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Nr. 120 Ministerkonferenz, Wien, 2. Mai 1853 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 3. 5.), Bach 3. 5., Thun, K. Krauß, Baumgartner, Kempen 5. 5.; [abw. Stadion]; Beginn der Konferenz: 16 Uhr, Mayr , Tagebuch Kempens 288 (Eintragung v. 2. 5. 1853) .

MRZ. – KZ. 1743 – (Prot. Nr. 41/1853) –

Protokoll der am 2. Mai 1853 abgehaltenen Konferenz unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.

I. Verfahren des Prager Oberlandesgerichtes gegen Johann Kocour wegen Störung der öffentlichen Ruhe

Se. Majestät der Kaiser geruhten, der Ministerkonferenz einen Beschluß des Prager Oberlandesgerichtes vom 7. Jänner 1852 mitzuteilen, laut welchem der Anklage des Staatsanwaltes gegen einen sichern [sic!] Kocour auf das Verbrechen der Störung der öffentlichen Ruhe keine Folge gegeben wurde, obgleich vorlag, daß Kocour in einem Wirtshause die gröbsten Schmähungen und Verunglimpfungen der Ah. Person vorgebracht hatte.

Nachdem die angeführten Motive dieses Spruches denselben keineswegs zu rechtfertigen vermögen und derselbe vielmehr im grellen Widerspruche mit dem Sinne und der Absicht des Gesetzes steht, können Se. k. k. apost. Majestät das Richteramt nicht länger Männern anvertrauen, welche dasselbe auf eine so wenig pflichtgemäße Weise ausüben. Allerhöchstdieselben gedenken daher, die Stimmführer in jenem Senate, welche dem aufhebenden Erkenntnisse beigetreten sind, sofort in den Ruhestand zu versetzen. Se. Majestät beauftragten demnach den Justizminister, das Ratsprotokoll über den gedachten Fall ohne Verzug und ohne weitere Vernehmung der beteiligten Oberlandesgerichtsräte abzufordern und Allerhöchstenortes mit der Anzeige vorzulegen, || S. 92 PDF || ob der Staatsprokurator gegen dieses Erkenntnis die Nullitätsbeschwerde angebracht habe und, wenn nicht, aus welchem Grunde dies unterblieben sei. Bei diesem Anlaß geruhten Se. Majestät, den Justizminister und alle übrigen Minister anzuweisen, daß sie, jeder in seinem Bereiche, auf das strengste darüber wachen, daß die Staatsbeamten ihre Pflichten genau erfüllen, den Mißbräuchen vorgebeugt, die vorhandenen aber abgestellt und geahndet werden. Über die Bemerkung des Ministers des Inneren, es scheine nötig, die Generalprokuratoren mit der Erstattung periodischer Berichte über die vorkommenden Fälle von Majestätsbeleidigung zu beauftragen, geruhten Se. Majestät diese Maßregel anzuordnen, mit dem Beisatze, daß auch die Schnelligkeit der Gerichts­behörden in Abtuung solcher Fälle zugleich zu kontrollieren sei1.

II. Arbeitseinstellung in mehreren Fabriken der Vorstädte Wiens

Se. k. k. apost. Majestät richteten an die Konferenzglieder die Frage, ob die dem Vernehmen nach dermal stattfindenden Arbeitseinstellungen in den Fabriken der Vorstädte Wiens keinen bedenklichen Charakter haben.

Der Chef der Obersten Polizeibehörde erklärte, daß nach den ihm vorliegenden Daten dermal nicht mehr als 1200 Arbeiter, größtenteils aus Handfabriken, abgedankt worden seien, eine Zahl, die mit Rücksicht auf deren Verteilung unter den bevölkerten Vorstädten relativ nicht bedeutend erscheint. Der Handelsminister referierte, es sei ihm auf ämtlichem Wege noch keine Klage über Arbeitslosigkeit zugekommen. Allein es sei ihm bekannt, daß der späte Eintritt des heurigen Frühjahrs auf den Absatz der meisten Modeartikel und auf die Beschäftigung vieler Handwerker äußerst nachteilig gewirkt habe. Indessen sei diese Klemme nur vorübergehend und habe durchaus keinen beunruhigenden Charakter, zumal dem herrschenden Geldmangel durch die Schaffung der neuen Escompte-Anstalt2 bald auf eine Weise geholfen werden wird, daß die inländische Fabrikation im allgemeinen einen wesentlichen Aufschwung nehmen dürfte. Ferner könne der Minister die befriedigende Nachricht mitteilen, daß die jüngste Leipziger Messe für den Absatz der österreichischen Wollwaren sehr günstig ausgefallen sei.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Wissenschaft genommen.Franz Joseph. Wien, den 11. Mai 1853.