Nr. 62 Ministerkonferenz, Wien, 16. November 1852 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 16. 11.), Bach 20. 11., Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw.abwesend Stadion.
MRZ. – KZ. 4482 – (Prot. Nr. 58/1852) –
- I. Demolierung der im Festungsrayon von Arad befindlichen Häuser
- II. Bestellung eines Kurators für die Krakauer Universität
- III. Pensionszulage für den Lehrer Gregor Borowski
- IV. Synode der griechisch-nichtunierten Bischöfe in Karlowitz
- V. Begnadigungsgesuch des Stephan Vitan
- VI. Depositengebührengesetz (= Sammelprotokoll Nr. 63)
Protokoll der zu Wien am 16. November 1852 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Demolierung der im Festungsrayon von Arad befindlichen Häuser
Der Minister des Inneren referierte in betreff der aus Polizeirücksichten dringend notwendigen Demolierung der innerhalb des Festungsrayons von Arad befindlichen, insbesondere der bei der letzten Belagerung zerstörten Häuser. Nach dem im Jahre 1810 ergangenen Bauverbot innerhalb des Festungsrayons wurde derselbe mit Ah. Entschließung vom Jahre 1812 mit einem engeren à 300 und einem weiteren à 600 Klafter festgesetzt und die völlige Reinigung des ersteren von allen Häusern sowie die Hintanhaltung der Erbauung neuer Häuser innerhalb desselben auch gegen Demolierungsrevers, dann die Abforderung dieses Reverses von den innerhalb des weiteren Festungsrayons gelegenen Häusern angeordnet. Infolge einer zu diesem Ende gepflogenen kommissionellen Verhandlung wurde mit späterer Ah. Entschließung von 1817 der eigentliche Rayon auf das Ausmaß von 300 Klafter beschränkt und der Demolitionstermin von dem Zeitpunkte der einzuleitenden Schätzung der betreffenden Gebäude abhängig gemacht. Diese Schätzung wurde nach einem im Jahre 1816 entworfenen Schlüssel im Jahre 1819 vollzogen und wegen der Expropriation und Demolierung die Einleitungen angeordnet1. Sie kamen aber wegen vielfacher Differenzen zwischen den Behörden und wegen der Einstreuungen des Komitats nie in Ausführung. Bei der Verteidigung Arads im Jahre 1849 wurden die meisten der innerhalb des Rayons bestandenen Häuser in Trümmer geschossen, und sie dienen seither teilweise allerlei Gesindel zum Schlupfwinkel, so daß sich deren Entfernung auch in polizeilicher Hinsicht als höchst notwendig darstellt. Es wurde demnach im November 1850 eine aus Mitgliedern der politischen, Finanz- und Militärbehörden zusammengesetzte Kommission mit der Vornahme der diesfalls nötigen Erhebungen und Erstattung ihrer Vorschläge beauftragt. Die Kommission hat ihr Operat unterm 1. Februar 1852 vorgelegt und nach Ausmittlung des Gesamtwerts der zur Vergütung geeigneten Gebäude auf Grundlage der Schätzung von 1819 mit 147.558 f. 8 Kreuzer und Einbeziehung einiger nach dem Bauverbote zwar errichteter, aber aus Billigkeitsrücksichten zu entschädigender Häuser || S. 323 PDF || per 11.517 f. 54⅖ Kreuzer, zusammen per 159.076 f. 2⅖ Kreuzer, die Einteilung der Abräumung und Folgerecht der Ausbezahlung der Entschädigungssumme in vier jährlichen Raten beantragt. Das Kriegsministerium war mit diesem Antrage einverstanden, nahm aber bei dem Umstande, daß die Geniedotation pro 1852 und 1853 diese nicht präliminierte Auslage nicht zu tragen vermöchte, eine besondere Dotation hierfür von den Finanzen in Anspruch. Das Finanzministerium hat dagegen die Ansicht ausgesprochen, daß den betreffenden Hauseigentümern die Entschädigung nicht nach dem im Jahre 1819 erhobenen, sondern nur nach demjenigen Werte zu leisten sei, welchen die Gebäude im Augenblicke der Einlösung besitzen. Mit Rücksicht auf die in dem analogen Falle von Peterwardein und Neusatz durch Ah. Entschließung vom 7. Juni 1850, MRZ. 2185, genehmigte Bestimmung, wornach den Eigentümern der dort zu demolierenden Häuser in keinem Falle eine den Schätzungswert vom Jahre 1821 übersteigende Ablösung ab aerario zu leisten, vielmehr die später eingetretene Deteriorierung der Objekte bei Bemessung der Ablösungsquote in Anschlag zu bringen ist, würde der Minister des Inneren keinen Anstand nehmen, der Ansicht des Finanzministeriums in dieser Beziehung beizutreten und, nachdem auch der Kriegsminister und die übrigen Votanten hiermit einverstanden waren, die betreffende Kommission beauftragen lassen, daß sie sofort die Erhebung des dermaligen Wertes der Gebäude vornehmen und weiters im Sinne der gedachten Ah. Entschließung vorgehe.
In Ansehung der aus Billigkeitsgründen zu entschädigenden Häuserbesitzer ergab sich bei der Verhandlung keine Differenz. Die Geldfrage bleibt vorderhand außer Anschlag. Der Finanzminister konnte jedoch den Wunsch nicht unterdrücken, daß auch hierfür aus der ordentlichen Geniedotation Rat geschafft werden möge.
II. Bestellung eines Kurators für die Krakauer Universität
Der Unterrichtsminister brachte seinen Vortrag vom 14. November 1852, MCZ. 3649, zur Kenntnis der Konferenz, womit Sr. Majestät aus Anlaß der an der Krakauer Universität gemachten widrigen Wahrnehmungen2 die Aufhebung der freien Wahl der akademischen Würdenträger und deren künftige Ernennung nach Einvernehmung der Polizei- und Militärautoritäten durch Se. Majestät vorgeschlagen und der erste Vorschlag hierzu für die vier Dekansstellen und für den Posten eines Kurators der Universität erstattet wurde, wozu der Oberlandesgerichtspräsident Bartynowski in Antrag gebracht worden ist. Die Minister des Inneren und der Justiz äußerten den Wunsch, daß statt des Nationalpolen Bartynowski, welcher seinen Nationalen gegenüber kaum die nötige Festigkeit und Unparteilichkeit würde bewahren können, lieber ein Deutscher, etwa Gubernialrat Hietzgern oder der Landeschef von Krakau selbst, möchte gewählt werden3. || S. 324 PDF || Allein der Unterrichtsminister glaubte, gestützt auf die Empfehlung Bartynowskis von allen Autoritäten, von seinem Vorschlage nicht abgehen zu können, weil es doch wünschenswert ist, daß zum Kurator der Universität ein Mann gewählt werde, der an der Wissenschaft und ihren Fortschritten Interesse nimmt, wie dies bei Bartynowski der Fall ist, gegen dessen makellose Loyalität übrigens von keiner Seite die geringste Einwendung gemacht wurde4.
III. Pensionszulage für den Lehrer Gregor Borowski
Der in dem Vortrage des Unterrichtsministers vom 4. November 1852 5 wegen Belassung des ganzen Aktivitätsgehalts von 350 f. samt Zulage per 50 f. als Pension für den Brzezaner Hauptschullehrer Gregor Borowski von Seite des Finanzministeriums erhobene Anstand wegen Mangels der Ah. Aufforderung wurde durch die beistimmende Erklärung des Finanzministers behoben.
IV. Synode der griechisch-nichtunierten Bischöfe in Karlowitz
Der Kultusminister brachte zur Kenntnis der Ministerkonferenz den ihm vom Grafen Coronini angezeigten Stand der Verhandlungen bei der in Karlowitz versammelten Synode der griechisch-nichtunierten Bischöfe mit folgendem: Nachdem der Patriarch Rajacsich mit seinem Begehren, auch die griechisch- nichtunierten Bischöfe von Siebenbürgen, Dalmatien und Bukowina im Falle der Sedisvakanz durch die Synode wählen zu lassen, von dem Kultusminister abgewiesen worden war, weil das erstgenannte Bistum durch Wahl aim eigenen Sprengela, die beiden letzteren durch unmittelbare Ernennung Sr. Majestät besetzt werden, fand sich der Patriarch bestimmt, die beiden zur Synode gekommenen Bischöfe von Dalmatien und Siebenbürgenb (cder Bischof der Bukowinac war nicht eingetroffen) von den Synodalverhandlungen auszuschließen. Alles Zureden von Seite des Landeschefs und des eigens nach Karlowitz gekommenen Metropoliten von Serbien blieb fruchtlos. Unter diesen Umständen erübrigte dem Grafen Coronini nichts, als die Synodalversammlungen – unter Vorbehalt der Erklärung ihrer Ungültigkeit von Sr. Majestät – provisorisch zusammentreten und stattfinden zu lassen, den beiden ausgeschlossenen Bischöfen aber ihre Separatvota über die Gegenstände der Verhandlung abzufordern6.
V. Begnadigungsgesuch des Stephan Vitan
Das Ah. signierte Begnadigungsgesuch des wegen Teilnahme an der ungrischen Rebellion zu sechsjähriger Freiheitsstrafe verurteilten Stephan Vitán ward über Antrag des Justizministers einhellig einer Berücksichtigung für unwert erkannt, || S. 325 PDF || weil der Verurteilte Teilnehmer eines Blutgerichts war, von welchem neun Gutgesinnte zum Tode verurteilt worden sind7.
VI. Depositengebührengesetz (= Sammelprotokoll Nr. 63)
In der heutigen Sitzung wurde auch, zeuge des besonderen Protokolls, die Beratung über den Entwurf eines Gesetzes über die Gebühren von gerichtlichen Depositen zu Ende gebracht8.
Wien, am 16. November 1852. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz ]oseph. Wien, 24. November 1852.