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Nr. 418 Ministerkonferenz, Wien, 31. Oktober 1857 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 31. 10.), gesehen Bach 2. 11., Thun 5. 11., Toggenburg, Bruck, Nádasdy 6. 11., Kempen 7. 11., Für Se. Exzellenz den Herrn Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät Grafen Grünne Kellner.

MRZ. – KZ. 3661 –

Protokoll der zu Wien am 31. Oktober 1857 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Minister des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Zulage für den Oberlandesgerichtspräsidenten Baron Hennet

Der Justizminister referiert seinen Antrag vom 22. Oktober 1857, KZ. 4686, MCZ. 4172, wegen Ag. Verleihung einer Personalzulage von jährlich 1000 fr. an den böhmischen Oberlandesgerichtspräsidenten Leopold Freiherrn v. Hennet und glaubte, denselben gegen die Einsprache des Finanzministers, welcher von seinem Standpunkte aus, der Ah. Gnade Sr. Majestät unvorgreiflich, darauf beharrte, vornehmlich mit dem Umstande begründen zu können, daß aus der Ah. Gewährung eine Exemplifikation nicht zu besorgen sei, nachdem die Präsidenten der größeren Oberlandesgerichte bereits im Genusse ähnlicher Zulagen stehen und Baron Hennet unter den Präsidenten der übrigen der älteste ist.

Die übrigen Stimmführer der Konferenz schlossen sich dem Antrage des Justizministers an, nachdem der Minister des Inneren noch bemerkt hatte, es spreche für Baron Hennet noch das spezielle Motiv, daß er bereits vor 1848 böhmischer Oberstlandrichter war, als solcher eine der Landeswürden bekleidete aund später, als er wieder von Graz nach Prag übersetzt wurde, wieder um eine Landeswürde kompetierte, womit ein Gehalt von 2000 fr. verbunden gewesen wäre, auf welches Gesuch aber wegen der Suspension der ständischen Körperschaften nicht eingegangen wurde. Übrigens hat Baron Hennet auch in der Stellung als böhmischer Oberstlandrichter sich wesentliche Verdienste durch energische Vertretung der Regierungsinteressen in den ständischen Versammlungen erworbena,1.

II. Änderungen in der Strafprozeßordnung

Der Justizminister referierte seinen hier angeschlossenen Entwurf einer kaiserlichen Verordnungb wegen einiger Modifikationen der Strafprozeßordnung vom 29. Juli 1853 2 behufs der Vereinfachung des strafgerichtlichen Verfahrens3.

|| S. 211 PDF || Er wurde von der Konferenz einstimmig angenommen, mit dem Vorbehalte jedoch, daß zum § 1, lit. a, der Text des dort aufgeführten Beispiels nach der Bemerkung des tg. gefertigten Präsidenten mit Hinweglassung des Wortes „bloß“ etwas präziser abgefasst; im § 4 am Schlusse nach den Worten „und nötigenfalls auch ein Angestellter des Gerichtes“ der vom FML. Freiherrn v. Kellner beantragte Zusatz „mit Ausnahme der die Abhörung der Zeugen vornehmenden Kommissionsglieder“ eingeschaltet werde, um der Zeugenschaft der Gerichtsperson die volle Unbefangenheit zu erhalten; im § 14 der Schreibfehler „des förmlichen im § 372 vorgeschriebenen Förmlichkeiten“ und im § 15, vorletzte Zeile, die, wie der Chef der Obersten Polizeibehörde bemerkte, ebenfalls verschriebene Berufung auf die §§ 262 und 426 in die wahrscheinlich gemeinten §§ 417 und 420 berichtigt werde4.

III. Änderungen und Zusätze für die Bestimmungen über das standrechtliche Verfahren

Bei der Beratung über den vom Justizminister referierten Entwurf einer Verordnungc über einige Abänderungen und Zusätze zu den gesetzlichen Bestimmungen über das standrechtliche Verfahren5 wurden, unter Annahme des Entwurfs in der Hauptsache, nachstehende Bemerkungen und Anträge gemacht.

Zum Artikel II, welcher die Stellung eines Geistlichen mit Bezug auf Artikel XII des Konkordats6 und § 320 der Strafprozeßordnung vor das Standrecht ausschließt7, bemerkte der Kultusminister : In der dvon dem Fürsterzbischof von Wien an den Kardinal Pronuntius Viale-Prelà gerichtetend von dem Fürsterzbischof von Wien an den Kardinal Pronuntius || S. 212 PDF || Viale-Prelà gerichteten, erläuternden Note „Ecclesia catholica“ vom 18. August 1855 heißt es: „XI. Caeterum articuli XIV“ (nicht XII, wie es in der Begründung zu dem Gesetzentwurfe heißt) „de causis clericorum dispositiones eos respiciunt, qui a judiciis ordinariis condemnati fuerint; exceptiones occurrant necesse est, ubi de crimine agatur, in quod ad tempus extraordinarius procedendi modus, quem Standrecht (judicium instantaneum) vocant, statutus est.“8 Bei dieser bestimmten Erklärung dürfte sich die österreichische Strafgesetzgebung vollkommen darüber beruhigen, daß sie weder gegen die Bestimmungen des Konkordats, noch gegen die Intentionen des Heiligen Stuhls verstoße, wenn sie zuläßt, daß auch ein Priester, der eines vor das Standrecht gehörigen Verbrechens beinzichtigt ist, standrechtlich verurteilt werde, ohne die im Artikel XIV des Konkordats und § 320 der Strafprozeßordnung vorgeschriebene Prozedur zu beobachten. Nur wäre nach dem Erachten des Kultusministers jedenfalls von der erfolgten Stellung des Priesters vor das Standrecht sowie von dessen Aburteilung der Bischof ungesäumt in die Kenntnis zu setzen. Alle übrigen Votanten teilten die Ansicht des Kultusministers und stimmten daher für die Weglassung der Beziehung des § 320 in dem Artikel II des Entwurfs umso mehr, als es in staatspolitischer Beziehung höchst bedenklich wäre, eine Ausnahme hier zu statuieren, die nicht einmal vom Kirchenoberhaupte verlangt wird.

Gleichwohl getraute sich der Justizminister nicht, diesem Antrage beizustimmmen, eweil es ihm mit der geistlichen Würde ganz unverträglich erscheinte, daß ein Priester, als solcher noch im Besitze der heiligen Weihen, sollte hingerichtet werden können. Nachdem übrigens der § 320 Strafprozeßordnung ganz allgemein und ausnahmslos lautet, so müßte, falls der Majoritätsantrag der Konferenz die Ah. Genehmigung erhielte, eine Erläuterung dahin gegeben werden, daß die Bestimmung des § 320 im standrechtlichen Verfahren keine Anwendung finde, was nach dem Erachten der Konferenz ohne Anstand in dem vorliegenden Entwurfe geschehen kann. Der Justizminister behielt sich demnach die Einschaltung der diesfälligen Klausel vor.

Zum Artikel IV, 1. Absatz, beantragte der Chef der Obersten Polizeibehörde nach den Worten „von 5–20 Jahren“ die Einschaltung des Wortes „standrechtlich“, was auch angenommen wurde.

Im 2. Absatze dieses Paragraphen schien dem Handelsminister die Scheidung der beiden Kategorien, nämlich jener der Beschuldigten, welche zum Tode zu verurteilen, und jener, die an das ordentliche Gericht abzuliefern sind, nicht scharf und gesetzmäßig ausgedrückt zu sein. Das Gesetz kennt außer dem Täter nur Mitschuldige, welche bei der Verübung der Tat mitgewirkt, dann Teilnehmer, die ohne Mitwirkung dabei, fjedoch nach vorläufigem Einverständnisf sich daraus einen Vorteil zugewendet, und Vorschubleister, die zur Verheimlichung der Tat oder des Täters beigetragen haben. Wären hier diese beiden || S. 213 PDF || letzteren gemeint, so sollte sich auch der gesetzlichen Ausdrücke bedient und die schwankende Bezeichnung „welche an dem Verbrechen nur geringeren Anteil genommen“ umso mehr beseitigt werden, als sich nach dem Vorausgehenden „welche zu dem Verbrechen durch Befehl, Bestellung, Handanlegung oder sonst auf eine tätige Weise vor oder bei der Ausübung mitgewirkt haben“ kaum mehr ein Akt der Mitschuld denken läßt, mithin für die, „welche nur geringeren Anteil genommen haben“, wohl nur mehr die Bezeichnung „Teilnehmer und Vorschubleister“ erübrigen dürfte.

Es liegt zwar, bemerkte der Minister des Inneren einverständlich mit dem Justizminister in der Tendenz des standrechtlichen Verfahrens, die volle Strenge desselben nur so lange walten zu lassen, bis der Hauptzweck, die Statuierung eines abschreckenden Beispiels, erreicht ist. Dieser wird in der Regel schon nach der Hinrichtung eines oder einiger Schuldigen erreicht sein, und es ist dann nicht mehr nötig, das standrechtliche Verfahren auf alle Mitschuldigen auszudehnen. Der subjektiven Beurteilung des unter außerordentlichen Umständen fungierenden Standrichters muß es anheimgestellt werden, hier die richtige Wahl zu treffen, zu deren Erleichterung zunächst die im Entwurfe aufgeführte Gliederung zu dienen hat, da doch zugegeben werden muß, daß sich auch bei der Mitschuld eine verschiedene Abstufung denken läßt. Um indessen einer willkürlichen Auslegung und Anwendung des Gesetzes die möglichsten Schranken zu setzen, behielt sich der Justizminister vor, die Textierung dieses Artikels einer nochmaligen eindringlichen Revision zu unterziehen.

Zu Artikel V, welcher die Übergabe des Beschuldigten an das ordentliche Gericht anordnet, wenn 1. über die Verhängung der Todesstrafe die Stimmen der vier Richter gleich geteilt sind, und 2. wenn der Präses findet, daß das Gesetz offenbar irrig angewendet worden, trat nur der Kultusminister dem Entwurfe bei, gdenn ad 1., wenn zwei Glieder des Standgerichtes aus redlicher Überzeugung den Beweis der Schuld nicht hergestellt erachten, scheine allerdings hinreichender Grund vorhanden zu sein, um die Hinrichtung nicht ohne jene reifliche, durch das ordentliche Verfahren geführte Erwägung vornehmen zu lassen. Überdies sei aber auch der Fall denkbar, daß der Druck äußerer Verhältnisse, eine durch die öffentliche Meinung geübte Einschüchterung und dergleichen mehr, die Hälfte des Richterkollegiums verleiten, die Strenge des Gesetzes nicht walten zu lassen. In einem solchen Falle werde der öffentlichen Sicherheit mehr Bürgschaft geboten, wenn die Angelegenheit vor die ordentlichen Gerichte gewiesen, als wenn es von der Stimme des Vorsitzenden abhängig gemacht wird, ob der Beschuldigte hingerichtet oder straflos erklärt werden sollg . Der Fall ad 2. sollte zwar gar nicht vorausgesetzt werden. Da aber hvon dem Herrn Justizminister nachgewiesen wurde, daß er in Ungarn bereits tatsächlich sich ereignet habe, so erübrige wohl nichts als die vorgeschlagene Bestimmung zu treffen, um der Möglichkeit wiederholter Justizmorde vorzubeugen. In die Lage dürfe der Vorsitzende des Standgerichtes nicht versetzt werden, ein offenbar gesetzwidrig gefälltes Urteil vollstrekken lassen zu müssenh von dem || S. 214 PDF || Herrn Justizminister nachgewiesen wurde, daß er in Ungarn bereits tatsächlich sich ereignet habe, so erübrige wohl nichts als die vorgeschlagene Bestimmung zu treffen, um der Möglichkeit wiederholter Justizmorde vorzubeugen. In die Lage dürfe der Vorsitzende des Standgerichtes nicht versetzt werden, ein offenbar gesetzwidrig gefälltes Urteil vollstrekken lassen zu müssen.

Alle übrigen Stimmen der Konferenz waren dagegen für die Beseitigung dieses Artikels aus dem Entwurfe. Denn seine Bestimmungen schwächen die Wirksamkeit des standrechtlichen Verfahrens, welche eben darin besteht, durch den schnellen Vollzug der Strafe ein abschreckendes Beispiel zu geben und so dem Umsichgreifen des Verbrechens Einhalt zu tun. Sie verstoßen auch gegen den sonst im Strafgesetz überall geltenden Grundsatz des gleichen Gewichts der Stimmen der Mitglieder des Gerichts. Was insbesondere die Bestimmung des 1. Absatzes betrifft, so hob der Handelsminister hervor, daß, wenn zwei Räte bereits für die Todesstrafe gestimmt haben, das Gewicht auf dem dritten Votanten beruht. Lautet dessen Votum ebenfalls auf Tod, so muß das Todesurteil, gleichviel ob der vierte Rat und der Präses dafür oder dagegen wären, ohne weiters vollzogen werden. Und dennoch sollte, wenn zwei Räte für, zwei gegen die Todesstrafe gestimmt haben, die Stimme des Präsidenten nicht den Ausschlag geben dürfen, also weniger Gewicht haben als die des dritten Rates? Warum sollte der Präsident allein, setzte der tg. Gefertigte hinzu, nicht nach seinem Gewissen frei urteilen dürfen, sondern zum bloßen Stimmenzähler, zum Automaten herabgesetzti werden? Die im 2. Absatze vorgesehene Eventualität wird, bemerkte der tg. Gefertigte, jnur selten eintreten könnenj, wenn der Präsident das Gericht gehörig zu leiten versteht. Unter dem Titel einer irrigen Gesetzanwendung, fuhr er, einstimmig mit dem Minister des Inneren, fort, vermöchte der Präsident jedes standrechtliche Urteil aufzuheben und den Zweck des Standrechts zu vereiteln. Eine weitere üble Folge der diesfälligen Bestimmung aber wäre noch die, daß die Räte ihre Aufgabe leichter nehmen würden, sich darauf verlassend, daß ihr Irrtum oder Versehen durch die Sistierung des Urteils behoben werden kann.

Der Justizminister erklärte, seinerseits von dem Artikel V nicht abgehen zu können, weil ad 1. der Fall des Präsidenten hier nicht so ganz gleich mit jenem des dritten Votanten ist, da dieser noch zwei hinter sich hat, deren Ansicht er nicht kennt, während der Präsident, dem die gleichgeteilten Stimmen der Räte mit ihrer Begründung bereits vorliegen, in der eigentümlich schwierigen und delikaten Lage ist, in einer sich vollkommen das Gleichgewicht haltenden Abstimmung mit seiner Stimme allein den Ausschlag über Leben und Tod zu geben, kwogegen FML. Baron Kellner noch bemerkt wissen möchte, daß, wenn einmal von zwei Richtern die Stimmen für den Tod des vor das Standgericht Gestellten abgegeben worden, der an die Reihe zur Stimmabgabe kommende dritte Richter sich mit dem Präsidenten mindestens im gleichen Falle befindet. Ist dieser dritte Richter aber verpflichtet, nach bestem Wissen und Gewissen seine absolut entscheidende Meinung für den Tod abzugeben, so begreife FML. Baron Kellner nicht, wie sich das Gewissen des Präsidenten bei der Stimmengleichheit unter den Richtern mehr bedrückt fühlen sollte, sich für das Todesurteil auszusprechen, als jenes des dritten Richtersk wogegen FML. Baron Kellner noch bemerkt wissen möchte, daß, wenn einmal von zwei Richtern die Stimmen für den Tod des vor das Standgericht Gestellten abgegeben worden, der an die Reihe zur Stimmabgabe kommende dritte Richter sich mit dem Präsidenten mindestens im gleichen Falle befindet. Ist dieser dritte Richter aber verpflichtet, nach bestem Wissen und Gewissen seine absolut entscheidende Meinung für den Tod abzugeben, so begreife FML. Baron Kellner nicht, wie sich das Gewissen des Präsidenten bei der Stimmengleichheit unter den Richtern mehr bedrückt || S. 215 PDF || fühlen sollte, sich für das Todesurteil auszusprechen, als jenes des dritten Richters. lFerner bemerkte der Justizminister ad 2., daßl Ferner bemerkte der Justizminister ad 2., daß gegen einen Mißbrauch des Sistierungsrechts die Anordnung genügt, daß die Begründung der Sistierung umständlich zu Protokoll gegeben werden muß.

Im Artikel VI wurde statt der dort angesetzten Frist von vier zu vier Wochen einhellig der Termin „von drei zu drei Monaten“ beliebt9.

IV. Zulage für den Titularsektionsrat Lorenz v. Csergheö

Der Kultus- und Unterrichtsminister erhielt zu seinem Antrage vom 28. September 1857, KZ. 4340, MCZ. 3857, wegen Verleihung einer Personalzulage von jährlich 500 fr. an den mit Titel und Rang eines Sektionsrates ausgezeichneten Sekretär seines Ministeriums, Lorenz v. Csergheö gegen die Einsprache des übrigens einer mindern Beteilung nicht entgegentretenden Finanzministers die Beistimmung aller übrigen Votanten der Konferenz aus den im Vortrage dargestellten Gründen und der weiteren Rücksicht, daß dem Sekretär des Ministeriums des Inneren Foltanek eine Zulage im gleichen Betrage mit Ah. Entschließung vom 4. März 1853, KZ. 822, MCZ. 676, Ag. bewilligt worden ist10.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 12. November 1857.