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Nr. 395 Ministerkonferenz, [Wien] 2. Mai 1857 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 3. 5.), gesehen Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck, Kempen, Kellner.

MRZ. – KZ. 1885 –

Protokoll der am 2. Mai 1857 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät abgehaltenen Konferenz.

I. Zustand der österreichischen Journalpresse

Se. Majestät der Kaiser geruhten die Zustände der österreichischen Journalpresse zu besprechen und selbe in mancher Beziehung als nachteilig, ja traurig zu bezeichnen.

Selbst die größeren Journale begehen öfters grobe Mißgriffe in Besprechung unserer Verhältnisse zum Auslande und machen fremde Regenten zu Gegenständen von Ausfällen, welche lebhafte Reklamationen im diplomatischen Weg zur Folge haben. Die Tendenz bei Besprechung der Angelegenheiten des Inlandes ist oft auch eine tadelnswerte, ja regierungsfeindliche, wobei sich manche Journale den Kunstgriff erlauben, Einrichtungen und Vorfälle in fremden Staaten einer strengen Kritik zu unterziehen, welche indirekt gegen die eigene Regierung gerichtet ist.

Vor allem aber sind die kleinen Journale, namentlich in Wien, in einer schlechten Richtung redigiert, und es wird von denselben in den unteren Volksklassen eine gefährliche Gesinnung geweckt und genährt.

Se. Majestät geruhten sofort zu befehlen, daß dieser wichtige Gegenstand in sorgfältige Erwägung gezogen werde, damit – sei es durch entsprechendere Handhabung oder durch Änderung des Preßgesetzes1 – den Ausschreitungen der Journalistik vorgebeugt wird, stattfindende Übergriffe aber der Strafe unterzogen werden. Se. Majestät gewärtigen hierüber die in der Ministerkonferenz vorläufig zu beratenden Anträge, welche sich namentlich auch auf die Maßregeln bezüglich der kleinen Journale zu erstrecken haben2.

II. Abhilfe für die Überbürdung der Bezirksämter mit Geschäften

Se. k. k. apost. Majestät geruhten Auskunft über den Stand jener Verhandlungen zu begehren, welche über den dermaligen Zustand und die Leistungen der Bezirksbehörden und die Verbesserungen in deren Organismus gepflogen wurdena .3

|| S. 76 PDF || Der Minister des Inneren referierte hierauf über das Stadium, in welchem sich diese Arbeiten befinden. Aus den diesfälligen Operaten der Landesbehörden werde eine Zusammenstellung gemacht, und die hieraus resultierenden Anträge dürften dann mit einigen praktischen Geschäftsmännern zu beraten sein, welche zu diesem Zweck besonders hieher einzuberufen wären. Se. Majestät geruhten, diese Modalität Ah. zu genehmigen.

Der Minister des Inneren erörterte hierauf die Maßregeln, durch welche den überbürdeten Bezirksämtern, nach Erlassung des neuen Gemeindegesetzes4, eine wesentliche Erleichterung – durch Überweisung des Steuergeschäfts an die Gemeinden und durch Bildung von Bezirkswaisenkassen – gewährt werden könnte. Er wies auf weitere Geschäftsverminderungen hin, welche durch Vereinfachung des Verfahrens in Strafsachen, namentlich bei den Übertretungen, durch Einführung einer friedensgerichtlichen Judikatur und durch Simplifizierung der Formen des adeligen Richteramts wie auch der Gebührenbemessung erzielt werden könnten. Die Trennung der drei Untersuchungsbehörden sei ein Hauptgrund der vermehrten Schreiberei und des langsamen Geschäftsganges in Strafsachen und erheische dringend Abhülfe.

Nachdem der Justizminister über die Geschäfte der Untersuchungsgerichte und deren Verhältnis zu den Obergerichten nähere Aufklärungen gegeben, geruhten Se. Majestät die Ah. Willensmeinung dahin auszusprechen, daß der zunehmenden Geschäftsüberbürdung bei den Bezirksbehörden durch Vereinfachung der Geschäfte und durch Beseitigung unnützer Schreibereien und tabellarischer Arbeiten abgeholfen werde, da eine Personalvermehrung nur ein kostspieliges Palliativmittel bilde und es zudem an Beamtennachwuchs fehle5. Mit Hinblick auf den Zweck einer bleibenden Abhilfe ohne Vermehrung des Personals der lf. Behörden sei ein Plan, ein Programm der ganzen Arbeit vom Minister des Inneren zu entwerfen und dann zur Beratung der einzelnen Anträge mit den einzuberufenden Geschäftsmännern und den beteiligten Ministern zu schreiten6.

|| S. 77 PDF || Am 3. Mai 1857. Gr[af] Buol. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Ofen, am 15. Mai 1857.