Nr. 300 Ministerkonferenz, Wien, 17. Juli 1855 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 18. 7.), Bach (19. 7.), Toggenburg (19. 7.), Bruck; abw.abwesend Thun, K. Krauß.
MRZ. – KZ. 2335 –
Protokoll I der zu Wien am 17. Julius 1855 abgehaltenen Konferenz unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.
I. Pferdeverkauf in Ungarn und Siebenbürgen für die großbritannische Regierung
Als Gegenstand der Beratung geruhten Se. k. k. apost. Majestät die Frage zu bezeichnen, ob und inwiefern dem Wunsche der königlich-großbritannischen Regierung, in Ungarn und Siebenbürgen Pferde für den Militärdienst durch englische Offiziere anzukaufen, nachzugeben sei. Wolle man diesem Ansinnen gar keine Folge geben, so könne dies nicht wohl anders als durch Erlassung eines allgemeinen Pferdeausfuhrverbotes geschehen – wolle man aber darauf eingehen, so erscheine es angezeigt, mindestens die Modalität des Einkaufes unmittelbar durch englische Offiziere zu beseitigen.
Nachdem Se. Majestät die Minister zur Abgabe ihrer Meinungen hierüber aufzufordern geruht hatten, äußerte Minister Graf Buol , es würden englischerseits zwei Petita gestellt: 1. die Gestattung des Pferdeeinkaufs in Österreich und 2. die Unterstützung von Seite der k. k. Behörden bei diesem Geschäfte. Vom Standpunkte der äußeren Politik betrachtet, erscheine es ihm wünschenswert, daß diesem Ansinnen nach Tunlichkeit entsprochen werde. Die Stellung Österreichs zu den Westmächten sei in der neuesten Zeit eine minder angenehme geworden1. Die Ablehnung des an die österreichische Regierung gestellten Ansuchens werde || S. 118 PDF || unsern Gegnern Stoff zu neuen Anschuldigungen und der Kriegspartei in England neue Agitationsmittel gewähren. Dagegen würde das Eingehen auf den geäußerten Wunsch, wenn auch unter gewissen Beschränkungen und Vorsichten, in politischer Beziehung gewiß von Nutzen sein.
Der Handelsminister erblickte in den Bestimmungen des Zollvereinsvertrages, und bei der Haltung, die Preußen in Absicht auf die Ausfuhrverbote angenommen hat, kein wesentliches Hindernis gegen die Erlassung eines allgemeinen Pferdeausfuhrverbotes; andererseits aber schiene ihm in volkswirtschaftlicher Beziehung die fortdauernde Gestattung der Pferdeausfuhr nicht bedenklich, wobei Minister Graf Buol noch bemerkte, daß man in England die Pferdeausfuhr selbst als einen wirksamen Hebel zur Förderung der Pferdezucht betrachte.
Se. k. k. apost. Majestät geruhten hiebei zu erinnern, dieser Satz gelte nur unter normalen Verhältnissen. In Österreich aber sei durch die seit dem Jahre 1848 eingetretenen abnormen Verhältnisse die Zahl der guten Dienstpferde sehr gelichtet und der Nachwuchs geschmälert worden, so daß man zur Deckung des Bedarfs der Armee auch auf alte und minder taugliche Pferde habe greifen müssen. Der Ankauf einer großen Quantität guter Pferde um hohe Preise für das Ausland werde den Vorrat derselben noch weiter schwächen und die Preise zum Nachteil des Militärärars hinauftreiben.
Nachdem der Finanzminister angedeutet hatte, daß man die ausrangierten Kavalleriepferde aauf gewisse Punkte konzentrieren und durch die Vermittlung von Pferdehändlerna ohne Nachteil an England künftig überlassen könnte, äußerte der Minister des Inneren , er glaube nicht, daß man jetzt zu einem Pferdeausfuhrverbot schreiten sollte, nachdem man diese Maßregel bisher während der Dauer des Krieges nicht für notwendig befunden habe. Die Zahl der Pferde, welche England in Ungarn und Siebenbürgen anzukaufen beabsichtigt, sei relativ wohl nicht sehr bedeutend – man habe nur von 1.000 bis 1.500 Stück gesprochen. Man könnte daher in der an die großbritannische Regierung zu richtenden Erwiderung gleich anfangs bemerken, daß der dermalige Pferdestand in Österreich nur eine beschränkte Ausfuhr von Pferden ins Ausland gestatte.
Schließlich geruhten Se. Majestät die Ah. Willensmeinung dahin auszusprechen, daß der englischen Regierung erklärt werde, es stehe ihr frei, in den österreichischen Staaten Pferdeeinkäufe durch Pferdehändler im gewöhnlichen Wege und zwar in einem nicht zu ausgedehnten Maßstabe vorzunehmen. Der Umfang dieser Pferdeeinkäufe werde gehörig zu überwachen sein und durch die bedungene Intervenierung von Pferdehändlern werde verhindert, daß englische Offiziere als solche in erster Linie den Pferdeeigentümern gegenüber als Käufer einschreiten2.
Wien, am 18. Julius 1855. Gr[af] Buol.
A[h]. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Laxenburg, 21. Juli 1855.