Nr. 321 Ministerkonferenz, Wien, 11. Dezember 1855 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Bach; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Bach 4. 12.), Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck; abw.abwesend Buol.
MRZ. – KZ. 4233 –
- I. Gnadengabe für den gewesenen Professor Johann Klemsch
- II. Gehaltserhöhung für die Beamten der Prager Universitätsbibliothek
- III. Zulage für den Professor Georg Luscher
- IV. Pensionserhöhung für den Landesgerichtsrat Eduard Edler v. Heufler
- V. Gebühren der Herrschaft Emmerberg
- VI. Verbesserung der Lage der minderen Staatsbeamten und Diener
- VII. Erläuterung des Patents vom 2. Juni 1848 (Notenzwangskurs)
Protokoll der zu Wien am 11. Dezember 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Inneren Freiherrn v. Bach.
I. Gnadengabe für den gewesenen Professor Johann Klemsch
Der Unterrichtsminister referierte über die Meinungsdifferenz, welche laut seines Vortrags vom 24. Oktober 1855, KZ. 3767/1855, MCZ. 3421/1855, zwischen ihm und dem Finanzminister hinsichtlich der Beteilung des entlassenen Gymnasiallehrers Johann Klemsch mit einer Gnadengabe von jährlich 200 fr. obwaltet.
Während der Finanzminister aufgrund der bestehenden Normen auf dem abweislichen Antrage beharrte, glaubte der Unterrichtsminister , welchem der Justizminister sich anschloß, aus den im Vortrage angeführten Billigkeitsgründen sein Einraten auf Ag. Bewilligung jener Beteilung der Ah. Gnade || S. 196 PDF || empfehlen zu können, wogegen auch von den übrigen Stimmen nichts eingewendet ward1.
II. Gehaltserhöhung für die Beamten der Prager Universitätsbibliothek
Zwischen dem Unterrichtsminister und dem Finanzminister bestehen über die Anträge wegen Gehaltserhöhung des Personals der Prager Universitätsbibliothek (Vortrag vom 14. November 1855, KZ. 4089/1855, MCZ. 3710/1855) folgende Diskrepanzen: 1. beim Kustos, für welchen vom Unterrichtsminister eine Erhöhung von 200 fr., vom Finanzminister aber nur von 100 fr. beantragt wird; 2. bei den zwei Dienern, denen das angetragene Augment von 80 fr. vom Finanzminister verweigert wird.
Der Finanzminister erklärte, im Interesse der Finanzen weitere Konzessionen nicht machen zu können, wogegen der Unterrichtsminister seinen Antrag, ohne daß von den übrigen Votanten etwas dagegen wäre erinnert worden, mit der Bemerkung begründete, daß ad 1. eine angemessene Mittelstufe zwischen den Gehalten des Bibliothekars und des Ersten Skriptors zu bewirken, und die Unzukömmlichkeiten, welche besonders ad 2. durch die Berührung der Angestellten mit dem Leserpublikum sich ergeben, zu beseitigen notwendig sei2.
III. Zulage für den Professor Georg Luscher
Die Meinungsverschiedenheit, welche zwischen dem Unterrichts- und dem Finanzminister hinsichtlich der sub KZ. 4298, MCZ. 3894, angetragenen Personalzulage von 100 f. für den Gvmnasiallehrer Georg Luscher besteht, wurde durch die Erklärung des Finanzministers, dem Antrage des Unterrichtsministers beitreten zu wollen, behoben.
IV. Pensionserhöhung für den Landesgerichtsrat Eduard Edler v. Heufler
Dem Antrage des Justizministers vom 26. November 1855, KZ. 4151, MCZ. 3775, wegen Bewilligung der Pension für den Landesgerichtsrat Eduard Ritter v. Heufler mit zwei Drittel statt mit der Hälfte des Aktivitätsgehalts traten – gegen die Einsprache des Finanzministers gegen diesen zweifachen Gnadenakt – die übrigen Minister bei, weil es sich nach den im Vortrage dargestellten Verhältnissen hier um einen außerordentlichen Fall handelt, aus welchem nicht leicht nachteilige Folgerungen gezogen werden dürften.
V. Gebühren der Herrschaft Emmerberg
Der Justizminister, welchem die Angelegenheit wegen der von der Herrschaft Emmerberg zu entrichtenden Interkalarien3 und des Lehenschatzes (Vortrag vom 13. Jänner 1855, KZ. 146, MCZ. 135) hinsichtlich der zwischen den Ministern des Inneren und der Justiz obwaltenden, in zwei nachträglichen schriftlichen Voten derselben näher ausgeführten Meinungsdifferenz zur Abgabe eines Rechtsgutachtens mitgeteilt worden war, erklärte, von seinem Standpunkte aus dem Einraten des Ministers des Inneren in beiden Beziehungen beitreten zu sollen, weil, was die || S. 197 PDF || Interkalarien betrifft, dieselben Sr. k. k. Hoheit dem Herrn Erzherzog Rainer im Grunde der Ah. Entschließung vom 1. Juni 1832 (ÄStr. 7491/5608/[1832]) als Vergütung der Zinsen des zur Tilgung der Lehenschulden bezahlten Kapitals gebühren, und der Ehrenschatz vom Minister des Inneren nach dem Kaufschilling bemessen worden ist.
Der Finanzminister beharrte zwar auf der von seinem Vorgänger im Amte4 abgegebenen Äußerung; die übrigen Stimmführer traten jedoch der Meinung des Ministers des Inneren und des Justizministers umso mehr bei, als Se. Majestät mit Ah. Entschließung vom 26. Februar 1851 5 die Bemessung eines billigen Pauschals anzuordnen geruht haben6.
VI. Verbesserung der Lage der minderen Staatsbeamten und Diener
Schon im Juni 1855 – Konferenzprotokoll vom 2. Juni 1855, sub III7 – war die Verbesserung der Lage der minder besoldeten Beamten und Diener Gegenstand einer Besprechung in der Ministerkonferenz; dieselbe führte jedoch damalsa zu keinem bestimmten Antrage, weil nach der von dem Finanzminister vorgelegten Zusammenstellung ein Antrag dieser Art unter den damaligen Verhältnissen nach dem für das Militär veranschlagten Aufwande ein zu großes Opfer von den Finanzen in Anspruch genommen hätte. In der Konferenz vom 4. Dezember 1855 kam der Minister des Inneren auf diese Angelegenheit mit dem Bemerken zurück, daß unter den gegenwärtigen allgemeinen Teuerungsverhältnissen der Antrag auf eine Verbesserung des Loses der mindern Beamten nicht mehr von der Hand gewiesen werden könne8. Auf den Wunsch des Finanzministers wurde die Beratung hierüber bis zur nächsten Sitzung ausgesetzt, um ihn in den Stand zu setzen, hierwegen seine auf positive Daten und Berechnungen basierten Vorschläge zu erstatten. Heute nun wurde in dieser Beziehung von dem Finanzminister folgendes proponiert: den Staatsbeamtenb mit einer Besoldung unter 400 fr. – 15%, mit einer Besoldung unter 600 fr. – 10%, endlich jenen mit einer Besoldung von 600 fr. bis einschließlich 1000 fr. – 5% Zulage, und zwar vom nächsten Verwaltungsquartal, d. i. vom 1. Februar 1856 an, vorläufig cfür das laufende Verwaltungsjahr 1856, also für neun Monatec, in Monatsraten mit der Besoldung zu erfolgen, von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erbitten, und außerdem für jene der letzten Kategorie, nämlich für die Beamten mit Besoldung von 600 fr. || S. 198 PDF || bis 1000 fr., welche der Einkommensteuer unterliegen, auch die Befreiung von dieser Abgabe zu erwirken, wodurch ihnen im ganzen eine Aufbesserung um 7% zuteil werden würde. Das den Finanzen hiermit auferlegte Opfer wird mit 1,800.000 fr. angeschlagen.
Die Konferenz erklärte sich mit dem Vorschlage vollkommen einverstanden; dder Minister für Kultus und Unterricht machte jedoch auf die Notwendigkeit aufmerksam, durch eine genaue Textierung ersichtlich zu machen, ob und inwieweit sich die Maßregel auch auf die aus öffentlichen Fonds besoldeten Lehrer erstrecke, worüber er sich vorbehalten müsse, eine bestimmte Meinung auszusprechen, wenn ihm ein genau textierter Antrag des Herrn Finanzministers vorliegen werded der Minister für Kultus und Unterricht machte jedoch auf die Notwendigkeit aufmerksam, durch eine genaue Textierung ersichtlich zu machen, ob und inwieweit sich die Maßregel auch auf die aus öffentlichen Fonds besoldeten Lehrer erstrecke, worüber er sich vorbehalten müsse, eine bestimmte Meinung auszusprechen, wenn ihm ein genau textierter Antrag des Herrn Finanzministers vorliegen werde. Insofern endlich auch die bei den Staatstelegraphen Angestellten darunter begriffen sind, behielt sich der Handelsminister vor, deren Ausscheidung an der Teilnahme der hier vorgeschlagenen Begünstigung einzuleiten, sobald der in Verhandlung stehende Antrag das Einkommen derselben durch den Bezug von Tantiemen des Telegraphenerträgnisses zu verbessern, in Wirksamkeit getreten sein wird. Eine andere wesentliche Erleichterung könnte den Beamten nach dem Erachten des Handelsministers durch eine angemessene Modifikation des Übersiedlungsnormales verschafft werden. Nichts wirkt so zerrüttend auf die Vermögensverhältnisse des minderen Beamten, als die Strenge dieses Normals, wornach bei einer Übersetzung, wenn damit eine noch so geringfügige Gehaltserhöhung verbunden ist, eine Vergütung der Übersiedlungskosten nicht stattfindet. Und gerade jetzt sind infolge der neuen Organisierung derlei Übersetzungen so häufig geworden. Nach der Versicherung des Ministers des Inneren ist hierwegen eine Verhandlung bereits anhängig; die Konferenz vereinigte sich daher unter Zustimmung des Finanzministers in dem Antrage, ein Komitee aus Abgeordneten der einschlägigen Ministerien niederzusetzen, welches diese Angelegenheit zu beraten und entsprechende Vorschläge auszuarbeiten hätte.
Schließlich behielt sich der Finanzminister vor, zur Ausgleichung des Mißverhältnisses der Quartiergelder der Beamten in Wien, von denen die Buchhaltungsbeamten günstiger gestellt sind als andere, das Erforderliche einzuleiten9.
VII. Erläuterung des Patents vom 2. Juni 1848 (Notenzwangskurs)
Mit Beziehung auf die bereits in der Konferenz vom 20. März 1855 sub I (MCZ. 817) verhandelte, damals jedoch vertagte Erläuterung des Ah. Patents vom || S. 199 PDF || 2. Juni 1848 10, den Zwangskurs der Banknoten betreffend, brachte der Justizminister aus Anlaß neuerlich vorgekommener Anfragen über die durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zweifelhaft gewordene Auslegung des gedachten Patents den Gegenstand abermals zum Vortrage. Er hat sich hierwegen vorläufig mit dem Finanzminister in das Einvernehmen gesetzt und beide Minister haben sich in der Ansicht geeinigt, daß es mit Rücksicht auf die jüngst ins Leben getretenen finanziellen Maßregeln und Einrichtungen zwar zulässig erscheine, nunmehr bei in inländischer Silbermünze zu gebenden Darleihen sich die Verzinsung und Rückzahlung in Silber zu bedingen11, daß es aber rücksichtlich aller anderen Zahlungen, so lange das Patent vom 2. Juni 1848 nicht außer Kraft gesetzt wird, bei dem Wortlaute desselben zu verbleiben habe.
Es ward demnach vom Justizminister einstimmig mit dem Finanzminister beantragt, Sr. Majestät vorzuschlagen, eine Vorschrift des Inhalts zu erlassen, daß 1. alle Darleihen, welche vom Tage der Kundmachung dieser Vorschrift in klingender Münze gegeben werden, vom Schuldner in der gleichen Münzsorte verzinst und zurückgezahlt werden sollen, daß dagegen 2. bei allen andern Zahlungen, sie mögen aus Verträgen vor oder nach dem Patente vom 2. Juni 1848 herrühren, so lange dasselbe nicht außer Kraft gesetzt wird, nach dem Wortlaute desselben die Banknoten ihrem vollen Nennwerte nach angenommen werden müssen, wenn nicht die Zahlung in Gold- oder ausländischen Silbermünzen ausdrücklich bedungen worden ist. Mit diesem Antrage war der Handelsminister durchgängig einverstanden. Die Minister des Inneren und für Kultus und Unterricht stimmten dagegen nur dem ersten Teile des Verordnungsentwurfes bei.
Was den zweiten Teil desselben betrifft, so hielten sie die diesfällige Erläuterung nicht für notwendig und zeitgemäß. Unter Beziehung auf ihre Abstimmung vom 20. März 1855 sub I (MCZ. 817) beschränkten sie sich darauf zu bemerken, daß, nachdem man sieben Jahre lang die Entscheidung der Privatrechtsfälle der fraglichen Art als in der Kompetenz der Gerichtsbehörden liegend anerkannt hat, es jetzt, in dem Moment, wo der Übergang zur gänzlichen Aufhebung des Zwangskurses vorbereitet und durch den ersten Teil der angetragenen Verordnung gewissermaßen eingeleitet wird, gewiß nicht angemessen wäre, eine rückschreitende Erläuterung hinauszugeben, die nicht verfehlen würde, auf die allgemeine Stimmung sowohl als auf die privatrechtlichen Verhältnisse eine störende Einwirkung zu machen. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, welche zu dem vorliegenden Antrage Anlaß gegeben hat, sprach dem Gläubiger, der ein Darleihen in Silber gegeben und sich die Rückzahlung in der gleichen Sorte mit Ausschluß allen Papiergelds und Verzicht auf alle Einwendungen etc. bedungen hatte, die Rückzahlung in Silber zu – zu einer Zeit, wo die Staatsverwaltung selbst sich bei ihren Einnahmen und Zahlungen teilweise von der Verpflichtung des Zwangskurses entbunden hatte. Einer solchen Entscheidung durch die angetragene Erläuterung hemmend entgegenzutreten, wäre gegen die Tendenz aller zur || S. 200 PDF || Verbesserung der Valuta abzielenden Maßregeln. Mögen also die Gerichte bis zur völligen Realisierung der letzteren fortfahren, nach ihrer Ansicht und Kompetenz zu entscheiden. Einer Erläuterung bedürfen sie nicht mehr, und wäre eine solche notwendig, so würde der Kultusminister eher für eine im Sinne des Obersten Gerichtshofes als für die vorliegende stimmen.
Der Justizminister erinnerte dagegen, daß ihm die angetragene Erläuterung sub 2 sowohl zeitgemäß als notwendig erscheine. Seit dem Erscheinen des Patents vom 2. Juni 1848 haben nämlich die Gerichte bis zu Ende 1854 immer nach dem Wortlaute des Patents entschieden; erst das oberwähnte Urteil des Obersten Gerichtshofes, in welchem er auf Zahlung in Silber erkannte, haben sie in der Ansicht über die Auslegung des Patents irre gemacht und zu mehrfachen Anfragen veranlaßt. Diese Anfragen müssen entschieden und die Gerichte über den authentischen Sinn des Patentes belehrt werden, damit sie wissen, wie sie in vorkommenden Fällen zu entscheiden haben. Es liegt in der Verpflichtung des Justizministers, dafür zu sorgen, daß die Gesetze in ihrem wahren Sinne aufgefaßt und von den Gerichten angewendet werden. Nachdem nun, wie bereits in der Konferenz vom 20. März 1855 sub I auseinandergesetzt worden, die vom Obersten Gerichtshofe beliebte Auslegung des Patents weder dem Wortlaute noch der Absicht desselben entspricht, wornach bei allen Zahlungen, die nicht in Gold- oder ausländischen Silbermünzen bedungen worden sind, die Banknoten ihrem vollen Nennwerte nach angenommen werden müssen, so kann der Justizminister, solange das Patent nicht außer Kraft gesetzt ist, nicht anders als für dessen unbedingte Vollziehung und Anwendung stimmen, und muß, da Zweifel dagegen erhoben worden, auf die authentische Auslegung der Bestimmung desselben in dem von ihm aufgefaßten Sinne antragen12.
Wien, den 11. Dezember 1855.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 24. Dezember 1855.