Nr. 506 Ministerrat, Wien, 28. Mai 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz keine Angabe; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 29. 5.); BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend P. Krauß 30. 5., Bach 30. 5., Thinnfeld, Thun, K. Krauß, Baumgartner, Kulmer 30. 5. (bei VII teilweise abw.abwesend); abw.abwesend Schwarzenberg, Csorich, Stadion.
MRZ. 1845 – KZ. 1799 –
- I. Unterstützung für das griechisch-katholische Bistum in Siebenbürgen
- II. Errichtung eines Bezirksgerichtes zu San Benedetto
- III. Todesurteil gegen Maria Breitenfeld
- IV. Auszeichnung für Georg Scharitzer
- V. Auszeichnung für Ignaz Hiess
- VI. Auszeichnung für Willibald Franz
- VII. Erhebung des Ignaz Kajetan v. Leitner in den Ritterstand
- VIII. Organisierung des Polizeikommissariates in Klagenfurt
- IX. Preßordnung (7. Beratung)
Protokoll der am 28. Mai 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung.
I. Unterstützung für das griechisch-katholische Bistum in Siebenbürgen
Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Leo Thun brachte die Unterstützung des griechisch-katholischen Bistums in Siebenbürgen für die Anschaffung von Kirchengerätschaften im Betrage von 2000 f. zur Sprache, und es wurde bei der nachgewiesenen Notwendigkeit dieser Unterstützung die Zustimmung zu deren Anweisung mit dem Vorbehalte des Rückersatzes aus dem noch näher auszumittelndem Fonds von dem Ministerrate erteilt1.
II. Errichtung eines Bezirksgerichtes zu San Benedetto
Die Gemeinde San Benedetto in ader Lombardiea ist um die Zuweisung eines eigenen Bezirksgerichtes (3. Klasse) beziehungsweise um die Teilung des umfangreichen Bezirksgerichtes Gonzaga, zu welchem sie bisher gehörte, in zwei Gerichtssprengel eingekommen und bietet die nötigen Gebäude zur Unterbringung des neuen Bezirksgerichtes an.
Die topographischen und die Verkehrsverhältnisse sprechen für diese Teilung, durch welche die beiden Bezirksgerichte sich sehr gut arrondieren ließen. Die dadurch verursachte Mehrauslage würde sich auf 1500 f. belaufen. Das Gerichtspersonale in Gonzaga würde vermindert und das Erübrigte mit der nötigen Vermehrung nach San Benedetto gegeben werden.
Der Justizminister fände keinen Anstand, bei Sr. Majestät auf die Ah. Gewährung dieser Teilung anzutragen, womit sich auch der Ministerrat einverstanden erklärte2.
III. Todesurteil gegen Maria Breitenfeld
Derselbe Minister trug weiter einverständlich mit dem Schwurgerichts- und dem Obersten Gerichtshofe auf Nachsicht der Todesstrafe für die wegen des in der größten Notlage an ihrem Kinde begangenen Mordes zum Tode verurteilte Maria Breitenfeld an. Der Oberste Gerichtshof würde statt der Todesstrafe einen sechsjährigen schweren Kerker substituieren.|| S. 510 PDF ||
Der Ministerrat fand gegen diesen Antrag nichts zu erinnern3.
Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte hierauf folgende an Se. Majestät zu richtende Auszeichnungsanträge zum Vortrage, und zwar:
IV. Auszeichnung für Georg Scharitzer
für den von dem Justizminister empfohlenen Bezirksrichter Scharitzer, welcher sich bei der Verpflegung der k. k. Truppen und um die kranken Soldaten besondere Verdienste erworben, das goldene Verdienstkreuz4;
V. Auszeichnung für Ignaz Hiess
für den von dem hiesigen Statthalter angerühmten Gemeindevorstand und Hausinhaber auf der Laimgrube Ignaz Hiess wegen seiner besonderen Tätigkeit bei Verpflegung der k. k. Truppen bstatt des angetragenen silbernen Verdienstkreuzes die Ah. Zufriedenheitb ;5
VI. Auszeichnung für Willibald Franz
für den von dem provisorischen Statthalter in Ungarn als sehr loyal, treu und verdienstlich geschilderten Wirtschaftsrat des Fürsten Windischgrätz Willibald Franz das goldene Verdienstkreuz6.
Der Ministerrat hat den vorstehenden drei Anträgen ebenso wie
VII. Erhebung des Ignaz Kajetan v. Leitner in den Ritterstand
dem weiteren Antrage desselben Ministers beigestimmt, das Gesuch des v. Leitner aus Steiermark um die Verleihung des österreichischen Ritterstandes bei Sr. Majestät zu befürworten. Leitner gehört einer rittermäßigen steirischen Familie an, ist steirischer Landstand und bei den Ständen angestellt. Se. Majestät haben auch bereits im Grundsatze anzuerkennen geruhet, daß rittermäßige Familien von Fall zu Fall um die Verleihung des Ritterstandes einschreiten können und daß auf die Ah. Gewährung solcher Gesuche angetragen werden darf7.
VIII. Organisierung des Polizeikommissariates in Klagenfurt
Gegen die von dem Minister des Inneren ferner angetragene Organisierung des Polizeikommissariates in Klagenfurt ergab sich keine Erinnerung. Das Polizeipersonale daselbst soll aus einem Polizeioberkommissär, einem Polizeikommissär, einem Konzeptsadjunkten und zwei Kanzlisten bestehen und der Aufwand 3600 f., also das Minimum, was erreichbar ist, betragen. Mit dieser Organisierung sind die Organisierungen der Polizeibehörden größtenteils vollendet8.
IX. Preßordnung (7. Beratung)
Fortsetzung der Beratung über die neue Preßordnung9.
§ 39. Nach dem bereits im Protokolle vom 26. d. M. Bemerkten ist in dem letzten Absatze dieses Paragraphes und sonst überall, wo dieser Ausdruck vorkommt, statt „Leiter der Druckerei“ „Geschäftsleiter der Druckerei“ zu setzen.
§ 40 wurde der letzte Absatz, dessen Bestimmung als nicht notwendig und als sich von selbst verstehend erkannt wurde, auch mit Zustimmung des Ministers des Inneren gestrichen.
§ 41. Am Schlusse dieses Paragraphes schien die bei einem Vergehen bestimmte Strafe von 50–500 f. gegenüber der für Übertretungen festgesetzten Strafe von 50–200 f. zu gering bemessen. Mit Vorbehalt der Regulierung der Ziffer bei der Schlußredaktion wurde gegen diesen Paragraphen nichts erinnert.
Zu § 42 meinte der Justizminister , daß die nach diesem Patente ausgesprochenen Geldstrafen statt dem Armenfonds des Ortes, wo die strafbare Handlung begangen wurde, dem Armenfonds des Ortes zuzufallen hätte, wo das erstrichterliche Urteil gefällt wurde.
Dagegen bemerkte der Minister des Inneren , daß er sich bei der Entwerfung dieses Paragraphes auf die diesfalls in dem Strafgesetzbuche enthaltene Bestimmung, nach welcher der Ort der Ergreifung derjenige ist, zu dessen Armenfonds die Geldstrafen verfallen, gehalten habe und daß er es nicht rätlich fände, über diesen Punkt verschiedene Prinzipien aufzustellen, wornach beschlossen wurde, diesen Paragraph unverändert zu belassen.
Die Weglassung des § 43 wurde einstimmig gutgeheißen, nachdem die darin enthaltene Bestimmung bereits in dem Strafgesetzbuche aufgenommen erscheint.
Der § 44 wird durch einen Berufungsparagraphen auf die allgemein geltenden Grundsätze des Strafgesetzes, dessen Redaktion sich der Minister des Inneren vorbehielt, beseitigt.
Nachdem so die Beratung über die Preßordnung geschlossen wurde, ist man auf die sich für diesen Zeitpunkt vorgehaltene Besprechung der kaiserlichen Verordnung über die Kompetenz der Strafgerichte, und zwar auf den Punkt B des Artikels II jener Verordnung übergegangen.c
Der Justizminister Ritter v. Krauß hält es für notwendig, daß den Geschwornengerichten außer den in dem Artikel II sub A angeführten Verbrechen die Hauptverhandlung und Entscheidung auch über die Preßvergehen zugewiesen werden.
Derselbe stellte demnach zu B folgenden Antrag: „Über alle unter der bisherigen Bezeichnung ,Preßvergehen‘ nur durch den Inhalt einer Druckschrift begangenen strafbaren Handlungen (Art. II des Kundmachungspatentes zum Strafgesetze), wenn sie nicht nach Art. I vor das Reichsgericht gehören.
Wenn aber eine solche strafbare Handlung mit einem Verbrechen oder Vergehen zusammentrifft oder sonst im Zusammenhange steht, welches mit einer höheren Strafe als jene|| S. 512 PDF || durch das Gesetz bedroht ist, so steht dem für das schwerer bestrafte Verbrechen oder Vergehen berufenen Strafgerichte das Verfahren auch über die durch die Druckschrift begangenen strafbare Handlung zu.“
Der Justizminister gründet diesen Antrag vorzüglich auf die in dem § 103 der Reichsverfassung vom 4. März 1849 enthaltene Bestimmung, welche aussagt: „In Strafsachen soll der Anklageprozeß gelten, Schwurgerichte sollen in allen schweren Verbrechen, welche das Gesetz näher bezeichnen wird, dann bei politischen und Preßvergehen erkennen.“
Nach dieser noch fortan bestehenden Bestimmung erscheine es notwendig, um nicht gegen die Reichsverfassung zu verstoßen, auch die Preßvergehen den Schwurgerichten zuzuweisen. Für diese Zuweisung spreche auch der Umstand, daß den Schwurgerichten die Hauptverhandlung und Entscheidung über die schwersten Verbrechen wie z. B. Störung der öffentlichen Ruhe, Aufstand und Aufruhr, öffentliche Gewalttätigkeit etc. etc. bereits zugedacht ist und daß sonach kein zureichender Grund vorhanden wäre, diesen Gerichten gerade die geringeren Vergehen zu entziehen und durch diese Entziehung den Feinden der Regierung Anlaß zu unliebsamen Bemerkungen über Reaktion, Nichtachtung der Reichsverfassung u. dgl. zu geben.
Der Minister des Inneren Dr. Bach sprach sich dagegen für die gänzliche Weglassung des Punktes B Art. II der erwähnten kaiserlichen Verordnung aus. Die durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen sind entweder Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen und gehören als solche in das Strafgesetz, da man den Grundsatz angenommen, daß kein eigenes Preßgesetz bestehen und alle durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen in das Strafgesetz aufgenommen und dort verpönt werden sollen. Es sei zweckmäßig und müsse als ein Fortschritt der Strafgesetzgebung erkannt werden, daß mit dem Wegfallen des Preßgesetzes, was durch das revidierte Strafgesetz geschieht, alle durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen in dem allgemeinen Strafgesetze ihren Platz finden. Die wichtigsten Verbrechen bleiben ohnehin den Schwurgerichten vorbehalten. Es sei nirgends gesagt, daß Vergehen, durch die Presse begangen, vor das Schwurgericht gehören. Das Preßgesetz vom 13. März 1849 habe den Ausdruck „Preßvergehen“ überall vermieden und sich durchgehends des Ausdruckes „Preßübertretungen“ bedient. Durch die Aufnahme der Preßvergehen und Übertretungen in das Strafgesetz wollte man die Kategorie eigener Preßvergehen und Übertretungen aufhören machen.
Die Verfassung vom 4. März 1849 werde durch die Weglassung des Punktes B nicht beeinträchtiget, da die durch die Presse begangenen Verbrechen den Schwurgerichten vorbehalten bleiben und die Mehrheit der Fälle, welche den Geschwornengerichten dadurch entzogen wird, wohl meistens Private (Injurien) betreffen dürfte, gegen deren Nichtverhandlung vor den Geschwornen sich nicht leicht jemand beschweren wird. In mehreren Kronländern wie Galizien, Ungarn, Kroatien, Dalmatien, Italien seien die Schwurgerichte noch gar nicht eingeführt, und dort müsse jedenfalls gegen die durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen nach den allgemeinen Strafgesetzen und von den ordentlichen gewöhnlichen Richtern verfahren werden.
Ferner bemerkte der Minister des Inneren schließlich noch, daß die preußischen Kammern in der neuesten Zeit gleichfalls den Grundsatz angenommen haben, die strafbaren|| S. 513 PDF || Handlungen der Presse dem gewöhnlichen Richter und den allgemeinen Strafbestimmungen nicht zu entziehen.
Bei der hierauf gefolgten Abstimmung vereinigten sich mit dem Minister des Inneren für die Weglassung des Punktes B aus dem Artikel II der erwähnten kaiserlichen Verordnung die Minister Edler v. Thinnfeld und Graf Leo Thun, wobei der letztere zu bemerken fand, daß diese Weglassung zwar allerdings nicht mit der Reichsverfassung (§§ 103 und 123) im Einklange stehe, daß aber auch die Suspendierung der Schwurgerichte in mehreren Kronländern dieser Reichsverfassung nicht angemessen und doch aus guten Gründen geschehen sei.
Graf Thun bemerkte weiter, daß diese Verschiedenheit auch bei anderen strafbaren Handlungen wie bei dem dem Reichsgerichte zugewiesenen Hochverrate bestehe, daß es vollkommen zweckmäßig sei, die Preßverbrechen nicht anders als die anderen Verbrechen zu behandeln, und daß er deshalb auch gewünscht hätte, daß in die neue Preßordnung keine wie immer gearteten Preßvergehen aufgenommen worden wären, deren aber mehrere darin beibehalten worden sind.
Mit dem Minister der Justiz Ritter v. Krauß für die Beibehaltung des Punktes B, d. i. Überweisung der Hauptverhandlung und Entscheidung über die Preßvergehen an die Schwurgerichte, stimmten dagegen aus den vom Justizminister angeführten Gründen die Minister Ritter v. Baumgartner und Freiherr v. Krauß, vorzüglich hervorhebend, daß durch die Entziehung der Preßvergehen von den Schwurgerichten nichts Wesentliches gewonnen wird, wenigstens nichts von solchem Gewichte, wodurch die jedenfalls bevorstehenden missliebigen Äußerungen der Presse und des Publikums aufgewogen werden könnten10.
Wien, am 29. Mai 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 4. Juni 1851.