Nr. 559 Ministerrat, Wien, 22. September 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 23. 9.), P. Krauß 27. 9., Bach 27. 9., Thinnfeld 25. 6., Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw.abwesend Thun, Stadion, Kulmer.
MRZ. 3257 – KZ. 3430 –
Protokoll der am 22. September 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Wirkungskreis der Ministerien
Der Ministerpräsident Fürst v. Schwarzenberg brachte das Ah. Kabinettschreiben, womit Se. Majestät Vorschläge über den Wirkungskreis der einzelnen Ministerien und des Gesamtministeriums, dann darüber abzufordern geruhten, welche Amtswirksamkeit den Statthaltern vorzuzeichnen wäre1, zu dem Ende in Erinnerung, um diese Arbeit zu beschleunigen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, eine Zusammenstellung darüber bald Sr. Majestät vorlegen zu können2.
II. Weglassung der obersten Landeswürden aus dem Hofkalender
Derselbe Minister erwähnte hierauf eines Vortrages des Obersthofmeisters Sr. Majestät Fürsten Liechtenstein, das Wiedererscheinen des seit dem Jahre 1848 unterbrochenen, von vielen Seiten aber gewünschten Hofkalenders betreffend, worin unter anderem auch die Anfrage gestellt wird, ob die obersten Landeswürden und die Namen ihrer Träger in den Hofkalender aufgenommen werden sollen3.
Man einigte sich hinsichtlich dieser Würden vorläufig dahin, dieselben bei dem Umstande, daß die Landstände nicht mehr bestehen, diese Würden aber noch nicht ausdrücklich aufgehoben worden sind, in den Hofkalender nicht aufnehmen zu lassen4.
III. Zolltarif (10. Beratung)
Fortsetzung der Beratung über den neuen allgemeinen österreichischen Zolltarif5.
Der Handelsminister Ritter v. Baumgartner bemerkte mit Beziehung auf die im Protokolle vom 20. September d. J. zu XII, 51 b (Anmerkung I) von dem Finanzminister geltend gemachte Ansicht, daß die für die Einfuhr des Frischeisens über die Grenzen gegen die See und die fremden italienischen Staaten angetragene Zollerhöhung (von 2 f. 30 Kreuzer auf 3 f. 30 Kreuzer), da der dafür angeführte Grund, daß die Einfuhr zur See wohlfeiler als die zu Lande ist, die inländischen, auf den letzten Verkehrsweg angewiesenen Produzenten daher die Konkurrenz mit dem auswärtigen, zur See eingeführten Frischeisen nicht aushalten könnten, nicht bloß beim Frischeisen, sondern auch bei den anderen Artikeln eintritt, konsequent und grundsätzlich bei der ganzen Klasse XII, vom Roheisen angefangen, durch alle Artikel hinab durchgeführt werden sollte, daß bei dem|| S. 239 PDF || Zollkongresse die kärntnerischen und steiermärkischen Eisenfabrikanten die im Tarife vorkommenden Zollsätze zum Behufe des Schutzes ihrer Fabriken und nicht darum gewünscht haben, um den Italienern diese Ware zu verteuern. Der höhere Zweck bei Festsetzung dieser Zölle sei daher einzig und allein der Schutz der inländischen Eisenfabrikation gegen die ausländische Konkurrenz gewesen.
Der Handelsminister bemerkte weiter, daß der Grund der Differenz in den Zollsätzen die weitere Zufuhr in der südlichen Richtung ist und daß die Differenz beim Frischeisen sich auf 25 Kreuzer belaufe, um welche die Fracht aus Kärnten nach Triest höher zu stehen komme, als jene aus Liverpool dahin.
Der Handelsminister erinnerte auch, daß die Ausdehnung der Zollerhöhung auf alle Stoffe dieser Klasse den Italienern die Ware sehr verteuern würde und daß ferner der Umstand berücksichtigt zu werden verdiene, daß durch diese Verteuerung nicht bloß unser Italien, sondern auch Parma und Modena getroffen würden, was für ihren gewünschten Anschluß an Österreich von bedenklichen Folgen sein könnte.
Nach seiner Ansicht hätte es demnach (Klasse XII 51) mit Ausnahme des Zollsatzes c) für Rails und Tyres, welcher von 3 f. 30 Kreuzer auf 4 f. 30 Kreuzer erhöht werden soll, in Ansehung der Zollsätze b), d), e), f ), g) und i) bei den in dem Tarifsentwurfe vorkommenden Ansätzen zu verbleiben.
Dieser Ansicht traten mit Ausnahme des Finanzministers Freiherrn v. Krauß, welcher bei seiner früher ausgesprochenen Meinung verharrte, die übrigen Stimmführer bei.
Bei g) wäre im Texte statt „Eisen und polierter Stahldraht“ bloß „Eisendraht“ zu setzen.
In dem Tarifsatze h) (Stahldraht polierter und Stahlsaiten) ist der Einfuhrzoll von den angetragenen 15 f. auf 7 f. 30 Kreuzer herabgesetzt worden, weil man dafürhielt, daß schon bei diesem Zollsatze die hiesige Stahlsaitenfabrikation einen hinreichenden Schutz gegen die ausländische Stahlsaitenkonkurrenz erhält, und auf der anderen Seite die hiesigen Nadelfabriken dadurch nicht zu sehr benachteiliget werden.
Abteilung 52 i) ist im Texte statt des Wortes „Maschinenbestandteilen“ „in anderen Gegenständen“ zu setzen.
Bei der Klasse XIII ergab sich keine Erinnerung gegen den Tarifsentwurf.
XIV 57 (Baumwolle), bei welcher der gegenwärtige Zollsatz von 1 f. 29 ½ Kreuzer auf 5 Kreuzer herabgesetzt werden soll, wodurch dem Staatsschatze eine beträchtliche Einnahme entginge, auf welche derselbe unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht leicht verzichten kann, 60 (Seide), dann Klasse XV 61 (Baumwollgarne) etc. glaubte der Finanzminister im allgemeinen bemerken zu sollen, daß man sich aus Rücksicht für die Lage der Finanzen von den jetzigen Zollsätzen so wenig als möglich entfernen sollte. Nach seiner Ansicht wäre bei den Klasse XIV und XV vorkommenden Artikeln nur stufenweise und allmählig mit der Herabsetzung der gegenwärtig bestehenden Zölle in der Art vorzugehen, daß man in einer bestimmten Zeit bei jenen Zollsätzen anlange, welche gegenwärtig im Antrage stehen.
Gegen diese Ansicht des Finanzministers wurde vorläufiga nichts erinnert (da im Grundsatze hinsichtlich der Klasse XIV und XV vorkommenden Zollabstufungen zwischen ihm|| S. 240 PDF || und dem Handelsminister Übereinstimmung besteht), und es wurden demnach in der Voraussetzung, daß der Zoll auf die Einfuhr der Baumwolle, welcher gegenwärtig in 1 f. 29 ½ Kreuzer besteht, mit der Zeit auf den gegenwärtig angetragenen Satz von 5 Kreuzer zurückkommt, die in den Klassen XIV und XV angetragenen Zollsätze angenommen6.
Wien, am 23. September 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 5. Oktober 1851.