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Nr. 209 Ministerkonferenz, Wien, 28. März 1854 — Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 30. 3.), Thun, K. Kranß, Baumgartner; abw. Bach.

MRZ. – KZ. 1239 1/2 –

Protokoll der am 28. März 1854 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Kosten des Piestinger Kirchenbaus

Der Minister des Kultus und des Unterrichtes Graf v. Thun referierte behufs der Zustimmung des Finanzministers eine Meinungsdifferenz zwischen seinem und dem Finanzministerium über folgenden Gegenstand: Die Kirche in Piesting bei Wiener Neustadt ist nämlich eingestürzt und muß von Grund aus neu gebaut werden.

Der Patron dieser Kirche ist der Religionsfonds. Die Gemeinde Piesting hat sich bezüglich des Baus dieser Kirche zu Beiträgen herbeigelassen, die ihr nicht hätten auferlegt werden können. Der auf den Religionsfonds als Patron der erwähnten Kirche entfallende Baukostenbetrag wurde mit 27.900 fr. ausgemittelt. Das Kultusministerium hat im verflossenen Jahre während der Urlaubsabwesenheit des Ministers den Bau nach vorläufig gepflogenen Verhandlungen darüber genehmigt und den Baukostenbetrag des Religionsfonds auf drei Jahre eingeteilt. Von Seite der Finanzbehörden ist gegen diese Baubewilligung Einsprache erhoben worden, wobei vorzüglich folgende zwei Punkte hervorgehoben wurden: a) daß auch die früheren Grundbesitzer zu Beiträgen für diesen Kirchenbau verhalten werden sollten und b) daß die Bausumme (27.900 fr.) den Wirkungskreis des Ministeriums übersteigt und zur Bewilligung derselben die Ah. Genehmigung Sr. Majestät hätte eingeholt werden sollen.

Der Minister Graf Thun bemerkt darüber: ad a) daß in einigen Gegenden die aehemaligen Grundherrschaftsbesitzera allerdings Beiträge zu Kirchen- etc. Baulichkeiten zu leisten haben, daß es aber auch Gegenden gebe, wo sie von solchen Beiträgen frei sind1. Zu solchen Gegenden gehöre auch die Umgebung von Piesting, und es könne da von den Grundbesitzern kein Beitrag in Anspruch || S. 197 PDF || genommen werden; ad b) sei das Ministerium von der Ansicht ausgegangen, daß es in administrativer Beziehung auch einen 25.000 fr. übersteigenden Betrag bewilligen könne, zumal wenn die Bausumme auf mehrere Jahre eingeteilt wird. Der Finanzminister bemerkte: ad a) daß er unter der Voraussetzung, die zur Kirche Piesting eingepfarrten Grundherrschaftsbesitzer gehören zu solchen, die von Beiträgen zu Kirchenbauten usw. befreit sind, gegen ihre Freilassung von Beiträgen zu dem gedachten Kirchenbau nun nichts mehr zu erinnern fände, dagegen müsse er aber ad b) bei der Ansicht des Finanzministeriums verharren, daß das Kultusministerium ohne Ah. Genehmigung zur Bewilligung einer Bausumme im ganzen von 27.900 fr. (wenn diese Summe auch in mehrere Jahre eingeteilt wird) nicht ermächtigt war.

Der Kultusminister wird demnach nachträglich um die Ah. Bewilligung zur Verausgabung des erwähnten Betrages von 27.900 fr. au. einschreiten und sich hierbei auf die erfolgte Zustimmung des Finanzministers in merito berufen2.

II. Systemisierung der Gymnasien zu Essek und Warasdin

Der Minister Graf Thun brachte hierauf noch die Regulierung beziehungsweise Systemisierung der Gymnasien zu Essek in Slawonien und Warasdin in Kroatien rücksichtlich der Meinungsverschiedenheit mit dem Finanzministerium über das Gymnasium zu Warasdin (über das Gymnasium zu Essek ergaben sich keine abweichenden Ansichten) zum Vortrage.

Da der Finanzminister über die Darstellung des Ministers Grafen Thun bezüglich der notwendigen Systemisierung auch des Gymnasiums zu Warasdin von seiner früheren Ansicht, daß die Errichtung eines Obergymnasiums zu Warasdin wegen der in nicht zu großer Entfernung davon befindlichen Gymnasien in Marburg und Cilli entbehrlich sein dürfte, abgegangen ist, so hat sich auch bezüglich des Gymnasiums zu Warasdin die bestandene Meinungsdifferenz behoben, und Graf Thun überreicht nun seine beiden diesfälligen au. Vorträge vom 6. und 7. Oktober 1852, welche er damals wegen der im Zuge begriffenen Organisierung des Gymnasialwesens einstweilen liegen ließ, zur Ah. Schlußfassung3.

III. Bezüge der Missionschefs und des Gesandtschaftspersonals während der Beurlaubung des Missionschefs

Der Vorsitzende Minister der auswärtigen Angelegenheiten bemerkte, er habe unterm 27. Jänner 1854 einen au. Vortrag wegen Festsetzung der Bezüge der Missionschefs bund des ihnen unterstehenden Personalesb während der Beurlaubung der ersteren erstattet4.

|| S. 198 PDF || Nach der bisherigen Einrichtung behalten die Missionschefs, wenn sie sich auf Urlaub begeben, ihre vollen Bezüge, wogegen sie ihren Stellvertretern die Geschäftsträgerszulage und dem übrigen Gesandtschaftspersonale die Emolumentenentschädigung zu leisten haben. In der Absicht, um allenfälligen ungebührlichen Urlaubsüberschreitungen der Gesandten heilsame Schranken zu setzen, ferner um den bei solchen Gelegenheiten häufig vorkommenden Kollisionen mit dem untergeordneten Gesandtschaftspersonale vorzubeugen, und auch aus finanziellen Rücksichten, nämlich Ersparungen für das Ärar, stellte der vortragende Minister bei Sr. Majestät den au. Antrag, daß während der Beurlaubung eines Missionschefs die oberwähnten Leistungen von dem Ärar übernommen, den auf Urlaub gehenden Gesandten hingegen ein Teil ihrer Funktionszulage eingezogen werde. Dieser Abzug hätte sich, wenn der Urlaub nicht über drei Monate dauert, auf die den Gesandten zur Deckung obliegenden Geschäftsträgerszulage und sonstigen Emolumentenentschädigungen zu beschränken. Bei längerer Dauer des Urlaubs hätte ein größerer Abzug an den Funktionsgehältern stattzufinden, und zwar bei Gesandten, deren Funktionszulage den Betrag von 25.000 f. übersteigt, für den bezüglichen Zeitraum zwei Dritteile und bei Gesandten, deren Funktionszulage obigen Betrag nicht erreicht, die Hälfte der Funktionszulage. Das über diese Anträge von Sr. Majestät vernommene Finanzministerium sprach sich im allgemeinen dahin aus, daß die vorgeschlagene Maßregel dem Prinzipe nach im Interesse des Ah. Dienstes und des Ärars aufgefaßt erscheine und namentlich bei den großen Missionen, wenn der Urlaub länger als drei Monate dauert, der Monatsabzug am Gehalte sich größer herausstellt als die monatlichen Vergütungen. Dagegen deutete aber auch das Finanzministerium auf einige Fälle hin, wo die unbedingtec Gutheißung des Vorschlages zu finanziellen Opfern führen würde, und stellte demgemäß seine auf Wahrung des finanziellen Interesses berechneten modifizierenden Anträge. Se. Majestät geruhten mit Ah. Kabinettsschreiben vom 21. März 1854 den diesfälligen, vom Finanzminister erstatteten au. Vortrag an den tg. Gefertigten zu dem Zwecke herabgelangen zu lassen, daß dieser Gegenstand bei der Ministerkonferenz in Beratung gezogen und Allerhöchstdenselben wieder gutächtlich vorgelegt werde. Diese Beratung und dieses Gutachten ist, dem beigefügten Ah. Befehler zufolge, auf die Frage auszudehnen, ob nicht festzusetzen sei, daß zwischen einem aus persönlichen Rücksichten und einem aus dienstlichen Rücksichten bewilligten Urlaube eines Missionsschefs unterschieden werden müsse5.

Wurde der Urlaub aus persönlichen Rücksichten bewilligt, so hätten, wenn derselbe von einem Standorte in Europa drei oder von einem außereuropäischen Standorte sechs Monate nicht überschreitet, die von dem referierenden Minister vorgeschlagenen Abzüge von der Funktionszulage des Beurlaubten stattzufinden; während, wenn dieser Urlaub von einem Standorte in Europa drei|| S. 199 PDF || oder von einem außereuropäischen Standorte sechs Monate überschreitet, die Funktionsgebühr des Beurlaubten gänzlich einzustellen wäre. Wurde hingegen der Urlaub aus dienstlichen Rücksichten bewilligt, so hätten die weiteren Bestimmungen über das Maß der Abzüge von der Funktionsgebühr des Beurlaubten von Fall zu Fall zu erfolgen. Die Ausfolgung der Geschäftsträgerszulage und der Emolumentenentschädigung an das Gesandtschaftspersonale wäre übrigens jedenfalls, und zwar mit den vorgeschlagenen Beiträgen, auf den Staatsschatz zu übernehmen.

Nachdem der vorsitzende Minister des Äußern diesen Gegenstand vorgetragen und auseinander­gesetzt hatte, erlaubte er sich, was vor allem den in dem Ah. Kabinettsschreiben in Beratung zu nehmenden Unterschied zwischen einem aus persönlichen und einem aus dienstlichen Rücksichten bewilligten Urlaube betrifft, zu bemerken, daß er in seinem au. Vortrage vom 27. Jänner d. J. nur die aus persönlichen Rücksichten stattfindenden, keineswegs die unfreiwilligen, etwa aus Staatsrücksichten anbefohlenen Urlaube im Auge hatte, indem diese letzteren keine eigentlichen Beurlaubungen sind, sondern mehr die Natur von Einberufungen haben, bei welchen allerdings von Fall zu Fall eine besondere Bestimmung angezeigt sein dürfte, wenn es der Wille Sr. Majestät sein sollte, daß in diesen Fällen andere Abzüge stattzufinden haben als die oben angezeigten. Die Bestimmung, daß bei Urlauben von einem außereuropäischen Standorte der Termin auf sechs Monate zu erstrecken wäre, erkennt der vortragende Minister als eine dankenswerte und wesentliche Verbesserung seines ursprünglichen Antrages; was aber die Ah. angedeutete Modalität anbelangt, die Funktionszulage nach Ablauf von drei und beziehungsweise sechs Monaten gänzlich einzustellen, erlaubt er sich vorzustellen, daß dieser Abzug die Gesandten gar zu hart treffen würde, indem sie in dem Falle sind, auch während ihres Urlaubes ihren Hausstand zu unterhalten und die gewöhnlich sehr kostspieligen Wohnungen fortzubehalten, somit namhafte Auslagen zu bestreiten. Aus eben dieser Rücksicht habe der vortragende Minister nur einen teilweisen Abzug von zwei Drittel oder der Hälfte der Funktionszulage für den eventuellen Fall in Vorschlag gebracht, bei welchem Antrage er auch gegenwärtig verharren zu sollen erachtet.

Bezüglich der Besorgnis des Finanzministers, daß das Ärar bei unbedingter Genehmigung des obigen Vorschlages zu Schaden kommen könnte, entgegnete der vortragende Minister, daß diese Besorgnis nicht begründet sei. Denn da bei allen Missionen, größeren und kleineren, als Regel festgesetzt werden will, daß die Gesandten während der drei ersten Monate den zur Deckung der Geschäftsträgerszulage und der sonstigen Emolumentenentschädigung erforderlichen Abzug von ihren Funktionszulagen zu tragen haben, so verstehe es sich wohl von selbst, daß dort, wo das Gesandtschaftspersonale aus mehreren Beamten besteht, die Gesandten sich einen größeren Abzug werden gefallen lassen müssen als dort, wo nur ein Beamter ist. Diese Fälle dürften indessen in der Praxis kaum vorkommen, weil bei den kleineren Missionen mit weniger als 12.000 f. Funktionszulage überall höchstens nur ein Beamter zugeteilt ist, folglich die vom Finanzministerium berührten Fälle sich gar nicht ergeben können. Nach erfolgter Ah. Schlußfassung über diesen Gegenstand würde übrigens der vortragende Minister des Äußern bedacht sein, daß das Formelle der Ausführung und die Evidenzhaltung der Maßregeln || S. 200 PDF || im Einvernehmen mit dem Finanzministerium und der Kontrollbehörde sichergestellt werden.

Der Finanzminister und die übrigen Stimmführer der Konferenz erklärten sich mit den vorstehenden Anträgen durchaus einverstanden6.

IV. Vereinigung der Staatsanwaltschaften mit den Finanzprokuraturen

Der Justizminister Freiherr v. Krauß bemerkte, daß bei der Organisierung der Gerichte unter anderen auch die Idee in Anregung gekommen sei, ob nicht die Staatsanwaltschaften mit den Finanzprokuratoren zu verbinden wären, dund daß Se. Majestät die Erstattung eines au. Vortrags über diese Angelegenheit anzuordnen geruht habend .

Seine an das Finanzministerium darüber geäußerte Ansicht ging dahin, daß diese Idee in der Praxis nicht wohl ausführbar sei, weil die Staatsanwaltschaften und die Finanzprokuraturen ganz verschiedenen Beruf und eine diesem Berufe entsprechende ganz verschiedene Beschäftigung haben, und daß auch keine Ersparung durch diese Vereinigung erzielt werden könnte. Das Finanzministerium erklärte sich in der Rückäußerung mit der von dem Justizminister behaupteten Unzulässigkeit der erwähnten Vereinigung vollkommen einverstanden.

Die Ministerkonferenz erteilte dieser ihr vorgetragenen, übereinstimmenden Ansicht der genannten zwei Ministerien ihre volle Beistimmung, wornach nun der Justizminister den au. Vortrag in diesem Sinne an Se. Majestät erstatten wird7.

V. Bau eines Judenbethauses in der Leopoldstadt (= Sonderprotokoll Nr. 210)

Über das von Kultus- und Unterrichtsminister Grafen v. Thun im Beisein des Abgeordneten des Chefs der Obersten Polizeibehörde FML. v. Kempen Generalmajors v. Hartmann vorgetragene Anliegen der hiesigen Judengemeinde wegen Erbauung eines Bethauses in der Leopoldsstadt wurde ein eigenes Protokoll aufgenommen8.

VI. Konzessionsgesetz für Privateisenbahnen (= Sammelprotokoll Nr. 211)

Die Fortsetzung und [der] Schluß der Beratung über den Entwurf eines Konzessionsgesetzes für den Bau von Privateisenbahnen erscheinen gleichfalls in dem besonderen darüber angelegten Protokolle9.

A[h]. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 13. April 1854.