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Nr. 398 Ministerkonferenz, Wien, 13. Mai 1857 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 13. 5.), gesehen Bach 21. 5., Thun (BdE. fehlt), K. Krauß, Toggenburg, Bruck, Kempen 22. 5., Kellner 24. 5.

MRZ. – KZ. 1889 –

Protokoll der zu Wien am 13. Mai 1857 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Sistierung der Erteilung neuer Konzessionen zu Eisenbahnen etc

Der Handelsminister referierte sein in Befolgung des Ah. Befehls vom 16. April 1857, KZ. 11, MCZ. 13, erstattetes Gutachten vom 11. Mai 1857, KZ. 1959, MCZ. 1742, in betreff der zeitweisen Sistierung der Verhandlungen für neue Eisenbahnunternehmungen1. Nach demselben hätte die bezügliche Kundmachung zu lauten: „Se. Majestät haben Ag. zu befehlen geruht, daß mit den Anträgen auf die Konzessionierung von Eisenbahnunternehmungen, welche die Emission neuer Aktien zur Folge haben sollen, bis auf weitere Anordnung (gänzlich) innezuhalten sei.“ Er verband damit den weiteren Antrag: Se. Majestät möchten (zur Richtschnur für die Minister) zu befehlen geruhen, daß auch bei den Anträgen auf Errichtung anderer mit Aktienemission verbundenen Industrieunternehmungen bis zur Erholung des Geldmarktes auf die Verhältnisse desselben der genaue Bedacht genommen und die größtmögliche Zurückhaltung beobachtet werde.

Nachdem der Handelsminister diese seine Anträge mit den im Vortrage vom 11. Mai 1857 entwickelten Motiven begründet hatte, fügte der Finanzminister noch einige Bemerkungen über die Rücksichten bei, welche ihn bestimmen, denselben in der Hauptsache beizutreten. Solange es sich um Eisenbahnprojekte handelte, welche zur Ergänzung des die Hauptpunkte der Monarchie verbindenden großen Eisenbahnnetzes bestimmt sind, war der Finanzminister stets für die Erteilung der Konzessionen gewesen, ja er glaubte, auf deren beschleunigte Erwirkung einraten zu müssen, um das große Ziel der Sicherstellung der wichtigsten Verbindungslinien zu erreichen. Nachdem nun aber durch die bisher erteilten Konzessionen dieses Ziel im ganzen Umfange der Monarchie, mit || S. 87 PDF || alleiniger Ausnahme von Siebenbürgen, sichergestellt ist, dürfte der Zeitpunkt gekommen sein, den Geldmarkt vor neuen Papieren, deren Ausgabe besonders im ersten Stadium amit heftigen Schwankungen verbunden ist, daher sehr nachteiliga auf denselben drückt, wenigstens für einige Zeit zu bewahren und darum mit Erteilung neuer Konzessionen dazu innezuhalten. Er stimmt daher dem Antrage des Handelsministers in beiden Beziehungen bei und hofft von der Verlautbarung der angetragenen Kundmachung eine wesentliche Beruhigung für den Kredit und die Entwicklung der bereits konzessionierten Unternehmungen. Desto auffallender war ihm vor wenigen Tagen in einem der hiesigen Zeitungsblätter (Oesterreichische Correspondenz) von einer neuen provisorischen Konzession für eine Bahn von Mantua büber Cremona nach Pizzighettone und Codognob zu lesen, rücksichtlich welcher ihm nicht bekannt ist, daß hierwegen mit dem Finanzministerium wäre Rücksprache gepflogen worden2. Der Handelsminister gab hierüber die Aufklärung, daß von einer Konzession zum Bau jener Bahn, cselbst von einer bloß provisorischenc, keine Rede gewesen sei. Vielmehr habe er in Gemäßheit der ihm durch das Eisenbahnkonzessionsgesetz eingeräumten Ermächtigung der italienischen Eisenbahngesellschaft auf ihr Ansuchen und nach vorschriftmäßigem Einvernehmen mit dem Minister des Inneren und dem Armeeoberkommando die Bewilligung zur Vornahme der Studien und Vorarbeiten zu dem Projekte einer solchen Bahn erteilt, wobei weder ein Einvernehmen mit dem Finanzministerium vorgeschrieben, noch eine Zusicherungd zur Erteilung der definitiven Konzession verbunden ist. Hat sich eine Zeitung bei Verlautbarung dieser Bewilligung eines nicht gesetzlichen Ausdrucks, der zu Mißverständnis Anlaß geben kann, bedient, so kann hierwegen eine offizielle Berichtigung erfolgen. Im übrigen würde der Handelsminister nicht glauben, daß die Einstellung der Konzessionserteilung für Eisenbahnen auch auf die Bewilligung zur Vornahme bloßer Vorstudien ausgedehnt werden sollte, weil damit, wie bereits erwähnt, ein Anspruch auf die wirkliche Baukonzession nicht verbunden ist, mithin die bei dieser letzteren eintretende Besorgnis vor einer nachteiligen Einwirkung auf den Geldmarkt von vornehinein entfällt. Auch würde er die vorläufige Einvernehmung des Finanzministeriums bei Erteilung von Bewilligungen zu solchen Vorstudien nicht für nötig halten, weil solche den Kredit nicht berühren und auch im Gesetze nicht vorgeschrieben sind. Der Finanzminister erinnerte dagegen, daß nach der allgemeinen Meinung die Bewilligung zur Vornahme der Vorstudien für Eisenbahnen als eine Art Anwartschaft auf die Baubewilligung angesehen zu werden pflegt und darum nicht ohne Einfluß auf die bereits am Markte befindlichen Papiere der konzessionierten Bahnen bleiben kann. Will man diesen durch die Sistierung fernerer Konzessionserteilungen helfen, so möge dies in der vollen Ausdehnung geschehen, und es möge daher in der Konferenz die Ansicht beliebt werden, daß wenigstens für neue Bahnlinien und neu || S. 88 PDF || zu gründende Gesellschaften vorderhand auch keine Bewilligung zu Vorstudien erteilt werde.

Bei der Abstimmung hat sich bezüglich des Antrags wegen Beobachtung der möglichsten Zurückhaltung bei Anträgen zu Industrieunternehmungen überhaupt mit Aktienemission keine Einwendung ergeben. Bezüglich der angetragenen Kundmachung über die Sistierung der Anträge auf Konzessionierung von Eisenbahnen hat sich die Majorität der Konferenz mit dem vorgeschlagenen Texte, bloß gegen Weglassung des Wortes „gänzlich“, einverstanden erklärt.

Der Kultusminister hätte gewünscht, daß dem Texte jener Kundmachung eine solche Fassung gegeben werde, welche es erlaubt, im geeigneten Zeitpunkte mit dem Antrage auf Erteilung der Konzession für eine als zweckmäßig und notwendig erkannte Bahn vorzugehen, ohne erst, wie dies der vorgeschlagene Text anzudeuten scheint, in eine weitläufige Verhandlung darüber eintreten zu müssen, ob der Zeitpunkt gekommen sei, in welchem Se. Majestät um die Zurücknahme des Verbots gebeten werden dürften. Er würde daher vorschlagen, in die Kundmachung etwa den Zusatz aufzunehmen: „insolange die gegenwärtigen Verhältnisse des Geldmarkts bestehen“. Allein sowohl der Handels-, als der Finanzminister fanden einen solchen Beisatz bedenklich und glaubten, daß seinerzeit über ein etwa vorkommendes Konzessionsgesuch ohne Anstand auch gleichzeitig die Frage der Opportunität erwogen, in der Konferenz erörtert und Sr. Majestät zur Ah. Entscheidung vorgelegt werden könnte, ohne hierwegen erst eine vorläufige abgesonderte Verhandlung über diese Frage im allgemeinen vorausgehen zu lassen.

Was endlich die vom Finanzminister gewünschte Sistierung der Erteilung von Bewilligungen zu Vorstudien für neue Bahnstrecken und neue Gesellschaften betrifft, so wurde zwar anerkannt, daß solche innerhalb des Wirkungskreises des Handelsministers im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren und dem Armeeoberkommando gelegen seien. Gleichwohl haben die mehreren Stimmen den diesfalls vom Finanzminister ausgesprochenen Wunsch geteilt, und der Handelsminister behielt sich vor, über derlei Einschreiten nach Einvernehmen mit den beiden anderen Zentralstellen im eigenen Wirkungskreise mit der Erteilung solcher Bewilligungen vorläufig bis Ende 1857 innezuhalten3.

II. Übertragung der Eisenbahn von Krakau bis Przemyśl von der Nordbahngesellschaft an die ostgalizische Bahngesellschaft

Vermöge Ah. Entschließung vom 27. Mai 1856 sollte wegen Übernahme der galizischen Eisenbahnstrecken bis Przemyśl mit der Direktion der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, wegen jener von Przemyśl über Lemberg nach Brody und Czernowitz aber mit den galizischen || S. 89 PDF || Grundbesitzern in Unterhandlung getreten werden4. Für letztere Strecken erhielten F[ürst] Sapieha und Konsorten mit Ah. Entschließung vom 3. Jänner und 3. März 1857 die Konzession5. Die Unterhandlung mit der Nordbahn wegen der ersteren wurde zweimal, durch Ah. Entschließung vom 3. Jänner und 16. April 1857, zur Vornahme von Abänderungen zurückgegeben6. Über die zuletzt anbefohlenen konnte mit der Nordbahndirektion keine Vereinbarung erzielt werden. Vielmehr hat der Verwaltungsrat der ostgalizischen Carl-Ludwigs-Bahn einverständlich mit der Nordbahndirektion gebeten, wegen Übernahme der Strecke von Krakau bis Przemyśl durch erstere unterhandeln zu dürfen.

Der Handelsminister unterstützte dieses Begehren, weil seit der ursprünglichen Verhandlung die Verhältnisse sich wesentlich geändert haben. Während nämlich damals der Spekulationsgeist für Eisenbahnen war und daher die Nordbahn, deren Aktien über 300% standen, sehr leicht durch eine neue Aktienemission das Geld zum Ausbau der Strecke bis Przemyśl sich verschafft hätte, auch die Gründer der ostgalizischen Bahn ihre Aktien hätten leicht an Mann bringen und die erste Einzahlung von 30% sichern können, so hat sich nunmehr die Spekulationslust in Eisenbahnaktien überall abgekühlt, und es hat sich insbesondere über die Rentabilität der galizischen Bahnen eine ungünstige Meinung verbreitet7. Namentlich wird von den Aktionären der Nordbahn, die bisher bedeutende Dividenden bezogen, die Übernahme der westlichen galizischen Bahn als eine große Last betrachtet, weshalb auch die Nordbahnaktien von 300 auf 208% fielen und sich nur infolge des erwähnten Anerbietens der Carl-Ludwigs-Bahngesellschaft wieder auf 220 % hoben. Man fürchtet ihr Sinken bis 150 %, wenn die Nordbahn die westliche galizische Bahn wirklich übernehmen müßte. Nicht minder mißlich ist das Verhältnis der Carl-Ludwigs-Bahngesellschaft; gibt sie ihre Aktien aus, so fallen sie voraussichtlich unter Pari, die Subskribenten werden nicht einmal die erste Einzahlung leisten, und hiermit wäre das ganze Unternehmen gescheitert. Dies kann der Regierung nicht gleichgiltig sein, die Einbußen der minder bemittelten Aktionärs sind auch in nationalökonomischer Beziehung empfindlich, und das Sinken der sonst auf dem Geldmarkt maßgebenden Nordbahnaktien drückt den Kurs aller, selbst der Staatspapieree . Insbesondere würde die Credit-Anstalt, welche bei sämtlichen neuen Eisenbahnunternehmungen teils durch Abnahme von Aktien, teils durch deren Belehnung, beteiligt ist, im Kurswerte ihrer eigenen || S. 90 PDF || (Kredit-) Aktien und in ihrer Geldgebarung überhaupt sehr erschüttert werden. Gelänge das Übereinkommen der ostgalizischen mit der Nordbahngesellschaft, so würden sich die Aktien der letztern rasch heben, die Credit-Anstalt, fwelche zur Haltung des Kurses dieser Effekten eine namhafte Anzahl derselben an sich gebracht hat, könnte sich dieser Papiere wieder leichter entledigen und dadurch bedeutende Fonds zu andern Unternehmungen disponibel machenf . Auch die ostgalizische Bahngesellschaft würde ihre erste Einzahlung mit 30% umso leichter bewirken, weil durch Übernahme der westgalizischen Bahn (welche der Nordbahn als eine größere Ausdehnung ihrer gegenwärtig so rentablen Unternehmung lästig, der ostgalizischen Gesellschaft aber wegen der bereits fertigen und einen Ertrag abwerfenden, sowie einen sichern Ausgangspunkt gewährenden Strecken erwünscht ist) ihr Kredit gehoben und die Credit-Anstalt zur Belehnung ihrer Papiere bewogen werden dürfte.

Sonach glaubte der Handelsminister, sich bei Sr. Majestät. die Ah. Ermächtigung zu einer neuerlichen Verhandlung mit den beiden Gesellschaften erbitten zu sollen, wornach die westgalizische Bahn bis Krakau zwar der Nordbahngesellschaft, die Strecke von Krakau bis Przemyśl aber der Carl-Ludwigs-Bahngesellschaft, vorbehaltlich der Ah. Ratifikation, überlassen würde.

Der Finanzminister , mit diesem Antrage vollkommen einverstanden, bemerkte: Die Verlegenheit der Nordbahngesellschaft entstand vornehmlich durch die lange Verzögerung des Abschlusses der diesfälligen Unterhandlung. Was beim Anknüpfen derselben, im Frühjahr 1856, leicht zu erreichen gewesen wäre, nämlich sich für die neue Unternehmung die erforderlichen Geldmittel zu verschaffen, ist gegenwärtig unmöglich geworden, also auch nicht zu verlangen. Sie muß ein Aktienkapital von 38 Millionen für jene Bahn sicherstellen und wäre genötigt, auf zehn der bestehenden Aktien sieben neue auszugeben. Nicht nur ihre Aktionäre wären damit ruiniert, sondern es würde auch die bedenklichste Rückwirkung auf die Staatspapiere sich ergeben.

Das gegenwärtig für neu konzessionierte Eisenbahnen bestimmte Kapital besteht bei der Westbahn in 65 Millionen, bei der Orient- in 60 Millionen, bei der Theiß- in 40 Millionen, bei der ostgalizischen in 40 Millionen, bei der westböhmischen in 30 Millionen, bei der Sisseker in 18 Millionen, bei der Kärntner in 20 Millionen, bei der Reichenberger Bahn in 15 Millionen, zusammen in 288 Millionen, und mit Hinzurechnung der für die westgalizische Bahn erforderlichen 38 Millionen in 326 Millionen. Je mehr davon für den Augenblick und die nächste Zukunft dem Verkehr entzogen werden kann, desto mehr gewinnt der Kredit überhaupt und der Staatspapierkredit insbesondere, und da durch die neuesten Maßregeln, nämlich die Sistierung der Aktienemission bei der ostgalizischen, westböhmischen, Sisseker und Kärntnerbahn im Werte von 40, 30, 18, 20 Millionen eine Summe von 108 Millionen von dem Geldmarkte ausgeschlossen ist und durch die beantragte Verminderung des Aktienkapitals der pr[vilegierten]. Westbahn weitere 15 Millionen8, das sind 123 Millionen, zurückgezogen werden sollen, so würde sich mit Einschluß des bei Genehmigung des Antrags weiters außer Anschlag kommenden Betrags von 38 Millionen die Gesamtsumme der dem Geldmarkte entrückten Papiere auf 161 Millionen belaufen und den oben mit 326 Millionen ausgewiesenen Stand der neuen Papiere auf || S. 91 PDF || 165 Millionen herabdrücken, somit eine so wesentliche Erleichterung bewirken, daß der Zukunft unseres Kredits mit Beruhigung entgegen gesehen werden dürfte. Es ist sonach für die Finanzverwaltung von großer Wichtigkeit, darauf zu bestehen, daß auch die 38 Millionen, welche die Nordbahn itzt aufzubringen hätte, nicht in Verkehr kommen.

Das Mittel dazu ist durch das Anerbieten der galizischen Adeligen, die westliche Strecke zu übernehmen, dargeboten, und es bestehen auch sonst keine Anstände, es anzunehmen. Die Gesellschaft weiset unter ihren Gliedern die angesehensten und achtbarsten Firmen des Landes etc. aus, sie ist bereits im Besitze eines disponiblen Kapitals von 4 Millionen und kann sich die weiters benötigten Summen nach und nach beschaffen, namentlich ist ihr von der Credit-Anstalt eine Summe von 2 – 3 Millionen in Aussicht gestellt. Sie hat also bereits Mittel, um das Unternehmen zu beginnen, während die Nordbahngesellschaft dieselben erst aufbringen müßte, und wird die bereits begonnene Strecke umso lieber bis Przemyśl ausbauen, je schwieriger es ist, mit dem Bau einer abgerissenen, zur Zeit noch außer aller Verbindung stehenden Strecke, wie jene von Przemyśl nach Lemberg ist, anzufangen. Nachdem sonach durch die Genehmigung des Antrags des Handelsministers nicht nur der Ausbau der begonnenen westlichen Strecke gesichert, sondern auch die Nordbahngesellschaft, welche gewiß nicht minder als die Westbahngesellschaft der Berücksichtigung der Staatsverwaltung würdig ist, von einer ihre Interessen bedrohenden Krise bewahrt wird, so glaubte der Finanzminister, diesen Antrag auf das Wärmste unterstützen zu sollen. Ihm traten der Kultusminister und der Chef der Obersten Polizeibehörde bei, weil, wie der erstere bemerkte, es einleuchtend ist, daß es der galizischen Adelsgesellschaft unter den gegenwärtigen drückenden Verhältnissen leichter sein werde, den Ausbau der westlichen Strecke zu vollführen, als den Neubau der Strecke von Przemyśl in östlicher Richtung zu beginnen, und weil, nach der Bemerkung des letzteren, durch die Genehmigung dieses Antrags die billigen Wünsche zweier Gesellschaften zugleich erfüllt werden würden.

Dagegen erklärte der Minister des Inneren , sich mit dem gestellten Antrage nicht vereinigen zu können. Wenn er aus Anlaß der Beratung über die Bitte der Westbahngesellschaft wegen Verminderung des Aktienkapitals für die Gewährung dieser Verminderung stimmte, so geschah es in der Erwägung, daß hierdurch die Ausführung des Baus dieser Bahn in seiner Hauptrichtung nicht gefährdet werden würde. Hier handle es sich wesentlich um die Frage, ob die galizischen Bahnen Zustandekommen können, wenn ein so sicherer Unternehmer, wie es die Nordbahngesellschaft ist, von der ihr gestellten Aufgabe zurücktritt. Ist es dieser zu schwer, die erforderlichen Geldmittel zu der verhältnismäßig kleinen Strecke aufzubringen, so wird es der galizischen Adelsgesellschaft vollends unmöglich werden, nebst dem Kapital für den ihr ursprünglich zugewiesenen Teil es auch noch für den der ersteren bestimmt gewesenen zu beschaffen. Die Bahn würde nie Zustandekommen, außer, wenn der Staat sie selbst bauen wollte, und es wäre das Interesse des Landes der Rücksicht für eine Gesellschaft geopfert, welche sich einer übernommenen Verpflichtung entziehen will, weil sie dabei ihre Rechnung nicht zu finden glaubt. Denn es kann nicht angenommen werden, daß die Gefahr so groß ist, als sie behauptet. Der Stand des Geldmarktes ist durch die bereits eingeleiteten Maßregeln, wodurch derselbe vor der Emission neuer Papiere bis zum Belaufe von 108 Millionen bewahrt ist, durch Zurückziehung weiterer 15 Millionen der Westbahn und durch Einstellung aller neuen || S. 92 PDF || Eisenbahnkonzessionen noch mehr erleichtert werden soll, für die nächste Zukunft gesichert9. Auch bedarf die Nordbahngesellschaft zur Erfüllung ihrer Aufgabe der 38 Millionen wohl nicht auf einmal, sie kann sich das Geld sukzessiv verschaffen, gsie kann Anlehen kontrahiereng, und es können ihr, wenn es nötig ist, rücksichtlich der Übernahme und Auszahlung der vom Staat gebauten Strecke Erleichterungen und Zufristungen gewährt werden, so daß sie durch die regelmäßig eingeteilte Benützung ihres eigenen Kredits weder ihren Interessen noch jenen des öffentlichen Kredits empfindliche Verluste verursachen dürfte. Jedenfalls aber ist das Landesinteresse, welches das baldige Zustandekommen der Bahn wünschenswert macht, besser gewahrt, wenn die Aufgabe geteilt und wenigstens der eine Teil derselben in der sichereren Hand bleibt, als wenn auch dieser noch der galizischen Gesellschaft zugewiesen wird, die nicht einmal der von ihr ursprünglich übernommenen Aufgabe gewachsen ist, mithin der doppelten sich umso weniger unterziehen kann. Endlich kommt auch der Rechtspunkt zu beachten. Die Nordbahngesellschaft hat die Verpflichtung zur Annahme der westlichen Bahn übernommen, sie hat selbst darum angesucht. Fällt es ihr schwer, ihre Verpflichtung zu erfüllen, so kann sie darum nicht ihre Enthebung davon verlangen. Alles, was man billigerweise zugestehen könnte, ist eine Erleichterung in den Modalitäten der Übernahme und Zahlung, und diese mögen dann über eine diesfällige Proposition der Nordbahngesellschaft in Verhandlung genommen werden. Der Justizminister trat ganz der Meinung des Ministers des Inneren bei. Auch ihm ist es nicht zweifelhaft, daß die galizische Adelsgesellschaft, die nicht das Geld hat, um ihren Teil zu bauen, nicht imstande sein wird, die Mittel zum Ankauf und Bau der westlichen Strecke aufzubringen. Die 4 Millionen, die sie besitzt, reichen nicht aus, um nur den Kaufpreis der gebauten Strecke zu bestreiten, man wird ihr also, wenn sie sie übernähme, gleiche oder noch größere Erleichterungen gewähren müssen als der Nordbahngesellschaft. Offenbar würde die galizische Adelsgesellschaft ohne solche Zugeständnisse den westlichen Teil nicht übernehmen können, den sie nur darum für sich verlangt, um von dem Betriebe der schon ausgebauten Strecken gleich Nutzen ziehen zu können. Der Generaladjutant FML. Freiherr v. Kellner sprach sich dafür aus, daß der Nordbahngesellschaft, ihrer übernommenen Verbindlichkeit gemäß, der Ausbau der nur mehr 12 Meilen langen Strecke bis Przemyśl aufgetragen, die weitere Frage aber, ob denn der vollendete Bau der galizischen Adelsgesellschaft zu übergeben sei, vorderhand offen gelassen werde. Der tg. gefertigte Präsident endlich trat der Meinung des Ministers des Inneren bei, bemerkend: Die Fälle, wo konzessionierte Unternehmungen, wenn sie Schaden erleiden, die Hilfe der Staatsverwaltung in Anspruch nehmen, seien nicht selten, nie aber wäre der Fall vorgekommen, wo sie den Nutzen aus ihren Geschäften mit der Regierung hätten teilen wollen. Darum also, weil die Nordbahngesellschaft bei der Übernahme der Bahn bis Przemyśl für den Augenblick eine Entwertung ihrer Papiere fürchtet, sie ihrer diesfalls übernommenen Verpflichtung zu entheben, wäre ebenso bedenklich als die Überlassung der gedachten Bahn an eine Gesellschaft, welche weniger Garantien als die Nordbahngesellschaft bietet und diese Überlassung nur in der Absicht begehrt, um von || S. 93 PDF || einem schlechteren Geschäfte enthoben zu werden und dafür ein besseres zu übernehmen. Insoferne übrigens die gegenwärtigen Verhältnisse des Geldmarktes Rücksicht verdienen, erscheine es vollkommen gerechtfertigt, die Nordbahngesellschaft bei der Erfüllung ihrer Verpflichtung nicht zu drängen, vielmehr sowohl rücksichtlich der Ablösung der ausgebauten Strecke als auch rücksichtlich der Vollendung der noch zu bauenden alle tunliche Erleichterung zu gewähren.

hDer Finanzminister erklärte auf diese Äußerungen, die Regierung werde doch eine Gesellschaft zur Übernahme eines solchen Geschäftes nicht zwingen wollen, da die Nordbahn strenge genommen zum Abschlusse nicht verpflichtet sei. Man könne froh sein, eine so meritierte Gesellschaft zu besitzen, und im Interesse der Regierung müsse man bei Eisenbahnunternehmungen besorgt sein, solche zu kräftigen, nicht aber zu schwächen. Dies würde aber bei den gegenwärtigen Geldverhältnissen bei der Nordbahn der Fall sein, der Sturz ihrer Aktien wäre unvermeidlich, und der Geldmarkt würde dadurch in allen Effekten, in den Staatspapieren und in der Valuta eine solche Perturbation erfahren, gegen welche er die ernsteste Warnung erheben müßte. Alle diese Übelstände würden durch die vom Handelsminister vorgeschlagenen Kombinationen entfernt gehalten, es werde dadurch dem Staate gar kein Opfer auferlegt und die ostgalizische Gesellschaft durch den natürlichen Anfangspunkt Krakau zu einem in sich erst lebensfähigen Ganzen gestaltet und dadurch in den Stand gesetzt, die Bahn von Dębica [Bruck phonetisch: Dembica] aus fortzubauen und nicht in der Mitte ohne Zusammenhang beginnen zu müssen.h

Zum Schlusse glaubte der Handelsminister noch die Bemerkung beifügen zu müssen, daß ihn bei seinem Antrage auch die Rücksicht geleitet habe, die galizische Adelsgesellschaft dadurch vor ihrer Auflösung zu bewahren, die erfolgen müßte, wenn ihr die ursprünglich der Nordbahngesellschaft bestimmte Partie nicht übertragen wird, nachdem kaum Aussicht vorhanden ist, daß sie zur Ausführung der ihr selbst zugeteilten Aufgabe werde gelangen können.

Nach dieser Abstimmung ergeben sich vier Stimmen für die Gewährung der Überlassung der westlichen Bahn an die galizische Adelsgesellschaft, drei Stimmen dagegen und eine Stimme für die Belassung der westlichen Strecke bis zum Ausbau derselben nach Przemyśl bei der Nordbahngesellschaft und Offenlassung der Frage über deren einstige Übertragung an die galizische Adelsgesellschaft10.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Laxenburg, 29. Juni 1857. Franz Joseph.