Nr. 348 Ministerkonferenz, Wien, 14. Juni 1856 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 14. 6.), Bach 24. 6., Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck.
MRZ. – KZ. 101/1857 –
Protokoll der zu Wien am 14. Junius 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Gesetz über das Heimatrecht
Gegenstand der Beratung war der vom Minister des Inneren ausgearbeitete Entwurf eines Gesetzes über das Heimatrecht1.
Nach einem einleitenden Vortrage dieses Ministers wurde zur Prüfung der einzelnen Paragraphen des Entwurfs geschritten, wobei über nachstehende Paragraphen Bemerkungen gemacht wurden.
§ 1. Der Justizminister beanständete die Definition des Heimatrechtes, welche auch dem Kultusminister nicht entsprechend, auch entbehrlich erschien. Das Heimatrecht ist der Inbegriff von Rechten und Pflichten, welche aus der Zugehörigkeit zu einer Gemeinde entstehen. Will man gar keine Definition aufnehmen, so genügte es zu sagen: das Heimatrecht wird durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde begründet.
Der Minister des Inneren behielt sich vor, den Text diesen Andeutungen gemäß zu modifizieren.
Zum § 6. I. glaubte der Minister der Justiz , daß konsequent mit dem im Entwurfe festgehaltenen Grundsatze der Erwerbung des Heimatrechtes durch die Abstammung auch dieser letztere Ausdruck statt „Geburt“ gebraucht werden sollte, wogegen jedoch der Minister des Inneren erinnerte, daß das ABGB. in allen ähnlichen Beziehungen namentlich bei der Erwerbung der Staatsbürgerschaft [sich] eben auch des Wortes „Geburt“ bediene2.
Im § 7, letzten Absatz, werden Adoptivkinder von der Erwerbung des Heimatrechtes ihres Adoptivvaters ausgeschlossen. Sie sind aber – bemerkte der Justizminister – nach dem ABGB. in allem den ehelichen Kindern gleichgesetzt und erlangen die Rechte ehelicher Kinder; sie folgen dem Gerichtsstande des Adoptivvaters3, und es ist sonach kein Grund vorhanden, sie der Gemeindeangehörigkeit des Vaters, der sie an Kindesstatt angenommen hat, zu entziehen. Es wäre unrecht, wenn das Verweilen bei ihrem Adoptivvater von dem Belieben der Gemeinde desselben abhängig gemacht würde, und das wäre es, sobald sie das Heimatrecht durch die Adoption nicht erwerben. Der Minister des Inneren fand dagegen keinen besonderen Grund, einem Adoptivkind das Heimatrecht des Adoptivvaters schon aus dem Gesetze zuzuerkennen. Denn das Kind hat ja bereits ein Heimatrecht vermöge seiner Geburt; es steht ihm auch || S. 83 PDF || bevor (§ 12), die Erlangung des Heimatrechts des Adoptivvaters zu verlangen. Es wird ferner durch die Adoption die österreichische Staatsbürgerschaft nicht erworben, und selbst das zwischen dem Adoptivvater und dem Kinde begründete Rechtsverhältnis erleidet durch besondere Verabredungen oder Verträge eine Modifikation.
Sonach glaubte der Minister des Inneren auf der diesfälligen Bestimmung des Entwurfs verharren zu sollen, und trat die Mehrheit der Konferenz seinem Antrage bei, wogegen der Handelsminister sich mit dem Justizminister dahin vereinigte, daß in diesem Absatze gesagt werde: „Ein gleiches“ (wie im vorhergehenden Absatze, der von legitimierten Kindern handelt) „gilt von Adoptivkindern, insofern nicht von den Parteien etwas anderes bestimmt wird.“
§ 12. Im Eingang wurde auf Vorschlag des tg. gefertigten Ministers des Äußern mit Rücksicht auf den § 15 statt des Wortes „kann“ unter Beistimmung des Ministers des Inneren gesetzt „ist berechtigt etc. zu verlangen“, weil durch das bloße „können“ ein unberechtigtes Verlangen nicht ausgeschlossen wäre.
Was den Absatz sub I betrifft, welcher die freie Verfügung über das Vermögen voraussetzt, so erachtete der Justizminister unter Beistimmung der Majorität, daß dieser Absatz wegzulassen wäre, weil dadurch Pupillen und Kuranden von der Wohltat des § 12 ohne Notwendigkeit ausgeschlossen sein würden. Der Minister des Inneren bemerkte zwar, daß in der Regel zur Erwerbung von Rechten, die auch mit Pflichten verbunden sind, die Bedingung, daß einer homo sui juris sei, gefordert werden müsse; daß ferner in Ansehung der Pupillen die Sache wenig praktisch sei, nachdem sie während der Minderjährigkeit kaum in die Lage kommen dürften, von dem Rechte des § 12 Gebrauch zu machen, daß endlich in Ansehung anderer Kuranden, worunter Irrsinnige, Verschwender, Kridatare etc. sein können, es unbillig wäre, der Gemeinde die Aufnahme solcher Personen aufzuerlegen. Indessen behielt sich der Minister des Inneren vor, die Sache nochmals zu erwägen, und sich hiernach für die eine oder andere Ansicht auszusprechen.
§ 15. Hier wurde über Vorschlag des tg. gefertigten Ministers des Äußern statt der Stelle „und ungeachtet er mit einem etc. nicht versehen ist“ mit Beistimmung des Ministers des Inneren die präzisere Fassung angenommen „und ohne mit einem etc. versehen zu sein etc.“ Übrigens wurde bei § 45 auf diesen Paragraphen zurückgekommen.
Im § 27 wurde (letzte Zeile) statt des Wortes „damals“, welches bezüglich der Zeitbestimmung nicht ganz passend zu sein schien, gesetzt „in diesem Zeitpunkte“.
§ 31, 2. Absatz, wurde auf Vorschlag des Kultusministers der Ausdruck: „der dem Gutsbezirke zunächst gelegenen Gemeinde“ mit Rücksicht auf die Ausdehnung größerer Bezirke berichtigt: „der dem Aufenthaltsorte im Gutsbezirke zunächst gelegenen Gemeinde“.
Bei § 40 schien dem Kultusminister der Zwischensatz: „der ihnen obliegenden Armenversorgungspflicht unnachteilig“ ganz entbehrlich zu sein, nachdem es eben der Zweck der Vereinigung ist, sich die Armenversorgung zu erleichtern. Am Schlusse dieses IV. Abschnitts wurde des zu § 11 des Gesetzentwurfs über die Stellung des ehemals herrschaftlichen Grundbesitzes (Konferenzprotokoll vom 7. und 10. Juni 1856, MCZ. 2060) gemachten Vorbehalts gedacht, und sich von der Konferenz einstimmig dahin entschieden, daß der § 11 jenes Gesetzes, welcher dem Gutsbezirke die Versorgung || S. 84 PDF || der dort über zehn Jahre ununterbrochen gedient habenden und in diesem Dienste erwerbsunfähig gewordenen Personen auferlegt, unbeanständet zu belassen sei.
§ 45. Der Justizminister beanständete die Ausfertigung der Heimatscheine auf vier Jahre, weil deren fortwährende Erneuerung für Personen, welche außerhalb ihrer Heimatgemeinde dienen oder ihrem Erwerbe nachgehen und zu den Unbemittelten gehören, mit Weitläufigkeiten, Auslagen und mit der Gefahr verbunden ist, das Heimatrecht zu verlieren, wenn sie die Erneuerung rechtzeitig unterlassen oder durch Saumsal ihrer Zuständigkeitskommune längere Zeit ohne Legitimation bleiben. Der Minister des Inneren hielt jedoch an dieser sowohl mit der gesetzlichen Übung als auch mit den Bestimmungen des § 15 übereinstimmenden Anordnung fest, deren Zweck vornehmlich dahin gerichtet ist, die Landgemeinden vor dem Zurückströmen einer Bevölkerung sicherzustellen, welche sie, um ihren Erwerb anderwärts, besonders in großen Städten, zu suchen, verlassen hat und ihnen dann, wenn diese Quelle versiegt, zur Versorgung anheimfiele, nachdem sie den größten Teil ihres Lebens in den Jahren der Arbeitsfähigkeit auswärts zugebracht hat. Diese wichtige politische Rücksicht scheint es zu fordern, daß man die Vorbehaltung des ursprünglichen Heimatrechts für Personen dieser Art an die periodische Erneuerung des Ausweises darüber knüpfe. In diesem Falle aber – setzte der Justizministe r bei – müßte § 15 ausdrücklich gesagt werden, daß Personen, welche sich im Falle des 15. Paragraphen befinden, das Heimatrecht in ihrer frühern Gemeinde ipso facto verlieren und das der neuen – auch gegen ihren Willen – erwerben, ersteres aber sich doch vorbehalten können. Der Minister des Inneren gedenkt zur Beseitigung des Zweifels, daß der § 15 vorgesehene irreguläre Aufenthalt durch vier Jahre angedauert haben müsse, im betreffenden Paragraphen die angemessene Einschaltung zu machen. Was die vom Justizminister gewünschten weitern Zusätze betrifft, so hielt er sie teils für entbehrlich, teils für unzulässig. Daß der Erwerb eines neuen Heimatrechts nach § 15 den Verlust des bisherigen nach sich ziehe, ist im § 25 klar ausgesprochen, braucht daher im § 15 nicht wiederholt zu werden. Daß aber die in termino utili, d. i. vor Ablauf der vier Jahre, erfolgte Erwerbung des mangelnden Ausweises die Wirkung habe, dem Heimatberechtigten das bisherige Heimatrecht zu erhalten, kann nach dem Gesetzentwurfe keinem Zweifel unterliegen. Übrigens wird er erwägen, ob nicht diesfalls noch eine besondere Bestimmung aufgenommen werden könne4.