Nr. 20 Ministerkonferenz, Wien, 15. Juni 1852 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Buol, K. Krauß, Bach, Thinnfeld, Baumgartner
- 3 Hefte; RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; die BdE.Bestätigung der Einsicht wurde auf den einzelnen Heften vorgenommen; anw.anwesend Buol, K. Krauß, Bach, Thinnfeld, Baumgartner; abw.abwesend Thun, Stadion, Csorich (bestätigte aber die Einsichtnahme auf jedem Heft); das Datum der Ah. E. und die Unterschrift des Kaisers befinden sich nur auf dem 3. (letzten) Heft.
MRZ. – KZ. (Prot. Nr. 19/1852) –
Protokoll der am 15. Juni 1852 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
Heft 1
BdE. (Buol 16. 6.), K. Krauß, Bach 3. 7., Thinnfeld 19. 6., Baumgartner, Csorich (der aber nicht anwesend war).
I. Erhebung des Hofrates Joseph v. Remekházy in den Freiherrnstand
Der Justizminister Freiherr v. Krauß referierte über den von dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Grafen v. Taaffe erneuerten Antrag, für den dortigen Hofrat der ungarischen Abteilung v. Remekhazy die Verleihung des Freiherrnstandes von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erbitten. Hofrat Remekházy v. Gurahoncz ist im verflossenen Jahre um die Verleihung des Stephansordens eingeschritten, welches Einschreiten jedoch, da man um die Orden nicht einkommt, nicht unterstützt wurde. Graf Taaffe hat bei jenem Anlasse auf die Verleihung des Baronates an Remekházy angetragen, Se. Majestät haben aber diesem Antrage keine Folge zu geben geruht1. Graf Taaffe bemerkt, daß die abweisende Ah. Entschließung den Hofrat Remekházy erschüttert habe, daß sein Diensteifer dadurch nicht vermindert wurde, und daß er sich endlich bemüht habe, die Masse von ungarischen Rückständen aufarbeiten zu helfen, und er erneuert nun nach Verlauf eines Jahres [seit] jener Ah. Abweisung seinen oberwähnten Antrag.
Die Ministerkonferenz findet sich jedoch auch dermal nicht veranlaßt, diesen Antrag bei Sr. Majestät zu unterstützen. Hofrat v. Remekhazy diene zwar ungefähr 25 Jahre im ganzen, und darunter etwa 10 Jahre unentgeltlicha, zur Zufriedenheit, allein seine Leistungen überschreiten nicht das Maß des Gewöhnlichen, und er gehört nicht unter die ausgezeichneten Kapazitäten. Seine redliche Pflichterfüllung habe in der schnellen Karriere, die er gemacht, ihren Lohn gefunden. Neue Verdienste sind seit dem verflossenen Jahre nicht hinzugekommen. || S. 118 PDF || Auch würde er durch die Erlangung des Baronates gleichsam einen Adelsgrad überspringen, was in dem gegenwärtigen Falle keineswegs angemessen zu sein schiene.
Wien, am 16. Juni 1852. Gr[af] Buol.
Ah. E. Dient zur Wissenschaft.
Heft 2
BdE. (BuoI 16. 6.), Bach 3. 7., Thinnfeld 3. 7., K. Krauß, Csorich (der aber nicht anwesend war).
II. Strafprozeßordnung
Der Justizminister Freiherr v. Krauß setzte seinen Vortrag über die Grundlinien für das neue Strafverfahren, und zwar vom Art. 44 bis zum Art. 55, fort2.
Zum Art. 48, welcher sagt: „Über diese Anträge (Art. 47) hat sofort das Obergericht ohne Zulassung von Zuhörern sowie ohne Beiziehung der Staatsanwaltschaft zu entscheiden“ fand der Minister des Inneren zu bemerken, daß die Weglassung der Staatsanwaltschaft hier nicht angemessen zu sein scheine und daß bezüglich der Staatsanwaltschaft in der zweiten Instanz derselbe Vorgang eingehalten werden sollte, wie er für die erste Instanz im Art. 31 normiert ist, welcher Artikel folgendes bestimmt: „Bei der Sitzung hat zuerst der Referent des Gerichtshofes in Anwesenheit des Staatsanwaltes seinen Bericht über das Tatsächliche des Falles vorzutragen, und sofort ist hierüber der Staatsanwalt mit seinen Anträgen zu hören. Hierauf hat der Staatsanwalt abzutreten und der Gerichtshof über dessen Anträge zu entscheiden.“ Da der Staatsanwaltb bei der ersten Instanz interveniert, so hätte derselbe schon der Analogie wegen auch in der zweiten Instanz bei der Gerichtssitzung .gehört zu werden, ohne jedoch eine schriftliche Meinung abzugeben, und er hätte vor der Urteilsschöpfung abzutreten. Dieser Vorgang, meint der Minister des Inneren, würde überdies wesentlich zur Abkürzung und Beschleunigung des Geschäftes beitragen. Da dieser Ansicht die übrigen Stimmführer der Konferenz mit Einschluß des Justizministers beitraten, so wurde beschlossen, in dem Art. 46 am geeigneten Platze etwa folgenden Satz einzuschalten: „Der Staatsanwalt hat statt der schriftlichen Meinung bei der Sitzung seine Anträge zu stellen“, und hiernach auch die anderen Artikel, wo nötig, und insbesondere den Art. 48, in folgender Art zu modifizieren: „Über diese Anträge hat sofort das Obergericht ohne Zulassung von Zuhörern und nach Abtretung des Staatsanwaltes zu entscheiden“ c .
Wien, am 16. Juni 1852. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis.
Heft 3
BdE. (Buol 16. 6.), K. Krauß, Thinnfeld 19. 6., Baumgartner 3. 7., Csorich (der aber nicht anwesend war): Gelesen und desgleichen einverstanden, weil die militätischen Rücksichten bei der Bezeichnung der Linie gewahrt sind. Csorich, FML.
III. Bau einer italienischen Zentraleisenbahn
Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Ritter v. Baumgartner brachte den gegenwärtigen vom Ritter v. Negrelli angezeigten Stand der Verhandlungen wegen des Baues einer italienischen Zentraleisenbahn, welche von Mailand, Mantua über Piacenza, Bologna, Florenz ins Römische und weiter nach Rom gehen soll, zur Kenntnis des Ministerrates3. Wie aus den früheren Verhandlungen bekannt ist, haben die Staaten Österreich, Rom, Florenz, Modena und Parma in einer Kommission zu Florenz sich dahin geeinigt, den Bau der gedachten Zentraleisenbahn einer Gesellschaft gegen 5%ige Zinsengarantie und gegen dem zu überlassen, daß der Bau in einer bestimmten Zeit zur Ausführung komme4. Jetzt hat sich eine Gesellschaft für diesen Bau gefunden, und es wurde mit ihr der Vertrag sub spe rati abgeschlossen. Parma und besonders Modena erhoben dagegen aus dem Grunde Schwierigkeiten, weil nach ihrer Ansicht die Gesellschaft nicht genug Garantie für die Ausführung des Werkes darbiete. Gegenwärtig stehen, wie Negrelli bemerkt, die Sachen insofern günstiger, als Parma dem Vertrag bereits beigetreten ist, und die Baugesellschaft sich mit einer anderen englischen Gesellschaft vereinigte, wodurch jeder Zweifel an der Möglichkeit der kontraktmäßigen Ausführung des Baues als behoben erscheinen dürfte. Gegenwärtig handelt es sich nur noch um den Beitritt Modenas, welches erklärte, daß es seinen Teil selbst, und wie es meint, wohlfeiler bauen wolle. Der referierende Minister fände es im Interesse Österreichs und würde deshalb einen großen Wert darauf legen, daß der ganze Bau in einer Hand, nämlich bei der erwähnten Gesellschaft bleibe, weil bei der großen Zerstückelung der italienischen Staaten sonst zu besorgen wäre, daß der Bau gar nicht zustande kommen werde. Es entstehe nun die Frage, ob, wenn Modena durchaus darauf bestände, den dasselbe betreffenden Teil der Bahn selbst zu bauen, die anderen vier Regierungen mit der Gesellschaft definitiv abschließen sollen oder nicht. Der Minister Ritter v. Baumgartner erklärt sich für die[se] Beziehung, weil es besser ist, vier Fünftel als nichts zu haben, und weil bei den Anstrengungen Piemonts und der Schweiz, in dem Eisenbahnbaue einen Vorsprung zu gewinnen, viel daran liegt, keine Zeit zu verlieren und den gedachten Bestrebungen der Nachbarstaaten wirksam entgegenzutreten. Nach seiner Ansicht wäre dem Ritter v. Negrelli zu antworten, daß er soviel möglich sich angelegen lassen sein solle, die neu eingetretenen günstigen Umstände, nämlich den Beitritt Parmas und die Vereinigung der Gesellschaft mit einer anderen, bekannt zu machen und insbesondere die Regierung von Modena darüber aufzuklären, mit dem Bestreben, ihren Beitritt zu dem Vertrage zu erzielen. Sollte aber Modena durchaus auf seinem Vorhaben, seinen Teil selbst zu bauen, || S. 120 PDF || bestehen und für die Ausführung seines Vorhabens die nötige Garantie geben, dann wäre der auf Modena entfallende Teil der Eisenbahn auszuscheiden, und in Ansehung des übrigen Teils wäre von den anderen vier Regierungen der Vertrag mit der Gesellschaft definitiv abzuschließen.
Die Ministerkonferenz erklärte sich damit einverstanden5.
Wien, am 16. Juni 1852. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 11. August 1853 6.