vom politisch-staatlichen Standpunkte äußerst bedenklichen bezeichnen, weil er, als nicht im Einklange mit den gemachten Zusicherungen stehend, das Vertrauen der Protestanten zur Regierung, das Vertrauen, daß in ihrer Angelegenheit mit ihnen nach den gegebenen Versprechungen vorgegangen werde, unwiederbringlich vernichten würde. Se. kaiserliche Hoheit bemerkten ferners, daß es nicht im Einklang zu stehen scheine, wenn man das Recht der Entscheidung der mehr untergeordneten Fragen: an welchen Orten, und mit wieviel Personen die Synoden zusammenkommen sollen, an die vorläufige Einvernehmung der Protestanten knüpfen zu müssen glaubt und andererseits als Recht in Anspruch nimmt, das ganze Wesen der Organisation ohne dieser vorläufigen Einvernehmung in einer Ausdehnung zu dekretieren, welche für die Organisationsfrage eigentlich die Zusammenberufung der Synode überflüssig macht.

Se. kaiserliche Hoheit sind ferners, abgesehen von den hier gegen diese neue Richtung der Behandlung der protestantischen Frage grundsätzlich ausgesprochenen Bedenken, auf die einzelnen Antragspunkte übergehend der Ansicht, daß die Einsetzung der Oberkirchenräte vom staatlichen Standpunkte weder notwendig noch auch wünschenswert sei. Nicht wünschenswert, weil die protestantischen Laien nur sehr ungern die oberste Leitung ihrer kirchlichen Angelegenheiten in überwiegend klerikale Hände gelegt sehen. Die Erfahrung mit der analogen Behörde in Bayern läßt besorgen, daß die Oberkirchenräte in ihrer hierarchischen Tendenz zu weit gehen dürften, daß sie die bisher presbyterianisch autonomen Gemeinden mehr als nötig werden leiten und auch in weltlichen Dingen einen immer größeren Einfluß werden anstreben wollen. Reibungen und Streitigkeiten seien dann unvermeidlich, und Se. Majestät werde als ein katholischer Regent dadurch in eine sehr unangenehme Lage versetzt, in kirchlichen Angelegenheiten und in Konflikten zwischen den von ihr aufgestellten protestantischen Vertrauensorganen und den Protestanten entscheiden zu müssen. Keine der im vorgelegten Entwurfe zur Regulierung der protestantischen Angelegenheiten enthaltene Bestimmung hat eine so einstimmige allgemeine Beanständigung gefunden, als die beantragte Einsetzung des Oberkirchenrates. Notwendig ist sie nicht, weil der Staat seine Beziehungen zur Kirche nach den den Verhältnissen der Staatsgewalt zu den kirchlichen Genossenschaften jetzt überhaupt zur Grundlage dienenden || S. 267 PDF || Anschauungen und Grundsätzen ganz folgerichtig und auch im Einklange mit dem 1791er Gesetzartikel durch seine gewöhnlichen Behörden, d. h. in unterer Linie durch die politischen Behörden, in oberer durch das Kultusministerium verwalten lassen kann. Der vor dem Jahre 1848 zur Sprache und Verhandlung gebrachte Wunsch der Protestanten in Wien, bei der Hofkanzlei und namentlich auch im Staatsrate eine nur mit Protestanten besetzte Sektion zur Verhandlung ihrer Angelegenheiten zu haben, hatte weniger eine religiöse als eine politische Tendenz, um auch in der obersten Administrationssphäre festen Fuß sowie den Kern zu einem Oppositionskomitee zu haben. Dieser Wunsch an und für sich hatte damals jedenfalls mehr innere Berechtigung für sich als jetzt, wo das Verhältnis zwischen Kirche und Staat auf andere Grundlagen gestellt ist. Se. kaiserliche Hoheit finden sich daher unbedingt und unter allen Umständen gegen die Kreierung der Oberkirchenräte auszusprechen.

In betreff der Form, in welcher den einzelnen Kirchenmitgliedern, z. B. Superintendenten, die lf. Bestätigung zu erteilen wäre, bemerkten Se. kaiserliche Hoheit (mit abermaligem ausdrücklichen Vorbehalte gegen den vom Kultusminister überhaupt vorgeschlagenen Weg der Dekretation), daß dieselbe nicht in der positiven Form einer Bestätigung, sondern mit der negativen Formel, „daß gegen den Gewählten nichts eingewendet werde“, erteilt werden möge, und zwar aus folgendem Grunde. Die Formel „Ich bestätige die Wahl usw.“ schließt den Begriff in sich, daß die Bestätigung ein integrierender Bestandteil des Wahlaktes sei, der als solcher ohne die Bestätigung nicht ein Ganzes bilde, nicht abgeschlossen sei. Dieser Begriff wäre aber gegen die Autonomie der Kirche, nach welcher der Wahlakt ein für sich abgeschlossenes selbständiges Ganzes bildet, nach dessen Abschlusse die Staatsverwaltung über den Wahlakt ebenfalls ein, ein selbständiges Ganzes für sich bildendes Recht, das der Negative, ausübt. Diesem Begriffe nun entspreche mehr die hier beantragte Formel, welche den gleichen Zweck erreicht wie die positive und nach dem Gesagten bei der neuen Einführung dieser früher nicht bestandenen Bestätigung leichter Anklang und Eingang finden dürfte.

In betreff der zur Sprache gebrachten Vorlage der Superintendentialkonventsbeschlüsse bemerkten Se. kaiserliche Hoheit im Verfolge der oben ausgesprochenen Ansicht, daß das Oberaufsichtsrecht durch die k. k. Behörden auszuüben sei, daß selbe durch die Statthaltereiabteilungen und das Generalgouvernement an das Kultusministerium zu leiten seien, wofür auch die Analogie mit den Hirtenbriefen der katholischen Bischöfe spreche, welche in demselben Wege überreicht würden.

Von der besprochenen Durchführung der Abgrenzungen der Superintendenzen nach den Verwaltungsgebieten Ungarns würden Se. kaiserliche Hoheit jetzt jedenfalls Umgang nehmen, weil die Maßregel in der Ausführung, besonders bezüglich der Stiftungsabteilung, mit vielen Schwierigkeiten und vermeintlichen Verletzungen von Privatrechten verbunden wäre, dieselbe auf allgemeine Antipathie und Vorurteile stoßen würde und man dadurch am Ende nur eine administrative Erleichterung für die das Oberaufsichtsrecht vermittelnden Behörden erzielt, sonach das Resultat mit den obigen Nachteilen nicht im Verhältnisse stehe, und auch die katholischen Diözesen nicht nach den neuen Verwaltungsgebieten neu abgegrenzt wurden.

Der Minister des Inneren glaubte gegen die von dem Minister des Kultus vorgeschlagene Normierung der vier Punkte noch vor Abhaltung der Synoden wesentliche Bedenken || S. 268 PDF || erheben zu sollen. Die Regierung schlüge hier einen ganz neuen Weg ein, auf den niemand gefaßt sei, da man seit 66 Jahren auf die Erledigung der Synodalbeschlüsse vom Jahre 1791 warte und nun auf solche Weise, ohne weitere vorausgegangene Vernehmung der Evangelischen, ex suprema auctoritate die Hauptpunkte der Kirchenkoordination festgestellt und hiedurch die Vorlagen von 1791 im wesentlichen meritorisch erledigt würden. Wenn ex imperio so viel bereits normiert werden sollte, so bliebe nur wenig Erhebliches mehr festzusetzen übrig, was füglich auch auf gleichem Weg geordnet werden könnte. Es ist nicht zu erwarten, daß die Synoden nach erfolgter Präjudizierung über die Hauptsache sich veranlaßt finden werden, in Beratungen einzugehen, und tun sie es doch, so wird, infolge der hervorgerufenen gereizten Stimmung, das Ergebnis keineswegs ein für die Regierung befriedigendes sein. Es dringt sich daher die Frage auf, ob es denn zweckmäßig, politisch rätlich und den Absichten der Regierung günstig sei, schon itzt mit einer so weit greifenden imperativen Normierung vorzugehen. Der Minister bezieht sich diesfalls auf seine, in den früheren Konferenzen umständlich dargelegte Meinungsäußerung, wornach er einen solchen Vorgang nicht für geraten erachtete, und glaubt, daß Se. Majestät im Falle der Einberufung der Synoden Allerhöchstsich lediglich auf jene Bestimmungen beschränken sollten, welche notwendig sind, um das Zustandekommen der Synoden zu ermöglichen. Und auch dies sollte nur ad hoc bestimmt werden, vorbehaltlich der definitiven Ordnung nach Maßgabe der über die Ergebnisse der Synodalberatungen ergehenden Ah. Beschlüsse.

Sektionschef Baron Hauer bemerkt: In allen Erlässen über die Regelung der protestantischen Angelegenheiten und insbesonders in der Ah. Bestimmung vom 21. Juni 1854 ist speziell der 26. Landtagsartikel 1791 als Ausgangspunkt bezeichnet. In demselben (Punkt 4) heißt es ausdrücklich, daß bis zum Zustandekommen der Regelung „interea vero statuitur, ut Canones circa Religionem per Synodos suarum Confessionum suo modo conditi, in quorum nempe actuali usu existunt et deinceps ratione per hanc legem definita condendi, neque per dicasterialia mandata, nec per Regias Resolutiones possint alterari“. Nach dem klaren Wortlaute dieser Bestimmung mangelt, so lange sich die Regierung auf dem Boden des 1791er Artikels bewegt, der Rechtstitel zu einer Dekretierung in der Kirchenorganisation, welche, wie heute beantragt wird, ohne früherem Einvernehmen mit den Protestanten deren wesentlichste Punkte bereits im vorhinein feststellt.

Abgesehen von dem nach der Ansicht des Baron Hauer klaren Wortlaute des Gesetzartikels spreche gegen die Ableitung eines Oktroyierungsrechtes aus den Punktationen des 1791er Landtagsartikels die Erwägung, daß dieser Landtag der erste und unmittelbar nach der Regierungsperiode Sr. Majestät Kaiser Joseph II. war, auf welchem Landtage gewiß nicht die Tendenz vorwaltete, der Staatsverwaltung Selbstbestimmungsrechte zu übertragen. Da sonach Wortlaut und Geist des Gesetzes gegen die Annahme sprechen, daß aus demselben und ohne vorläufigem Einvernehmen mit den Protestanten der Rechtstitel zu dem Erlasse der heute vorgeschlagenen vier Punkte ex imperio abgeleitet werden könne, spricht sich Baron Hauer gegen dieselben aus und könne nur auf seinen au. Antrag zurückkommen, daß die Synoden ohne alle Vorfragen an die Konvente nach dem von ihm bereits in den früheren Konferenzen beantragten Modus einzuberufen seien. Haben diese Synoden kein annehmbares Resultat, so wäre sich darauf zu beschränken, ex Imperio diesfalls jene Verfügungen zu erlassen, die vom staatlichen Standpunkte || S. 269 PDF || nötig sind, um die staatlichen Interessen zu wahren, im übrigen und innern aber den Akatholiken zu überlassen, auf die weitere Regelung ihrer kirchlichen Angelegenheit dann selbst zurückzukommen, wenn sie die Unabweisbarkeit des Bedürfnisses darnach empfinden werden. Baron Hauer ist umso mehr dieser Ansicht, als eine staatlich auf die Dauer befriedigende Lösung der ungarischen protestantischen Frage jetzt nicht zu erwarten steht. Die äußere Form der protestantischen kirchlichen Organisation steht überall im Einklange mit der staatlichen Organisation der betreffenden Länder. In Ungarn ist sie unverkennbar auf das vor 1848 daselbst bestandene parlamentarisch-konstitutionelle System gebaut. Eine Änderung dieses Systems im Vereinbarungswege ist jetzt nicht zu hoffen. Die Vereinbarung kann daher nur auf der Basis einer parlamentarisch-konstitutionellen Kirchenverfassung geschehen. Wie sich aber eine derlei Kirchenverfassung mit einem absoluten Staatsleben verträgt, zu welchen Schwierigkeiten, Anstößen und Folgen dies führt, darüber liegen zwar keine Erfahrungen vor, doch läßt die widerstreitende innere Natur dieser beiden Systeme solche Konflikte mit Bestimmtheit voraussehen, die einer Vereinbarung auf dieser Basis keine lange Dauer versprechen. Da es nach den bisherigen Einleitungen aber zu dem baldmöglichsten Versuche einer Vereinbarung kommen müsse, so kann Baron Hauer nur wünschen, daß selbe zu keinem jetzt definitiv anzunehmenden Ergebnisse, sondern nach dem Scheitern des Vereinbarungsversuches zu der angedeuteten Notwendigkeit einstweiliger Verfügungen vom staatlichen Standpunkte führe, bis zu dem Zeitpunkte, wo sich die jetzige Staatsverfassung in Ungarn mehr wird eingelebt haben und dadurch die Hoffnung, eine mit dessen Grundsätzen im Einklange stehende protestantische Kirchenverfassung durchzusetzen, wird entstanden sein.

Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Albrecht teilten ganz die Ansichten des Ministers des Inneren über die Unzweckmäßigkeit einer Dekretierung der vier Punkte vor Abhaltung der Synode, wegen deren Modalitäten Höchstdieselben der Meinung des Sektionschefs Baron Hauer beistimmen. Es enthält einen Widerspruch, die Synoden zur Koordinierung einzuberufen, gleichzeitig aber in den wichtigsten Punkten der Koordinierung vorzugreifen. Der Gang der Synoden wird wahrscheinlich am Ende zu einer Dekretierung ex Imperio führen, aber dann erst ist sie völlig gerechtfertigt.

Der Minister des Kultus würde es für sehr gefährlich halten, wenn man es versuchen wollte, diese Angelegenheit so zu behandeln, daß man sich auf einen bloß polizeilichen Standpunkt beschränke und übrigens die Protestanten in ihrem ungeordneten Zustande sich selbst überließe. Die Regierung würde dadurch immer nur gehässige Funktionen zu üben haben und damit die übelste Stimmung heraufbeschwören. Das polizeiliche und rein kirchliche Feld sei übrigens in so vielfacher Verbindung, daß man sich nicht ausschließend auf jenem behaupten könne, wenn dieses nicht verordnet sei. Dringende staatliche Rücksichten erheischen namentlich, daß das Stiftungs- und Schulwesen gehörig geregelt werde. Endlich sei es in dem 26. Artikel 1791 nicht nur als ein Recht, sondern auch als eine Pflicht des Landesfürsten erklärt, dafür zu sorgen, daß ein geordneter Zustand der evangelischen Angelegenheiten hergestellt werde, und es würde sich bitter rächen, wenn man sich dieser Pflicht entschlagen wollte.

Nach einer noch länger fortgesetzten Diskussion über die vier Punkte sowohl als über die Vorfragen an die Konvente, wobei jeder Stimmführer seine frühere Ansicht festhielt, geruhten Se. Majestät der Kaiser die Beratung zu schließen.

|| S. 270 PDF || Fortsetzung am 6. Jänner 1858.

Se. Majestät der Kaiser eröffneten die Sitzung mit dem Ah. Bemerken, es habe sich durch die am 4. d. M. gepflogene Konferenzberatung herausgestellt, daß es nicht rätlich sei, noch vor Abhaltung der Synoden mit der vom Kultusminister vorgeschlagenen umfassenden Dekretierung vorzugehen.

Nebst den in der Konferenz gegen diese Maßregel bereits geltend gemachten Gründen spräche auch dagegen die Rücksicht, daß durch eine solche Präjudizierung vor Abhaltung der Synode die Regierung sich selbst in ihren Finalbeschlüssen auf nachteilige Weise vorgreife, da die Synodalberatungen doch auch viele Aufklärungen bringen können, welche eine Änderung der unabänderlich dekretierten Punkte als nötig herausstellen. Die günstigste Stellung für die Regierung sei jene, wenn sie am Ende der Synodalberatungen unbeirrt durch eigene Präjudikate die Organisierung als ein Ganzes kombinieren und sofort anordnen könne.

Der Gegenstand der heutigen Beratung sei demnach nur, ob und über welche Punkte die Konvente vor Einberufung der Synoden zu vernehmen wären und was zu geschehen hätte, wenn die Konvente dabei die Wiederherstellung des Status quo begehren.

Der Kultusminister erklärte über Ah. Aufforderung, daß er seiner früheren Äußerung nichts mehr beizufügen habe und nur wiederholt auf den äußerst mißlichen Umstand aufmerksam machen müsse, daß tatsächlich der frühere Zustand hergestellt wäre, wenn man einfach die Wahl der Superintendenten, Inspektoren und Kuratoren zum Behufe der Abhaltung der Synode wählenb lassen würde; daher eine neue Norm unerläßlich sei, welche jedoch nur in der Form einer auch für die fernere Zukunft gültigen Erledigung der Synodalvorlagen von 1791 erlassen werden könne.

Se. Majestät der Kaiser fanden, daß die beantragte Festsetzung des Wahlmodus nicht bloß für die nächste Synode, sondern auch für die Zukunft, eine vorgreifende Maßregel sei, welche dermal Verstimmung hervorrufen und in der Folge vielleicht der Regierung selbst sehr unbequem sein würde, weil der Wahlmodus mit dem erst später definitiv festzusetzenden kirchlichen Organismus in einem innigen Zusammenhange steht und eine isolierte Entscheidung über den Wahlmodus schon manche Verhältnisse des Organismus indirekt normieren würde.

Der Minister des Inneren erklärte, daß die bisherigen Konferenzberatungen ihn zur Überzeugung gebracht haben, wie bedenklich es wäre, vom Ah. Throne aus über die Abhaltung der Synoden und die damit zusammenhängenden Gegenstände einen Ah. Beschluß zu fassen und zu veröffentlichen, bevor der Inhalt der Vorlagen, welche diesen Synoden zu machen sein werden, Sr. Majestät vollkommen klar vorliegt. Sei einmal der Ah. Wille, die Synoden einzuberufen, ausgesprochen, so werde von den Akatholiken beider Bekenntnisse voraussichtlich auf deren schleunigste Abhaltung gedrungen werden, wie dies auch im Jahre 1791 geschah, und man hätte dann nicht mehr die nötige Ruhe und Muße, um diese delikaten Angelegenheiten für die Synodalberatung gehörig vorzubereiten. Der Minister des Inneren glaubt daher, daß vor allem eine umständliche Darstellung der den Synoden von Seite der Regierung zur Beratung zuzuweisenden Gegenstände || S. 271 PDF || und Fragepunkte von dem Minister für Kultus und Unterricht ausgearbeitet und der Beratung unterzogen werden soll.

Der Kultusminister äußerte, er sei vollkommen damit einverstanden, daß die Einberufung der Synoden nicht stattfinden könne, ehe man sich vollkommen klar gemacht habe, welche Aufgaben ihr gestellt werden sollen. Er habe aber auch erkannt, daß er hierüber detaillierte Anträge nicht im ordnungsmäßigen Wege stellen und gehörig begründen könne ohne die beantragte Vernehmung der Konvente und ohne die Landesbehörden zur eindringlichen Begutachtung des Gegenstandes zu nötigen. Übrigens besorgt Graf Thun nicht, daß dermal ein so ungestümes Drängen zur Abhaltung der Synoden Platz greifen könne, als unter den ganz anderen politischen und administrativen Verhältnissen des Jahres 1791.

Der Minister des Inneren glaubt, daß man jetzt noch gar nicht die Tragweite mancher Fragen, die zu den Agenden der Synode gehören werden, ganz ermessen könne. Die Ehefrage allein sei sehr umfassend und habe durch die in Ungarn eingetretene Änderung der Zivilgesetzgebung9 und durch das neue Ehegesetz für die Katholiken10 einen neuen Stützpunkt erhalten. Die Erledigung dieser wichtigen Frage könne aber ebensowenig wie jene der Unterrichtsfrage auf den einzuberufenden Synoden umgangen werden, da beide einen wesentlichen Bestandteil der Synodalverhandlungen vom Jahre 1791 bilden und daher auch von allen einvernommenen Konventen als Tractanda bezeichnet wurden. Alle diese Gegenstände müssen daher näher erörtert und in jener Form und Inhalte dargestellt werden, in welchen sie an die Synode gelangen sollen, damit man mit Beruhigung darüber sowie über die Synodalfragen überhaupt absprechen könne. Vorläufig dürften zu diesen Elaboraten die dem Kultusministerium zugänglichen Materialien genügen. Wie weit dennoch eine Rückfrage an die Konvente notwendig und zweckmäßig erscheine, wird sich dann erst mit Sicherheit beurteilen lassen.

Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Albrecht waren gleichfalls der Meinung, daß, bevor noch zur Ausschreibung der Synode geschritten wird, alle Regierungsansichten über die auf der Synode zu verhandelnden Gegenstände im Detail festgestellt und, in einer zur etwaigen Publikation geeigneten Form zusammengetragen, ausgefertigt vorliegen müssen; einerseits, damit die Regierung vor und während der Synodalverhandlungen stets im klaren sei, was sie wolle, und sie andererseits, wenn die Synoden zu keinem Resultate führen und es für notwendig erkannt werden sollte, provisorische Verfügungen auf diesem Felde zu treffen, dieselben gleich unmittelbar nach dem Ende der Synode erlassen könne. Diese, eine längere Zeit und ruhige Erwägung erfordernde Feststellung solle deshalb vor der Ausschreibung der Synoden geschehen, weil die Zeit zwischen der Ausschreibung und dem Zusammentritte der Synoden eine möglichst kurze sein solle, indem in dieser Zeit die Hauptagitationen stattfinden werden.

Sektionschef Baron Hauer schließt sich ganz der Ansicht des cdurchlauchtigsten Herrnc Erzherzogs an und fügt noch bei, daß diese Regierungselaborate von der Staatsverwaltung || S. 272 PDF || nicht den Synoden als Beratungsanhaltspunkte hinauszugeben, sondern während den Verhandlungen, pro foro interno, zur eigenen Richtschnur zu behalten wären, damit es derselben damit nicht so ergehe, wie mit dem hinausgegebenen Entwurfe zur Regelung der protestantischen Angelegenheiten11, welcher in der Wesenheit mehr gewährte, als die Protestanten selbst zu hoffen gewagt hatten, im Anfange mit Jubel aufgenommen, dann aber von allen Seiten angegriffen wurde, weil die Protestanten das ihnen darin Zusagende als durch den Ausspruch, daß dies Regierungsansicht sei, bereits gewährt ansahen und darauf losstürmten, um noch mehr zu erlangen, wodurch die Regierung um die ganze Frucht der darin gemachten Konzessionen kam. Andererseits ist die Regierung bei der früheren Veröffentlichung ihrer Ansichten in den Händen ihrer Gegner, die ihre Ansichten nicht früher eröffnen, und, wenn sie infolge des Nichtzustandekommens eines Synodalübereinkommens provisorische Verfügungen treffen müßte, in der unangenehmen Lage, daß die ihren Vorlagen entnommenen provisorischen Anordnungen durch die Synodalverhandlung über die Vorlagen in der öffentlichen Meinung so diskreditiert sein werden, daß sie dieselben viel schwieriger durchsetzen dürfte.

Se. Majestät der Kaiser geruhten hierauf den Minister des Kultus aufzufordern, daß er eine solche konfidentielle Ausarbeitung über alle in den Synoden zu beratenden Gegenstände, über das Ziel, welches die Regierung bei jedem einzelnen Gegenstande zu erreichen hätte, und über die mit Hinblick darauf allenfalls den Akatholiken zu gewährenden Konzessionen verfasse und Allerhöchstenorts unterbreite12.

dAm 10. Jänner/27. Mai 1858.d Am 10. Jänner/27. Mai 1858. Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, den 28. Mai 1858.In der Handschrift Ransonnets.