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Nr. 433 Ministerrat, Wien, 13. Dezember 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

MRZ. – KZ. 4454 –

Protokoll der am 13. Dezember 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Konferenzen in Dresden

Der Ministerpräsident las das am 12. d. M. nach Berlin abgegangene Einladungsschreiben an sämtliche deutsche Regierungen zur Beschickung der am 23. d. M. in Dresden zu eröffnenden gemeinsamen Ministerialkonferenzen behufs der Revision der deutschen Bundesverfassung1.

Der deutsche Bund, dessen zu verbessernde Grundgesetze in Dresden in Beratung gezogen werden sollen, wird darin als ein unauflöslicher vorangestellt, und der leitende Gedanke bei diesen Beratungen soll sein, daß die Verhältnisse des Bundes nach innen und außen verbessert und gekräftiget werden. Das Resultat der Beratungen soll dem Art. 4 der Wiener Schlußakte gemäß sämtlichen Bundesgliedern vorgelegt und durch ihre Bestätigung zum Grundgesetze erhoben werden. Der Ministerpräsident bemerkte zugleich, daß er zur Eröffnung der gedachten Konferenzen sich selbst nach Dresden begeben werde2.

II. Behandlung der lombardisch-venezianischen Delegierten

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte hierauf die Behandlung der lombardisch-venezianischen politischen Delegierten zur Sprache. Er schickte voraus, daß vor Abschluß des Friedens mit Sardinien, wie bekannt ist, eine Amnestie von Seite Österreichs erlassen wurde, wornach mit Ausschluß mehrerer namentlich aufgeführter Individuen den übrigen im Auslande befindlichen lombardisch-venezianischen Untertanen mit Festsetzung des Termins bis Ende September 1849 die straffreie Rückkehr in die österreichischen Staaten gestattet wurde3. Rücksichtlich der ausgenommenen, namentlich aufgeführten Individuen wurde bemerkt, daß sie wegen Erhaltung der allgemeinen Ruhe für jetzt noch nicht in den kaiserlichen Staat zurückkehren dürfen. Welche von den ersteren|| S. 140 PDF || in der angedeuteten Frist nicht zurückkehrten, konnten um die Auswanderungsbewilligung einschreiten.

Bei der Kapitulation von Venedig sei im Grunde dasselbe System eingehalten worden, nur daß für Venedig der Termin zur Rückkehr erweitert wurde. Wer sich in diesem Termine nicht meldet, soll als ohne Bewilligung ausgewandert betrachtet und dessen Vermögen mit Beschlag belegt werden, doch ist dieses letztere aus Versehen der Generalgouvernementskanzlei nicht zur Ausführung gekommen.

Hiernach, bemerkte der Minister Dr. Bach, gibt es zwei Hauptkategorien von kompromittierten lombardisch-venezianischen Individuen, a) solche, welche exiliert sind und denen der Aufenthalt in dem österreichischen Staate zeitweilig untersagt ist, und b) solche, welche begnadigt sind und straffrei zurückkehren konnten.

Der Umstand, daß der Feldmarschall Graf Radetzky im März d. J. eine Proklamation erließ, nach welcher die letzteren, insofern sie in der gesetzten Frist nicht zurückgekehrt sind, als unbefugt ausgewandert zu betrachten und ihre Güter zu sequestrieren wären, hat zur Folge, daß die letzteren schlechter daran sind, als die aus dem österreichischen Staate zeitweilig ganz ausgeschlossenen4.

Nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach kann man mit der Sache nicht gut zu Ende kommen, wenn der Übelstand nicht beseitiget wird, daß die Minderschuldigen härter behandelt werden als die Mehrschuldigen, zeitweilig ganz Relegierten. Auf die ersteren wären die Maßregeln des Auswanderungspatentes und die Beschlagnahme ihres Vermögens nicht anzuordnen.

Der Minister meint, daß als Grundsatz auszusprechen und den lombardisch-venezianischen Behörden als leitende Norm hinauszugeben wäre, daß jene Individuen, welche nach der Proklamation vom 12. August 1849 und nach jener von Venedig in der festgesetzten Frist nicht zurückgekehrt sind, als unbefugt ausgewandert und als Fremde zu betrachten sind, daß aber ihnen Se. Majestät die Folgen dieser Auswanderung in Gnaden nachsehen, wornach alle Verhandlungen in Ansehung ihres Vermögens entfallen. Wollten diese Individuen in der Folge einwandern, so hätten sie um die Bewilligung dazu anzusuchen, die Untertanstreue zu schwören, kurz alles das zu leisten, was Fremde bei Erwerbung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu leisten haben.

Der Ministerrat erklärte sich damit umso mehr einverstanden, als dadurch eine konsequente Durchführung des Grundsatzes vom 12. August erzielt und jenem Rechnung getragen wird, was Sardinien diesfalls erwartet, und wir dadurch auch einer Menge von Proletariern und von nicht verläßlichen Individuen für immer los werden.

Der Minister des Inneren wird in diesem Sinne diese Angelegenheit Sr. Majestät zur Ah. Genehmigung vorlegen. Von der zur Beratung dieser Sache früher beabsichtigten Kommission hätte es hiernach ganz abzukommen5.

III. Erläuterung des allgemeinen Gemeindegesetzes § 35

Derselbe Minister beantragte hierauf, einen Punkt des allgemeinen Gemeindegesetzes, über welchen Zweifel rege geworden sind und Anfragen gestellt wurden, näher zu beleuchten, beziehungsweise diese Erläuterung bei Sr. Majestät in Antrag zu bringen6.

Nach dem § 35 des allgemeinen Gemeindegesetzes sind gewisse Personen von der Wählbarkeit für Gemeindeämter, und zwar nach dem Punkte 3 auch die Gemeindebeamten und Diener, ausgeschlossen. Es entstand die Frage, ob unter diesen Gemeindebeamten nur aktive Gemeindebeamten zu verstehen seien oder auch pensionierte Gemeindebeamten, worüber sich das allgemeine Gemeindegesetz nicht klar ausspreche.

Der Minister Dr. Bach bemerkte, daß, wenn die ratio legis ins Auge gefaßt wird, man sich nur dahin aussprechen müßte, daß für das aktive Amt eines Gemeinderates oder Organs der Gemeinde nur aktive Gemeindebeamten nicht wählbar sind, um zu vermeiden, daß nicht zugleich die legislative und exekutive Gewalt in einer Person vereiniget werden. Dieser Fall habe übrigens in diesem Sinne bereits eine Ah. Erläuterung für Troppau erhalten.

Der Minister erbat sich die sofort erteilte Ermächtigung und Zustimmung des Ministerrates, eine gleiche Erläuterung zu dem allgemeinen Gemeindegesetze bei Sr. Majestät in Antrag zu bringen, welche nach Ah. Genehmigung zur öffentlichen Kenntnis zu bringen wäre7.

IV. Todesurteil gegen Johann Klimkó

Der Justizminister Ritter v. Schmerling trug einverständlich mit dem obersten Gerichtshofe und mit Zustimmung des Ministerrates auf die Nachsicht der Todesstrafe für den Vatermörder Johann Klimkó an, weil seine an sich entsetzliche Tat mehr als ein bei einem tätlichen Handgemenge verübter Totschlag als ein vorbedachter Mord anzusehen ist, und der Inquisit ohne sein reuevolles Geständnis nicht wohl dieses Verbrechens hätte überwiesen werden können. Die oberste Justizstelle will für denselben im Falle der Begnadigung auf eine 15-jährige schwere Kerkerstrafe erkennen8.

V. Auszeichnung für Anton Knoll

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Freiherr v. Bruck trug auf die Auszeichnung mit dem silbernen Verdienstkreuze für den A. Knoll an, der sich im italienischen Feldzuge ausgezeichnet und darin eben solche Verdienste erworben hat, wegen welcher bereits mehreren Individuen des Zivilstandes solche Auszeichnungen zuteil wurden, und der von den Militärbehörden auf das wärmste empfohlen wurde9.

Der Ministerrat fand diesem Antrage ebenso beizustimmen wie dem folgenden desselben Ministers

VI. Auszeichnung für Georg Mansurani

für den griechischen Konsul in Triest Manzurani, das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken.

Mansurani, der den Ruf eines sehr braven und rechtlichen Mannes genießt, hat sich während der Blockade von Triest durch die sardinische Flotte, durch sein vortreffliches Einwirken auf die ganze griechische Bevölkerung in Triest sehr ausgezeichnet und als einen wahren und aufrichtigen Freund Österreichs bewiesen10.

VII. Vorschrift über die Schneeausschauflung

Der Minister Freiherr v. Bruck besprach hierauf noch die zu erlassende neue Vorschrift über die Schneeschauflung.

Er bemerkte, daß man sich bei Entwerfung dieser Vorschrift an die gegenwärtig diesfalls bestehenden Bestimmungen mit Rücksicht auf die neuerlichen geänderten Verhältnisse so viel möglich gehalten habe und daß diese Vorschrift mit den Abgeordneten der Ministerien der Finanzen und des Inneren besprochen wurde.

Zwei Punkte sind es vorzüglich, welche einer genauen Erwägung bedürfen.

Der erste betrifft die Vergütung für die Schneeschauflung, rücksichtlich derer der Abgeordnete des Finanzministeriums der Ansicht war, daß den Gemeinden nur die Hälfte der Arbeit zu vergüten wäre, weil die Offenhaltung der Wege und Straßen als eine polizeiliche Maßregel im Grunde den Gemeinden obliegt, das Ärar sich aber bei öffentlichen Straßen nicht jedes Beitrages entschlagen will und die Offenhaltung der Straßen zunächst zum Vorteile der Gemeinden geschieht.

Da sich ein genaues Verhältnis rücksichtlich dieser Vergütung nicht wohl ausmitteln läßt, so beabsichtiget der Minister Freiherr v. Bruck anzutragen, daß diesfalls mit den Gemeinden Verabredungen über eine denselben nach dem Durchschnitte mehrerer Jahre zu zahlende und für einen längeren, nicht unter sieben Jahren stehenden Zeitraum geltende Aversualsumme getroffen werden, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte.

Der zweite Punkt, worüber sich eine Verschiedenheit der Ansichten ergab, waren die Fälle der Beschwerden, rücksichtlich welcher der Minister Freiherr v. Bruck meinte, daß, wenn Gemeinden über Baubeamte Beschwerde zu führen haben, diese an die dem Baubeamten vorgesetzte Baubehörde zu gehen hätten, während die Beschwerden der Baubeamten gegen die Gemeinden den politischen Behörden vorzulegen wären.

Der Minister Dr. Bach erinnerte, daß in Gegenständen der Schneeschauflung die Baubeamten ebenso Partei sind wie die Gemeinden. Hierbei handle es sich vorzüglich um die Ausmittlung der zur Schneeschauflung pflichtigen Gemeinden, nämlich des Konkurrenzrayons, um die Repartition der auf diese Gemeinden entfallenden Arbeit und um die Vergütung derselben, kurz um eine Konkurrenzleistung wie z. B. um eine Straßenbaukonkurrenz, rücksichtlich welcher die Verfügung und die Entscheidung der Beschwerden den politischen Behörden vorbehalten werden müssen. Hierbei verstehe es sich übrigens von selbst, daß, wenn gegen einen Baubeamten Beschwerde erhoben wird, weil er seinen Wirkungskreis überschritten hat oder weil die Beschwerde das technische Fach betrifft, diese Beschwerden als Disziplinargegenstände an die dem Baubeamten vorgesetzte Baubehörde zu gehen haben.|| S. 143 PDF ||

Da der Minister Freiherr v. Bruck diese Ansicht in der Wesenheit teilte, so wird derselbe mit Zustimmung des Ministerrates die Fassung der Vorschrift über diesen Punkt entwerfen und solche dem Minister Dr. Bach mitteilen, worauf dann nach der Vereinbarung der au. Vortrag an Se. Majestät erstattet werden wird11.

VIII. Akten der vormaligen ungarischen und der siebenbürgischen Hofkanzlei

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Leo Thun glaubte schließlich aufmerksam machen zu sollen, daß sämtliche Akten der ungarischen und siebenbürgischen Hofkanzlei sich unter der Aufsicht einiger minder brauchbarer Beamten im Schottengebäude aufbewahrt befinden, und daß er, was wohl auch bei den anderen Ministerien der Fall sein werde, wünschen müsse, daß die diesfälligen Akten über den Unterricht ausgeschieden und seinem Ministerium zugeteilt werden. Diese Arbeit werde immerhin eine schwierige sein, weil diese Akten nicht besonders registriert wurden, sondern mit anderen, auch Justizakten, vermengt sind.

Über die Bemerkung des Ministers des Inneren, daß hinsichtlich der in Anregung gebrachten Akten eine Kommission bereits bestellt wurde und der Minister Dr. Bach diese Sache mit dem Unterrichtsminister weiter besprechen werde, blieb diese Angelegenheit auf sich beruhen12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 21. Dezember 1850.