Nr. 378 Ministerkonferenz, Wien, 9. Dezember 1856 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 9. 12.), Bach 11. 12., Thun (III) 11. 12., K. Krauß, Toggenburg, Bruck.
MRZ. – KZ. 4547 –
Protokoll der zu Wien am 9. Dezember 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Pensionsbemessung für Heinrich v. Righi
Die zwischen den Ministern des Inneren und der Finanzen laut des Vortrags vom 4. Dezember 1856, KZ. 4734, MCZ. 4350, obwaltende Meinungsdifferenz über die Ziffer der dem Delegationsprotokollisten Heinrich v. Righi zu bemessenden Pension, hat sich dadurch behoben, daß sich beide Minister – unter Beitritt der übrigen Stimmen – in dem mittleren Betrage von zwei Drittel des Gehalts, d. i. 400 fr., vereinigten.
II. Ausgleichung der Forderung der Waag-Neustadtler Juden
Der Justizminister referierte über die – zeuge seines Vortrags vom 19. November 1856, KZ. 4545, MCZ. 4179, zwischen ihm einer –, dann dem Minister des Inneren andererseits obwaltende Meinungsverschiedenheit in betreff der Modalitäten der Beilegung der Entschädigungsansprüche der im Jahre 1848 geplünderten Waag-Neustadtler Juden. Diese sollen nämlich im Vergleichswege dazu vermocht werden, an ihrer rechtskräftigen Forderung von mehr als 270.000 fr. wider die verurteilten Gemeinden drei Viertel oder zwei Drittel nachzulassen, und es soll den Gemeinden zur allsogleichen Befriedigung des Restes ein Vorschuß aus dem Staatsschatze gegeben werden, der von den Vermöglichen, nach und nach mit der lf. Steuer hereinzubringen wäre. Gegen diese Vorschußbewilligung war der Minister des Inneren, wogegen der Justizminister bemerkte, daß es sich um die Abwendung des Ruins mehrerer Gemeinden handle, und daß nur dann Aussicht auf das Zustandekommen eines Vergleichs vorhanden ist, wenn den Juden sogleich ein namhafter Betrag zur Verfügung gestellt wird. Der Handelsminister trat dieser Ansicht bei, und der Finanzminister erklärte sich mit der Anweisung eines Vorschusses unter der Bedingung einverstanden, daß die Angelegenheit mit 40.000 höchstens 50.000 fr., vollständig abgetan und auf die Hereinbringung des Vorschusses von den Gemeinden in Raten und in dem für die lf. Steuer bestehenden Verfahren gerechnet werden kann. Hiermit war auch der tg. Gefertigte einverstanden1.
III. Kompetenz der Ministerien zur Bestellung der Vereinskommissäre
Der Minister des Inneren referierte über die Meinungsdifferenz in betreff der Bestellung von lf. Kommissären für Vereine (Vortrag des Ministers des Inneren vom 21. Oktober 1856, KZ. 4076, MCZ. 3747, und des Finanzministers vom 4. Dezember 1856, KZ. 4708, MCZ. 4314).
|| S. 243 PDF || Der Minister des Inneren verharrte auf seiner, im obzitierten Vortrage ausgesprochenen Ansicht und nahm die Initiative bei Bestellung des lf. Kommissärs für Vereine – jedoch im Einvernehmen mit den einschlägigen Ministerien – darum in Anspruch, weil diese Bestellung zunächst mit Rücksicht auf die Vereinsgründung und auf die Überwachung der Vereinsgestion im ganzen zu erfolgen hat und das Ministerium des Inneren vermöge § 4 des Vereinsgesetzes berufen ist, bei Gründung aller Vereine, deren Bewilligung nicht der politischen Landesstelle überlassen ist, entweder die Bewilligung selbst zu erteilen, oder hierzu die Anträge bei Sr. Majestät zu erstatten2. Er fand sich in dieser seiner Ansicht durch die Ah. Entschließung bestärkt, womit bestimmt wurde, daß der lf. Kommissär für die Theiß-Eisenbahngesellschaft von ihm (Minister des Inneren) im Einvernehmen mit den Ministern des Handels und der Finanzen ernannt werden soll3. Durch ein solches vorläufiges Einvernehmen werden die Interessen berücksichtigt, welche andere Ministerien rücksichtlich des Zweckes der Vereine haben mögen. Kommt eine Vereinbarung über die Wahl der Personen unter den Ministerien nicht zustande, so unterliegt dieselbe ohnehin der Ah. Entscheidung Sr. Majestät. Bei den älteren Vereinen, worunter sehr wichtige und große Aktiengesellschaften, wie z. B. die Nordbahn-Gesellschaft, besteht ein von der politischen Landesstelle ernannter Kommissär; und doch ist gegen denselben kein Anstand vorgekommen, obwohl er ohne Einflußnahme der obersten Finanz- oder Baubehörde bestellt worden ist.
Dagegen verharrte der Finanzminister seinerseits wieder auf dem Antrage (KZ. 4708, MCZ. 4314): „Alle Vereine, deren Wirksamkeit den Geldverkehr betrifft, als Banken und Kreditanstalten etc., dann solche Anstalten, die zum Escomptieren etc. befugt sind, unmittelbar durch das Finanzministerium (in den Kronländern im Wege der Statthalter) überwachen, die Ernennung der lf. Kommissäre für sie vom Finanzministerium ausgehen zu lassen und diese demselben zu unterordnen“. Es ist in diesem Vortrage umständlich auseinandergesetzt, wie bei Vereinen dieser Art das finanzielle Interesse der Staatsverwaltung bei weitem mehr betroffen ist als das rein politische und wie eine wirksame Überwachung des ersteren ganz unmöglich ist, wenn sie dem unmittelbaren Einflusse, dem direkten Einwirken der obersten Finanzbehörde, entrückt ist. Ein Vereinskommissär bei solchen Anstalten, die in so inniger Beziehung zu der Finanzverwaltung stehen, kann daher mit Erfolg nur von dieser selbst bestellt und geleitet werden. Im Vereinsgesetz selbst ist keine andere Bestimmung über die Kompetenz zur Bestellung des Kommissärs getroffen, als daß diese „von der dazu berufenen Behörde“ erfolge (§ 22 Vereinsgesetz)4. Gleichwie nun alle Angelegenheiten, welche den Geldverkehr betreffen, zur Wirksamkeit des Finanzministeriums gehören, so muß es auch wohl zur Überwachung bzw. Bestellung des Kommissärs bei Vereinen berufen sein, deren Tätigkeit sich auf jenem Felde bewegt. Das politische Interesse kann dabei ebensowohl || S. 244 PDF || von dem von der Finanzverwaltung ernannten Kommissär vertreten werden, wie es allerdings in den Kronländern durch die Statthalter vertreten wird. Es wäre zu wünschen gewesen, daß auch bei der Gründung von Vereinen dieser Art dem Finanzministerium jene Wirksamkeit wäre zugestanden worden, welche im § 2 im allgemeinen dem Ministerium des Inneren eingeräumt ist. Nachdem jedoch das Gesetz so besteht, so wäre der Finanzminister weit entfernt, hierin eine Änderung anzutragen; wohl aber glaubte er in diesem vom Gesetze nicht ausdrücklich vorgesehenen Punkte eine den wichtigen Interessen, die er vertritt, entsprechende Auslegung geben zu dürfen. Ähnliche Rücksichten wie beim Finanzministerium treten auch bei jenen Vereinen ein, deren Tätigkeit den Wirkungskreis des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten berühren. Der Handelsminister fand es zwar wohl begründet, daß im Vereinsgesetze § 2 die Wirksamkeit der Staatsverwaltung bei Gründung und Konstituierung von Vereinen ohne Unterschied in einer Hand konzentriert ist. Aber die Tätigkeit der einzelnen Vereine kann der Überwachung des einschlägigen Ministeriums so wenig entzogen werden, als [sic!] die Tätigkeit eines Individuums, wenn es ein Geschäft betreibt, das zum Ressort dieses oder jenes Ministeriums gehört. Der objektive Teil der Unternehmung des Vereins ist also immer Gegenstand der Aufsicht des betreffenden Fachministers: Soll diese Aufsicht wirksam sein, so kann sie nur unter der unmittelbaren Leitung dieses Ministers, mithin nur durch einen von ihm zu bestellenden Kommissär geübt werden. Findet das Ministerium des Inneren außerdem noch die Bestellung eines Organs zur Handhabung der Vereinsgesetze und der Statuten nötig, so mag es diese Funktion entweder dem von dem Fachminister ernannten Kommissär übertragen, oder für seine Zwecke einen eigenen bestellen.
Auch die beiden Minister für Kultus und der Justiz erklärten sich für die unmittelbare Bestellung des Kommissärs durch denjenigen Minister, in dessen Ressort das Objekt der Vereinsunternehmung einschlägt. Nur in den seltensten Fällen, bemerkte der erstere , haben mehrere Ministerien zugleich ein besonderes Interesse bei der Überwachung der Vereinstätigkeit. Gewöhnlich herrschen dabei, wie die Vereine sich in letzterer Zeit gestalten, die finanziellen Rücksichten vor. Die objektive Zweckmäßigkeit der Aufsicht verlangt dabei das unmittelbare Einwirken des Finanzministers. aÜber einen Vorschlag einvernommen zu werden, ersetzt nicht das, was die Initiative gewährt, und beengta – abgesehen von dem mit der Korrespondenz verbundenen Zeitverlust – die Wahl der für den eigentlichen Zweck geeignetsten Person. Aus der Bestimmung des Kommissärs ist nach der Ansicht des Justizministers die Kompetenz zu dessen Bestellung zu entscheiden (§ 22 Vereinsgesetz). Seine Bestimmung ist nebst der Handhabung der Statuten die Sorge, daß die Partikularinteressen mit dem öffentlichen Staatsinteresse nicht in Konflikt kommen. Bei Vereinen, welche Geldverkehrs- oder technische Unternehmungen betreiben, sind wohl diese selbst und ihr Einfluß auf das Allgemeine der Hauptgegenstand der Überwachung durch den Kommissär, die Rücksichten für die bloß formellen Vereinsvorschriften, welche der Minister des Inneren zu vertreten hätte, treten hiebei mehr in den Hintergrund. Soll nun der Kommissär seine Aufgabe in der ersteren Beziehung vollständig erfüllen, so || S. 245 PDF || muß er nicht nur mit der speziellen Kenntnis der materiellen Geschäfte, die er zu beaufsichtigen hat, vertraut, sondern auch in der Lage sein, sich nötigenfalls bei dem betreffenden Fachministerium Instruktionen zu erbitten. Beides ist erleichtert, wenn er von diesem unmittelbar ernannt und ihm untergeordnet ist.
Der tg. gefertigte Vorsitzende endlich war der Meinung, daß bei Vereinen, wo spezielle Staatsinteressen zu vertreten sind, bder Vorschlag und b die Bestellung des Kommissärs von dem betreffenden Fachminister, jedoch im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren, auszugehen hätte, cauf welchen Antrag der Finanzminister noch bemerkte, daß dieses Einvernehmen in den Kronländern zwischen den Statthaltereien wirklich stattfindec,5.
Wien, am 9. Dezember 1856. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Mailand, 18. Februar 1857.