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Nr. 51 Ministerkonferenz, Wien, 12. Oktober - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 12. 10.), Bach 16. 10., Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion, Thun bei IV.

MRZ. – KZ. 3694 – (Prot. Nr. 48/1852) –

Protokoll der am 12. Oktober 1852 zu Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Statuten der Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft

Der Minister des Inneren referierte über die Meinungsdifferenz, welche zwischen dem Ministerium des Handels und dem des Inneren in Ansehung der in dem Vortrag des ersteren vom 25. August 1852, KZ. 3631, MCZ. 2866, angeführten Paragraphe der modifizierten Statuten der Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft besteht. Der Minister des Inneren erklärte sich mit den vom Handelsminister bezüglich jener Statutenparagraphe sowohl im Vortrage vom 25. August gegebenen als auch heute mündlich wiederholten Aufklärungen für beruhigt und mit dessen Anträgen vollkommen einverstanden, wornach also die berührte Differenz als behoben anzusehen ist.

II. Übergabe der Herrschaft Kis-Bér an das Militär

Der Kriegsminister hatte in der Konferenz vom 17. Juli 1852, MCZ. 2240, infolge Ah. Entschließung Sr. Majestät wegen Beförderung der Pferdezucht in der Monarchie überhaupt und in Ungern insbesondere den Antrag gemacht, die Herrschaft Kis-Bér für ein Militärgestüt zu widmen1, welcher Antrag die Ah. Genehmigung unterm 3. August 1852 mit der Weisung erhielt, hiernach im Einvernehmen mit dem Finanzminister das Nötige zu veranlassen2. Er hat sich demgemäß an den gedachten Minister mit der Anfrage gewendet, unter welchen Bedingungen die Übergabe jener Herrschaft an das Militär geschehen könne. In der hierauf erhaltenen Eröffnung wurde bemerkt, daß das Kultusministerium auf Einschreiten des Fürsten Primas von Ungern eine Verhandlung in der Absicht eingeleitet habe, damit diese ursprünglich der ehemaligen Propstei zu Hanta gehörige Herrschaft für kirchliche Zwecke zurückgestellt werde. Außerdem wurde erinnert, daß der sechsmonatige Anmeldungstermin für Privatforderungen, welche auf das gesamte konfiszierte Vermögen des Rebellen Casimir Graf Batthyány bekanntlich in nicht geringem Umfange bestehen, zufolge neuerlichem Einvernehmen mit dem Justizministerium erst demnächst werde ausgeschrieben werden, daher vor Ablauf dieses Termins mit voller Gewißheit nicht abgesprochen werden könne, ob die zur Anmeldung gelangenden Passiven nicht || S. 259 PDF || das ganze Vermögen erschöpfen, in welchem Falle es selbst vom Ärar den Gläubigern werde hinausgegeben werden müssen. Was nun diesen letzteren Umstand betrifft, nämlich die Ausschreibung des Anmeldetermins für Privatforderungen, so erklärte der Kriegsminister hiergegen als einen gesetzmäßigen Vorgang nichts einwenden zu können und nur den Justizminister ersuchen zu sollen, daß diese Ausschreibung unaufgehalten eingeleitet werde. Was aber die Ansprüche des Fürsten Primas anbelangt, so müßte der Kriegsminister sich dagegen verwahren, daß die Übergabe dieses Gutes an das Militär von der Austragung der diesfälligen Verhandlung abhängig gemacht werde, und er müßte auf der Aufrechterhaltung der Ah. Bestimmung vom 3. August 1852 über die Widmung von Kis-Ber um so mehr bestehen, als dieses Gut, wie bekannt, seit langeher im Besitze der Familie Batthyány war, ohne daß dagegen von Seite des Primas Ansprüche erhoben, noch weniger aber geltend gemacht worden sind. In diesem Sinne gedächte daher der Kriegsminister sowohl an den Finanz- als an den Justizminister die Antwort zu erlassen.

Die Konferenz fand hiergegen nichts zu erinnern, nur bemerkte der Finanzminister, daß es sowohl mit Rücksicht auf den wahrscheinlichen Stand der Passiven der Casimir Batthyányschen Masse als auch mit Rücksicht auf die allgemeine Widmung der konfiszierten Rebellengüter in Ungern überhaupt sich in letzter Auflösung darum handeln werde, die Herrschaft Kis-Bér für den beabsichtigten Zweck von Seite des Ärars zu kaufen. Die bei diesem Anlasse zur Sprache gekommene Anforderung eines Mietzinses für das Schloß von Kis-Bér, welches zu einem Militärspital benützt werden soll, bildet den Gegenstand einer abgesonderten Verhandlung3.

III. Reservepflicht der ausgedienten Kapitulanten des 53. Infanterieregiments und der treu gebliebenen italienischen Truppen

Der Kriegsminister referierte weiters über die Frage, ob die aus dem Stande des Infanterieregiments Erzherzog Leopold Nr. 53 mit dem Ende 1853 zur Entlassung kommenden 1441 Mann der Reserveverpflichtung unterliegen. Dieselben sind vermöge einer Proklamation des Banus von Kroatien im Jahre 1848/49 ausdrücklich nur auf vier Jahre assentiert worden, und es ist über Antrag des Ministeriums des Inneren mit Kriegsministeriumsreskript vom 12. Mai 1851, KZ. 3456, das vom Banus kraft seiner Vollmacht in jener bedrängten Zeit verkündigte Zugeständnis dem ganzen Umfange nach bestätigt worden4. Ohne also mit diesem in Widerspruch zu geraten, könnte der in Rede stehenden Mannschaft die Reserveverpflichtung nicht wohl aufgebürdet werden. Den entschiedensten Ausschlag aber dürfte geben, daß Se. Majestät über Kriegsministervortrag vom 12. Juni 1852 zu beschließen geruhten, daß die im Jahre 1848 in || S. 260 PDF || Siebenbürgen gegen das Zugeständnis einer bloß dreijährigen Kapitulation und doppelter Anrechnung der im Kriege zugebrachten Dienstzeit gestellten Rekruten definitiv und ohne Reserveverpflichtung entlassen werden sollen5. Der Kriegsminister war daher der Ansicht, daß im Geiste dieser Ah. Entschließung die kroatisch-slawonische Mannschaft des genannten Regiments ohne Reserveverpflichtung zu entlassen sei. Bei dieser Gelegenheit erwähnte der Kriegsminister auch der treu gebliebenen italienischen Soldaten, welchen durch einen Ah. Gnadenakt ein- und beziehungsweise zweijährige Dienstzeitnachsicht erteilt worden ist6. Dieselben haben mit Sicherheit darauf gerechnet, nach Vollstreckung der sechs- oder siebenjährigen Dienstzeit ihre definitive Entlassung zu erhalten. Die Auferlegung der Reservepflicht, obwohl sie gesetzlich dazu verhalten werden könnten, würde von ihnen als eine Verkümmerung des um ihrer Treue willen gewährten Ah. Gnadenaktes angesehen werden. Sonach dürfte auch für sie im Gnadenwege um die Nachsicht der Reservepflicht bei Sr. Majestät eingeschritten werden.

Die Ministerkonferenz war mit dem einen sowie mit dem anderen Antrage einverstanden, und [es] wurde nur von Seite der Minister des Inneren, der Justiz und der Finanzen bezüglich der Italiener besonders hervorgehoben, daß deren Befreiung von der Reservepflicht nur als ein Akt besonderer Ah. Gnade, als Belohnung ihrer Treue, nicht aber als ein bloßes Korollarium der Abkürzung ihrer Kapitulationszeit angesehen werden könne, weil diese letztere, an und für sich schon eine Begünstigung, nicht auch eine weitere Gunst und die Enthebung von einer nach vollendeten Kapitulationszeit bei allen Truppen eintretenden Dienstesverpflichtung in sich schließt.

IV. Aufhebung der Bezeichnung „provisorisch“ bei den seit 4. März 1849 erlassenen Gesetzen

Der Finanzminister fand sich zu der Bemerkung veranlaßt, daß seit 4. März 1849 eine Reihe von Gesetzen mit Rücksicht auf den 120 der Reichsverfassung von diesem Tage als provisorische Gesetze erlassen worden sind7, Da denselben der Charakter der Provisorität nur infolge des zitierten Paragraphes der Reichsverfassung anklebt, so ist es klar, daß mit der Aufhebung der Reichsverfassung durch die Ah. Bestimmungen vom 31. Dezember 1851 8 auch dieser provisorische Charakter der Gesetze entfällt und sie als von dem höchsten Gesetzgeber erlassen wirklich definitive Gesetze sind. Von den aus anderen Rücksichten, nämlich als bloße Übergangs- oder transitorische Verfügungen ausdrücklich für provisorische Gesetze erklärten, ist hier nicht die Rede. Es ist nun in der Geschäftspraxis der Fall, daß bei jenen Gesetzen, denen bloß wegen des Vorbehalts der reichstäglichen Bestätigung der Charakter des Provisoriums gegeben wurde, fortan ungeachtet des Wegfallens der Ursache die Bezeichnung „provisorisch“ beibehalten wird, ja es hat sich anläßlich einer Verhandlung mit || S. 261 PDF || der Stadt Triest wegen Übernahme des Wechselstempels ergeben, daß die Einwendung gemacht wurde, das ganze Tax- und Stempelgesetz sei nur ein provisorisches9. Um nun solchen Irrtümern zu begegnen und die Gesetze in die ihnen durch die Ah. Entschließungen vom 20. August und 31. Dezember 1851 angewiesene Stellung zu setzen10, glaubte der Finanzminister es der Erwägung der Konferenz unterziehen zu sollen, ob nicht alle diese in Rede stehenden Gesetze ausdrücklich für definitive erklärt oder wenigstens den Behörden die Weisung erteilt werden dürfte, sich, wenn sie selbe zu berufen oder zu beziehen in den Fall kommen, der Bezeichnung „provisorisch“ nicht mehr zu bedienen. Ersteres erschien weder dem Minister des Inneren noch dem Justizminister notwendig; denn ein, wenn auch als provisorisch, in welchem Sinne immer, bezeichnetes Gesetz behält solange seine Gültigkeit, bis es durch ein anderes vom Gesetzgeber erlassenes ersetzt oder widerrufen ist. Insofern also bedarf es einer allgemeinen ausdrücklichen Erklärung nicht. Diese aber, und selbst eine Weisung an die Behörden hierwegen, bedürfte nach dem Erachten des Justizministers einer Ah. Ermächtigung, da dies eine neue gesetzliche Bestimmung wäre, welche den Wirkungskreis der Ministerien überschreitet.

Insofern nun von Seite der übrigen Minister– der Kultusminister war bei dieser Deliberation IV nicht zugegen – eine allgemeine Verfügung nicht für nötig gehalten wird, behielt sich der Finanzminister vor, von seinem Standpunkte aus in Ansehung der Steuer- und Finanzgesetze das Nötige bei Sr. Majestät in Antrag zu bringen11.

V. Börsenordnung (= Sammelprotokoll Nr. 78)

Schließlich ward die Beratung der Börsenordnung fortgesetzt, welche in einem besonderen Protokolle erscheint12.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, 18. Oktober 1852.