Nr. 373 Ministerkonferenz, Wien, 14. November 1856 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 23.126. 11.), Erzherzog Albrecht 3. 12., Bach 23. 11., Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck, Kempen 25. 11.
MRZ. – KZ. 4554 –
Protokoll der zu Wien am 14. November 1856 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät abgehaltenen Konferenz.
[I.] Wirkungskreis des Generalgouvernements in Ungarn
Der Gegenstand der Beratung war der Wirkungskreis des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Generalgouverneur – rücksichtlich des Generalgouvernements des Königreichs Ungarn1. Se. kaiserliche Hoheit haben nämlich an den von der Ministerkonferenz au. beantragten Entwürfen dieses Wirkungskreises einige Modifikationen beantragt, welche samt den bezüglichen Paragraphen der erstgedachten Entwürfe I und II einzeln in Erwägung gezogen wurden2.
Zum Behufe der Vergleichung und näheren Erörterung wurden die beiden Wirkungskreisentwürfe mit den bezüglichen Amendements in der Konferenz verlesen, und zwar I. Die Vorschrift über den Wirkungskreis des Generalgouvernements. Der § 1 wurde auf Ah. Befehl – als entbehrlich und auf die Stellung des Generalgouvernements in Ungarn nicht ganz passend – gestrichen.
Zum § 2 ergab sich eine längere Erörterung aus Anlaß des von Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Erzherzoge Albrecht gestellten Antrages, das Generalgouvernement nicht bloß als oberste politische, sondern auch oberste Finanzbehörde des Landes zu erklären und folgerecht den von der Ministerkonferenz entworfenen Schlußsatz über den Einfluß des Generalgouvernements auf die Finanzangelegenheiten wegzulassen. Se. kaiserliche Hoheit erklärten es bei dieser Diskussion insbesondere auch für wünschenswert, daß die Vizepräsidenten der fünf Statthaltereiabteilungen zu den bezüglichen Finanzlandesdirektionsabteilungen in dieselbe Stellung gebracht würden, welche die Landeschefs in den übrigen Kronländern gegenüber den Finanzlandesdirektionen einnehmen3. Der Dienst werde dadurch an Einheit gewinnen und das Finanzministerium gründlichere, minder einseitige Berichte erhalten; auch sei kein Grund zu der bestehenden Ausnahme in Ungarn ersichtlich.
Se. Majestät der Kaiser geruhten diesen letzteren Antrag als den Gegenstand einer besonders zu pflegenden Verhandlung zu bezeichnen, welcher sich auch auf die Frage über die Anwendung desselben Grundsatzes auf Siebenbürgen, die Woiwodschaft und Kroatien zu erstrecken haben werde, und deren Ergebnis der Ah. Schlußfassung zu || S. 210 PDF || unterziehen sein wird4. Was aber die Textierung des § 2 betrifft, wurde auf die Bezeichnung des Generalgouvernements als oberste Finanzbehörde nicht eingegangen und schließlich die Fassung des ganzen Paragraphen nach dem Antrage der Konferenz Ah. genehmigt, wobei als selbstverständlich angenommen wurde, daß auch die Landesbaubehörden dem Governement untergeordnet seien.
§ 4 alt (3 neu) wurde der Zusatz „oder Oberstaatsanwaltschaften“ gestrichen, indem mittlerweilen diese Justizbehörden aufgehoben wurden. Der von der Ministerkonferenz beantragte Schlußsatz „betreffen die wahrgenommenen Mängel oder Gebrechen den Justizdienst, so ist die Anzeige an den Justizminister zu machen“, wurde auf Ah. Anordnung weggelassen; nachdem der unmittelbar vorausgegangene Satz ohnehin die Anzeige der Mängel an die Zentralstellen im erforderlichen Fall anordnet – die Anzeige jedes Mangels im ungarischen Justizdienste an das Ministerium aber das letztere mit vielen Lappalien behelligen würde, während die Abhilfe vom Generalgouvernement unmittelbar durch das Oberlandesgericht gefunden werden kann.
§ 8/6 wurde der Zusatz „im Bereich des Generalgouvernements Befindliche“ gestrichen.
§ 9/7 verzichtete Se. kaiserliche Hoheit über die vom Minister des Inneren gegebenen Auskünfte auf die beantragten Modifikationen in den Ziffern der Belohnungen, Aushilfen und Vorschüsse.
§ 11/9 wurde eine vom Minister des Inneren selbst vorgeschlagene präzisere Fassung und auch der von Sr. kaiserlichen Hoheit proponierte Zusatz „oder dem Generalgouvernement“ durch Se. Majestät Ah. genehmigt.
§ 15 / 13 wurde der Zusatz der Ministerkonferenz über die Anzeige einer verfügten Suspension an die Zentralstellen beseitigt; nachdem Se. kaiserliche Hoheit bemerkt hatten, daß diese Anzeige selbstverständlich erstattet werden müßte, wogegen der Zusatz Sr. kaiserlichen Hoheit: „Bei Justizbeamten ist nach der besonderen Vorschrift des § 24 vorzugehen“ Ah. genehmigt wurde.
§ 17 / 15 wurde der von der Ministerkonferenz vorgeschlagene erste Satz: „Das Generalgouvernement hat eine besondere Aufmerksamkeit dem Beamtenkörper zu widmen etc.“ auf Ah. Anordnung beibehalten, dagegen aber die Weglassung des von Sr. kaiserlichen Hoheit beantragten Satzes: „Jeder in den k. k. Staatsdienst eintretende Beamte muß politisch und moralisch rein und unbedenklich sein“ zulässig befunden, da hierüber in dem gleichzeitig ergehenden Ah. Handschreiben das Nötige festgesetzt wird.
§ 18 / 16 verzichtete Se. kaiserliche Hoheit auf den proponierten Zusatz „und der Stuhlrichteramtsadjunkten“, nachdem die Minister des Inneren und der Justiz gezeigt hatten, daß es im Interesse des Dienstes und zur Beseitigung der Einflüsse des Provinzialgeistes nützlich sei, die Ernennung dieser Adjunkten noch ferner den Zentralstellen vorzubehalten.
§ 26/24 wurden die von Sr. kaiserlichen Hoheit beantragten Modifikationen „Gouvernement“ statt „Gouverneur“ und „Statthaltereiabteilung“ statt „Generalgouvernement“ adoptiert. Eine längere Erörterung entspann sich über den Text des Überrestes dieses Paragraphes, insofern Se. kaiserliche Hoheit die Besetzungsvorschläge der Oberlandesgerichtspräsidien || S. 211 PDF || insgesamt durch das Generalgouvernement an das Justizministerium geleitet sehen wollen, während der Justizminister zur Geschäftsvereinfachung und Beschleunigung den Umweg durch das Generalgouvernement auf die Besetzungen von Oberlandesgerichtsräten beschränkt zu wissen vorgezogen hätte. Schließlich geruhten Se. Majestät Ah. zu bestimmen, daß bloß die Vorschläge zu aPräsidenten- und Präsesstellen der Landes- und Komitatsgerichtea, Oberlandesgerichts-, dann bLandesgerichts- undb Komitatsgerichtsräten und Staatsanwälten im Wege des Generalgouvernement zu erstatten seien. Das Gouvernement hat diese Vorschläge mit aller Beschleunigung, und zwar wenn es sich um eine der Ah. Ernennung vorbehaltene Stelle handelt, im Wege des Obersten Gerichtshofes mit seinen allfälligen Erinnerungen belegt, an den Justizminister einzusenden.
§ 26/25 wurden die bestehenden Meinungsverschiedenheiten von Sr. Majestät dahin entschieden, daß a) das Verleihungsrecht zu den Stipendien, sofern es nicht schon einer Unterbehörde zusteht, dem Generalgouvernement überlassen, dagegen aber die Verleihung der Patronatspfründen wie bisher dem Kultusministerium vorbehalten werde, wo die diesfälligen Konkurrenten in der Regel genau bekannt sind; und daß b) der Schlußsatz über die prinzipiellen Fragen, über die Stellung der Konfessionen und die Besetzung höherer geistlicher Würden, welchen Se. kaiserliche Hoheit vorschlagen, wegbleibe, weil er, cwie der Kultusminister besorgtc, dahin gedeutet werden könnte, als ob die bezügliche Statthaltereiabteilung von der Begutachtung solcher Angelegenheiten ganz ausgeschlossen sei. Der Kultusminister machte ferner auch darauf aufmerksam, daß es notwendig sei, auch über die Kompetenz zur Verleihung der aus dem [Jahr] 1850 gebildeten Judenfonds dotierten Stiftungen etwas zu sagen, zumal ein Teil dieser Stiftungen der Woiwodschaft zufällt.
§ 39/28 erklärte sich der Minister des Inneren mit dem Antrage Sr. kaiserlichen Hoheit, die Bewilligung von Vereinen, die sich über zwei oder mehrere Verwaltungsgebiete von Ungarn erstrecken und nicht einer höheren Genehmigung bedürfen, dem Generalgouvernement vorzubehalten, völlig einverstanden.
Der § 33 (alt) über den Verkehr der Landesbehörden mit den Ministerien gab gleichfalls zu einer längeren Erörterung Anlaß, wobei die Minister gegen die von Sr. kaiserlichen Hoheit beantragten Textierung anführten, daß dieselbe zu allgemein sei und den direkten Verkehr, namentlich der Finanzlandesdirektionen, ohne Not auf eine dem Dienst nachteilige Weise zu hemmen geeignet sei.
Se. Majestät geruhten den Minister des Inneren zu beauftragen, diesen Teil des Wirkungskreises in einem, dem direkten Verkehr hinlängliche Freiheit gewährenden Sinne neu zu redigieren und dabei auch nach dem Wunsche Sr. kaiserlichen Hoheit die Bestimmung aufzunehmen, daß die Statthaltereiabteilungen, wenn sie im Fall sind, an die Zentralbehörden unmittelbar telegraphische Mitteilungen zu machen, dieselben auch gleichzeitig an das Generalgouvernement zu richten haben.
|| S. 212 PDF || § 34 hatten Se. kaiserliche Hoheit beantragt, „daß sämtliche Voranschläge aller Zivilgeschäftszweige im Wege des Generalgouvernements einzusenden seien, damit dasselbe die Präliminare mit seinen Bemerkungen begleiten könne“, weil das Gouvernement davon notwendig Kenntnis nehmen müsse und auch in der Lage sei, zweckdienliche Modifikationen daran zu beantragen. Von den Ministern des Inneren und der Finanzen wurde dagegen angeführt, daß, wenn das Generalgouvernement in eine genaue meritorische Prüfung der Voranschläge eingehen wollte, dies deren Eintreffen bei den Zentralstellen außerordentlich verzögern und die rechtzeitige Zusammenstellung des Staatsvoranschlages unmöglich machen würde. Nachdem Se. kaiserliche Hoheit hierauf erklärt hatten, daß eine derlei zeitraubende Prüfung keineswegs beabsichtigt werde und auch mit den vorhandenen Arbeitskräften des Generalgouvernements nicht erzielt werden könnte, geruhten Se. Majestät zu befehlen, daß der vom durchlauchtigsten Herrn Erzherzog vorgeschlagene § 34 in den Wirkungskreis aufzunehmen, jedoch die möglichst beschleunigte Vorlage der Präliminare zur Pflicht zu machen sei. Die zwei letzten Paragraphen des Wirkungskreises, welche Se. kaiserliche Hoheit proponierte, haben auf Ah. Anordnung hier wegzubleiben, und es wird des Rechts zur unmittelbaren au. Vortragserstattung im persönlichen Wirkungskreise gedacht werden.
2. Vorschrift über den persönlichen Wirkungskreis Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzogs Albrecht.
Zu III. dieser Absatz hat auf Ah. Befehl zu lauten: „Die unmittelbar dem Erzherzog zugewiesenen Organe bilden das Generalgouvernement“ und die von Sr. kaiserlichen Hoheit und der Ministerkonferenz hier beantragen Zusätze bleiben weg.
Der Absatz IX wurde von Sr. Majestät in folgender Fassung genehmigt: „Die richterlichen Geschäfte bleiben ausschließlich dem Bereiche des Justizministeriums oder des Obersten Gerichtshofes vorbehalten. Die dem Erzherzog Generalgouverneur erteilte Befugnis zur Verhängung oder Aufhebung des Zivilstandrechts verbleibt, bis auf anderweitige Bestimmung in voller Kraft.“
Schließlich kam noch die Einberufung von Beamten der verschiedenen Diensteskategorien zum Aushilfsdienste beim Generalgouvernement zur Sprache, wobei von Seite der Minister der Wunsch ausgedrückt worden war, daß diese Einberufung nur nach Einholung ihrer Zustimmung verfügt werde, um dienstnachteiligen Störungen zu begegnen. Der Minister des Inneren äußerte hierüber, daß diese vorläufige Rücksprache wohl bei Einberufung von politischen, polizeilichen und Baubeamten entbehrt werden könne, bei Einberufung von Beamten aus anderen Zweigen aber nicht zu unterlassen sein dürfte doder doch wenigstens die gleichzeitige Anzeige an die betreffende Zentralstelle erstattet werden sollted . Se. Majestät der Kaiser geruhten diesen letzteren Antrag Ag. zu genehmigen5.