MRP-1-3-03-0-18540312-P-0205a.xml

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Nr. 205a a Memoire Baumgartners über die Universitätsreform, Wien, 12. März 1854 (Beilage zu: MRP-1-3-03-0-18540311-P-0205.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; Beilage zu Vortrag Bachs v. 24. 3. 1854, HHSTA., Kab. Kanzlei, MCZ. 924/1854.

MRZ. – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Die Beratungen, welche in der Ministerkonferenz bezüglich der Reform des vaterländischen Universitätswesens gepflogen wurden, hatten zum Zwecke, zufolge eines Ah. Auftrages die Fragen zu beantworten, welche hierüber vorgelegt worden sind. Zur Grundlage diente die vom Ministerium für Kultus und Unterricht diesfalls verfaßte Druckschrift, betitelt: Die Umgestaltung der österreichischen Universitäten, Wien 18531 .

Bevor in die Beantwortung der Ah. vorgelegten Fragen eingegangen wurde, glaubten sich die Minister des Inneren, der Justiz und der Finanzen gegen den unbegründeten und zu weit gehenden Tadel aussprechen zu müssen, den die besagte Schrift über die österreichischen Universitäten, wie sie bis zum Jahre 1848 bestanden, enthält. Insbesondere wird vom Finanzminister hervorgehoben, daß man sorgfältig unterscheiden müsse, welche Vorschriften für den Unterricht bestanden und wie dieselben vom Lehrstande aufgefaßt wurden. Diese Vorschriften waren allerdings weit hinter dem Zeitgeiste und den Anforderungen der Wissenschaft. Die Lehrer standen aber in der Regel über diesen Vorschriften, und ihre wirklichen Leistungen machten manches gut, was im Sinne dieser Vorschriften durchgeführt, nahezu die Früchte getragen haben würde, welche die vorliegende Schrift als wirklich gereift schildert. Daher allein kam es, daß die österreichischen Universitäten viel besser waren als ihr Ruf. Die Universitätsprofessoren haben praktisch den Satz längst anerkannt, welchen die vorliegende Schrift als den Zweck der Universitäten aussprach und dem auch die Konferenz beipflichtet, daß nämlich die Universitäten die Bestimmung haben, die Wissenschaft im Einklange mit dem Geiste der Kirche und mit besonderer Beachtung der Interessen des Staates zu pflegen und zu fördern.

Nun zur eigentlichen Aufgabe. Die Konferenz glaubte, vor allem bemerken zu müssen, daß die Begriffe von Lehr- und Lernfreiheit so vieldeutig und vage seien und so leicht eine falsche, selbst verderbliche Auffassung zulassen, daß es geraten scheint, dieselben ganz zu meiden, was um so leichter geschehen könne, da eine Analyse dieser Begriffe in ihrer vernünftigen Deutung genommen auf Fragen führt, welche mit den im Ah. Auftrage zur Beantwortung aufgegebenen nahezu übereinstimmen. Es involviert nämlich die sogenannte Lehr- und Lernfreiheit:

1. Die Frage, ob jedermann, bloß weil er sich dazu berufen fühlt, an einer Universität lehren könne oder ob er eine besondere Ermächtigung bedürfe, dann nach welchem Grundsatze eine solche zu erteilen sei.

|| S. 176 PDF || 2. Ob einem Lehrer die Wahl des Lehrgegenstandes und die Behandlung desselben ganz freigestellt sei, oder ob er an bestimmte Vorschriften gebunden sein müsse und nach welchen Grundsätzen solche Vorschriften zu geben wären.

3. Ob ein Studierender die Lehranstalt und an dieser die Lehrgegenstände frei wählen dürfe, oder ob er an bestimmte Lehranstalten und an eine bestimmte Aufeinanderfolge derselben zu binden sei; ob er diese Lehrgegenstände in einer bestimmten Zeit gehört haben müsse, oder ob es ihm frei stehe, den Unterricht in kürzerer oder längerer Zeit zu empfangen.

4. Ob er an bestimmte Professoren anzuweisen sei, oder ihm deren Wahl freistehe.

5. Ob er sich einer Prüfung zu unterziehen habe, oder ob ein Inskriptions- oder Frequentations­zeugnis genüge. Endlich

6. ob die Professoren einer Überwachung bedürfen, dann ob die Studierenden während ihrer Universitätsjähre an eine bestimmte Disziplin zu binden seien oder nicht.

Werden diese Fragen einer näheren Erörterung unterzogen, so wird dadurch auch die Antwort auf jene erhalten, über welche sich die Ministerkonferenz im Ah. Auftrage auszusprechen hat. Darum möge es gestattet sein, nachdem die Ansichten der Ministerkonferenz über die Antworten auf die Ah. vorgelegten Fragen von Seite des Unterrichtsministers in dem Konferenzprotokolle niedergelegt sind, dieselben in einer anderen Aufeinanderfolge zusammenzufassen, und zwar in der Art, wie sie sich aus der Analyse der Begriffe Lehr- und Lernfreiheit ergeben.

Ad 1. Die Ministerkonferenz erklärt sich einstimmig für die Verwerflichkeit der von der Märzrevolution aufgestellten Behauptung, daß jeder, welcher die nötige Lehrfähigkeit zu besitzen glaubt, schon darum an einer öffentlichen Lehranstalt oder gar an einer Hochschule als Lehrer auftreten dürfe, und spricht sich dafür aus, daß nur jenen, die als dazu von der Regierung für befähigt anerkannt werden, dieses Recht zustehe. Was aber die Bedingungen anbelangt, denen jemand entsprechen müsse, um als lehrfähig anerkannt zu werden, so sei ein Unterschied zu machen, je nachdem es sich um einen Privatdozenten oder um einen wirklichen ordentlichen oder außerordentlichen Lehrer handelt. Dabei drängt sich aber auch die Frage auf, ob es angemessen befunden werde, das im Jahre 1812 eingeführte Institut der Lehramtsadjunkten wiederherzustellen und das schon vor dem Jahre 1848 anerkannte, aber seit dieser Zeit bedeutend erweiterte Institut der Privatdozenten noch ferner fortdauern zu lassen. Was nun die Wiedereinführung von Adjunkten für einzelne Lehrzweige anbelangt, so sprachen sich die Minister der Justiz und des Inneren für dieselben aus, die Minister des Äußern, des Unterrichts und der Finanzen hingegen halten eine solche Einrichtung derzeit für entbehrlich, weil die Adjunkten nur eingeführt wurden, um künftige Professoren für die wichtigeren Zweige heranzubilden und für den Fall der Verhinderung eines Professors denselben zu supplieren. Die Bestimmung der Adjunkten, als Korrepetitoren zu fungieren, ward mehr als ein Recht als eine Pflicht derselben || S. 177 PDF || angesehen. Nun sei aber für die Heranbildung von Professoren durch die Institute, wie sie für Physik, Physiologie, Philologie etc. eingeführt sind, gesorgt, als Supplenten der Professoren aber können die Privatdozenten angesehen werden. Sollen jedoch Adjunkten für einzelne Lehrfächer wiedereingeführt werden, so wäre sich nach der Ansicht des Finanzministers an die Vorschriften zu halten, welche früher für diese Institution Geltung hatten und die sich als sehr nützlich bewährt haben, nur hätte die bestandene, jedoch in der letzten Zeit ganz außer Übung gekommene Vorschrift wieder in Wirksamkeit zu treten: Daß jeder Adjunkt alljährlich eine gelehrte Abhandlung zu verfassen und dem betreffenden Professor zur Würdigung zu übergeben hätte.

Für den Fortbestand von Privatdozenten sprach sich die Ministerkonferenz übereinstimmend aus. Für solche ward die vom Unterrichtsministerium eingeführte Art der Habilitierung derselben als zweckmäßig und genügend anerkannt.

Professoren wären aus der Zahl der Männer, welche sich bereits einen wissenschaftlichen Namen erworben haben, zu berufen und nur im Falle, als ein solcher nicht bekannt wäre, die Konkursausschreibung, wie sie früher als Regel galt, wiedereinzuführen. Letzteres hält der Justizminister für positiv juridische Fächer für allgemein notwendig. Man fand es übereinstimmend für rätlich, daß bei Berufung eines Lehrers vom Auslande darüber Beruhigung erlangt werde, es werden seine Lehren mit jenen der katholischen Kirche nicht in Widerspruch treten, sondern vielmehr eine Stütze derselben abgeben.

Ad 2. Die Frage, ob einem Lehrer die Wahl des Lehrgegenstandes freistehe oder nicht und ob er denselben nach Gutdünken behandeln dürfe, dann nach welchem Grundsatze etwaige Vorschriften über die Behandlung seines Gegenstandes zu erteilen wären, kann nur gründlich beantwortet werden, wenn man sie in Partialfragen auflöst, und zwar in folgende: a) darf ein Lehrer sich den Lehrgegenstand frei wählen, b) ist die Behandlung desselben seinem Ermessen zu überlassen, oder ist er an einen bestimmten Leitfaden zu binden, und welche Richtung seiner Lehre ist vorzüglich zu beaufsichtigen.

In bezug auf die erste dieser Fragen hat sich die Ministerkonferenz mit der itzt bestehenden Einrichtung einverstanden erklärt, welche in folgendem besteht: Jedem Professor wird schon nach den gegenwärtig gültigen Vorschriften bei seiner Berufung oder bei der Verleihung eines Lehramtes der Gegenstand bezeichnet, über den er zu lehren verpflichtet ist. Um über einen anderen Gegenstand seiner oder einer anderen Fakultät außerordentliche Vorträge halten zu dürfen, muß er darüber die Entscheidung des betreffenden Professorenkollegiums eingeholt und die besondere Bewilligung des Unterrichtsministers erlangt haben. Privatdozenten dürfen nur über Gegenstände lehren, für welche sie sich besonders habilitiert haben. Was die wissenschaftliche Behandlung eines Lehrgegenstandes anbelangt, so ist diese nach den itzt bestehenden Vorschriften den Professoren gänzlich zu überlassen, und dieselben sind nicht gehalten, sich an ein bestimmtes Lehrbuch zu halten. Hiermit erklärte sich die Ministerkonferenz vollkommen einverstanden, indem, wenn nicht bei der Bestellung eines Lehrers an einer Universität || S. 178 PDF || Mißgriffe gemacht werden, doch demselben die beste Einsicht, wie er seine Lehre einrichten müsse, zugetraut werden kann. Ein bestimmtes Lehrbuch vorschreiben heißt, eine Wissenschaft an ein bestimmtes Stadium binden wollen, und bringt offenbar einen Stillstand des Fortschrittes mit sich, der dem Wesen des Universitätsunterrichtes fremd sein muß. Ein guter Professor wird seinen Zuhörern immerhin die Quellen bezeichnen, aus welchen sie schöpfen können, um aus den Vorträgen den größten Nutzen zu ziehen. Privatdozenten haben, um bezüglich der Behandlung des Lehrgegenstandes Berechtigung zu erlangen, eine Probevorlesung zu halten, und der Erfolg dieser hat auf die Habilitierung Einfluß. Diese stehen überdies unter der besonderen Aufsicht des Lehrkörpers. In bezug auf alle Lehrer einer Fakultät sind die Dekane, das Professorenkollegium, der Akademische Senat und der Rektor verantwortlich. Überdies hat jeder Professor bei seinem Amtsantritte einen Eid abzulegen, daß er sein Lehramt nach bestem Wissen und Gewissen versehen, jeden Mißbrauch desselben und alles, was dem Staate, der Religion und der Sittlichkeit gefährlich ist, meiden wolle.

Diese Bestimmungen scheinen der Ministerkonferenz im allgemeinen hinreichend, um Mißbrauch hintanzuhalten, ohne den Lehrern die nötige Beweglichkeit ihrer Sphäre zu benehmen, doch wird man auf die nötige Überwachung der Professoren später zurückkommen.

Ad 3. Über die Frage, ob Studierende sich die Anstalt und an dieser die Lehrgegenstände frei wählen dürfen oder ob bestimmte Universitäten und an solchen bestimmte Fächer für dieselben vorzuschreiben seien oder wie es mit der Aufeinanderfolge der letzteren und mit der Zeit, in welcher sie dieselben zu hören haben, zu halten sei, haben sich folgende Überzeugungen ausgesprochen: Den Studierenden ist es überlassen, die vaterländische Universität, an welcher sie studieren wollen, zu wählen, ja selbst ausländische Universitäten dürfen von denselben besucht werden, wenn polizeilicherseits dagegen nicht ein Anstand obwaltet. Behufs der Zulassung zu den Staatsprüfungen und den Prüfungen behufs der Erlangung der Doktorwürde sind Frequentationszeugnisse ausländischer Universitäten gültig, wenn der Besuch aller jener Lehrgegenstände ausgewiesen wird, welche an den österreichischen Universitäten zu diesem Zwecke vorgeschrieben sind. Die Frage, ob dem Studierenden an einer Universität die Wahl der Lehrgegenstände freigelassen oder ob er bestimmte Vorlesungen zu hören verpflichtet sei, reduziert sich auf die Erörterung, ob es noch fernerhin Obligatfächer geben solle oder nicht und im bejahenden Falle, welche diese zu sein hätten. Der Ministerialerlaß vom 18. Dezember 1848 hebt zwar die Obligatfächer völlig auf, aber die Vorschrift vom 29. Juli 1850 über die Errichtung von theoretischen Staatsprüfungen setzt die Verpflichtung fest, daß ein Studierender, um zu diesen Prüfungen zugelassen zu werden, wenigstens 14 Semestralkollegien von je vier Stunden wöchentlich besucht haben müsse und daß unter diesen eine bestimmte Anzahl von zu einer gewissen Klasse gehöriger Lehrgegenstände begriffen sein müsse. Sie spricht daher indirekt aus, daß gewisse Gruppen von Lehrgegenständen zu den obligaten gehören. Die Ministerkonferenz erkennt die Notwendigkeit von obligaten Lehrgegenständen an, nur weichen die Meinungen darin || S. 179 PDF || voneinander ab, daß sich einerseits für die Feststellung gewisser Gruppen von Lehrgegenständen als Obligatfächer ausgesprochen wird, während andererseits behauptet wird, es wären bestimmte Fächer speziell als obligate zu bezeichnen. Letztere Ansicht ward insbesondere vom Justizminister vertreten. Gegen den in der vorliegenden Druckschrift des Unterrichtsministers aufgestellten Satz, daß die früher bestandene Vorschrift einzelner Jahrgänge und der gebundenen Zeitfolge der Studien aufgehoben bleiben solle, ward im allgemeinen keine Einsprache erhoben, und es sprach sich insbesondere der Finanzminister dafür aus, daß man die Ordnung, in welcher Studierende innerhalb gewisser vorzuzeichnender Grenzen die Lehrgegenstände zu hören haben, getrost den Studierenden überlassen könne, da in der Tat in bezug auf einige Lehrgegenstände die Ordnung, in welcher sie gehört werden, völlig gleichgültig sei und da, wo ein Gegenstand den anderen voraussetzt, ohnehin die natürliche Ordnung beobachtet werde, wie dieses die bald 40jährige Erfahrung am hiesigen Polytechnischen Institute zeige, wo die Studierenden an eine Zeitfolge der Studien und an bestimmte Jahrgänge gar nicht gebunden seien.

Der Justizminister glaubt auf eine Vorschrift, wodurch die Zeitfolge des Studiums der einzelnen Lehrfächer festgesetzt werde, einen Wert legen zu müssen.

Ad 4. Über die Frage, ob ein Studierender an einer Universität an bestimmte Professoren zu binden sei und ob es ihm freistehen solle, sich dieselben zu wählen, ergab sich keine Meinungsverschiedenheit, und man sprach sich allgemein dafür aus, daß in Fällen, wo für ein bestimmtes Lehrfach mehrere Professoren bestehen, die Studierenden sich denjenigen, dessen Vortrag sie beiwohnen wollen, frei wählen können.

Ad 5. Die Frage, ob in der Zukunft der Prüfungszwang wieder eingeführt werden solle oder nicht, führte zu mehrfachen Diskussionen.

Nach den gegenwärtig in Wirksamkeit stehenden Vorschriften bestehen Semestral- und Annualprüfungen nicht. Wohl aber sind Privatprüfungen während der Dauer eines Semesters erlaubt und Disputationen, Kolloquien etc. insbesondere bei größeren Auditorien vorgeschrieben, und es dürfen den Studierenden zur Erlangung oder zum Fortgenusse gewisser Begünstigungen, z. B. eines Stipendiums, der Befreiung von der Entrichtung eines Honorars etc., Privatzeugnisse ausgestellt werden. Dieses System hält die Ministerkonferenz für nachteilig und entschied sich für folgende Ansicht: Die in dem der Beratung zugrundeliegenden Druckwerke enthaltene Schilderung der Nachteile des früher bestandenen Vorganges bezüglich der Prüfungen ist übertrieben. Man will nicht in Abrede stellen, daß Unzukömmlichkeiten stattgefunden haben. Namentlich wird zugegeben, daß man früher den Prüfungen zuviel Zeit gewidmet und dadurch den Vorträgen zu starken Abbruch getan habe. Dieses läßt sich aber vermeiden, ohne auf das Gute, welches die Prüfungen im Gefolge haben und entschieden gehabt haben, gänzlich zu verzichten. Wenn behauptet wird, die Studierenden nach dem früheren Systeme haben das Studieren auf die letzten Tage vor der Prüfung verschoben und dann im Gedränge nur das Gedächtnis vollgepropft, ohne in den Geist der Wissenschaft einzudringen, so läßt sich dagegen anführen, daß durch die Beseitigung der || S. 180 PDF || Semestral- und Annualprüfungen die Natur der Menschen nicht geändert worden sei und daß es noch immer Studierende geben wird, denen es nur darum zu tun ist, die Studien zu absolvieren, um einen Posten zu erlangen, zu welchem dieses erforderlich ist. Diese werden aber itzt bei der gänzlichen Abschaffung von Prüfungen auch jene Zeit, die man sonst dem Studieren widmen mußte, unbenützt vorübergehen lassen und daher weder memorieren, noch den Verstand beschäftigen, während solche, die Liebe zur Wissenschaft haben und ihrer künftigen Bestimmung entsprechen wollen, durch Prüfungen gewiß nicht vom Studium abgehalten, sondern noch mehr angespornt werden. Es bringt daher die Abschaffung von Prüfungen nur Nachteile, keineswegs aber einen Vorteil. Das was früher auf die kurze Zeit vor einer Annual- oder Semestralprüfung verschoben wurde, wird gegenwärtig auf die Zeit vor der Staatsprüfung verschoben und, da eine Staatsprüfung mehrere Wissenschaften auf einmal umfaßt, so wird es dem Studierenden noch weniger möglich, in den Geist der einzelnen Wissenschaften einzudringen. Es kann sich eine solche Prüfung viel weniger auf eine eindringliche Erforschung des Wissens in einem einzelnen Fache erstrecken, um so mehr als es sich nach den bestehenden Vorschriften dabei nur um eine Übersicht handelt, ja einige wichtige Zweige von den Staatsprüfungen ganz ausgeschlossen sind. Es kann weder dem Staate noch den Eltern der Studierenden gleichgültig sein, ob man beizeiten oder erst nach Jahren zur Kenntnis komme, inwiefern ein Studierender seine Zeit im Müßiggange zubringe oder dem Studium widme. Diese Überzeugung wird aber bei der gegenwärtigen Einrichtung leider oft zu spät erreicht, wenn dem Übel kaum mehr abgeholfen werden kann, jedenfalls aber die kostbare Zeit ganz verloren ist. Für die Professoren allein ist die gegenwärtige Einrichtung von entschiedenem Nutzen. Die Prüfungen waren für sie nicht bloß ein höchst unangenehmes, sondern sehr anstrengendes Geschäft und gewissermaßen für die Professoren selbst eine Kontrolle. Sie mußten in der vorgeschriebenen Lehrzeit den ganzen Gegenstand im angemessenen Detail behandeln und durften sich nicht bei Lieblingspartien ihrer Wissenschaft, zum Nachteile des übrigen Teiles, aufhalten, wie dieses jetzt, wie man vernimmt, leider oft geschieht. Nach der Ansicht der Minister des Inneren und der Finanzen, denen auch der Minister des Äußern beistimmte, wäre Studierenden, welche nicht in den Staatsdienst treten oder die Gelehrte werden wollen, die Ablegung einer Prüfung nicht zur Pflicht zu machen, jedoch auch nicht zu verwehren. Solche hingegen, welche sich dem Staatsdienste zu widmen gedenken, sollen nach Beendigung eines jeden Lehrfaches eine Prüfung ablegen können, und wenn sie dabei gut bestanden, kann ihnen die theoretische Staatsprüfung aus diesem Fache nachgesehen werden. Übrigens wäre der sonst den Prüfungen gewidmete zu große Zeitaufwand zu vermeiden. Hierzu bemerkte der Minister des Äußern noch insbesondere, daß zur Verminderung des allerdings durch die Vornahme von Prüfungen bedingten Zeitaufwandes eine häufigere Benützung des Systems der schriftlichen Prüfungen angezeigt schiene, als durch welche nicht nur die Zeit der Professoren nicht in demselben Maße wie durch mündliche Examina in Anspruch genommen, sondern auch eine gründlichere Gewähr für die Fähigkeit und Ausbildung der Kandidaten, als sie mündliche Prüfungen zu leisten imstande sind, || S. 181 PDF || gegeben sein würde. Der Justizminister erklärte sich für die imperative Einführung von Prüfungen aus jedem Lehrfache, nachdem der Vortrag darüber beendigt worden. Der Unterrichtsminister sprach sich gegen die Schlußprüfungen aus und nahm die gegenwärtig bestehende Einrichtung in Schutz.

Ad 6. Die Frage, ob die Universitätsprofessoren einer Überwachung zu unterziehen seien und ob Studierende während ihrer Universitätsjahre an eine bestimmte Disziplin gebunden sein sollen oder nicht, wurde von der Ministerkonferenz einstimmig bejaht und die Beschaffenheit jener Überwachung und dieser Disziplin einer eindringlichen Erörterung unterzogen. Man erkannte allgemein die Mängel der itzt bestehenden Einrichtung, wo die Überwachung der Professoren ganz dem Dekane und dem Rektor überlassen sei, weil die Dekane fast alljährlich wechseln und wieder abtreten, wenn sie sich in der ihnen obliegenden Verpflichtung kaum zurechtgefunden haben, weil sie nicht durchgreifen können, indem sie selbst zu den Professoren gehören und teils sich selbst, teils ihre Kollegen überwachen sollen. Man erkannte darum ein konstantes Organ zu diesem Zwecke für unerläßlich. Dieses wäre aber aus den Notabilitäten der Wissenschaft zu wählen und demselben eine angemessene äußere Stellung zu geben. Der Unterrichtsminister gab wohl zu, daß die Überwachung und Leitung der Studien durch einen Mann der Wissenschaft von dem besten Erfolge sein müßte, daß es aber schwerfallen dürfte, solche Männer zu finden, hauptsächlich weil sie kaum vom Staate pekuniär so gut gestellt werden könnten, wie dieses gegenwärtig mit einem ausgezeichneten Professor infolge der eingeführten Honorare der Fall wäre. Wo ein solcher zu finden [sei], könnte er dem Antrage nicht entgegen sein, doch wo dieses nicht der Fall ist, solle es bei der bisherigen Einrichtung der Überwachung durch die Dekane und den Rektor sein Verbleiben haben, nur dürfte es angemessen erscheinen, die Dekanatsjahre zu verlängern und somit der Einwirkung der Dekane eine größere Stetigkeit zu geben. Daß die Studierenden an einer Universität einer Disziplin unterworfen sein müßten, kann keinem Zweifel unterliegen, und das itzt bestehende Lehrsystem enthält viele Anordnungen des Ministeriums, welche eine solche zum Zwecke haben. Obenan steht die Frequentationspflicht. Nach den bestehenden Verordnungen sind die Studierenden verpflichtet, die Vorlesungen regelmäßig zu besuchen, und es ist dieser Besuch die Bedingung der Einrechnung eines Semesters in die gesetzliche Universitäts- oder Fakultätszeit. Den Professoren ist die strengste Überwachung des Kollegienbesuches und nötigenfalls die Ablesung der Namen der Inskribierten zur Pflicht gemacht, die Dozenten haben sich untereinander, die Dekane mit diesen und unter sich über die Frequentation der Eingeschriebenen zu besprechen, im Besuche Nachlässige zu ermahnen, und den beharrlich Unfleißigen ist das Besuchszeugnis zu verweigern. Die Ministerkonferenz glaubte aber, daß ungeachtet dieser Vorschriften in der Überwachung der Frequentation der Studierenden nicht genug geschehe. Der Minister des Inneren hält zu diesem Ende die öftere Vornahme von Prüfungen und Kolloquien während des Studienjahres für notwendig, und der Finanzminister glaubte, nach seinen Erfahrungen darin ein wirksames Mittel zur Kontrolle des Kollegiumbesuches zu sehen, daß die Inskribierten verpflichtet wären, bestimmte Plätze im Hörsaale einzunehmen. || S. 182 PDF || Das Verlesen der Namen hielt er für zeitraubend und das Ehrgefühl der Studierenden verletzend. Übrigens müßte auch hier ein lebendiger und gründlicher Vortrag des Professors mehr wirken als alle anderen Zwangsmaßregeln. Der Justizminister sprach dem Ablesen der Namen der Studierenden und dem Aufrufen einzelner das Wort. Der Unterrichtsminister glaubte, daß diese Mittel bei größeren Kollegien nicht ausführbar seien, und hielt neue Vorschriften für überflüssig.

Die Ministerkonferenz fand es erwünschlich, daß Studierende auch außerhalb des Hörsaals einer Disziplin unterworfen seien, erkannte aber eine solche nur für vollständig ausführlich bei solchen Studierenden, die in einem Konvikte oder Kollegium beisammenwohnen, wie dieses in dem ehemals bestandenen Stadtkonvikte und der Theresianischen Ritterakademie der Fall war. Die Errichtung zahlreicherer Anstalten dieser Art hänge aber vorzüglich von finanziellen Rücksichten ab, jedenfalls wäre zu wünschen, daß dort, wo Stiftungen bestehen, die ursprünglich für derlei Anstalten bestimmt waren, zur Wiedererrichtung derselben verwendet werden. Der Minister des Inneren hielt die Errichtung von Bildungsanstalten für den höheren Staatsdienst für sehr nützlich, Anstalten, in welche nur solche Studierende aufgenommen werden sollen, welche die Gymnasialstudien mit ausgezeichnetem Erfolge zurückgelegt haben und dadurch zu der Hoffnung berechtigen, daß sie sich für den höheren Staatsdienst besonders eignen werden. Der Finanzminister hielt dieses schon im Prinzipe für nachteilig. Es würde dadurch eine Art Prädestination für den höheren Staatsdienst eingeführt, die auf jene, welche nicht das Glück haben, dahin zu fallen, lähmend einwirken, die Bevorzugten aber leicht zur Lässigkeit bestimmen könnte. Beamte, die in den höchsten Sphären besonderes geleistet haben, sind nicht immer aus der Klasse derjenigen, welche im Gymnasium zu den Ausgezeichnetsten gehörten, und es ist für den höheren Staatsdienst nicht bloß Fleiß und Anlage zu Fortschritten in Wissenschaften, sondern auch Charakter, Gesinnung, Leistungsgabe und schnelle Auffassung unerläßlich, Eigenschaften, über deren Dasein oft nicht einmal in den letzteren Jahren der Studien mit Sicherheit geurteilt werden kann und die sich oft erst während der praktischen Dienstzeit entwickeln. Als ein Surrogat von Konvikten ward die Einrichtung erkannt, vermöge welcher bestimmte Klassen von Studierenden einzelnen Professoren zur speziellen Überwachung anvertraut würden, wie dieses gegenwärtig mit den Stipendisten der Windhagschen Stiftung, dann mit den Kandidaten für das Lehramt an den ungarischen Rechtsakademien der Fall ist.

Die Ministerkonferenz erörterte auch die Frage über etwaige Einführung eines akademischen Gottesdienstes und sprach ihre Ansicht dahin aus, daß ein solcher Gottesdienst allerdings erwünschlich erscheine, daß aber dabei kein Zwang eintreten solle, sondern vorzüglich durch Bestimmung guter Prediger, am besten aus der Klasse geistlicher Professoren, mit gehöriger Abwechslung anziehend gemacht werden möge.

Nach diesen auf alle Fakultäten bezüglichen Erörterungen erübrigte nur mehr eine spezielle Untersuchung über die nötigen Fakultätseinrichtungen.

Hierbei glaubte die Ministerkonferenz vorläufig die Frage in Betrachtung ziehen zu sollen, || S. 183 PDF || ob die Einrichtung, zufolge welcher die Studierenden gleich beim Eintritte in die Universität zu den speziellen medizinischen oder juridischen Studien zugelassen werden, zweckmäßig sei oder ob bestimmte vorbereitende Universitätsstudien vorzuschreiben wären.

Die Konferenz hielt mit Stimmenmehrheit die Einführung eines Vorbereitungskurses für notwendig, und zwar sprachen sich die einzelnen Stimmen aus wie folgt: Der Justizminister bemerkte, daß die gegenwärtig eingeführte Propädeutik für das juridische Studium nicht hinreiche, und hielt einen vorbereitenden Jahreskurs an der Universität für nötig, welcher Logik, Psychologie, Metaphysik und Ethik nebst der allgemeinen und speziellen Geschichte zu umfassen hätte. Um einen solchen Kurs an der Universität zu ermöglichen, ohne die Universitätszeit über das jetzige Maß zu verlängern, schlug er vor, die Gymnasialzeit um ein Jahr abzukürzen. Auch der Minister des Inneren hielt einen solchen Vorbereitungskurs für erwünschlich. Der Finanzminister äußerte sich über diese Frage folgendermaßen: Dasjenige, was nach der gegenwärtigen Studieneinrichtung von den sogenannten philosophischen Doktrinen an den Gymnasien gelehrt wird, reicht wohl zur Erlangung einer allgemeinen Bildung, wie sie für die höheren Stände erforderlich ist, vollkommen aus, und es dürfte kaum gut sein, hierin etwas Wesentliches zu ändern; allein um ein gründlich unterrichteter Jurist und um ein gehörig ausgebildeter Arzt zu werden, sind solche allgemeine Kenntnisse in den Hilfswissenschaften nicht mehr zulänglich, sondern es ist nötig, diese Wissenschaften in besonderer Beziehung auf ihre juridische und ärztliche Anwendung zu kennen und in einzelnen Zweigen derselben ausführlicher unterrichtet zu sein, als dieses zur allgemeinen Menschenbildung hinreicht und nach der gegenwärtigen Einrichtung der Studien erzielt werden kann. So z. B. wird der Arzt die Gesetze der Ernährung und Absonderung nicht gründlich verstehen, wenn er nicht die Gesetze der Kapillarität und der sogenannten Endosmose und Exosmose genau im Detail kennengelernt hat. Wie soll er von der heutzumal so wichtigen Auskultation und Perkussion gehörige Anwendung machen, wenn ihm nicht die Gesetze der Akustik im Detail bekannt sind; wie soll er den Lebensprozeß studieren, der, wie man allgemein überzeugt zu sein glaubt, von einem beständigen elektrischen Prozesse begleitet ist, wenn er von der Elektrizität nur soviel weiß, als in einem allgemeinen Kurse der Physik im Gymnasium gelehrt wird. Der Physiologe kann keinen Schritt machen, ohne auf Mechanik, Physik und Chemie sich zu stützen, und ein Studierender der Medizin kann nur dann auf fester Basis fortschreiten und die ihm vorgetragenen Lehren verstehen, wenn er in diesen Wissenschaften speziell gründlich unterrichtet ist. Ähnliches gilt vom Juristen. Er studiert heutzutage keine Ethik und soll doch den Unterschied zwischen dem moralischen und dem rechtlichen Standpunkte menschlicher Handlungen genau kennen. Die Lehren der Geschichte sollen den Politiker bei jedem Schritte leiten, und doch studiert er die Geschichte nur nebenbei. Der Richter ist so oft auf psychologische Erscheinungen hingewiesen, hat aber Psychologie nie studiert.

Es erscheint daher, will man den besagten Fakultätsstudien einen guten Erfolg sichern, unerläßlich, daß 1. für den künftigen Arzt ein vorbereitender Universitätskurs festgesetzt werde, || S. 184 PDF || in welchem nebst den itzt eingeführten Studien der Naturgeschichte (Mineralogie, Botanik und Zoologie) auch noch spezielle Physik, Chemie und Psychologie gelehrt werden, 2. daß ein solcher Kurs für den künftigen Juristen bestehe, wo er in der Ethik, Psychologie und Geschichte besondern Unterricht erlangt.

Ob bei Einführung solcher Vorbereitungskurse das gesamte Studium um ein Jahr verlängert werden müsse oder ob man dieses Jahr an dem eigentlichen Fakultätsstudium abbrechen soll, ist eine untergeordnete Frage und soll durchaus nicht durch die Rücksicht entschieden werden, daß es erwünschlich sei, die Vollendung der Studien nicht zu weit hinauszuschieben. Man hat ja auch früher einen dritten philosophischen Jahrgang gehabt und doch die juridisch-politischen Studien auf vier, die medizinischen gar auf fünf Jahre ausgedehnt. Was damals ausführbar war, kann auch itzt nicht als unangemessen angesehen werden, um so mehr als bei der im allgemeinen schnelleren Reife unserer Jugend es möglich ist, vom Alter, welches zum Eintritte in das Gymnasium vorgeschrieben ist, ein Jahr zu erlassen. Der Unterrichtsminister äußerte, einer solchen Einführung im allgemeinen nicht entgegen zu sein, erklärte aber, daß durch neue Einrichtungen in den Universitätsstudien der Plan des Gymnasialstudiums nicht alteriert werden soll. Übrigens seien mehrere Wissenschaften, die als Vorbereitung für ein Fachstudium nützlich erscheinen, wie z. B. Physik für die medizinischen Studien, darum nicht in den ordentlichen Kurs aufgenommen worden, weil man sich an das bestandene medizinische Lehrsystem anschließen mußte.

Was nun das nähere Detail der Einrichtung der einzelnen Fakultätsstudien, besonders des juridischen, anbelangt, so glaubte die Konferenz in ein solches nicht eingehen zu können, da, bevor dieses mit Erfolg geschehen könne, die Hauptgrundsätze, von denen bisher die Rede war, festgesetzt sein müssen. Das vom Justizminister für die Juristenfakultät angetragene Schema der obligaten und freien Lehrgegenstände und deren Verteilung in die vier Jahrgänge erklärte der Minister selbst nur als eine Andeutung. Indes wollte die Ministerkonferenz doch einige allgemeine Bemerkungen nicht unterdrücken: Da die an die Juristenfakultät fallenden Studien als Vorbereitung zum gerichtlichen und administrativen politischen und finanziellen Staatsdienste angesehen werden müssen, so ergebe sich vorerst die Frage, ob an besagter Fakultät drei abgesonderte Abteilungen für diese verschiedenen Dienstzweige bestehen sollen. Diese Frage ward übereinstimmend mit Nein beantwortet, und zwar darum, weil nach der neuesten Organisation des Staatsdienstes die gerichtlichen und politischen Geschäfte in unterster Linie vereint sind und somit die damit betrauten Individuen in der Justiz- und politisch-administrativen Sphäre unterrichtet sein müssen; weil der sogenannte Kameraldienst einige Zweige des Wissens mit dem Dienste der politischen Administration gemein habe, und was über diesen hinausreiche, mehr technischer Natur ist und an eigens dazu bestimmten Anstalten erlernt werden müsse. Dabei ward aber allgemein anerkannt, daß besonders einem gründlichen Studium der Nationalökonomie und Finanzwissenschaft mehr Aufmerksamkeit und Zeit zugewendet werden müsse, als — besonders in früherer Zeit — geschehen ist und zum Teile auch gegenwärtig noch geschehe.

|| S. 185 PDF || Was über den Geist der Behandlung der juridisch-politischen Wissenschaften in der vorliegenden Druckschrift gesagt wird, konnte die Ministerkonferenz nicht überzeugen und schien ebenso zu einer einseitigen Auffassung zu führen, als dieses in anderer Richtung früher geschehen ist. Diese Druckschrift spricht der historischen Grundlage der juridischen Wissenschaften eifrig das Wort und verdammt unbedingt die frühere rein rationelle Begründung derselben. Nach der Ansicht des Justiz- und des Finanzministers — der Minister des Inneren war in der Sitzung nicht gegenwärtig — soll einer historischen Begründung mehr Aufmerksamkeit zugewendet werden als bisher, jedoch wäre nicht bloß der deutschen, sondern auch der österreichischen Rechtsgeschichte ihr Einfluß zu gewähren, dabei aber eine rationalistische Auffassung nicht auszuschließen.