Nr. 316 Ministerkonferenz, Wien, 17. November 1855 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 17. 11.), Bach, K. Krauß, Toggenburg, Bruck; abw.abwesend Thun.
MRZ. – KZ. 3695 –
- I. Patent über die Urbarialentschädigung in Siebenbürgen
- II. Refundierung der Staatsdotation für Wohltätigkeitsanstalten
- III. Pensionserhöhung für die Hofratswitwe Louise v. Ivacich
- IV. Gnadengabe für die Registratorswitwe Maria Kaltner
- V. Pensionserhöhung für Stephan v. Kapy
- VI. Forderung der Gemeinde Déés
- VII. Pensionsbehandlung für den Kreisprotokollisten Johann Donhoffer
- VIII. Urkunde über das Duca Melzische Majorat
- IX. Kompetenz des Handelsgerichts für Verlassenschaftsabhandlungen von Handelsleuten in Wien und Triest
- X. Strafbestimmungen zu den Fahrten auf der Mur
Protokoll II der zu Wien am 17. November 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Patent über die Urbarialentschädigung in Siebenbürgen
Der Minister des Inneren referierte den im Einvernehmen mit dem Justiz- und Finanzministerium redigierten Entwurf eines Ah. Patents über die Bestimmungen, nach welchen die Urbarialentschädigung im Großfürstentume Siebenbürgen1 zu leisten ist, dann wegen Aufhebung des Moratoriums. Nachdem diese Bestimmungen im wesentlichen mit jenen übereinstimmen, welche für Ungern Ah. genehmigt worden sind, und die beantragten Modifikationen durch die besondern Landesverhältnisse begründet werden2, so fand die Konferenz gegen den Patentsentwurf nichts zu erinnern3.
II. Refundierung der Staatsdotation für Wohltätigkeitsanstalten
Der Minister des Inneren referierte über die Meinungsdifferenz, welche zwischen ihm und dem Finanzminister laut des Vortrags vom 18. August 1855, KZ. 2938, MCZ. 2660, und der demselben beiliegenden nachträglichen schriftlichen Äußerungen beider Minister in Ansehung der Refundierung der Staatsdotationen für die Wohltätigkeits- und Impfanstalten von 1852 aus den Landesfonds in Steiermark, Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien und Bukowina besteht. Während der Finanzminister auf der Ansicht beharrte, daß die Staatsdotationen für jene Anstalten auch für das Vergangene nur vorschußweise gegeben worden seien, und die Ah. Entschließung vom 14. September 1852 sich hierüber nicht ausgesprochen habe4, glaubte der Minister des Inneren die gegenteilige Meinung vornehmlich mit der Rücksicht für die gleichmäßige Behandlung aller Kronländer und mit dem Vorgange im Jahre 1853 begründen zu können. Die übrigen Stimmführer traten der Meinung des Ministers des Inneren bei5.
III. Pensionserhöhung für die Hofratswitwe Louise v. Ivacich
In der Angelegenheit der Hofrats- und Kreishauptmannswitwe Louise v. Ivacich wegen Erhöhung ihrer Pension von den normalmäßigen 500 f. auf 600 f., wovon der Vortrag vom 29. Oktober 1855, KZ. 3799, MCZ. 3452, handelt, schloß sich die Mehrheit der Konferenz – gegen die Einsprache des Finanzministers – dem günstigeren, durch die Verdienste des verstorbenen Gatten der Bittstellerin motivierten Antrage des Ministers des Inneren auf Ag. Gewährung von 600 f. Pension an6.
IV. Gnadengabe für die Registratorswitwe Maria Kaltner
In betreff des Ausmaßes der für die Registratorswitwe Maria Kaltner angetragenen Gnadengabe, wovon der Vortrag vom 14. November 1855, KZ. 3987, MCZ. 3626, handelt, erachtete der Minister des Inneren, seinen Antrag auf Ag. Bewilligung von jährlich 100 fr. der Ah. Gnade Sr. Majestät empfehlen zu dürfen – wogegen die Majorität der Konferenz dem Antrage des Finanzministers auf nur 40 f. beistimmte, weil diese Witwe normalmäßig gar keinen Anspruch auf eine Beteilung aus dem Staatsschatze machen kann7.
V. Pensionserhöhung für Stephan v. Kapy
Nachdem der Minister des Inneren sich bei seinem Antrage vom 10. November 1855, KZ. 3954, MCZ. 3588, auf Erhöhung der Pension des Statthaltereirates Stephan v. Kapy von 1000 fr. auf 1500 fr. vornehmlich von politischen Rücksichten hat leiten lassen, so glaubte die Konferenz demselben – gegen die Einsprache des Finanzministers – beipflichten zu dürfen8.
VI. Forderung der Gemeinde Déés
Dem Einraten des Ministers des Inneren vom 30. Oktober 1855, KZ. 3796, MCZ. 3449, daß der Marktgemeinde Déés der Rest von 1000 f. an der ihr aus der || S. 179 PDF || Kriegssteuer vom Militär- und Zivilgouverneur Baron Wohlgemuth zum Brückenbau geschenkten Summe von 7000 f., wovon nur 6000 f. angewiesen worden waren, nachträglich ausgefolgt werde, pflichteten die mehreren Stimmen der Konferenz – gegen die vom Finanzminister festgehaltene gegenteilige Meinung – aus den im Vortrage dargestellten politischen und Billigkeitsrücksichten bei9.
VII. Pensionsbehandlung für den Kreisprotokollisten Johann Donhoffer
Die Differenz, welche zwischen dem Minister des Inneren, zeuge seines Vortrags vom 22. Oktober 1855, KZ. 3684, MCZ. 3345, und dem Finanzminister in Ansehung der Pensionbehandlung des Kreisprotokollisten Johann Donhoffer obwaltet, behob sich durch den Beitritt des Ministers des Inneren zu dem Antrage des Finanzministers, welcher die Notwendigkeit hervorhob, bei allen Fällen, wo Dienstesunterbrechungen eintreten, der so häufigen Exemplifikationen wegen mit mehr Strenge vorzugehen.
VIII. Urkunde über das Duca Melzische Majorat
Der Justizminister gab über die zwischen dem Minister des Inneren und dem Finanzminister laut des Vortrags vom 15. Oktober 1855, KZ. 3605, MCZ. 3281, bestehende Meinungsverschiedenheit in betreff der Textierung des Majoratsinstrumentes für die Familie Melzi d’Eril sein Rechtsgutachten dahin ab, daß er, dem Minister des Inneren beitretend, die vom Finanzminister bzw. von der Allgemeinen Hofkammer beantragten Zusätze für nicht gerechtfertigt halte, weil selbe gegen die ausdrückliche Bestimmung der Ah. Entschließung vom 25. Juli (7684/6122/182910) wären, wornach „lediglich das von Napoleon ausgefertigte Instrument mit dem Beisatze zu bestätigen ist, daß der jeweilige Majoratsbesitzer statt des Titels Duca di Lodi den Titel Duca Melzi zu führen habe“. Was insbesondere die vom Finanzministerium beanständete Klausel in dem Entwurfe des Instruments: „escluso il trapasso del Maggiorasco negli adottivi (amenoché in conformità del codice vigente non sia loro concesso con Sovrano Decreto)“ betrifft, statt deren das Finanzministerium die unbedingte Ausschließung der Adoptivsöhne für alle Zeiten aufgenommen wissen will, so erscheint die obige Klausel einerseits durch den Umstand begründet, daß nach dem Napoleonschen Instrument der Übergang des Majorats auf den Adoptivsohn zulässig war, andererseits aber den Bestimmungen des ABGB. entsprechend, wornach seine Übertragung der Standesvorrechte des Adoptivvaters auf den -sohn nur mit besonderer Bewilligung des Ah. Landesfürsten stattfindet11. Die Aufnahme der vom Finanzministerium beantragten unbedingten Ausschließung der Adoptivsöhne aber würde den ferneren beliebigen Bestimmungen Sr. Majestät und Allerhöchstihren Nachfolgern in dieser Sache vorgreifen.
Der Finanzminister erklärte jedoch, auf den von ihm beantragten Zusätzen zur Wahrung des Heimfallsrechtes der Krone bestehen zu müssen. Die von ihm vorgeschlagene Klausel wegen der Adoptivsöhne hindert Se. Majestät nicht, ausnahmsweise || S. 180 PDF || durch einen Gnadenakt den Übergang des Majorats auf einen Adoptivsohn zu bewilligen, wogegen die von den Ministern des Inneren und der Justiz vertretene Fassung geradezu eine Aufforderung enthielte, beim Erlöschen der sukzessionsfähigen Deszendenz diese Ah. Gnade des Landesfürsten in Anspruch zu nehmen. Der Handelsminister und der tg. gefertigte Minister des Äußern schlossen sich der Meinung der Minister des Inneren und der Justiz an12.
2. Da einerseits die von den italienischen Gesetzen vorgeschriebenen Formen nicht mehr anwendbar sind, und andererseits die Jurisdiktionsnorm für Mein lombardisch-venezianisches Königreich vom 20. November 1852, § 85, den Nachfolger in ein aus Staatsgütern errichtetes Maggiorasco verpflichtet, die Einantwortung des Vermögens bei dem Landesgerichte in Mailand anzusuchen, so ist näher zu erheben, wie man sich in solchen Fällen rücksichtlich des dem Nachfolger zu erteilenden Diplomes benimmt, und Mir mit den etwa notwendig werdenden Anträgen anzuzeigen.
3. Anlangend die Eidesformel, so genehmige Ich die von Ihnen angedeuteten Modifikationen. Wo aber der Eid zu leisten und wie dem Nachfolger dessen Leistung ermöglicht werden soll, behalte Ich Mir vor, nach den gepflogenen, Mir mit Ihren Anträgen zur Schlußfassung zu unterziehenden Erhebungen die Bestimmung zu treffen.
4. Bei dem Umstande, daß das Katasterinstitut im lombardisch-venezianischen Königreiche bereits geregelt ist, haben Sie die von der bestandenen Vereinigten Hofkanzlei in Ihrem Vortrage vom 24. März 1831 angedeuteten Verfügungen wegen der Anmerkung des Maggiorasco in den Steuerbüchern einzuleiten.“
IX. Kompetenz des Handelsgerichts für Verlassenschaftsabhandlungen von Handelsleuten in Wien und Triest
Der Justizminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß er mehrseitig ausgesprochenem Verlangen gemäß Sr. Majestät den Antrag unterbreiten werde, die Verlassenschaftsabhandlungen nach protokollierten Handelsleuten in Wien und Triest der Kompetenz der dortigen Handelsgerichte zuzuweisen, wogegen nichts erinnert wurde13.
X. Strafbestimmungen zu den Fahrten auf der Mur
In der laut Vortrag vom 16. Oktober 1855, KZ. 3740, MCZ. 3395, zwischen den Ministern des Handels und des Inneren einer-, dann dem Justizminister andererseits streitigen Frage, ob die Befugnis zur Festsetzung von Strafen auf Übertretungen der dort beantragten Vorschrift über die Floß- und Plattenfahrt auf der Mur in der den politischen Behörden überhaupt zustehenden durch die Ah. Verordnung vom 20. April 1854 bestimmten Strafgewalt14 begründet erscheine, oder ob die || S. 181 PDF || diesfälligen Strafbestimmungen einer besonderen Ah. Sanktion bedürfen, haben sich die mehreren Stimmen – gegen die fortan festgehaltene Meinung des Justizministers – der Ansicht des Handelsministers angeschlossen15.
Wien, den 17. November 1855. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 3. Dezember 1855