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Vorwort - Retrodigitalisat (PDF)

|| S. 7 PDF || Hiermit kann bereits der dritte dem Ministerium Buol-Schauenstein gewidmete Band der Edition der österreichischen Ministerratsprotokolle 1848-1867 vorgelegt werden. Er umfaßt einen über ein Jahr hinausgehenden Zeitraum, vom 11. Oktober 1853 bis zum 19. Dezember 1854. Der „Minister­konferenz“ kommt im neoabsolutistischen Regierungssystem nur ein recht eng begrenzter Raum zu: Kaiser Franz Joseph präsidierte nur einer der Ministerkonferenzen, deren Protokolle im vorliegenden Band ediert werden. Neben der Ministerkonferenz bestanden andere Sonderkonferenzen oder Komitees für bestimmte Materien, etwa für die Kontrolle des Militärbudgets oder für den Abschluß des Konkordats, deren Protokolle hier nicht aufgenommen sind. Eine eigenartige, nur aus der Struktur der absolutistischen Herrschaftsform erklärbare Stellung kam der „Konferenz“ zu, in der außenpolitische Fragen zur Diskussion standen. Im Hinblick darauf, daß die Mehrzahl der Minister regelmäßig an diesen Konferenzen teilnahm, wurden die Protokolle dieser außerordentlichen Konferenzen (I-VII) aus dem Editionszeitraum als Anhang in diesen Band aufgenommen.

Trotz der begrenzten Kompetenzen der Ministerkonferenz auf dem Höhepunkt des Neoabsolutismus gewähren die Protokolle doch reiche und bisweilen unerwartete Einblicke in die gesellschaftliche Entwicklung der Donaumonarchie. Die Einleitung der Bandbearbeiterin, Frau Dr. Waltraud Heindl, umreißt vorzüglich die zentralen Themen, wie die Folgen der Mißernten von 1853, das radikale Ansteigen der Getreidepreise und die wachsende finanzpolitische Krise; weiters die Frage der Universitätsorganisation, ein bisher wenig beachtetes, aber, wie sich aus den Quellen zeigt, staats- und gesellschaftspolitisch sehr relevantes Komplementärvorhaben zur weitaus bekannteren Studienreform Leo Thuns. Darüber hinaus werden, anhand konkreter Anlässe, Grundfragen der neoabsolutistischen Staatsstruktur beleuchtet: Widerstände gegen das Bachsche Germanisierungs­programm und die Rolle der Sprachenfrage anhand der Diskussion um die Dienstprüfungen der Beamten. Auch der Widerstand der Mehrheit der Ministerkonferenz gegen die von der Kurie im Zuge der Konkordatsverhandlungen gewünschte SchlechtersteIlung nichtkatholischer Konfessionen sowie das Eintreten für die Gleichbehandlung der gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften seien hervorgehoben.

Wiederum konnten Bandbearbeiterin, Redaktion und Herausgeber von den hilfreichen Ratschlägen des Ungarischen Komitees für die Veröffentlichung der Ministerratsprotokolle Nutzen ziehen. In einem Gutachten vom 12. Mai 1983 || S. 8 PDF || hat Univ.-Doz. Dr. Oskar Sashegyi, Generaldirektor-Stellvertreter a. D. des Ungarischen Staatsarchivs, einer der besten Kenner der neoabsolutistischen Ära, seiner sehr positiven Beurteilung des vorliegenden Bandes Ausdruck gegeben. Die Zusammenarbeit mit den ungarischen Fachkollegen ist weiterhin eng. Frau Dr. Waltraud Heindl konnte Anfang 1983 zwei Wochen in Budapest verbringen und die ungarischen Kollegen konsultieren. Weitere Kontakte erfolgten anläßlich der Besuche von Mitgliedern des ungarischen Schwesterkomitees in Wien sowie anläßlich der Teilnahme von Univ.-Prof. Dr. Helmut Rumpler an der gemeinsamen Tagung der Historikerkomitees der Österreichischen und der Ungarischen Akademie der Wissenschaften Mitte Juni 1983.

Auf der Sitzung des Österreichischen Komitees für die Veröffentlichung der Ministerrats­protokolle am 17. Juni 1983 habe ich gebeten, den Vorsitz des Komitees zurücklegen zu können und O. Univ.-Prof. Dr. Helmut Rumpler mit dem Vorsitz zu betrauen. Helmut Rumpler, von Beginn des Editionsvorhabens unter Friedrich Engel-Janosi an für die Redaktion verantwortlich, Verfasser des grundlegenden Einführungsbandes der Edition, tritt damit an die Spitze eines Editionsvorhabens, mit dem er seit der Gründung des Österreichischen Komitees für die Veröffentlichung der Minister­ratsprotokolle ohne Unterbrechung engstens verbunden ist. Ich freue mich, nach fünf Jahren, in welchen drei Bände publiziert wurden und die institutionelle Konsolidierung der Edition und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter bewerkstelligt werden konnte, den Vorsitz des Herausgeberkomitees in die Hände Prof. Rumplers zu übergeben. Mein Dank gilt den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Edition und für diesen Band besonders Frau Dr. Waltraud Heindl, die nunmehr als Leiterin der Abteilung „Ministerratsprotokolle“ des Österreichischen Ost- und Südosteuropainstituts auch im Vorstand dieses Instituts vertreten ist; mein Dank gilt dem Obmann dieses Instituts, O. Univ.-Prof. Dr. Richard G. Plaschka, sowie dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Daß sowohl der Bundespräsident der Republik Österreich, Dr. Rudolf Kirchschläger, wie die Ressortleiter des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Frau Bundesminister a. D. Dr. Hertha Firnberg und nunmehr Bundesminister Dr. Heinz Fischer, diesem großen Editionsvorhaben stets aufgeschlossen und wohlwollend gegenüberstehen, wissen wissenschaftliche Mitarbeiter und Herausgeber sehr zu schätzen.

Wien, im Juni 1983