Probleme der Edition - Retrodigitalisat (PDF)

Die Ministerkonferenz (XXVIII). — Kanzleitechnische Fragen (XLI). — Die Struktur der politischen Willensbildung (XLV). — Zum Kommentar (LXI).

Der Weg zur Wiedereinführung des Absolutismus in Österreich nach der konstitutionellen Ära seit 1848 war bereits mit den Stationen: Einsetzung des Reichsrates (Reichsratsstatut vom 13. April 1851), Aufhebung der Ministerverantwortlichkeit (Ah. Handschreiben vom 20. August 1851) und Liquidierung der Reichsverfassung durch das Silvesterpatent vom 31. Dezember 1851 1 markiert. Mit der Umwandlung des Ministerrates in eine Ministerkonferenz und mit der Aufhebung des konstitutionellen Ministerpräsidentenamtes am 14. April 1852 nach dem Tode Schwarzenbergs wurde die neue absolutistische Regierungsform endgültig festgelegt. Damit war die staatsrechtliche euordnung im Sinne des Neoabsolutismus abgeschlossen2.

Der vorliegende Band enthält die Ministerkonferenzprotokolle der Frühzeit der neoabsolutis­tischen Epoche (14. April 1852 bis 13. März 1853). In dieser Zeit geht es daher in der Hauptsache, nachdem die Wiedereinführung des Absolutismus bereits beschlossene Sache war, um dessen formale, organisatorische, behörden- und verwaltungstechnische Ausgestaltung.

Die Ministerkonferenz - Retrodigitalisat (PDF)

Die Einheit zwischen Monarch und Ministern, wie sie die „Reichsverfassung“ vom 4. März 1849 als Regierungspostulat formuliert hatte3, war also zum Zeitpunkt des 14. April 1852 nicht mehr existent. || S. 29 PDF || Daß für den Kaiser diese Einheit wahrscheinlich nie ein gültiges Regierungsprinzip dargestellt hatte, darauf deutet eine Bemerkung Kübecks, die bereits vom 19. Oktober 1850 stammt und besagt, „daß er [der Kaiser] von den Arbeiten erdrückt [werde] und dem Ministerium allein gegenüber nicht mehr aufkommen könne und daher entschlossen sei, den in der Verfassungsurkunde bezeichneten Reichsrat ins Leben zu rufen4“. Der Wunsch nach Beseitigung des Ministerrates ging demnach, das darf man wohl annehmen, vom Kaiser aus. Uns beschäftigt hier aber vorerst einmal das Problem, wer für die Ausgestaltung des Absolutismus, so wie er in der Ministerkonferenz vom 14. April 1852 verkündet wurde, die Grundlagen lieferte5.

Die Verbindung des Kaisers mit Kübeck spätestens im Jahre 18506 und mit Metternich, der 1851 aus dem Exil zurückkehrte7, erscheint als ein wichtiger Schritt dazu. Daß letzterer bei weitem mehr war als ein „Beobachter in der Loge8“, ließe sich an Hand der vielen Tagebucheintragungen Kübecks und des Chefs der Obersten Polizeibehörde Kempen beweisen, die von zahlreichen Besuchen des Kaisers bei Metternich berichten, namentlich, wenn wichtige Entscheidungen gefällt werden sollten9. Ab Juli 1851 waren damit die beiden Staatsmänner aus dem Vormärz, der 73jährige Kübeck und der 79jährige Metternich, zu den wichtigsten Beratern des jungen Monarchen avanciert. Beide, Kübeck sowie Metternich, haben auch tatsächlich entscheidende Unterstützung bei der Beseitigung des Ministerrates geleistet. H. Rumpier hat das Ringen zwischen dem Kaiser und Kübeck einerseits und den Ministern andererseits um die Errichtung eines Reichsrates als Kronrat des Kaisers eingehend geschildert10. Aus diesem Ringen gingen schließlich der Kaiser und Kübeck siegreich hervor. Die Rolle, welche Metternich besonders im Endkampf, als es um die Formung der zukünftigen Regierungsorganisation ging, spielte, spiegelt dessen Memoire vom 27. März 1852 wider11.

In einem Brief an Kübeck vom gleichen Tag sprach sich Metternich deutlich aus: „Die Manifestationen vom 20. August und 31. Dezember [1851] haben erklärt, daß der Kaiser wieder regieren werde! Dies ist vortrefflich; die Sache ist entschieden; das Wie bleibt zu regeln. Die ersten Werkzeuge zum Zweck sind die Minister und der Reichsrat ... Ich glaube nicht, daß es nötig wäre, die Absurditäten, welche die Benennungen Ministerrat und Ministerpräsident bieten, durch Dekrete aufzuheben; man stelle den Grundsatz fest und lasse die Sache selbst einschlafen, || S. 30 PDF || indem man das Wort Rat mit dem Konferenzen ersetzt und bei Zeit und Gelegenheit keinen Ministerpräsidenten mehr ernennt, sondern einem Minister den Vorsitz bei den Konferenzen anweist12.“ „Zeit und Gelegenheit“ für die entsprechenden Maßnahmen kamen – bereits neun Tage später durch den Tod des Ministerpräsidenten Fürst Schwarzenberg am 5. April 1852 –, wie es scheint, äußerst gelegen und nicht unerwartet, da Schwarzenberg, was Eingeweihte wußten, schon längere Zeit krank war13. Das Metternichsche Elaborat war wahrscheinlich im Hinblick auf einen solchen Fall vorbereitet gewesen. Anläßlich des Todes Schwarzenbergs führte Metternich noch einmal aus: „Ministerrat und Ministerpräsident“ entsprächen nicht dem „monarchischen Regierungs­begriffe“. Sie seien „Überbleibsel des modernen ... zu Grabe getragenen Konstitutionalismus“, und durch die „Verantwortlichkeit der Minister gegenüber der Volksvertretung“ bedeuteten sie „die Verseichtung der persönlichen Responsabilitäten mittelst deren Verflachung durch die Gremialverantwortlichkeit“. „Sie stellen“, so resümiert Metternich abschließend, „den Monarchen außer die Regierung und sind sonach das schulgerechte Produkt der Rolle, welche der genannte Konstitutionalismus dem Oberhaupt des Staates, die eines Dalai Lama, anweist. Wenden Sie diese Aussprüche auf die eine der Stellen, welche der Fürst von Schwarzenberg bekleidete, an, so werden Sie den Schluß aus ihnen ziehen, daß ich glaube, daß, bevor Se. Majestät einen Entschluß in Anbetracht des Wortlautes Ministerrat und Ministerpräsident getroffen haben dürften, von der Besetzung des letzteren dieser Stellen die Rede nicht sein sollte. Daß die Minister Konferenzen, das heißt Besprechungen, unter sich abhalten müßten, dies ist unerläßlich und [darauf] beruht eben die Unterlassungssünde der vormärzlichen Zeit14.“

Wir wissen nicht genau, was sich hinter den Kulissen in der Zeit zwischen dem Tod Schwarzenbergs am 5. April 1852 und der „Ansprache des Kaisers an die Minister und Reichsräte“ am 14. April 1852 15 abspielte, in welcher der Kaiser den letzten Schritt zur Vollendung des Neoabsolutismus tat und verkündete, die Stelle eines Ministerpräsidenten nicht mehr besetzen und den Ministerrat in eine Ministerkonferenz umwandeln zu wollen. Es dürfte jedoch ein heftiges Tauziehen eingesetzt haben, welches sich letztlich auf die Frage der Ernennung eines Ministerpräsidenten konzentrierte. Daß es dabei um die Person Bachs ging, erleichterte den Feinden des Ministerrates ihr Spiel, da Bach in der Öffentlichkeit als eine höchst umstrittene Persönlichkeit „der Barrikade“ angesehen wurdea .

|| S. 31 PDF || Am 6. April 1852, also einen Tag nach dem Tod Schwarzenbergs (es ist zugleich jenes Datum, an dem Metternich seine vorher erwähnten Vorschläge an Kübeck richtete), wußte Kübeck bereits zu berichten, daß die Berufung Buols, des österreichischen Gesandten in London, als Minister des kaiserlichen Hauses und des Äußern bereits erfolgt sei16, daß eine Umwandlung des Ministerrates in eine „Ministerberatung oder Konferenz17“ bevorstehe und daß aus dem Amt des Ministerpräsidenten dasjenige eines „Präsidenten der Beratung“ geschaffen werden sollte. Buol war auch zu diesem Amt ausersehen. In der Folge schien sich die Waagschale jedoch wieder zugunsten Bachs zu neigen; wohl nicht zuletzt unter dem Einfluß der Erzherzogin Sophie18, was in einem Ah. Handschreiben an Bach vom 9. April 1852 seinen Höhepunkt fand, durch welches Bach als dem Ältesten im Amte „die Präsidialleitung der Ministerberatungen bis auf weiteres“ übertragen wurde19. Dieses Handbillet soll bereits seit dem 7. April 1852 bereitgelegen sein. Kübeck jedoch, von Grünne, dem Ersten Generaladjutanten des Kaisers, gerufen, intervenierte20.

Die ersten Verfügungen waren also vom Kaiser (eventuell unter Mitwirkung seiner Mutter) im Alleingang, also ohne Kübeck und vor allem ohne Metternich, getroffen worden21. Der Besuch Franz Josephs bei Metternich erfolgte erst am 11. April 1852 22; am selben Tag erging das Ernennungs­schreiben an Buol23. Hand in Hand damit war Bach fallengelassen worden. Damit hatten Metternich und Kübeck einen klaren Sieg davongetragen. Der letzte Absatz der Rede des Monarchen vom 14. April 1852 trägt im Konzept des Kaisers besonders deutlich die Züge des Metternichschen Elaborats24. Die Option des kaum 22jährigen Souveräns zugunsten der Vorschläge Kübecks und Metternichs, deren politischer Stil noch in der Zeit des Großvaters des Kaisers, Franz I. (II.), geprägt worden war, legte die Regierungsstruktur für die folgenden Jahre fest.

Für die Ausformung des Neoabsolutismus im Jahre 1852 sind daher generell die Vorstellungen Kübecks und Metternichs über Regierung und Verwaltung zu untersuchen.

In dem Regierungsprogramm, welches der Altstaatskanzler Metternich 1851/52 Kaiser Franz Joseph anbot, finden wir jenes Regierungsmodell fast unverändert wieder, wie er es bereits || S. 32 PDF || im Jahre 1814 für Kaiser Franz I. entworfen hatte: vor allem strikte „Gewaltenteilung“ zwischen Monarch, Regierung und Verwaltung. Was die Reorganisierung des Staatsrates und der Staats­konferenz betraf, so plädierte er damals für eine strenge Trennung der beiden Körperschaften.

Dabei sollte die „Ministerialkonferenz nie eine beratende Stelle“ werden, oberste Beratungsinstanz des Kaisers hätte nach wie vor der „Staatsrat“ zu bleiben, an dessen Ratschläge der Monarch jedoch in keiner Weise gebunden war25. Dieses Modell: der Monarch als „über den Grenzen der Verwaltung“ stehend, der „Staatsrat“ als oberste konsultative Behörde und die „Ministerial­konferenz“, welcher in der Hauptsache die Koordinierung der verschiedenen Verwaltungszweige zukam, wurde vom Kaiser Franz I. sanktioniert. Daß sie nie in dieser Form funktionierte, da man – was die Ministerialkonferenzen betraf – zu den alten, vom Kaiser bloß fallweise einberufenen Konferenzen zurückkehrte26, ist in unserem Zusammenhang nicht wichtig.

Auch 1852 billigt Metternich nur dem Monarchen die absolute Souveränität zu. Die Minister sind „Oberleiter der höchsten Regierungsbehörden“, die „ersten Träger der Verwaltung“ wie die Chefs der alten Hofstellen des Vormärz. Allerdings mit einem Unterschied: Die Stellung der Minister wird klarer umschrieben, und die Ministerkonferenzen werden zu einer ständigen Einrichtung27. Da aber Metternich nach wie vor „als ein wichtiges Element in der Mechanik, welche Regierung heißt, ... das Vorhandensein einer mit keiner exekutiven Gewalt beschwerten beratenden Behörde“ erachtete, ob diese nun „Staats- oder Reichsrat, Consulta u. a.“ hieße, drängte er auch auf die Institution eines solchen „Rates der Krone“ und bedachte den endlich mit der Errichtung des Reichsrates betrauten Baron Kübeck eifrig mit seinen Ratschlägen in dieser Richtung28. Das große Vorbild, das für Metternich 1851/52 genauso galt wie 1814, war der französische Absolutismus, genauer der Staatsrat und das Regierungsmodell Napoleons I., das er als Botschafter in Paris kennengelernt hatte. „Napoleon“, sagte Metternich expressis verbis, „der wohl zu den absolutesten Geistern zählte, || S. 33 PDF || betrachtete seine Minister nur als Antragsteller, den Staatsrat als prüfende Behörde und sich selbst als beschließende Gewalt29.“ Auch Kübeck war mit der Einrichtung und den Prinzipien des Staatsrates gründlich vertraut30. Verschiedentlich nahm er, als er von Franz Joseph mit der Errichtung des Reichsrates betraut wurde, auf die Metternichschen Organisierungsprogramme für den Staatsrat Bezug. Das alte absolutistische Regierungskonzept Monarch – Staatsrat – Konferenz sollte nun von Kübeck und Metternich wiederbelebt werden, wobei dem zu errichtenden Reichsrat (wie dem alten Staatsrat) die Funktionen eines Beratungsorgans der Krone, ja darüber hinaus die eines Kontrollorgans des Ministerrates zugedacht waren; er sollte als wirksames Gegengewicht zur „ministeriellen Allmacht“ dienen31. Die ihrer konstitutionellen Qualitäten beraubte Ministerkonferenz sollte eine bloß antragstellende Behörde bilden.

Die Kontroverse in der historischen Literatur, ob der Reichsrat von 1851 als Fortsetzung des Staatsrates gedacht war oder nicht32, dürfte auf einem Mißverständnis beruhen, nämlich auf einer Verwechslung der Metternichschen Pläne für die Organisierung von Staatsrat und Ministerial­konferenz von 1814 (welche tatsächlich mehr oder weniger nach Metternichs Vorstellungen ausgeführt worden waren) und den Reorganisierungsprojekten von 1836 (die niemals zum Durchbruch gelangt waren). Wir müssen hier festhalten, daß die Metternichschen Vorstellungen über Regierung und Verwaltung von 1851/52 seinen Projekten von 1814 weitgehend entsprachen. Daß auch die zeitgenössische Kanzleipraxis den Kübeckschen Reichsrat als Rechtsnachfolger des vormärzlichen Staatsrates betrachtete, zeigt die Tatsache, daß 1851 das Archiv des Staatsrates vom Reichsrat übernommen wurde33. Nach dem kurzen konstitutionellen Intermezzo von 1848 bis 1851 || S. 34 PDF || läßt sich also eine Kontinuität von den vormärzlichen Einrichtungen zu den neoabsolutistischen durchaus feststellen. Für die Vertreter eines Regierungsabsolutismus sind diese Kontinuität und die vorher skizzierte Konzeption auch folgerichtig.

In diesem Zusammenhang erhebt sich nun die Frage nach den Vorstellungen der maßgeblichen Verfechter einer wie auch immer gestalteten Verfassung, z. B. des Ministerpräsidenten Schwarzenberg. Festzustehen scheint, daß man einerseits das „monarchische Prinzip“ im Sinne Stadions als Maxime für eine Regierung Österreichs aufstellte, andererseits aber auch den Absolutismus vormärzlicher Prägung ablehnte und noch einer „anderen Autorität34“ als dem Kaiser verpflichtet sein wollte. Ebenso sicher ist aber, und darin war man sich mit den Gegenspielern Metternich und Kübeck einig, daß diese „andere Autorität“ nicht der Volkssouveränität entspringen dürfte35. Man plädierte also für eine Verfassung, aufgrund derer der Ministerrat berechtigt war, gemeinsam mit dem Monarchen zu regieren36, doch auf welchen Prinzipien diese Verfassung beruhen sollte, wer den Ministerrat stützen sollte im Falle, daß die Krone ihn einmal zu liquidieren trachtete, darüber dürfte man sich wenig Gedanken gemacht haben. Wohl ebensowenig war man sich dessen bewußt, daß man die eigene Macht zu untergraben begonnen hatte, als man gemeinsam mit dem Souverän den Kremsierer Reichstag beseitigte. Man operierte mit vagen Vorstellungen, und die Frage erscheint berechtigt, ob das konstitutionelle Prinzip in seiner vollen Tragweite klar erfaßt wurde und ob man nicht im Grunde nur einen ministeriellen Absolutismus an die Stelle des monarchischen setzen wollte. Daß man sich selbst als fortschrittlich, ja als „liberaI37“ einstufte, soweit es den Aufbau eines modernen Verwaltungskörpers betraf, das sei unbestritten.

Bei diesem Mangel an prinzipieller Substanz des Konstitutionalismus hatten die „Ideologen“ Metternich und Kübeck ein leichtes Spiel, den kaum 22jährigen zur Autokratie geneigten Herrscher zu überzeugen, daß der altbewährte Weg des Absolutismus zugleich auch der gangbarste sei.

Die Geschäftsordnung für die Ministerkonferenz vom 28. Mai 1852 38 trägt der veränderten Stellung der Ministerkonferenz bereits Rechnung. || S. 35 PDF || Sie zeigt klar, wie der Kaiser und der Reichsratspräsident Kübeck die Position der Ministerkonferenz in Zukunft verstanden wissen wollten.

Die Textgeschichte dieser Geschäftsordnung demonstriert die schrittweise Bedeutungs­verminderung des ehemaligen Ministerrates. Ihre Entstehung steht im Zusammenhang mit der Debatte um den „Wirkungskreis für das Gesamtministerium“, welches Schriftstück von Fürst Schwarzenberg am 9. Jänner 1852 dem Kaiser vorgelegt worden war. Am 14. Februar 1852 erfolgte eine Diskussion im Reichsrat darüber, in der vom zuständigen Referenten (Reichsrat Krieg) die „Vorfrage“ gestellt wurde, ob „der Ministerrat einen bloß beratenden oder auch einen beschließenden Körper bilde39“. Nun gab es damals längst die Ah. Handschreiben vom 20. August 1851 mit der Aufhebung der Ministerverantwortlichkeit und im Anschluß daran die unzweideutige Feststellung, daß keine Ministerratsbeschlüsse mehr ausgefertigt werden dürften und „wohl der Minister, nicht aber der Ministerrat als vollziehendes Organ“ zu bestehen hätte40. Das Silvesterpatent ließ keinen Zweifel daran, wie es um Verfassung und konstitutionelle Institutionen in Österreich in Hinkunft bestellt sein sollte. Angesichts dieses eindeutigen kaiserlichen Diktums wirkt nun die abermalige Debatte des Reichsrates, ob denn nun der Ministerrat eine bloß beratende oder auch eine beschließende Behörde sei, einigermaßen befremdend. Sie kann nur damit erklärt werden, daß die Minister ihrerseits die Frage wieder aufgeworfen hatten und den jungen Herrscher umzustimmen trachteten. Auch in dem so untertänig klingenden Entwurf des „Wirkungskreises des Gesamtministeriums“ kam der Wille zum Ausdruck, die organisatorischen Vorbedingungen für die Rückgewinnung der verlorenen Macht zu retten. Darüber hinaus ist anzunehmen, daß die Minister Anfang 1852 nicht nur diesen „Wirkungskreis“ für ihre Absichten benützten, sondern die Hebel von verschiedenen Seiten ansetzten41. Sei es nun, daß ihre Versuche von Erfolg gekrönt zu sein schienen und der Reichsrat sozusagen geschlossen in einer Plenardebatte ein Protestvotum abzugeben beabsichtigte, sei es, daß der Reichsrat als Kronrat von einem verunsicherten Kaiser dazu aufgefordert wurde, eine echte Entscheidung zu fällen, oder auch nur, daß Franz Joseph gegenüber den Ministern Rückenstärkung benötigte – der Reichsrat kam überein, „dem Ministerrat unter Berufung auf die Ah. Handschreiben vom 20. August 1851 eine bloß beratende Wirksamkeit“ zuzuerkennen. Einzig und allein Reichsrat Szögyenÿ erhob Protest: „ ... es könne dem Ministerrat ohne einen Abbruch für seine Würde und den Zweck seines Bestehens die Befugnis zur Beschlußfassung nicht abgesprochen werden“, und dort, wo ein Minister die Angelegenheiten seines Faches selbst vor das Forum des Ministerrates bringe, solle der von diesem gefaßte Entschluß „volle Geltung“ haben. Interessant ist das Votum des ehemaligen Ministers des Jahres 1848 und nunmehrigen Reichsrates Philipp Krauß, der zwar die Ratsfunktion des Ministerrates bejahte, ihm jedoch das Recht zur Beschlußfassung nicht einräumen zu können vermeinte, || S. 36 PDF || weil der Kaiser dem Ministerrat keine „bestimmten Geschäfte zur Entscheidung“ zugewiesen hätte. Er suchte aber betont, den „unverkennbaren Nutzen“ der Ministerberatungen „insbesondere zur Erzielung von Übereinstimmung in den Verfügungen der einzelnen Ministerien, von Gründlichkeit in den Vorschlägen zu neuen Gesetzen, zur unmittelbaren Ausgleichung der Verschiedenheit der Ansichten dieser Geschäfte, die den Wirkungskreis zweier oder mehrerer Ministerien berühren“, hervorzuheben - wahrscheinlich befürchtend, mit der Aberkennung des Beschlußfassungscharakters könne in Bälde das endgültige Todesurteil für den Ministerrat gesprochen werden. Derartige Befürchtungen waren nicht von der Hand zu weisen, nachdem der ausschließliche Ratscharakter des Ministerrates entschieden worden war. Denn faktisch stand man vor der Tatsache, zwei „Bruderbehörden“ geschaffen zu haben. Zwei die Krone beratende Körperschaften, der Reichsrat und der Ministerrat, standen einander in „nebengeordneten“ Rängen42 gegenüber – hinzugefügt muß werden: in feindlicher Rivalität. Das bereits zitierte Elaborat des Altstaatskanzlers Metternich43, das er doch wohl nicht unaufgefordert verfaßt hatte, darf als erlösende Antwort auf diese Frage gesehen werden. Die Rückkehr zu den vormärzlichen Verhältnissen der Regierungspraxis war somit eine zwangsläufige Folge des Antagonismus der entscheidenden Regierungsfaktoren.

Die undatierten „Bestimmungen über die Ministerkonferenzen44“, die Vorstufe der Geschäftsordnung, wahrscheinlich infolge der Reichsratsdebatte vom 14. Februar 1852 um den Wirkungskreis des Gesamtministeriums von Kübeck entworfen, lassen bei vorsichtiger Deutung den Schluß zu, daß sie erst nach dem Metternichschen Votum ihre endgültige Formung erhielten, daher der Terminus a quo der Endfassung mit 27. März 1852 anzusetzen wäre; es wurde weder die Bezeichnung „Ministerrat“ noch „Ministerkonferenz“, sondern die unverbindliche Benennung „Ministerberatungen“ gewählt und später korrigiert45.

Die letzte Möglichkeit zu einem wirksamen geschlossenen Widerstand bot für die Minister die Debatte über die von Kanzleidirektor Ransonnet aufgrund der Kübeckschen Vorschläge entworfenen Geschäftsordnung am 27. April 1852 46. Sie wurde jedoch, wie das Protokoll der Ministerkonferenz zeigt, nicht genützt. Die Tatsache, daß die Minister die letzte Beschneidung ihrer Machtsphäre ohne vehementen Widerspruch hinnahmen, ist nicht ganz unerklärlich. Der Kampf war bereits unmittelbar vorher, durch den Tod Schwarzenbergs, den Erlaß der Bestimmungen vom 12. April 1852 47, schließlich durch die Programmrede des Kaisers vom 14. April 1852 48 zugunsten Kübecks entschieden worden.

|| S. 37 PDF || Vor allem war mit den Bestimmungen vom 12. April 1852 der Machtkampf um den Wirkungskreis des Gesamtministeriums beendet. Er hatte sich gerade deshalb mit jener Heftigkeit entsponnen, weil die Festlegung des Wirkungskreises für die Minister eine letzte Chance dargestellt hatte, wenigstens die Organisation des Ministerrates in dessen Gesamtheit zu sichern49. Und dieser Punkt bot Anlaß für ein letztes Auflehnen: In der Ministerratssitzung vom 27. April 1852 wehrten sich die Minister dagegen, die Bestimmungen vom 12. April 1852 über den Wirkungskreis wörtlich in die Geschäftsordnung für die Ministerkonferenz aufzunehmen50. Im Grunde war jedoch diese Weigerung, sich auch noch durch eine in der Geschäftsordnung enthaltene detaillierte Vorschreibung jener Gegenstände, die überhaupt beraten werden durften, völlig die Hände binden zu lassen, eine recht schwache Demonstration, die sich dementsprechend auch als nutzlos erweisen sollte. Der von der Ministerkonferenz sorgfältig aus der Geschäftsordnung verbannte § 3 wurde nach dem Antrag des Reichsrates mit nur geringen Modifikationen wieder aufgenommen51.

In der Reichsratsdebatte vom 13. Mai 1852 über die Geschäftsordnung ging es Kübeck schließlich darum, der Ministerkonferenz jeglichen Nimbus einer Behörde zu nehmen. Seine Vorgangsweise war pedantisch genau52. Er ging bis ins kleinste Detail: Im § 1 streicht er das Wort „gewöhnlich“, dort im Sinne von ordentlich, regelmäßig gebraucht; das schwächt die institutionelle Bedeutung der Ministerkonferenz, ihre Beratungen erhalten den Charakter des Zufälligen. Kübeck fügt im § 4 vor „Präsident“ das Wort „leitende“ ein, damit keine Verwechslung mit dem konstitutionellen Präsidenten in Frage käme. Schwerer wiegt der Antrag des Reichsrates Buol-Bernburg, für Gegenstände, die der Ah. Schlußfassung vorbehalten bleiben sollten, sogenannte „abgesonderte Protokolle“ anzufertigen, um sie den Vorträgen beilegen zu können, welcher Proposition die Plenarsitzung des Reichsrates voll zustimmte. Ja, man ging weiter und stellte den Antrag, über alle in den Ministerkonferenzen besprochenen Gegenstände „Einzelprotokolle“ zu verfertigen. Mit der Ausführung dieses Vorschlages erhielten die Protokolle jetzt erst recht den ausschließlichen Wert von Informationen53. Der ehemalige Minister Ph. Krauß unternahm einen letzten Rettungsversuch mit einem zunächst bürokratisch anmutenden Vorschlag, dessen Durchführung eine beträchtliche Arbeitsvermehrung zur Folge gehabt hätte: Aktenauszüge anzufertigen und damit das „dermalen bestimmte Personale bei der Konferenzkanzlei“ zu betrauen54. || S. 38 PDF || Damit war allerdings ein wichtiger Punkt, nämlich der Weiterbestand der Ministerkonferenzkanzlei, berührt; Schwarzenberg hatte es nämlich verstanden, diese Kanzlei zu einem sehr mächtigen Apparat auszubauen55. Entschieden versuchte nun Kübeck, diesen großen Apparat zumindest zu reduzieren, wenn nicht ganz aufzulösen – mit dem Hintergedanken, die Ministerkonferenz ohne eine entsprechende Administration hinter sich als Behörde handlungsunfähig zu machen56. Er schlug deshalb im Verein mit dem Reichsrat Buol-Bernburg vor, jene Agenden, welche bis jetzt von der Ministerratskanzlei besorgt worden waren, „jedoch in unmittelbarem und engem Zusammenhange mit den Verrichtungen der Kabinettskanzlei stünden“, der Kabinettskanzlei zuzuweisen. Zieht man in Betracht, daß die Beamtenschaft des Kabinettsarchivs laut § 13 des Reichsratsstatuts auch für den Kanzleidienst des Reichsrates verwendet wurde57, so wird die Absicht offenbar, die Angelegenheiten innerhalb der Kanzleibehandlung zu vermengen. Doch konnte in der Reichsratssitzung dank der Intervention Philipp Krauß‘ keine Einigung erzielt werden, und man beschloß, die Frage der personellen Organisation der Ministerkonferenzkanzlei noch offenzulassen. Das mächtige Instrument der Konferenzkanzlei, wie es unter dem Ministerium Schwarzenberg bestanden hatte, blieb daher de jure ohne Veränderung erhalten. De facto wurde jedoch ihre Bedeutung vermindert, indem in den folgenden Jahren „systemisierte Personalstellen“ einfach unbesetzt blieben58.

Nur in einem Punkt entsprach der Reichsrat dem Antrag der Minister: Er strich jenen Passus, der den Ministern offiziell zugestand, vor den Konferenzen Komiteesitzungen abhalten zu dürfen – ein selbstverständliches Recht eines Ministers, dessen ausdrückliche Betonung seine Würde empfindlich verletzen mußte. Ebenso beließ man schließlich jedem Minister das Recht, „nach Erfordernis des Dienstes die Berufung einer außerordentlichen Konferenz bei dem Präsidenten“ anzuregen. Dieses Recht war im übrigen von den Mitgliedern der alten Konferenz des Vormärz längst geübt worden59. Dagegen fehlte in der neuen Geschäftsordnung jeder Hinweis, Fachreferenten den Beratungen beiziehen zu dürfen – auch dies ein selbstverständlich gehandhabtes Recht der alten Konferenz, || S. 39 PDF || welches für die Zeit nach 1848 bzw. nach 1867 übernommen wurde60. Die Minister des Neoabsolutismus wußten sich in der Form zu helfen, daß sie entsprechende Referenten zu den vor den Ministerkonferenzen stattfindenden Komiteesitzungen einluden61. Der Wert der Ministerkonferenz als ernst zu nehmendes Diskussionsforum war mit dem formellen Verbot der Beiziehung von Referenten aber doch in Frage gestellt.

Für einen Vergleich dieser Geschäftsordnung mit dem Statut des Jahres 184862, in welchem der Ministerrat zum „Zentralpunkt der Regierung“ erklärt und die Verantwortlichkeit der einzelnen Minister sowie des Ministerrates im gesamten festgelegt war, bieten sich kaum konkrete Anknüpfungsmöglichkeiten. In einem einzigen Punkt ist ein Vergleich möglich und zulässig; dieser betrifft die Funktionen des Vorsitzenden (Präsidenten) der Ministerkonferenz. Wie Komjáthy feststellt, fehlten bereits im Statut von 1848 nähere Bestimmungen über das Amt eines österreichischen Ministerpräsidenten; jene Obliegenheiten des Ministerpräsidenten, welche ausdrücklich festgehalten wurden, waren lediglich administrativer Natur und nicht Funktionen eines Regierungschefs63. Dies wird 1852 im wesentlichen wiederholt: Ein „leitender Präsident“, den der Herrscher für den Zweck der Ordnung innerhalb der Ministerkonferenz zu bestimmen sich vorbehalten habe, hätte „als Präsident der Ministerkonferenzen zu fungieren64“. Die Funktion des Vorsitzenden lediglich als primus inter pares ist also nicht neu, und wenn Fürst Salm in der Reichsratsdebatte vom 14. Februar 1852 im „Wirkungskreis des Gesamtministeriums“ eine „Norm für den Wirkungskreis des Ministerpräsidenten“ vermißte und vorschlug, dieser solle „als solcher kein Portefeuille haben65“, so ist das wohl nur der übertriebenen Befürchtung eines Reichsrates zuzuschreiben, der damals noch lebende Ministerpräsident Schwarzenberg könne seine Macht, welche er kraft seiner Persönlichkeit und der Bedeutung seines Amtes als Außenminister zeitweise beim jungen Kaiser innehatte, „statutenmäßig“ stabilisieren.

Im Zuge der Umwandlung des Ministerrates in eine Ministerkonferenz wurde Carl Graf Buol-Schauenstein zum Minister des Äußern und des kaiserlichen Hauses ernannt und „zugleich“ mit dem Vorsitz in der Ministerkonferenz betraut. Dies drückt deutlich aus, daß die Ernennung zum Vorsitzenden der Ministerkonferenz deshalb erfolgte, weil der Minister des Äußern im österreichischen Kaiserstaat den ersten Ministerrang innehatte66. || S. 40 PDF || Komjáthy verfolgt die Verbindung zwischen dem Amt des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses mit dem des Staatskanzlers bzw. des Vorsitzenden des Ministerrates von 1742 bis 1914 und hebt die Tatsache hervor, daß der österreichische Ministerpräsident kein eigentlicher Regierungschef war67. Hinzuzufügen wäre, daß die Abneigung gegen einen „Premierminister“, der dem Monarchen wenn auch nicht de jure, so doch de facto die Regierungsgewalt beschneiden konnte, bereits bei Kaiser Franz I. konstatierbar ist68 und daß die schwache „statutenmäßige“ Berücksichtigung des österreichischen Ministerpräsidentenamtes 1848, 1852 und 1867 nicht zufällig ist, sondern durchaus in der Konsequenz der gesamthabsburgischen, vom Absolutismus geprägten Vorstellungswelt von Staats-und Regierungsgewalt liegt.

Graf Buol-Schauenstein war ein mittelmäßiger und, zumindest was die Innenpolitik betrifft, ein unzureichend informierter Vorsitzender. Er war, wie die Protokolle zeigen, außerstande, sich an den Diskussionen über Administration und Staatsapparat zu beteiligen, und er saß so wirklich nur den Konferenzen vor, welche er im Grunde verachtete69. Enttäuscht von der Ministerkonferenz, hielt er das Amt als Minister des Äußern für seine wichtigste Funktion. Er versuchte nie, die Ministerkonferenz entscheidend zu beeinflussen, zu lenken oder gar aufzuwerten. Doch auch der Kaiser als „sein eigener Ministerpräsident“ blieb der Konferenz beharrlich ferne, wohl um zu demonstrieren, welch geringe Bedeutung ihr in seinem Regierungssystem zugedacht warb .

Die Geschäftsordnung vom 28. Mai 1852 drückt also genau das aus, was der Kaiser und der Reichsratspräsident in der Ministerkonferenz sehen wollten – ein Organ der Verwaltungs­koordination, das den Souverän in Wirklichkeit nur mehr informieren sollte. Zur Beratung der Krone, dem vornehmsten Amt in einem absoluten Staate, war der Reichsrat berufen, und nicht zufällig gab in der „Versammlung der Minister und Reichsräte“ am 14. April 1852 der Reichsratspräsident als erster seine Stimme ab, und nicht zufällig erscheint seine Signatur vor der des Vorsitzenden der Ministerkonferenz Buol auf dem Protokoll. Kübeck hatte daneben in dem für den Neoabsolutismus so entscheidenden Verwaltungsapparat eine wichtige Schlüsselposition inne.

Der in ihrer Bedeutung so verminderten Ministerkonferenz entzog man weitere Funktionen: am 17. Jänner 1853 wurde das Ministerium für Landeskultur und Bergwesen aufgelöst, kurz darauf das Kriegsministerium70. Daß der Kaiser auch die Militäradministration der Beratung in der || S. 41 PDF || Ministerkonferenz entzog, ist in Anbetracht der Wichtigkeit des Militärs für die Sicherung des absolutistischen Regimes ebenso konsequent wie die Immediatstellung des Chefs der neugegründeten Obersten Polizeibehörde (die Benennung ist sicher in bewußter Analogie zur Terminologie des Vormärz so gewählt worden). Ihr Leiter, Kempen, gehörte nicht der Ministerkonferenz an, was für die Bedeutung seiner persönlichen Position und jener seines Verwaltungszweiges spricht71. Man erhob ihn sozusagen über die Ministerkonferenz, der er in keiner Weise zur Auskunft verpflichtet war. Daß die Minister sich ihrer Degradierung wohl bewußt waren, zeigt, daß sie sich ihrer Verantwortung „als Ratgeber“ entzogen72; sie hatten resigniert und waren, wie ihre Haltung etwa in der Diskussion um die Geschäftsordnung, um das Problem der Ordensverleihungen oder ihr einstimmiges Plädoyer für die Wiedereinführung des Hofratstitels zeigt73, bereit, sich völlig dem kaiserlichen Willen zu unterwerfen, ja, der Ah. Selbstgefälligkeit zu schmeicheln. In Anbetracht der Tatsache, daß es der Krone gelungen war, das absolutistische System konsequent auf den Stützpfeilern Armee, Polizei und Verwaltung wiederaufzubauen und sich in den Leitern dieser Verwaltungszweige Grünne, Kempen und Kübeck verläßliche Berater zu sichern, wäre es für die Minister auch aussichtslos gewesen, sich massiver zur Wehr zu setzen.

Kanzleitechnische Fragen - Retrodigitalisat (PDF)

Die praktisch am 14. April 1852 endgültig veränderte Regierungsstruktur manifestiert sich deutlich auch in den rein organisatorischen Fragen der kanzleitechnischen Behandlung der Minister­konferenzprotokolle und der ihnen zuzuordnenden Akten.

Nach außen hin wurde der modifizierten Position des Ministerrates durch eine Reihe von Namensänderungen Rechnung getragen. Vom Begriff „Ministerrat“ ausgehend (oder auch „das Ministerium“), was den Regierungscharakter noch zum Ausdruck brachte, kam man, als die zukünftige Stellung des Ministerrates um die Jahreswende noch nicht endgültig geklärt war, zu „Gesamtministerium“. Dem folgte das unverbindlichere „Ministerberatungen74“. Schließlich wählte man „Ministerkonferenzen75“, wobei auffällig ist, daß meistens die Pluralbildung des Wortes gebraucht ist, wohl deshalb, weil damit die Vorstellung einer geschlossenen Körperschaft verhindert und der Zufälligkeitscharakter dieser „Zusammenkünfte“ oder „Besprechungen“ betont wurde76. Der Ausdruck „Konferenzen“ wurde in bewußter Anlehnung an die Terminologie des Vormärz || S. 42 PDF || (Staatskonferenz) gewählt, und gewiß nicht zufällig verwendet Kübeck in seinem Tagebuch am 28. Mai 1852 die Phrase: „Geschäftsordnung für die Staatskonferenzen77“ (anstatt Ministerkonferenzen). Im allgemeinen bürgerte sich als Bezeichnung für die Sitzungen der Minister „Ministerkonferenz“ ein und wurde auch von den Protokollführern im Protokolltitel durchgehend verwendet. Fand die Beratung jedoch unter Vorsitz des Kaisers statt, wurde diese als „Konferenz“ bezeichnet, wie z. B. die „Versammlung der Minister und Reichsräte“ am 14. April 1852 78. (Daß diese „Konferenz“ als außerordentlich betrachtet wurde, kommt auch in der Aktenzählung zum Ausdruck, welche dieses Protokoll übergeht. Die sonst übliche Neunumerierung der Protokolle bei Beginn eines neuen Ministeriums fehlt hier. Erst das nächstfolgende Protokoll trägt als erstes des Ministeriums Buol-Schauenstein die Signatur Nr. 179.)

Die Sitzungen des in diesem Band in Frage kommenden Zeitabschnitts fanden in der Regel zweimal wöchentlich statt, 1852 am Dienstag und Samstag einer jeden Woche, 1853 am Montag und Donnerstag. Es ist wahrscheinlich, daß zu diesen routinemäßigen Beratungen keine eigenen Einladungen ergingen. Die Führung der Protokolle, festgelegt in § 8 der Geschäftsordnung, oblag den beiden Protokollführern, Josef Marherr und Wenzel Wacek, die in der Führung der Protokolle abwechselten. Der Kanzleidirektor der Ministerkonferenzkanzlei, Carl Freiherr v. Ransonnet-Villez, war nur Schriftführer, wenn die Sitzungen unter dem Präsidium des Kaisers standen. Ransonnet oblag auch laut § 18 der Geschäftsordnung die Aufgabe, die Protokolle einer „Vorrevision“ zu unterziehen. Daß er seine Aufgabe sehr ernst nahm, wahrscheinlich im Bewußtsein, daß sie zur Vorlage an den Souverän bestimmt waren, beweisen seine vielen oft rein stilistischen, sachlich unwesentlichen Korrekturen. Von seiten des Vorsitzenden der Ministerkonferenz Buol dagegen finden sich keine Verbesserungen. Der Zeitpunkt, wann der Kanzleidirektor das Protokoll „zur Bearbeitung“ erhielt, ist den entsprechenden Protokollbänden der Kabinettskanzlei zu entnehmen80. Danach bekam Ransonnet die Protokolle ein bis zwei, manchmal drei Tage nach Buol, der sie immer am gleichen oder an dem der Ministerberatung folgenden Tag signierte. || S. 43 PDF || Die Minister (das einschlägige Datum ist bei Bach meistens, sehr oft auch bei Baumgartner angeführt) signierten in der Regel ein bis fünf Tage nach der Revision Ransonnets. In Ausnahmefällen erfolgte die Signatur durch die Minister auch erst nach acht, ja sogar nach vierzehn Tagen. Nach erfolgter Unterzeichnung von seiten der Minister, wobei, wie es scheint, einer stillen Übereinkunft zufolge die Minister lediglich die eigenen Ausführungen kontrollierten, wurden die Protokolle durch den Vorsitzenden der Ministerkonferenz (§ 9 der Geschäftsordnung) dem Kaiser vorgelegt81. Die Übergabe an den Kaiser erfolgte erst dann, wenn alle Minister unterzeichnet hatten, und zwar meistens sehr bald und, sofern es sich um einen wichtigen Gegenstand handelte, in zeitlicher Verbindung mit dem entsprechenden Vortrag. Bei minder wichtigen Tagesordnungspunkten wurde dem darauf Bezug nehmenden Vortrag ein Extrakt des entsprechenden Tagesordnungspunktes beigelegt. Das heißt, es war in der Regel Usus, die Protokolle so lange in der Ministerkonferenzkanzlei zurückzubehalten, bis der wichtigste Gegenstand, der besprochen wurde, beim Ressortminister erledigt war. Sehr oft war der Vortrag jedoch schon fertig, wenn er in der Ministerkonferenz diskutiert wurde82. Erst nachher kamen die Ministerkonferenzprotokolle mit dem einschlägigen Aktenmaterial zum Herrscher und wurden von diesem ziemlich gleichzeitig mit dem entsprechenden Vortrag eingesehen. Daß im allgemeinen die Vorlage der Protokolle mit jener des einschlägigen Vortrags Hand in Hand ging, wird von dem Umstand bewiesen, daß zwei bisher als verloren gegoltene Protokolle, jenes vom 7. Dezember 1852 und jenes vom 30. November, 11., 14., 18., 21., 30. Dezember 1852, 4. und 8. Jänner 1853 als Beilage bei den Vorträgen gefunden wurden83. Die Protokolle scheinen demnach als zusätzliche Information des Kaisers für wichtig gehalten worden zu sein. Allerdings gibt es hier Ausnahmen. Die Ministerkonferenzprotokolle vom 8. Juni 1852, 12. Juni 1852, 15. Juni 1852 und vom 3. Juli 1852 über die Strafprozeßordnung, weiters die Beratungsprotokolle über die Durchführung der Grundentlastung in Ungarn, der Woiwodschaft Serbien und dem Temescher Banat vom 19. Juni 1852 und 13. Juli 1852, dann das Protokoll vom 4. Dezember 1852, welches u. a. die Aufhebung der Oktava zum Thema hatte, wurden erst einige Tage nach der Sanktionierung, ja sogar nach Publizierung der Gesetze vom Kaiser zur Kenntnis genommen84. Über die konkreten Gründe dieser Verzögerungen wird später noch zu reden sein. Das heißt aber nicht, daß der Kaiser die Ministerkonferenzprotokolle vor Resolvierung der Vorträge || S. 44 PDF || nicht gekannt hat; es bedeutet jedoch, daß die Sanktionierung der Protokolle im Neoabsolutismus staatsrechtlich ohne jede Bedeutung warc . Das Votum der Minister war belanglos, lediglich ihre Informationen waren interessant. Auf die Spitze getrieben wurde diese Praxis, Protokolle nur als Informationsquelle für den Kaiser zu verwenden, mit der Einführung der sogenannten „abgesonderten Protokolle“ (1.Juni bis 13. Juli 1852). Die Protokolle wurden in Einzelhefte aufgelöst, welche die ausdrückliche Bestimmung hatten, insoferne es sich um Gegenstände handelte, die der Ah. Schlußfassung vorbehalten waren, „dem darüber zu erstattenden Vortrage von der Konferenzkanzlei beigeschlossen“ zu werden (§ 8 der Geschäftsordnung). Der geschlossene Widerstand der Minister85 bewirkte jedoch sehr bald die Aufgabe dieser Praxis. Was davon – auf Vorschlag der Minister blieb, waren die sogenannten „Sonderprotokolle“ und die „Sammelprotokolle“: Über wichtige Angelegenheiten, vor allem jene der Gesetzgebung, wurden eigene Protokolle („Sonderprotokolle“), die vom Gesamtprotokoll getrennt und eigens numeriert wurden, verfaßt86. Erstreckten sich die Beratungen eines Gegenstandes über mehrere Sitzungen, wurden die abgetrennten Protokolle in einem „Sammelprotokoll“ zusammengeschlossend .

Der Quellenwert der Protokolle muß mit Vorsicht abgewogen werden, gerade für die Zeit der Ministerkonferenz (1852-1859), als die Protokolle wirklich zu „farblosen Extrakten der Minister­verhandlungen87“ abgesunken waren. Aufzeichnungen von Debatten fehlen meistens in den Proto­kollen, Parteiungen innerhalb der Konferenz sind daher selten ersichtlich88. Die Diskussionen in den Ministerkonferenzen vom 13. Mai 1852 und vom 15. Februar 1853 stellen eine Ausnahme dar89.

Ansonsten werden die Meinungen der einzelnen Teilnehmer der Ministerkonferenz über verschiedene Gegenstände selten wirklich deutlich, die Persönlichkeiten treten in den Protokollen im allgemeinen kaum hervor. Der einzige Minister, der aktiv in Erscheinung trat, war Leo Thun-Hohenstein; er korrigierte mit einer wahren Akribie. Von den an und für sich häufigen || S. 45 PDF || Ministerkorrekturen sind seine die einzigen, die nicht nur stilistische Modifikationen und Ergänzungen, sondern Richtigstellungen und Sinnänderungen darstellen, welche den Schluß zulassen, daß durchaus intensivere Diskussionen stattgefunden haben, als aus den Protokollen ersichtlich ist. Daß man etwaige Meinungsverschiedenheiten in die Protokolle der Ministerkonferenz entweder nicht aufnahm oder in der Beratung erst gar nicht zur Sprache brachte, ist angesichts der bedrängten Lage der Ministerkonferenz verständlich. In der zitierten Konferenz vom 15. Februar 1853, als sich mit Bach und Baumgartner einerseits, Krauß und Thun andererseits deutlich zwei Parteigruppen gegenüberstanden, wurde Kübeck vom Kaiser zum Schiedsrichter über die in ihren Meinungen divergierenden Minister bestellt90. Angesichts dieser demütigenden Situation zogen es die Minister dann auch vor, Einigkeit zumindest zu demonstrieren.

Doch auch der negative Befund über den Quellenwert der Protokolle ist aufschlußreich. Die Tatsache, daß im vorliegenden Band wichtigere außenpolitische Fragen von der Debatte im Ministerrat weitestgehend ausgeschlossen waren91, daß sich der Kaiser desgleichen seit 1852 die polizeilichen, ab 1853 auch sämtliche militärisch-administrativen Angelegenheiten reservierte und nicht der Ministerkonferenz zur Beratung freigab, wirft ein bezeichnendes Licht auf die absolutistische Regierungspraxis Franz ]osephs. Die Klage Thuns, daß wichtige Ernennungen für Statthalterposten – eine nicht nur verwaltungspolitische Angelegenheit von beträchtlicher Bedeutung – nicht einmal zur Kenntnis der Ministerkonferenz gebracht wurden92 (von Beratung war schon gar nicht die Rede), macht deutlich, daß der Kaiser auch die Verwaltung – als weiteren Stützpfeiler des Absolutismus – allein seiner Entscheidungsgewalt vorbehielt. Die wichtige Angelegenheit der Schaffung der Obersten Polizeibehörde kam nicht vor das Forum der Konferenz und wurde dieser erst offiziell an dem Tag mitgeteilt, als die kaiserliche Entschließung in der Wiener Zeitung erschien93.

Die Struktur der politischen Willensbildung - Retrodigitalisat (PDF)

Die Protokolle der Ministerkonferenz sind weit davon entfernt, spektakuläres Geschehen der Zeit „zu Protokoll zu geben“, nicht einmal die Schauseite des Kampfes der Interessen94 zwischen den Mitgliedern der Regierung spiegelt sich wider. Generell kann gesagt werden, daß sich die Problematik der historischen Wahrheitsfindung aufgrund des Aktenstudiums hinsichtlich einer absolutistischen Regierungsform insofern kompliziert gestaltet, als es zum Wesen des Systems gehört, inoffiziellen Kreisen beträchtliche Einflußnahme zu ermöglichen, || S. 46 PDF || welche hinter verschlossenen Türen wirkte und kaum schriftlichen Niederschlag fand. Die Frage stellt sich nun: Wo dokumentiert sich überhaupt die Regierungstätigkeit? Sicher nicht allein in den Ministerkonferenzprotokollen. Aber die Protokolle bilden mit anderen Bezugsakten einen weitverzweigten Aktenkomplex, der die gesamte Geschäftsbehandlung eines Gegenstandes durch die Behörden ersichtlich macht. Es existiert also ein Bezugssystem von Akten, in dessen Zentrum gleichsam die Protokolle stehen. Somit könnte man von „Vorakten“ und „Nachakten“ sprechen, welche untrennbar zu den Protokollen gehören. Zu den „Vorakten“ wären z. B. Protokolle von Komiteesitzungen, Gutachten von Fachreferenten usw. zu zählen. Zu den „Nachakten“ die entsprechenden Gutachten des Reichsrates und der Organisierungskommission, Sitzungsprotokolle dieser Körperschaften, Entschließungen des Kaisers usw. Auch die Vorträge gehören zu den „Nachakten“, obwohl sie in vielen Fällen, wie schon erwähnt, bereits fertig waren, als der Gegenstand in der Ministerkonferenz zur Sprache kam, und dort vielfach aus den Vorträgen referiert wurde95. Aber nicht allein der Inhalt dieser Akten ist in seiner Aussagekraft zu bewerten. Aus dem formalen Geschäftsgang, dem Austausch der Schriftstücke, werden Regierungsstruktur und besondere Eigenarten der politischen Willensbildung erkennbar.

Betrachten wir die Vorgeschichte zu den Protokollen, so wurde bereits erwähnt, daß wichtige Absprachen zwischen den Ministern oft bereits vor den Konferenzen getroffen wurden. Zu diesem Zwecke wurden Kommissionen oder Komitees gebildet, welche sich aus Fachreferenten der einzelnen Ministerien zusammensetzten. Entsprechende Sitzungsprotokolle sind leider nur bruchstückhaft erhalten96, da sich ein Großteil davon im Archiv des Innenministeriums und des Justizministeriums befand und 1927 offenbar Opfer des Justizpalastbrandes wurde. Bei Betrachtung dieser Vorberatungsprotokolle ist zweierlei feststellbar: es treten in diesen Kommissionen des öfteren Personen auf, wie z. B. Josef Lasser Ritter v. Zollheim97 oder Stephan v. Privitzer98 (beide vom Ministerium des Inneren), die später in den 60er Jahren auf Regierungsebene eine bedeutende Rolle spielen sollten, und die Namen der diversen Kommissionsmitglieder besaßen in der damaligen Zeit nicht selten einen „freisinnigen“, liberalen Klang (obwohl Zuschreibungen zu politischen Gesinnungen in dieser Zeit mit aller Vorsicht vorzunehmen sind; als allgemeiner Maßstab kann das || S. 47 PDF || Verhalten im Jahre 1848 gelten). Sogar Bach, der sich als politischer Konvertit sowenig wie möglich exponierte, scheute sich nicht, liberale Achtundvierziger wie den Abgeordneten Lasser oder den ehemaligen Mitarbeiter Stadions Josef Oettl99, an dessen Gesinnung kein Zweifel bestand, als Vertreter seines Ministeriums in die Kommissionen zu delegieren100. Als Referent für die Grundentlastung und Servitutenablöse zeichnete für das Innenministerium der Liberale Cajetan v. Mayer, später Präsident der Österreichischen Credit-Anstalt101. Anton Hye v. Glunek, als ehemaliges Mitglied des juridisch-politischen Lesevereins gemäßigt liberal, war im Auftrage des Justizministeriums mit der Strafprozeßordnung befaßt102. Gutachten für den Justizminister erstellte auch Adolph Pratobevera Freiherr v. Wiesborn, der spätere liberale Minister, 1852 Hofrat am Obersten Gerichtshof. Daß noch 1852/53 Franz Exner mit der Universitätsreform betraut war103 und daß im Unterrichtsministerium Ritter v. Heufler als Sektionsrat arbeitete, der ehemals von Bruck ins Handelsministerium geholt worden war, zeigt, daß auch der hochkonservative Unterrichts- und Kultusminister Thun-Hohenstein nicht daran Anstoß nahm, mit progressiv Gesinnten zusammenzuarbeiten. Im Finanzministerium wirkte Joseph Radda, der als Vertreter des Finanzministeriums am Zustandekommen des Börsengesetzes beteiligt war104 und den Ruf eines „freisinnigen Gemeinderates“ der Stadt Wien genoß105. Im Handelsministerium übte Sektionschef Freiherr v. Czoernig, 1848 Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung und später gemeinsam mit Bruck Gründer der Zeitung „Austria“, wichtige Funktionen aus.

Es verwundert daher nicht, wenn Kaiser Franz Joseph die höheren Funktionäre besonders der Ministerien des Inneren und der Justiz als „freisinnig“ und daher nicht allzu vertrauenswürdig erschienen. Diese Meinung teilten im übrigen auch Erzherzog Albrecht, Kübeck und Metternich106. Tatsächlich bestand eine Divergenz zwischen der hochkonservativen Regierungsspitze und den weitgehend liberal gesinnten Beamten, den ersten Mitarbeitern der Regierung. Diese Regierung war wohl autoritär-konservativ, nahm aber im Grunde keinen Anstoß daran, daß jene hohen Beamten faktisch die Grundlagen für die gesamte moderne Organisierung der Monarchie lieferten. Wahrscheinlich konnte die Regierung in den 50er Jahren überhaupt nur deshalb funktionieren und || S. 48 PDF || eine Organisierung des Reiches von solchem Bestand schaffen, weil die mit der tatsächlichen Ausarbeitung Betrauten den realen politischen Verhältnissen in Staat und Gesellschaft, in welchen der Liberalismus seit 1848 seinen Siegeszug angetreten hatte, weitgehend Rechnung zu tragen versuchten107. Es war ein doch sehr beträchtlicher Teil der Entscheidungen, der in diesem vorwiegend liberal bestimmten bürokratischen Vorfeld der Ministerkonferenz gefällt wurde.

Die „Vorgeschichte“ der in der Ministerkonferenz behandelten Themen war mit der Beratung in der Ministerkonferenz beendet. Mit der Vorlage der Protokolle und Vorträge an den Kaiser begann aber jene Regierungsapparatur zu arbeiten, auf welche die Minister kaum mehr Einfluß hatten.

Allein durch die Praxis der behördlichen Aktenerledigung waren die Minister im Nachteil. Evident wird dieses Phänomen für jenen, der sich mit den Ministerkonferenzprotokollen beschäftigt, zunächst durch das Faktum, daß die Ah. Entschließungen sehr oft verzögert wurden. Fragen wir nach den Gründen dieser Verzögerungen, so stoßen wir auf die besonderen Formen der Regierungstechnik des Neoabsolutismus und damit auf die entscheidenden Faktoren der politischen Willensbildung. Unter diesem Aspekt erscheint auch der formale Geschäftsgang als signifikant, da er im Grunde auf die Übersendung von Akten von seiten der Ministerkonferenz an den Reichsrat reduziert war. Diese Übersendung nahm den Umweg über den Kaiser. Nur in Ausnahmefällen konnte die Ministerkonferenz ihr Aktenmaterial direkt dem Reichsrat vorlegen108. Umgekehrt erfolgte vom Reichsrat an die Ministerkonferenz höchstens eine Notenübergabe. Die im § 6 des Reichsratsstatuts festgelegte Bestimmung, daß der Reichsrat seine Beratungsprotokolle mit dem Ergebnis der Beratung an den Ministerrat zu senden hättee, wurde längst nicht mehr befolgt.Vor allem der permanent schwelende Konflikt zwischen Ministerkonferenz und Reichsrat erklärt die langen Verzögerungen von Ah. Entschließungen und Gesetzespublikationen. Alle Akten über wichtige Gegenstände, vor allem Gesetzesvorlagen, wurden nämlich, nachdem sie durch Vorträge und Protokolle dem Kaiser zur Kenntnis gebracht worden waren, von diesem an den Reichsrat bzw. bei rein administrativen Angelegenheiten an die Organisierungskommission109 zur Begutachtung überwiesen. Dies war durchaus legal. Laut § 7 des Reichsratsstatuts vom 13. April 1851 mußte der Reichsrat vor allem in Angelegenheiten der Gesetzgebung gehört werden. Die Aufforderung, ein Gutachten abzugeben, konnte seit dem Ah. Handschreiben vom 20. August 1851 allein vom Kaiser ausgehen110. Weder der Ministerkonferenz noch einzelnen Ministern stand die Abforderung eines reichsrätlichen Urteils zu. Da in den Ministerberatungen des Jahres 1852/53 die Gesetzgebung für den zu schaffenden Einheitsstaat im Zentrum stand, gelangten die meisten Akten über die in den || S. 49 PDF || Ministerkonferenzen zur Sprache gebrachten Gegenstände an den Reichsrat. (Der Kommentar der Protokolle gibt laufend Auskunft darüber.) In dem hier betrachteten Zeitraum wurden rund 40 ministerielle, in den Ministerkonferenzen zur Sprache gebrachten Anträge an den Reichsrat zur Stellungnahme übersandt.

Die Arbeitsweise des Reichsrates selbst war schwerfällig und langwierig. Der Antrag der Ministerkonferenz wurde zur Beurteilung einem Referenten zugeteilt, welcher meist erst nach monatelanger Arbeit ein Gutachten erstellte. Bei Gegenständen legislativer Natur folgte eine Plenardebatte des Reichsrates111. Aufgrund dieser Debatten und des Referentengutachtens erstattete dann der Präsident des Reichsrates seinen Vortrag an den Kaiser und übersandte ihm gleichzeitig das Aktenmaterial der Ministerkonferenz. Der Kaiser hat dieses Aktenmaterial im Wege der Einsichtnahme wohl vorher kennengelernt. Die Sanktion erhielten Vortrag wie meistens auch Ministerkonferenzprotokoll jedoch erst, wenn das reichsrätliche Gutachten vorlag. Dann erst wurde das Protokoll auch mit einer Kabinettszahl versehen112.

Die Verzögerung von Ah. Entschließungen erklärt sich also durch den umständlichen Geschäftsgang, der seinerseits wieder die komplizierte Regierungsstruktur zeigt. Diese entsprach im Bereich der Gesamtorganisation der Regierungsbehörden im Staate durchaus dem kollegialischen Prinzip, wie es in der Zeit des Vormärz den Verwaltungs- und Regierungsstil bestimmt hatte113. Die Ministerien waren wohl monokratisch als Fachministerien organisiert, mit einem Leiter an der Spitze, innerhalb der gesamten Regierungstechnik herrschte jedoch die kollegialische Form vor, da die Beschlüsse der Ministerien dem Gutachten einer anderen Behörde unterworfen warenf . Diese kollegialische Form hing, so betont Meisner, mit der „offenen oder latenten Abneigung der Absolutisten gegen die selbstherrlich-monokratische Behördenorganisation (Premierminister)“ zusammen114. So wurde der vormärzliche Absolutismus auch durch die Behördenorganisation || S. 50 PDF || – wenn auch in anderer Weise – weiter erhalten, wodurch die modern organisierten Ministerien nicht voll zur Geltung gelangen konnten. Charakteristisch für den Regierungsstil ist es wohl auch, daß man die Protokolle der Ministerkonferenz trotz der so verminderten Bedeutung derselben weiterhin resolvierte, während jene der Reichsratsdebatten vom Kaiser keine Ah. Entschließung erhielten. Indem man ihre Protokolle einer Resolution würdigte, erkannte man der Ministerkonferenz zumindest nach außen hin eine gewisse Verantwortlichkeit und Bedeutung zu, die sie de facto nicht mehr besaß, während der Reichsrat nach außen sozusagen außerhalb aller Responsabilitäten stand.

Bei den nach 1850 bestehenden Machtverhältnissen ist es verständlich, daß Kübeck jede kleinste Meinungsverschiedenheit recht war, die Anträge der Minister in seinem Sinne zu modifizieren. Von den oben erwähnten rund 40 ministeriellen Anträgen wurden fast alle vom Reichsrat in irgendeiner Weise geändert. Der Aktenkomplex, der vom Reichsrat wieder an den Kaiser gelangte, enthielt demnach dann zwei Resolutionsentwürfe: jenen des vortragenden Ministers und jenen des Reichsrates. Eklatant spiegeln die Entscheidungen des Kaisers die Vorherrschaft des Reichsrates wider. In fast allen Fällen entschied sich der Kaiser zugunsten des Resolutionsentwurfes des Reichsrates115. Formal dokumentiert sich dies in folgender Weise: Auf den Extrakten der Ministervorträge (im Haus-, Hof- und Staatsarchiv) sind denn auch die Resolutionsentwürfe gestrichen, diejenigen Kübecks sind von der Hand eines Sekretärs der Kabinettskanzlei, manchmal vom Kaiser selbst, hinzugefügt. Die Ah. Entschließung – und dies erscheint verfassungsrechtlich wichtig – richtete sich in manchen Fällen an die Adresse des Reichsratspräsidenten (auf die Vorträge Kübecks), während der kaiserliche Bescheid an die Minister oft den Charakter einer Mitteilung trägt und die Aufforderung zur Publikation enthält. Damit hatte sich der Kaiser über die dem einzelnen Minister offiziell noch zustehende „Verantwortlichkeit“, ja über dessen Zuständigkeit als Fachreferent hinweggesetzt und deutlich gezeigt, daß er an keine Instanz gebunden war. Die Ministerkonferenz war damit zum lediglich ausführenden Organ der persönlichen Entscheidungen des Monarchen gestempelt. Besonders augenscheinlich wird dies bei der Antragstellung für die kirchliche Organisierung der protestantischen Konfessionen, wo es in der Ah. Entschließung, die an Kübeck gerichtet war, heißt: „Ich ermächtige Sie, nach Ihrem Antrage vorzugehen und Meinen Kultus- und Unterrichtsminister von dieser Meiner Entschließung zur Nachachtung in Kenntnis zu setzen116.“ || S. 51 PDF || Von derselben Art ist auch die Resolution über die Durchführung der Grundentlastung in Ungarn, der serbischen Woiwodschaft und dem Temescher Banat vom 2. März 1853: „Im Anschlusse erhalten Sie die nach mehrfacher Modifizierung der Mir vorgelegten Entwürfe mit Meiner Namensfertigung versehenen Patente ...“; auch diese Ah. Entschließung an den Minister wurde von Kübeck entworfen117. Ebenso gehörte die Ah. Entschließung über die Behörden- und Gerichtsorganisation zum Vortrag Kübecksg .

Meist handelte es sich bei den reichsrätlichen Modifikationen um sachliche Änderungen, die auf das politische Hauptziel des österreichischen Neoabsolutismus ausgerichtet sind, nämlich einen Einheitsstaat zu begründen. Eine Gegenüberstellung des Einführungspatents für die Durchführung der Grundentlastung in Ungarn usw. zeigt dies recht deutlich118.

../resources/img/a1-z126-001.jpg

|| S. 52 PDF || Bei der Publikation im Reichsgesetzblatt nahm man schließlich nur auf die österreichische Gesetzgebung (2. Dezember 1848 und 7. Juli 1849) Bezug und vermied sorgfältig die von Bach vorgeschlagene ausdrückliche Erwähnung der ungarischen Gesetze119. Bach machte seine Argumente zugunsten einer Zitierung der ungarischen Gesetze im Einführungspatent in der Reichsratsdebatte, zu welcher er zugezogen war, sehr zurückhaltend geltend: Das vorliegende Gesetz wäre „nur ein Glied mehr an der Kette der wohltätigen kaiserlichen Verfügungen, welche seit Maria Theresia die Untertansverhältnisse regelten“, doch er überließe schließlich und endlich die Textierung des Einführungspatents dem Ermessen des Reichsrates120. Kübeck entschied für die Weglassung121. Damit war dem angestrebten Ziel des Einheitsstaates Rechnung getragen und die historische Individualität der Länder ignoriert, welche Bach betont wissen wollte. Er hatte sich offensichtlich eine bessere Aufnahme der österreichischen Gesetze in der ungarischen Öffentlichkeit erwartet, wenn die Kontinuität zu den Beschlüssen der ungarischen Landtage demonstriert worden wäre. Das Beispiel kann als paradigmatisch gelten für die Differenzen zwischen Kübeck und Bach, wobei sich nun der Reichsratspräsident als derjenige erwies, der den Zentralismus auf die Spitze trieb122.

Nur selten und nur dann, wenn der Kaiser es anordneteh, wurden Minister den Reichsratssitzungen beigezogen, wie z. B. zur Debatte über das bereits erwähnte Grundent­lastungsprojekt. Das Gewicht der Stimme der Minister war dabei gering. Das devote Verhalten Bachs ist ein anschauliches Beispiel. In der Funktion, die der Minister hier zu erfüllen hatte, nämlich die eines Fachreferenten, hätte ein anderes Auftreten auch wenig Sinn gehabt. Die gelegentliche Anwesenheit der Minister bei Reichsratsdebatten bot eine der wenigen offiziellen Gelegenheiten für die Austragung des Kampfes der beiden Körperschaften Ministerkonferenz und Reichsrat. Vor allem Thun wußte auch die seltene Gelegenheit seiner Anwesenheit bei den Reichsratsdebatten zu nützen, um sich gegen den zentralistischen Kübeck zur Wehr zu setzen. So verlangte er anläßlich der Revision der Reichsratsprotokolle über die „Organisierung der evangelischen Konfessionen“ sogar, seine mündlichen Ausführungen in den Beratungen schriftlich exakter darzustellen123. || S. 53 PDF || Eine besondere Bedeutung als Forum für die Austragung des Konfliktes zwischen Ministerkonferenz und Reichsrat hatte die sogenannte Organisierungskommission, in welcher Minister und Reichsräte gleicherweise vertreten waren und deren Akten (bezeichnenderweise im Archiv des Reichsrates) eine wichtige Quelle für die Verwaltungspraxis des Neoabsolutismus darstellen124, welche noch zu erschließen ist. Im übrigen wurde auch der Sprachstil der Akten dem neoabsolutistischen System angepaßt. So lautete z. B. der Beginn einer von Bach entworfenen Ah. Entschließung zu dessen Vortrag vom 7. Mai 1852 über die Organisierung der Statthalterei in Dalmatien – noch an die konstitutionelle Ära erinnernd: „In Genehmigung der vorliegenden Anträge bewillige Ich die Organisation der Statthalterei.“ In der Ah. Entschließung nach dem Antrag Kübecks hieß es jedoch: „Die Landstelle in Dalmatien ist mit der Benennung ,Statthalterei‘ zu bezeichnen .. .i .“ Von der Vorlage von „Anträgen“ ist keine Rede mehr. Die kaiserliche Machtvollkommenheit tritt in der Formulierung klarer zutage. Das Motiv, daß in den Jahren 1852/53 die Wahl Franz Josephs meist auf die Resolutionsentwürfe Kübecks fiel, kann sicherlich nicht nur in dem größeren Vertrauen des Kaisers zu den Sachkenntnissen Kübecks in Gesetzgebung und Verwaltung gesehen werden. Der aus dem franziszeischen Verwaltungsstaat stammende Reichsratspräsident beherrschte in jedem Fall auch besser Stil und Sprache des absolutistisch-monokratischen Systems und vermochte damit mehr, dem Selbstgefühl des jungen Herrschers zu entsprechen125. Daß die Minister, die die reichsrätlichen Korrekturen und Analysen ihrer Vorschläge als Demütigung empfunden haben mußten, bestrebt waren, den Einfluß des Reichsrates auszuschalten, demonstriert z. B. der Vortrag Bachs über die Grundentlastung in Ungarn. Der Innenminister drang auf eine rasche Sanktionierung seiner Vorlagen, ergänzt durch den Wunsch, der Kaiser würde „unpraktische politische Utopien von Sich zu weisen wissen126“. Der Appell blieb ohne Erfolg: „Auf Grund einer besonderen Ah. Anordnung“ wurde der Vortrag unmittelbar von der Ministerkonferenz an den Reichsrat gesandt.

Kübeck als die „graue Eminenz“ der neoabsolutistischen Periode zu sehen, entspräche freilich nicht ganz den Tatsachen. Er übte seine Macht völlig legal in seiner Funktion als Reichsratspräsident aus, der in diesen Jahren eben vor dem Präsidenten (Vorsitzenden) der Ministerkonferenz rangierte. Man unterspielte diese Tatsache zwar gerne, doch auch in der Öffentlichkeit wurde Kübeck in dieser || S. 54 PDF || Zeit als „primo uomo“ bezeichnet127 Der Reichsrat stellte auch an und für sich einen weit mächtigeren Apparat dar als die Ministerkonferenz: Er bestand aus zehn Mitgliedern128, die Ministerkonferenz am 14. April 1852 aus sechs, im März 1853 schließlich nur mehr aus vier. Daß der Reichsrat bewußt als Machtinstrument der Krone und als Gegengewicht gegen den „liberalen“ Ministerrat eingesetzt wurde, war den Ministern nur allzusehr bewußt, vor allem Bach, wie seine „Bemerkungen zum Behufe einer provisorischen Organisierung des Reichsrates129“ zeigen. Die Anstrengungen der Minister bei Gründung des Reichsrates, „ihre“ Männer in dieses Gremium zu bringen, waren beträchtlich. Bach schlug den Hofrat am Obersten Gerichtshof Adolph Pratobevera, den Sektionschef im Justizministerium Thaddäus Peithner v. Lichtenfels130 und den Rechtsgelehrten Leopold Neumann131 als Reichsratsmitglieder vor. Thun versuchte seine Interessen durch Graf Kar! Wolkenstein132, der zu seinen engsten Mitarbeitern zählte, im Reichsrat vertreten zu lassen. Die Bemühungen der Minister blieben jedoch erfolglos. Der Reichsrat wurde ausschließlich mit Männern nach dem Geschmack Kübecks besetzt. Die endgültige personelle Zusammensetzung verstärkte den Gegensatz zwischen Ministerrat (Ministerkonferenz) und Reichsrat erst recht. Der Reichsrat bestand durchwegs aus hohen Verwaltungs- und Gerichtsbeamten des Vormärz133, die Ministerkonferenz dagegen in der Mehrzahl aus jüngeren, erst nach 1848 ins politische Licht getretenen und vom Staatsdienst unabhängigen Mitgliedern134 Eine nicht unbeträchtliche Rolle dürfte hier auch nebenbei || S. 55 PDF || noch das Generationenproblem gespielt haben. Die Differenz des Durchschnittsalters zwischen den Mitgliedern der Ministerkonferenz und des Reichsrates war zwar nicht allzu groß: das Durchschnittsalter der Minister betrug im Jahre 1852 51 Jahre, das der Reichsräte 60 Jahre. Die Differenz des Alters der Exponenten der beiden Körperschaften war jedoch von gravierenderem Ausmaß: Kübeck war 72 Jahre alt, Salvotti 63, Purkhart 74, Krieg 76; die jüngsten Reichsräte waren Zichy und Szögyeny mit 41 und 46 Jahren. Dagegen zählte Bach 39 Jahre, Thun 41 und Baumgartner als einer der ältesten in der Ministerkonferenz 59 Jahre.

Der permanente Gegensatz zwischen Ministerkonferenz und Reichsrat, die eindeutige Übermacht des Reichsrates bestimmte die Regierungsstruktur dieser frühen neoabsolutistischen Epoche, zumindest was die hier betrachtete Periode betrifft. In dieser Zeit war die tatsächliche Funktion der Ministerkonferenz äußerst eingeengt und wurde auch durch Verringerung ihrer Mitgliederzahl einer ständigen Reduktion unterworfen. Später sollte sich die Situation jedoch wieder ändern, und die Reduktion wirkte sich dann nicht ganz im Sinne Kübecks aus. Die Gunst des Kaisers scheint sich nämlich in den folgenden Jahren wieder der Ministerkonferenz zugewandt zu haben135, und nun bestand aber gerade durch die geringe Mitgliederzahl der Ministerkonferenz die Möglichkeit, daß ein Minister überwiegenden Einfluß gewinnen konnte. Zu Beginn des Jahres 1855, als Kübecks Stellung nicht mehr dominierend war, sprach Kübeck eine Warnung in diesem Sinne aus, indem er sich plötzlich gegen die projektierte Aufhebung des Handelsministeriums wandte, mit der Befürchtung, einer der Minister (gemeint ist Bach) könnte mit der Aneignung der Funktion des Handelsministeriums eine Kompetenz- und Einflußerweiterung seines Machtbereiches anstreben136. Wäre der Kaiser in diesen Jahren nun eindeutig auf den Kurs des Reichsrates festgelegt gewesen, hätte wahrscheinlich diese Regierungsepoche wenigstens den Charakter einiger Homogenität gewonnen. Der Kaiser band sich aber auch keineswegs an die Vorschläge des Reichsrates. Eine Änderung der kaiserlichen Gunst zeichnete sich bereits Ende 1852 im Konflikt zwischen Kübeck und der Ministerkonferenz, im besonderen zwischen Kübeck und Bach, um die Geschäftsordnung für die Ministerien ab. Der Reichsratspräsident griff in diesem Fall so tief in die Kompetenzen der Minister ein, daß er von sich aus die Entwürfe der Geschäftsordnungen der Minister des Inneren, der Justiz und der Finanzen lieferte. In diesem Falle dürfte sich aber Bach entschieden zur Wehr gesetzt haben. Der Streit wurde freilich nie entschieden. Am 30. Dezember 1861, als die Angelegenheit längst irrelevant war, wurden die Entwürfe ad acta gelegt137. Deutlich tritt die leichte Schwerpunkt­verlagerung zugunsten der Ministerkonferenz auch in der Frage der Aufhebung des Belagerungszustandes im Frühjahr 1853 zutage. Bach, der seit 1849 auf die Beseitigung des Belagerungszustandes hingearbeitet hatte, || S. 56 PDF || wußte sich in diesem Fall gegen die Intrigen Kübecks und vor allem Kempens durchzusetzen138. Die schließliehe Aufhebung stellt einen eindeutigen Sieg Bachs dar. Durch die völlig willkürlichen Entscheidungen des Kaisers, durch seine selbstherrliche Bevorzugung des einen oder des anderen Ratgebers blieb, im ganzen gesehen, der Regierungsstil des jungen Kaisers in hohem Maße konsequent absolutistisch.

Es war nicht nur der Reichsrat, der dem Kaiser als Gegengewicht gegen die Ministerkonferenz diente. Auch andere, mehr oder weniger inoffizielle Kreise und Instanzen spielten eine gewichtige Rolle.

Der Einfluß des Chefs der Obersten Polizeibehörde Kempen war 1852/53 beträchtlich – später sollte er ihn wieder verlieren. Gerade dadurch, daß er nicht Teilnehmer an den Ministerkonferenzen, wohl aber den Ministern gleichrangig war, wußte er sich der Kontrolle der Minister zu entziehen139. Gemeinsam mit Kübeck und Grünne, dem Ersten Generaladjutanten des Kaisers, lebte er in ständigem Konflikt mit den Ministern140, besonders mit Bach, seit es ihm gelungen war, das Polizeiwesen zur Gänze der Kompetenz des Innenministers zu entziehen141. Eine andere höchst einflußreiche Instanz bildete der Erste Generaladjutant des Kaisers, Carl Graf Grünne. Dieser hatte sich seit 1848 bei Hofe eine besondere Vertrauensstellung zu sichern gewußt142. Er war ein wichtiger Berater bei Schaffung der neuen Heeresorganisation gewesen, die der Kaiser völlig seiner Herrschaft unterstellt hatte. Als ausführendes Organ wurde die Militärzentralkanzlei geschaffen, deren Chef Grünne wurde. In dieser Funktion war Grünne den Ernstern im Range gleichgestellt, diesen aber – was den Einfluß auf den Kaiser betrifft - weit überlegen143. Seine Stelle war jener Kempens ähnlich. Die beiden fanden sich auch in ihrer Isolation, intrigierten offen und geheim gegen die Pläne der Minister, die sie als „einig revolutionär“ mit ihrer Verachtung bedachten144. Es versteht sich fast von selbst, daß Grünne eifrig die Aufhebung des Kriegsministeriums betrieb145, das seit der Errichtung des Ah. Armeeoberkommandos ohnehin nur mehr eine rein administrative Behörde war. So nimmt es nicht wunder, wenn Grünne von den Ministern als „böser Geist“ im Hintergrund betrachtet wurde, || S. 57 PDF || wobei aber festzuhalten ist, daß er dabei nur als ausführendes Organ des Kaisers und als dessen treuer Diener fungierte. Seine Vertrauensstellung bei Hof in diesen Jahren kann jedoch nicht hoch genug eingestuft werden.

An diesen Beispielen wird klar, daß das Intrigenspiel an diesem sich nach außen hin so stark gebärdenden absolutistischen Hof ungeheuer war, wobei gegebenermaßen das System der Autokratie, das der junge Herrscher errichtet hatte, Ansatzpunkte bot. Jeder versuchte, mit allen Mitteln, die zu Gebote standen, selbst Einfluß zu gewinnen und Einflüsse anderer zu eliminieren. Dabei gab es noch Einflußsphären, die hier unberücksichtigt bleiben, weil sie eher dem privaten Bereich angehören – z. B. jene des Fürsten Windisch-Grätz, der des öfteren versuchte, die Stellung der Minister zu untergraben146, oder jene des Kardinals Rauscher sowie der Erzherzogin Sophie147. Unbeachtet muß hier auch die Einflußnahme der Militärs bleiben, welche bei der Vorliebe Franz Josephs für alles Militärische eine entscheidende Stimme hatten. In diesem Zusammenhang sei auf die Vota des Zweiten Generaladjutanten des Kaisers, GM. Kellner, verwiesen, welcher bei den Begnadigungen der ungarischen Revolutionäre aus den Jahren 1848/49 ein gewichtiges Wort mitzureden hatte.

Befragt man die Protokolle nach Aufschlüssen über das Selbstverständnis der Minister, nämlich darüber, ob sie sich als Mitglieder einer ehemals konstitutionellen Körperschaft fühlten oder infolge der veränderten Situation als Verwaltungsbeamte, was sie de jure und de facto waren, so fällt es einigermaßen schwer, konkrete Schlüsse zu ziehen. Die Protokolle wurden zu summarisch geführt. Sie geben kaum eine Antwort auf die Frage. Immerhin zeigt sich wohl, daß von April bis Mai 1852 noch Spuren eines korporativen Geistes vorhanden waren: etwa in der Diskussion um die Geschäftsordnung der Ministerkonferenz148 oder auch in der Stellungnahme zur Rede Thuns anläßlich der Promotion J ulius Fierlingers149, in welcher die Minister ein geschlossenes Bekenntnis zum ABGB. zumindest zur Schau stellten. Auch die Perspektive, aus welcher die Minister die Konferenz betrachteten, ist schwierig zu bestimmen. Die Tatsache, daß des öfteren die Vorträge an den Kaiser vor den Protokollen datiert waren, obwohl die in ihnen formulierten Anträge eigentlich vom Einverständnis der Ministerkonferenz abhängig hätten sein sollen, sagt aber doch, wie wenig die Minister ihre Konferenz ernst nahmen; desgleichen, daß sich Minister, vor allem Leo Thun-Hohenstein, über die Ministerkonferenz hinwegsetzten und, wenn es ihnen gutdünkte, ihre Vorträge auch entgegen der Meinung der Ministerkonferenz erstatteten150. Leo Thun betrachtete aber auch die Ministerkonferenz als öffentliches Forum, um seine Meinung und die seiner Standesgenossen, || S. 58 PDF || der böhmischen Feudalen, zu vertreten. Von ihm als einzigem der Minister liegen ausführliche Vota vor, sei es nun über die Grundentlastung, über die Einführung des ABGB. in Ungarn oder über die Aufhebung der Oktava151, und er ließ keinen l\nlaß vorübergehen, um seine grundsätzliche Meinung zu Recht und Rechtsphilosophie, Staat und Gesellschaft öffentlich und mit Nachdruck zu deklarieren152. Hier spricht das Selbst- und Standesbewußtsein des böhmischen Feudalen. Der Gegenspieler des ständisch-feudalen Thun in der Ministerkonferenz war der Zentralist Bach153, welcher jedoch sein Wirken ab 1852 (ab dem Silvesterpatent) auf das eines Verwaltungsbeamten reduzierte. Er legte zahlreiche Gesetzesvorlagen vor, drückte auch eindeutige Meinungen aus, die er aber kaum mit Nachdruck vertrat154. Mit Recht wurde festgestellt, daß die eigentlichen Leistungen Bachs bereits in der konstitutionellen Ära erbracht wurden155. Sehen wir vom Minister des Krieges Csorich und dem der Landeskultur Thinnfeld ab, da sie, sozusagen nur auf Abruf bestellt, eine recht undankbare und unbedeutende Rolle zu spielen hatten, so bleiben für eine nähere Betrachtung noch Justizminister Krauß, Finanzminister Baumgartner und Außenminister Buol-Schauenstein. Die Persönlichkeit des letzteren, obwohl Vorsitzender der Ministerkonferenz, fiel wegen mangelnder Kenntnisse in den inneren Angelegenheiten Österreichs und deshalb, weil seine eigentliche Aufgabe, die Außenpolitik, in den Jahren 1852/53 nur rudimentär zur öffentlichen Debatte der Ministerkonferenz stand, als Verfechter von Theorien in Diskussionen nicht ins Gewicht156. Finanzminister Baumgartner und Justizminister Krauß nahmen in den Ministerberatungen des Jahres 1852/53 eine fast untergeordnete Stellung ein. Das Auftreten des Justizministers gegen die Institution der Schwurgerichte157 muß verwundern, wenn man seine positive Haltung 1851 in der Frage der Ministerverantwortlichkeit158 in Betracht zieht. Finanzminister Baumgartner dürfte in seiner Bewegungsfreiheit von Kübeck gehindert worden sein. Der Reichsratspräsident betrachtete im besonderen die Finanzangelegenheiten als sein persönliches Ressort, || S. 59 PDF || und es finden sich immer wieder Eingriffe Kübecks in die Kompetenzen des Finanzministers159, wobei Kübeck sich nicht scheute, um seine Pläne im Alleingang durchzusetzen, den Minister zur Kollaboration zu bewegen160.

Im allgemeinen ist mit einiger Sicherheit der Schluß zu ziehen, daß die Minister die Scheinfunktion der Konferenz durchaus begriffen und daß sie sich ihrer untergeordneten Stellung voll bewußt waren. Die Frage erhebt sich aber dann, warum sie weiter im Amt verblieben und nicht ihre Demission anboten. Wir können vermuten, daß sie auf eine Veränderung der politischen Situation hofften, und darum ist ihre vorläufige Resignation eher als abwartende Haltung und als Sicherungsbestreben für ihre Einflußsphäre zu klassifizieren.

Die Haltung des Kaisers zur Ministerkonferenz war eindeutig negativ. Der Mangel an konstitutioneller Gesinnung bei Franz Joseph wurde verschiedentlich hervorgehoben161. Wir können noch hinzufügen, daß Franz Joseph deshalb von Anfang an den Ministerrat als feindlichen Widerpart betrachtete. Den antikonstitutionellen Weg, den er seit 1850 endgültig eingeschlagen hat162, verfolgte er unbeirrbar und konsequent. Nach dem Vergleich der Endfassung mit dem Konzept der Rede des Kaisers vom 14. April 1852 163 bedarf es keiner weiteren Erläuterung mehr, daß der Kaiser selbst den Absolutismus so entschieden formulierte, in dieser Gestalt institutionalisiert sehen wollte und daß er mit der Abschaffung der „an konstitutionelle Formen erinnernden Stelle des Ministerpräsidenten164“ auch die letzte Erinnerung an das Trauma von 1848 auszulöschen beabsichtigte. Kübeck und Metternich waren im besten Falle Handlanger. Beim Aufbau seiner Selbstherrschaft stützte sich der Kaiser zunächst auf die Armee. Ebenso versuchte er – und die Aufhebung der Minister­verantwortlichkeit war einer der ersten Schritte dazu – den Verwaltungsapparat in den Griff zu bekommen, und zwar durch Wiederbelebung der franziszeischen Institutionen. In diesem Zusammenhang müssen wir auch die Wahl seiner Ratgeber Kübeck und Metternich sehen. Daraus folgernd können wir feststellen, daß Franz Joseph im vollen Sinne den Typ des Monarchen im 19. Jahrhundert repräsentiert, der an einer Extremform des monarchischen Prinzips starr festzuhalten versuchte165.

|| S. 60 PDF || Darüber hinaus können wir – zumindest was die Jugendjahre Franz Josephs betrifft – die Über­zeugung vom Gottesgnadentum verwurzelt sehen, hinter der ein unbegrenztes Vertrauen zu seiner und seines Hauses Sendung stand166. Der Rückgriff auf die Traditionen seines Hauses scheint evident. Auf die Verbindung zu Kaiser Franz wurde bereits hingewiesen, desgleichen scheint Joseph II. als Vorbild gedient zu haben167. Aus diesen Wurzeln ist auch die Haltung Franz Josephs zu seinen Ministern zu verstehen. Sie waren für ihn „ministri“ im wahrsten Sinne des Wortes. Alle Eingriffe in die ihrer Funktionen beraubte Versammlung der Minister, die der Kaiser in diesen Jahren vornahm: Korrekturen in den Resolutionsentwürfen168, Modifikationen der Ministeranträge zu den Vorträgen, die oftmals eigenhändig vorgenommen wurden169, sind als deutliche Demonstrationen seiner kaiser­lichen Machtvollkommenheit und in gewissem Sinne als Degradierung der Minister zu werten.

Man kann nicht umhin, die Frage zu stellen, warum der Kaiser die Ministerkonferenz nicht vollkommen liquidierte. Es wurde bereits darauf verwiesen, daß Anzeichen auf das Bestreben hindeuten, der Ministerkonferenz offiziell den Anstrich von Responsabilität zu belassen, um im Bedarfsfalle auf Mitverantwortliche hinweisen zu können. Zeitgenossen erkannten und akzeptierten diesen Schutz für den Monarchen als selbstverständlich170 – erklärbar aus der Tatsache, daß man demselben eben noch eine exzeptionelle Stellung einräumte. Der Versuch Franz Josephs, den Verfall der monarchischen Prärogativen aufhalten zu wollen, ist offenbar. Die Mittel, ein vormärzlicher Regierungsstil und die Wiederbelebung der franziszeischen Institutionen, waren jedoch nicht mehr dazu geeignet, wenngleich sich auch der traditionell-absolutistische Konservativismus im eigentlichen nur auf die Regierungsprinzipien beschränkte, die Verwaltung und deren Träger aber den Anforderungen einer modernen Staats- und Gesellschaftsstruktur weitgehend Rechnung trugen. || S. 61 PDF || Die Diskrepanz zwischen absolutistisch-vormärzlicher Regierung und der in beträchtlichem Maße liberalisierten „Staats- und Wirtschaftsgesellschaft171“ war auf die Dauer zu groß und erzeugte eine Schwächung des Staatsgefüges172, die schließlich zum Scheitern des neoabsolutistischen Systems führen sollte.

Resultierend aus dem vorher Dargelegten ist festzustellen, daß das Bild dieser Jahre eindeutig von der Person des jungen Kaisers geprägt ist, und es erscheint verfehlt, die neoabsolutistische Epoche als „Ära Kübeck“ oder gar als „Ära Bach“ zu bezeichnen.

Zum Kommentar - Retrodigitalisat (PDF)

Für den Kommentar wurden jene Akten, auf welche in den Ministerkonferenzprotokollen Bezug genommen wird, soweit als möglich herangezogen. Vorwiegend wurden dabei naturgemäß die Wiener Archive berücksichtigt. In Frage kamen in erster Linie das Haus-, Hof- und Staatsarchiv, von welchem vor allem die Bestände der Kabinettskanzlei und des Reichsrates verwendet sind. Das Kriegsarchiv – im besonderen waren die Akten der „Militärkanzlei Sr. Majestät“ und des Kriegsministeriums, Präsidium und Allgemeine Reihe, relevant – bewahrt auch die Vorträge und die Vortragsextrakte der Kriegsminister in diesen Jahren auf. Im Finanzarchiv befinden sich die Akten des Finanzministeriums (hier wurde vor allem der Bestand des Präsidiums desselben verwendet) und die Akten des Ministeriums für Landeskultur und Bergwesen. Das Allgemeine Verwaltungsarchiv bildet ein besonderes Problem, da einesteils ein großer Teil der Akten 1927 dem Justizpalastbrand zum Opfer fiel, andernteils manche nach 1918 den Nachfolgestaaten ausgeliefert bzw. skartiert wurden, vor allem der für die neoabsolutistische Verwaltung so wichtige Zweigbestand des Innenministeriums und J ustizministeriums. Bedauerlicherweise fehlen großteils auch die Indizes. Etwas besser steht es mit dem ebenfalls im Allgemeinen Verwaltungsarchiv verwahrten Material des Ministeriums für Unterricht. Die Kultusakten dieses Ministeriums (offiziell trug es den Namen Ministerium für Kultus und Unterricht) befinden sich heute in der Registratur des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst.

Da in den Protokollen des vorliegenden Bandes die Probleme Ungarns eine gewichtige Rolle spielen, wurden auch die Akten des Ungarischen Staatsarchivs (Magyar Országos Levéltár) und des Ungarischen Kriegsarchivs (Magyar Hadtörténelmi Levéltár) in Budapest sowie die Akten des Kroatischen Staatsarchivs (Državni Arhiv u Zagrebu) benützt. Für die Einleitung wurden auch die Akten des Privatarchivs Szápáry-Grünne in Dobersberg (Niederösterreich) herangezogen. Bezüglich der Ungarn betreffenden Probleme wäre zu erwähnen, daß fast alle Angelegenheiten, die in den Protokollen zur Sprache kamen, || S. 62 PDF || im Hauptwerk für die Zeit des ungarischen Neoabsolutismus von Berzeviczy behandelt wurden173. Da sich die Heranziehung dieses Buches für Fragen des ungarischen Neoabsolutismus von selbst versteht, wurde es nicht ausdrücklich an den zutreffenden Stellen zitiert.

Folgende Bezugsakten wurden nicht eigens eruiert: 1. Bittgesuche, da die Bittschriften im Haus-, Hof- und Staatsarchiv sehr stark skartiert wurden, nur selten den Vortragsextrakten im Haus-, Hof- und Staatsarchiv beiliegen und in den anderen Wiener Archiven meistens schwierig aufzufinden sind. Im übrigen wurde der Inhalt der zahlreich vorkommenden Bittschriften in den Ministerkonferenzen von den zuständigen Ministern meistens referiert. 2. Korrespondenzen zwischen den Ministern, die Meinungsverschiedenheiten derselben über minder wichtige Angelegenheiten zum Inhalt haben. Die Behebung dieser Meinungsverschiedenheiten ist aus den Ministerkonferenzprotokollen meistens ersichtlich. Außerdem ist die Mehrzahl dieser Korrespondenzen, die sich im Allgemeinen Verwaltungsarchiv befinden sollten, aufgrund fehlender Indizes dort kaum zu finden; besser steht es diesbezüglich im Finanzarchiv. 3. Originale der Ordensverleihungen, die sich in den entsprechenden Ordenskanzleien im Haus-, Hofund Staatsarchiv befinden. Herangezogen wurden statt dessen die Abschriften in der Kabinettskanzlei.

Die Originalvorträge der Kriegsminister, welche sich manchmal im Kriegsarchiv, Kriegsministerium - Allgemeine Reihe, befinden, sind zum Großteil nicht erhalten, weil dieser Archivbestand im allgemeinen stark skartiert wurde. In diesen Fällen wurde der in der Militärkanzlei Sr. Majestät (Kriegsarchiv) vorhandene Vortragsextrakt angegeben. Die Ah. Entschließungen des Kaisers zu den in den Vorträgen enthaltenen Anträgen der Minister wurden generell nur dann zitiert, wenn diese entgegen den Beschlüssen der Ministerkonferenz erfolgten. Standen sie jedoch in Einklang mit denselben, wurden die Ah. Entschließungen nicht erwähnt.

Entscheidend für die Feststellung der Existenz von Konferenzprotokollen in diesen Jahren ist die Ministerkonferenzzahl (MCZ.), weil die Akten der Kabinettskanzlei fortlaufend nach dieser Zahl numeriert und eingeordnet sind. Deshalb ist in der Hauptsache nur die Ministerkonferenzzahl angeführt.

Die Eigennamen werden wie bisher im allgemeinen nach dem Staatshandbuch – soweit vorhanden – geschrieben174. Eine generelle Anwendung dieser Regel ist unmöglich, weil die verschiedenen Jahrgänge des Staatshandbuchs eine sehr unterschiedliche Art der Schreibung einzelner Namen aufweisen. Soweit eigenhändige Unterschriften auffindbar waren, wurden diese als Richtmaß für die Schreibung der Eigennamen genommen. So wurde die Schreibweise der Namen aller jener, die von den Kriegsgerichten in Ungarn abgeurteilt wurden, ihren eigenhändigen Unterschriften auf den Kriegsgerichtsprotokollen || S. 63 PDF || (im Magyar Hadtörténelmi Levéltár, Budapest) angeglichen. Differenzen zur heutigen Schreibung haben darin ihre Ursache.

Die Schreibung der Ortsnamen wurde der Volkszählungsstatistik aus dem Jahre 1857 entnommen175. Einige wenige darin fehlende Ortsnamen wurden nach dem geographischen Lexikon von Raffelsperger ergänzt176.