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Nr. 7 Ministerkonferenz, Wien, 1. Mai 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.,. P. Marherr,. VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 1. 5.), Bach 4. 5., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 4. 5.; abw. Thinnfeld, Stadion.

MRZ. – KZ. 1684 – (Prot. Nr. 6/1852) –

Protokoll der am 1. Mai 1852 zu Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Staatsanstellung für Adalbert Heller

Der Justizminister referierte über das Ah. signierte Gesuch der Gubernialsekretärsgattin Chominski in Lemberg um Behebung des ihrem Verwandten, dem absolvierten Juristen Adalbert Heller, gegen dessen Anstellung in k. k. Diensten als Auskultant entgegenstehende Hindernis, welches darin besteht, daß derselbe wegen Teilnahme an der galizischen Verschwörung von 1840 zum Tode verurteilt!, 1845 aber begnadigt worden ist. Er hat seitdem seine Studien fortgesetzt und vollendet und nach dem Zeugnisse der Lokal- und Landesautoritäten ein in jeder Hinsicht untadelhaftes Benehmen an den Tag gelegt1, namentlich aber von den Bewegungen der Jahre 1848 und 1849 sich ganz ferngehalten, vielmehr sich als treuen Anhänger der Regierung dargestellt. Unter diesen Umständen würde der Justizminister keinen Anstand nehmen, auf die Behebung des gedachten Hindernisses bei Sr. Majestät behufs der Anstellung Hellers als Auskultant – und zwar, wie der Minister des Inneren vorschlug, außerhalb Galiziens – anzutragen, womit auch die übrigen Votanten einverstanden waren2.

II. Organisierung der dalmatinischen Gerichtsbehörden

Derselbe Minister referierte über die Organisierung der Kollegialgerichtsbehörden in Dalmatien3. Die Präturen bleiben hier außer Anschlag, und [es] wird ein vorläufig vom Minister des Inneren angeregter Vorschlag wegen Errichtung einer abgesonderten gemischten Prätur zu Risano vom Justizminister berücksichtigt werden. Was nun die dalmatinischen Kollegialgerichtsbehörden betrifft, so soll nach dem neuen Organisierungsplane das Oberlandesgericht in Zara einen || S. 45 PDF || Präsidenten mit 5000 fr., acht Räte, zwei à 2500 fr., sechs à 2000 fr., zwei Ratssekretäre, 37 beadjutete Auskultanten, einen Vorsteher der Hilfsämter, zwei Adjunkten, drei Kanzlisten, aPortier und Dienera – zusammen mit einem Kostenaufwande von 38.016 fr. - erhalten. Landesgerichte werden vier angetragen: zu Zara, Spalato, Ragusa und Cattaro mit einem Präsidenten a 3000 fr., drei à 2500 fr., 24 Räten à 1600, 1400 und 1200 fr., wovon neun für Zara, sieben für Spalato und je vier für Cattaro und Ragusa bestimmt sind, ein Sekretär für jedes, Gerichtsadjunkten, Rechnungsrevisoren, Hilfspersonale, zusammen 81.600 fr. Die Staatsanwaltschaft mit einem Ober-, vier Staatsanwälten, zugleich Räten mit angemessener Funktionszulage, fünf Substituten und dem erforderlichen Schreiberpersonale wird einen Aufwand von 7850 fr. verursachen. Endlich sollen vier Gerichtsärzte, ein Wundarzt, ein Seelsorger und ein Scharfrichter mit angemessenen Bestallungen angestellt werden, so daß sich der Gesamtaufwand beziffert auf: 134.966 fr., gegen den Aufwand von 89.592 fr. der älteren Verfassung zwar um 45.374 fr. mehr, gegen jenen jedoch, welcher nach dem letzten Organisierungsplane mit 176.200 fr. veranschlagt war, um 41.234 fr. weniger.

Die Konferenz fand gegen diese Organisierungsanträge nichts einzuwenden4, ebensowenig als gegen den weiteren Antrag eben dieses Ministers

III. Zusatz zur dalmatinischen Notariatsordnung

zur Ergänzung einer Lücke in der dalmatinischen Notariatsordnung von 18275, welche über das Recht der Notare zur Aufbewahrung von Privaturkunden, so keine Notariatsakte sind, und die dafür abzunehmenden Gebühren nichts bestimmt, diejenigen Anordnungen vorzuschlagen, welche die Notariatsordnung von 18506 in dieser Beziehung über die Zulässigkeit solcher Urkundenverwahrung und über deren Taxe (1 fr. 5 Kreuzer für die Aufbewahrung, 15 Kreuzer für die Ausfolgung) enthält7.

IV. Organisierung der nautischen Schulen

Der Kultus- und Unterrichtsminister brachte mit Beziehung auf seinen Vortrag vom 9. März 1852, MRZ. 855, wegen Organisierung der nautischen Schulen zur Kenntnis der Konferenz, daß die hierbei zwischen ihm und dem Finanzminister obwaltende Meinungsdifferenz nunmehr durch eine wechselseitige Verständigung behoben worden sei und brachte weiters

V. Urlaubserteilung für Professoren zu wissenschaftlichen Reisen

seinen Vortrag vom 19. April d.J., MCZ. 1315, wegen Erteilung eines sechsmonatigen Urlaubs bins Auslandb an Professor Schleicher ohne Gagekarenz sowie wegen Ermächtigung des Ministers für Unterricht, im allgemeinen solche Urlaube zu wissenschaftlichen Reisen auf sechs Monate ohne Gehaltsabzug erteilen zu dürfen, in der Rücksicht in der Ministerkonferenz zur Sprache, weil hiermit eine Änderung im Wirkungskreise seines Ministerii herbeigeführt wird8, gegen welche übrigens von keiner Seite eine Einwendung erhoben wurde.

VI. Straferlaß für den Kapitän Azzobardi

Der Minister des Äußern brachte die Angelegenheit des wegen Tabakkonterbande zu einer Geldstrafe von 5800 fr. verurteilten Kapitäns Azzobardi des englischen Schiffs Luna, das seit zehn Monaten im Hafen von Triest zurückgehalten wird, aus Anlaß der Verwendung des englischen Botschafters zugunsten desselben in Vortrag. Von Seite des Finanzministeriums wurde zwar erklärt, daß kein Grund zu einer Strafnachsicht für Azzobardi bestehe. Insofern jedoch aus politischen Rücksichten der Verwendung des englischen Botschafters einiges Gewicht zugestanden werden wollte, würde der Finanzminister einer angemessenen Milderung des Strafbetrages nicht entgegen sein, sobald diese Rücksichten vom Ministerium des Äußern geltend gemacht würden. Der Minister des Äußern wird sonach in geeignete Rücksprache mit ihm treten9.

VII. Kundmachungspatent zum ABGB. für Ungarn, Kroatien, Slawonien und die Woiwodina

kam der Entwurf des Kundmachungspatentes zum ABGB. für Ungarn, Kroatien, Slawonien, die serbische Woiwodschaft und das Temescher Banat zum Vortrage10.

Zum § 3 schlug der Kriegsminister mit Beziehung auf die Bestimmungen der Militärjurisdiktions­norm vom Dezember 185111 folgenden Zusatz vor: „Jedoch haben die der Militärgerichtsbarkeit angehörenden Personen in Ehesachen durchgängig den Bestimmungen des ABGB. zu folgen“, welcher Zusatz einstimmig angenommen und vom Justizminister an geeigneter Stelle eingeschaltet werden wird. Zum 2. Absatze dieses Paragraphes wünschte der Kultusminister , daß den geistlichen Gerichtsbehörden, da ihnen in der Hauptsache, nämlich über das Eheband selbst, die Entscheidung eingeräumt wird, auch das Recht vorbehalten werden möge, über die akzessorischen Fragen: Absonderung des Vermögens, Erziehung der Kinder etc. eine Vergleichsverhandlung mit den Parteien zu pflegen; es schiene dies [sowohl] im Interesse dieser als der Staatsverwaltung selbst zu liegen, damit nicht nebst dem ohnehin mit der Hauptverhandlung beauftragten noch ein zweites Gericht über die Akzessorien in Anspruch genommen werden muß, || S. 47 PDF || wenn die Parteien zu einer Ausgleichung geneigt sind. Mißlingt der Vergleichsversuch vor dem geistlichen Gerichte, so versteht es sich von selbst, daß die Streitfragen vor dem ordentlichen Richter ausgetragen werden müssen. Der Minister des Inneren schloß sich diesem Antrage an, weil ihm derselbe durch die Konnexität der in Rede stehenden Verhandlungen mit der Hauptsache gerechtfertigt und die neuere Fassung des Schlusses dieses Paragraphes, wornach den geistlichen Gerichten jede Ingerenz bei den solche Fragen betreffenden Gegenständen versagt ist, allzu exklusiv geschienen hätte. Er würde daher die Herstellung des früher gewählten Ausdrucks „Streitigkeiten“ statt „Gegenstände“ wünschen. Allein die übrigen, also die mehreren Stimmen teilten die Ansicht des referierenden Justizministers , welcher die Einräumung der vom Kultusminister beantragten Ermächtigung bei einigen der in Rede stehenden Verhandlungen, z. B. bei jener über die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, für überflüssig hielt, indem hierüber ohnehin nur dann gesprochen werden kann, wenn vom Pfarrer ein Vergleich zwischen den Eheleuten fruchtlos versucht worden, bei anderen aber, namentlich bei jenen über Vermögensteilung und Kindererziehung, wirklich für bedenklich erachtete, indem bei der bekannten Tendenz der geistlichen Autoritäten, in Ehesachen nur den kanonischen Satzungen mit Ausschluß aller weltlichen Gesetze Geltung zu verschaffen, nur zur Umgehung der Bestimmungen des ABGB. Veranlassung gegeben werden würde.

Zum § 4 bemerkte der Kultusminister : Nachdem der Landtagsartikel III von 1843/4412 nur von Ehen zwischen römisch-katholischen und zu einer der evangelischen Konfessionen gehörenden Personen spricht, so sei es nicht angemessen, dessen Bestimmungen hier im 2. Absatze des Paragraphes im allgemeinen auf Katholiken und Nichtkatholiken, also auch Griechen etc. auszudehnen. Der Justizminister entgegnete zwar, daß diese Ausdehnung bereits durch die Ah. sanktionierten Landtagsartikel von 184813 verfügt worden sei, mithin durch die Bestimmung des 2. Absatzes des § 4 nichts Neues angeordnet, sondern nur das gesetzlich Bestehende wieder ausgesprochen wurde. Allein der Kultusminister machte bemerklich, daß gegen die gesetzliche Giltigkeit der Landtagsartikel von 1848 schon mehrfältig Zweifel und Bedenken erhoben worden sind14, und daß es also um so minder ratsam wäre, Bestimmungen dieser letzteren zu korroborieren, welche die Gesetzgebung in der Folge selbst über Anverlangen der geistlichen Autoritäten wieder abzuändern für nötig finden könnte. Die übrigen Stimmführer waren jedoch in der Hauptsache mit dem Entwurfe rücksichtlich mit dem Antrage des Justizministers einverstanden und glaubten, daß in dieser Beziehung der bisherige faktische Zustand status quo aufrechtzuerhalten wäre, || S. 48 PDF || indem, wie der Minister des Inneren bemerkte, dieser Zustand mit Zustimmung der kirchlichen Autorität besteht und nach den Bestimmungen der Artikel von 1843 und 1848 verfahren wird, eine Änderung in kirchlichen Dingen aber, wie der Finanzminister hinzusetzte, bei der Gereiztheit der Gemüter nach der vorausgegangenen politischen Revolution in Ungern Anlaß zu einer religiösen Aufregung geben könnte. Ob übrigens der Landtagsartikei von 1843 ausdrücklich zu berufen und ob nicht vielmehr lediglich auf das in der besprochenen Beziehung Bestehende hinzuweisen wäre, glaubten diese Stimmführer dem Ermessen des Justizministers überlassen zu sollen.

Zu §7, ad 1, beantragte der Kultusminister die Hinweglassung der auf die Privilegien sich beziehenden Stelle, indem es ihm genügend schiene, von Fall zu Fall, wenn Streitfragen darüber vorkommen, zu entscheiden. Auch der Minister des Inneren würde die diesfällige Bestimmung nicht für unentbehrlich halten, indem der hier zunächst maßgebende § 13 des ABGB. nicht von politischen, sondern nur von privatrechtlichen Privilegien, z. B. Mautprivilegien etc., spricht. Da indessen der Justizministerter hervorhob, daß die Bestimmung des § 7, ad 1, vornehmlich darum notwendig sei, um in Ungern die Meinung über die Fortdauer gewisser politischer Vorrechte zu benehmen, und daß deswegen sogar in die nähere Bezeichnung der als giltig anzusehenden Privilegien eingegangen wurde, so ergab sich von Seite der übrigen Stimmführer weiter kein Anstand gegen die Beibehaltung des Absatzes 1 des § 7. Zum Absatz 3 eben dieses Paragraphes machte der Kultusminister darauf aufmerksam, wie es nicht unbedenklich wäre, die allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuchs auf die Erbfolge bei Bauerngütern simpliciter in Anwendung zu bringen, nachdem trotz der Aufhebung des Untertänigkeitsverbandes15, doch jedenfalls nach § 34 der Grundzüge vom 31. Dezember 1851, für die Aufrechterhaltung der bäuerlichen Grundkomplexe gesorgt werden muß16. Um in dieser Angelegenheit jedoch mit voller Beruhigung eine Meinung abgeben zu können, erscheint eine genaue Übersicht der in Ansehung der bäuerlichen Erbfolge in Ungern bestehenden Vorschriften wünschenswert, welche in der nächsten Sitzung zu liefern der Justizminister zusagte17.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 7. Mai 1852.