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Nr. 273 Ministerkonferenz, Wien, 6. Februar 1855 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 6. 2.), Bach, Thun, K. Krauß, abw. Baumgartner (er war allerdings seit 14. 1. 1855 seiner Funktion als Finanzminister enthoben).

MRZ. – KZ. 505 –

Protokoll der zu Wien am 6. Hornung 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Repressalien wegen des preußischen Pferdeausfuhrverbots

Der vorsitzende Minister des Äußern brachte zur Kenntnis der Konferenz eine Anfrage des Armeeoberkommandos, ob nicht aus Anlaß des jüngst von der preußischen Regierung erlassenen Pferdeausfuhrverbotes von Seite der k. k. Regierung Repressalien zu ergreifen wären.

Insofern nicht etwa militärische Rücksichten für den eigenen Armeebedarf eine solche Maßnahme nötig machen sollten, würde der Minister des Äußern von seinem Standpunkte den Vorschlag zu einer Repressalie nicht befürworten, weil solche unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf die ganze politische Stellung beider Regierungen gegeneinander bezogen werden und zu neuen Verwicklungen Anlaß geben dürfte. Da auch der Minister des Inneren vom nationalökonomischen Standpunkte aus eine derlei Maßregel mit dem Bemerken widerriet, daß ihr selbst von militärischer Seite kein Gewicht beigelegt zu werden scheint, nachdem – seines Wissens – der Bedarf von Pferden für die k. k. Armee gedeckt ist, so gedenkt der Minister des Äußern – unter Zustimmung der Konferenz – dem Armeeoberkommando zu antworten, daß man vorderhand hierwegen nichts zu veranlassen fände, jedoch der Eröffnung entgegen sehe, ob und welche militärischen Rücksichten etwa das Gegenteil als notwendig oder rätlich erscheinen lassen1.

II. Quarantänemaßregel für die Donaufürstentümer

Aus Anlaß einer Beschwerde des FZM. Freiherrn v. Hess über die Übelstände, welche aus der Kontumazbehandlung der aus den Fürstentümern an ihn gelangenden Depeschen und Pläne (von denen einige infolge der Durchlöcherung und Räucherung || S. 39 PDF || unbrauchbar geworden) sich ergeben2, gedenkt der Minister des Inneren zu verfügen, daß solche Übelstände beseitigt werden. Zugleich hält er es für wünschenswert, wenn in der Folge zwischen der k. k. Regierung und den Regierungen der Fürstentümer Moldau, Walachei und Serbien eine Verhandlung wegen Vereinigung der beiderseitigen Quarantäneanstalten, wodurch, gegen Mitwirkung und Beitragsleistung zu den fürstlichen, die österreichischen ganz erspart und dem Verkehr die wesentlichsten Vorteile zugewendet werden könnten, eine Verhandlung eingeleitet würde. Zu diesem Behufe erbat er sich die sofort auch erteilte Zustimmung und Mitwirkung des Ministers des Äußern, damit ein k. k. Kontumazarzt in die Fürstentümer abgeordert werde, um die Einrichtung der dortigen Quarantäneanstalten kennenzulernen und hierüber zu berichten3.

III. Erläuterung der §§ 104 und 107 des ABGB. (Zivilehen) für das Gebiet des ehemaligen Freistaates Krakau

Der Justizminister nahm seinen Vortrag (Sitzung vom 3. d. M. sub VI4) wegen Erlassung einer kaiserlichen Verordnung in betreff einer Supplierung der Bestimmungen der §§ 104 und 107 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Gebiete des ehemaligen Freistaates Krakau wieder auf.

In diesem Freistaate konnten, vermöge der Geltung des Code Napoléon, Ehen als Zivilakte ohne kirchliche Einsegnung geschlossen werden. Mit dem kaiserlichen Patente vom 23. März 1852 wurden die dort bisher nach jenem Gesetze geschlossenen Ehen zwar für gültig erklärt, jedoch für die Zukunft die bisherigen Gesetze in Ehesachen außer Wirksamkeit gesetzt und das Eherecht nach dem österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuch eingeführt und im Art. III. ausdrücklich angeordnet, daß vorkommende Ehetrennungen und Scheidungen von Tisch und Bett nur nach dem ABGB. behandelt werden sollen5. Dieses verordnet nun, §§ 104 und 107, daß der gerichtlichen Verhandlung über eine Scheidung von Tisch und Bett die dreimalige Ermahnung des Pfarrers vorgehen muß, worin er die Eheleute an ihr bei der Trauung gemachtes Versprechen erinnern und ihnen die nachteilgen Folgen der Scheidung nachdrücklich ans Herz legen soll. Bleibt die dreimalige Ermahnung fruchtlos, so hat der Pfarrer den Parteien ein Zeugnis darüber auszustellen, mit welchem sie dann die gerichtliche Verhandlung beginnen.

Es hat sich nun der Fall ergeben, daß ein katholisches nach Vorschrift des Code vereinigtes Ehepaar die Scheidung verlangte. Es wurde zur Erfüllung der Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs an den Pfarrer gewiesen. Dieser weigerte sich, die vorgeschriebenen Ermahnungen zu erteilen, weil die Ehe nicht kirchlich eingesegnet || S. 40 PDF || war, und das Ordinariat erkannte die Weigerung für begründet. Um die Vollziehung dieser für die Erhaltung der Ehen wichtigen Vorschrift zu sichern, glaubte der Justizminister, die Vorschrift beantragen zu sollen, daß in solchen Fällen die dreimalige Ermahnung von dem Vorsteher des betreffenden Gerichts zu erteilen sei. Denn nachdem die Regierung die nach dem früheren Gesetze geschlossenen Ehen für giltig anerkannt hat, so muß ihr im Interesse der Sittlichkeit und der Familienbande ebenso wie bei kirchlich geschlossenen Ehen daran gelegen sein, die eheliche Gemeinschaft und Eintracht zu erhalten und leichtsinnige Scheidungen hintanzuhalten. Dies zu bewirken ist der Zweck der §§ 104 und 107. Kann der Pfarrer zur Erfüllung desselben nicht verhalten werden, so erübrigt nichts, als ein anderes Organ zu diesem Zwecke von Seite der Regierung zu bestimmen, wenn anders der ausdrücklichen Bestimmung des Patents, alle Ehescheidungen nach Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verhandeln, vollständig entsprochen werden soll. Der Vorsteher des Gerichts, bei welchem die Scheidung anhängig gemacht wird, erschien dem Justizminister als das geeigneteste Organ dazu.

Die übrigen Stimmführer erklärten sich jedoch gegen die angetragene Vorschrift, weil die Intervention des Seelsorgers bei Scheidungen auf der Voraussetzung beruht, daß derselbe auch bei der Eingehung der Ehe intervenierte, welche Voraussetzung hier nicht eintritt; weil es ferner – wie der Minister des Inneren bemerkte – der Stellung und Bestimmung des Richters nicht entsprechen dürfte, die Funktion eines Gewissensrates der Parteien zu übernehmen, und weil, wie der Kultusminister hinzusetzte, jede Neuerung im Eherechte gegenwärtig, wo dessen gänzliche Änderung im Wege der Konkordatsverhandlung in hoffentlich naher Aussicht steht, nicht angezeigt erscheint6; weil endlich, wie der vorsitzende Minister des Äußern beifügte, abgesehen von der wahrscheinlich sehr geringen Wirkung einer gerichtlichen Ermahnung der zur Scheidung bereits entschlossenen Eheleute, die Weigerung des Pfarrers der Erfolglosigkeit der Ermahnung gleichzuachten und somit das Gesetz für befriedigt anzusehen sein dürfte. Nach dem Erachten der Majorität wäre daher bezüglich dieser – ohnehin nur selten mehr vorkommenden – Fälle die Erläuterung dahin zu erteilen, daß von der Erfüllung der Vorschrift der §§ 104 und 107 Umgang genommen werde7.

A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 5. März 1855.