Nr. 410 Ministerrat, Wien, 23. Oktober 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 24. 10.), Krauß 3. 11., Bach 31. 10., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 30. 10., Thun, Csorich, Kulmer 30. 10.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 4278 – KZ. 3770 –
Protokoll der am 23. Oktober 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Projekt zur Errichtung einer Spielbank in Baden
Der Minister des Inneren Dr. Bach las eine ihm aus Darmstadt zugekommene Zuschrift vor, worin der Antrag gestellt wird, eine Spielbank in Baden bei Wien zu errichten und für diese Konzession mit Sicherstellung einer Kaution von 2 Millionen einen Pacht von 200.000 fr. jährlich den Finanzen zu zahlen.
Hierüber wurde sich einstimmig dahin ausgesprochen, diesem, die öffentliche Sittlichkeit gefährdenden Antrage keine Folge zu geben1.
II. Rosenthalsches Schreiben über die Zustände Österreichs und Europas
Derselbe Minister teilte weiter dem Ministerrate den Inhalt eines aus Mailand mit der Unterschrift J. A. Rosenthal, gewesener Herausgeber einer Zeitschrift, erhaltenen Briefes mit, worin der Schreiber den gegenwärtigen Zustand von Europa und von Österreich mit sehr schwarzen Farben schildert und behauptet, daß wir uns in Mailand am Vorabende schrecklicher Katastrophen, ja einer Bartholomäusnacht befinden, daß Europa bald eine ganz andere Gestalt erhalten werde, daß die sogenannten Schwarzgelben in großer Gefahr seien, und daß nun alles darauf ankomme, schnell und energisch zu handeln. Da in diesem Schreiben keine näheren Andeutungen über Sachen und Personen vorkommen, so wurde die darin enthaltene, jedenfalls überspannte Schilderung lediglich zur Kenntnis genommen2.
III. Pensionshöhe Johann Manns
Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Leo Thun brachte hierauf eine zwischen ihm und dem Finanzminister hinsichtlich der Pensionsausmaß für den Konvikts- und Priesterhausinspektor in Gratz, Johann Mann, obwaltende Meinungsverschiedenheit zur Sprache. Dieser Inspektor dient nämlich 38 Jahre und einige Monate und soll hiernach normalmäßig nur die Hälfte seiner letzten Aktivitätsgenüsse von 761 als Pension erhalten. Derselbe bat um die Bewilligung seines ganzen Gehaltes als Pension, das Gesuch wurde ab Imperatore bezeichnet und von den|| S. 21 PDF || Landesbehörden sowohl als von dem Minister Grafen Thun unterstützt3. Der Finanzminister glaubte aber nur auf zwei Drittel des Aktivitätsgehaltes als Pension für Johann Mann antragen zu sollen.
Nachdem der hier zu Pensionierende bereist 73 Jahre alt und schlaghaft ist, zu seiner Stütze eines Dieners bedarf und ihm auf Vollendung von 40 Dienstjahren nur 20 Monate fehlen, so wurde über den Vortrag des Grafen Thun auch mit Zustimmung des Finanzministers beschlossen, für denselben eine Pension im runden Betrage von 700 f. bei Sr. Majestät in Antrag zu bringen4.
IV. Taxbemessung für Johann Corti
Eine ähnliche Meinungsverschiedenheit zwischen dem Minister Grafen Thun und dem Finanzminister ergab sich auch hinsichtlich der Taxbemessung für den Bischof in Mantua Johann Corti. Nach dem Taxpatente soll nämlich die Hälfte der einjährigen Revenuen einer Pfründe ohne Abzug der Lasten als Taxe bemessen werden, was bei dem Bistume Mantua, dessen jährliche Revenuen mit 34.383 fr. 23 Kreuzer ausgemittelt wurden, eine Taxe von 17.041 fr. 42 Kreuzer ausmachen würde. Der Bischof und die Landesbehörden meinten, daß nach den früheren Vorschriften das einjährige Erträgnis nach Abzug der Lasten als Maßstab der Taxbemessung anzunehmen wäre, wornach in diesem Falle das einjährige Erträgnis nur mit 16.666 fr. 40 Kreuzer oder 50.000 Lire und die davon entfallende Taxe mit 25.000 Lire entfiele.
Der Minister Graf Thun schloß sich dieser Ansicht mit der Bemerkung an, daß der Bischof Corti ein ausgezeichneter, der Regierung ganz anhänglicher Mann sei, der seine guten Gesinnungen in der italienischen Revolution unverhohlen an den Tag gelegt und dadurch manchen Nachteil an seinem Vermögen erlitten hat.
Der Finanzminister bemerkte dagegen, daß die Taxbemessung mit der Hälfte des jährlichen Erträgnisses ohne Abschlag der Lasten ganz ordnungsmäßig geschehen sei, daß es sich im vorliegenden Falle nur um eine Taxermäßigung im Wege der Gnade handeln könne, und da für eine solche Gnade Gründe vorhanden seien, die Ermäßigung der Taxe auf 36.000 Lire oder 12.000 fr. erfolgen dürfte.
Über den hierüber vom Minister Grafen Thun gehaltenen Vortrag wurde beschlossen, um einerseits dem Grundsatze, daß die Taxe von dem jährlichen Erträgnisse ohne Abzug der Lasten bemessen werden soll, nicht zu präjudizieren, andererseits aber die für den Bischof Corti sprechenden Gründe gehörig zu berücksichtigen, daß die in der Rede stehende Taxe auf 30.000 Lire zu ermäßigen und in dieser Art der Antrag an Se. Majestät zu stellen wäre5.
V. Armeevergrößerung und Aufrüstung
Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich besprach hierauf die Einleitungen, welche zur Vermehrung und gehörigen Ausrüstung des Truppenstandes teils schon getroffen worden sind, teils demnächst getroffen werden sollen6. Diese betreffen:
a) die Aufstellung der vierten Bataillons der ungarischen und italienischen Regimenter, um im Falle der Vorrückung eine Reserve zu besitzen, und weil es bestimmt worden sei, die Regimenter zu vier Bataillons aufzustellen.
b) die Ausrüstung des ersten und zweiten Armeekorps mit Pferden, Regiments- und Artilleriebespannung, Brücken-Equipagen etc. und
c) die nun auch auszuführende Ausrüstung der böhmischen Festungen Theresienstadt, Josefstadt und Königgrätz, dann der Festung Olmütz.
Der Kriegsminister bemerkte zur Begründung der bereits getroffenen und der noch zu treffenden erwähnten Einleitungen, daß, wenn ein Teil der Armee ausrücken sollte, ein guter Teil der Truppen zur Bewachung des Landes und der inneren Sicherheit zurückbehalten werden müsse, was in der früheren Zeit nicht in dem Maße notwendig war wie gegenwärtig. Es seien viele supernumeräre Offiziere vorhanden, welche bei der Aufstellung der vierten Bataillons untergebracht werden können, und sollte die Notwendigkeit der Maßregel durch die nähere Entwickelung der politischen Verhältnisse wieder entfallen, so würde es keinem Anstande unterliegen, die Mannschaft wieder bald zu entlassen. Pferde, die bisher nicht verkauft worden und noch brauchbar sind, werden zu den sich als notwendig darstellenden Bespannungen benützt werden können7. Um Remonten von vier Jahren zu erhalten, werden Wirtschaftsbesitzer aufzufordern sein, sie zu liefern, denen dafür andere Pferde zum Gebrauche für ihre Wirtschaft überlassen werden könnten. Um diesen letzteren Zweck zu erreichen, werde der Kriegsminister den Minister des Inneren angehen, die Wirtschaftsbesitzer in dem gedachten Sinne aufzufordern und dazu zu bringen.
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß glaubte unter Hinweisung auf den gegenwärtigen imposanten Stand der Armee, welcher stärker als je zuvor, mit Ausnahme des besondere Anstrengungen erfordernden Jahres 1809, ist, und die den Finanzen dadurch erwachsenden außerordentlichen Lasten und Ausgaben, dann auf den Umstand, daß es zunächst darauf ankommen dürfte, Ordnung in der inneren Verwaltung und insbesondere der Finanzen herzustellen, indem unsere Feinde recht wohl wissen, daß wir umso schwächer, je weniger geordnet im Inneren sind, auf diese Verhältnisse aufmerksam machen und bemerken zu sollen, daß es ihm angemessener schiene, mit der Truppenvermehrung noch einige Zeit zuzuwarten, indem es sich bald zeigen dürfte, ob diese Maßregel notwendig sei oder nicht. Aus Rücksicht für die sehr beschwerten Finanzen sollte man nichts unternehmen, was sich nicht als dringend notwendig darstellt.
Diese Ansichten teilte auch der Minister des Inneren.
Von anderen Seiten, insbesondere von dem Ministerpräsidenten, wurde aber bemerkt, da eine Kraftentwicklung in diesem Momente, durch welche auch vieles für die Zukunft|| S. 23 PDF || erspart werden kann, deshalb notwendig erscheine, um aus unserer gegenwärtigen Stellung in Deutschland, wo Preußen faktisch alles durchführt, was ihm beliebt, und was seine Haltung in der kurhessischen und in der holsteinischen Angelegenheit dartut, herauszukommen. Da wir nun nicht wohl umkehren und Preußen alles überlassen können und der Einfluß Österreichs in Deutschland unbedingt notwendig erscheint, so komme es nun darauf an, Preußen zu zeigen, daß wir wirklich ernstliche Schritte tun.
Nachdem ferner die meisten der obigen Einleitungen zur Vermehrung und Ausrüstung des Truppenstandes bereits getroffen worden sind, so erübriget wohl nichts, als dieselben zur Kenntnis zu nehmen, wobei der Finanzminister nur noch den Wunsch aussprach, daß so wichtige und die Finanzen so sehr in Anspruch nehmende Maßregeln künftig nur nach vorläufiger Beratung in Ausführung gebracht werden mögen. Auch ersuchte er, die Berechnung der Kosten der gedachten Maßregeln, welche der Kriegsminister erst zusammenstellen lassen wolle, nachdem dies geschehen, ihm mitzuteilen8.
VI. Tax- und Stempelgesetzeinführung in der Militärgrenze
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß referierte zum Schlusse über eine ihm vom Ban Freiherrn v. Jellačić zugekommene Anfrage rücksichtlich der Einführung des Tax- und Stempelgesetzes in der Militärgrenze9. Diese Anfrage geht dahin: a) ob die Kundmachung von Gesetzen durch das Reichsgesetzblatt auch für die Militärgrenze gelte oder nicht. An diese Anfrage knüpfte der Ban eine andere, ob nämlich b) da in der Grenze die Mannschaft vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts und ihre Familien in Geschäften des adeligen Richteramtes, wenn die Erbschaft 500 fr. nicht überstieg, bisher taxfrei war und nur Handelsleute, Professionisten, Offiziere etc. in Streitsachen und in Geschäften des adeligen Richteramtes die vorgeschriebenen Taxen zu entrichten hatten, und da nun der Stempel an die Stelle der Taxen getreten ist, die gedachte Mannschaft der Militärgrenze nicht in der früheren Ausdehnung stempelfrei sein solle.
Was die erste Frage angelangt, nämlich ob die Kundmachung durch das Reichsgesetzblatt auch für die Militärgrenze verbindlich sei, scheint dem Finanzminister die Bejahung derselben keinem Zweifel zu unterliegen. Der Wortlaut des Kundmachungspatents vom 4. März 1849 § 3 sei deutlich und mache keine Ausnahme in Ansehung der Militärgrenze10. Übrigens sei auch der Kriegsminister ersucht worden, daß Gesetze in der Militärgrenze so wie in den anderen Kronländern kundgemacht werden11. Eigentliche militärische|| S. 24 PDF || Gesetze, welche das Militär allein angehen, werden nur durch die Armee kundgemacht, Gesetze aber, welche auch für das Zivile zu gelten haben, werden nach dem Wortlaute des Patents durch das Reichsgesetzblatt verkündet12.
Dieser Ansicht stimmte der Ministerrat vollkommen bei.
Rücksichtlich der zweiten Frage bemerkte der Finanzminister, daß die Befreiungen Ausnahmen vom Gesetze sind und daß nach dem neuen Tax- und Stempelgesetze (Tarifpost 75, Reichsgesetzblatt S. 551 f.13) die dem aktiven Militärstande und Militärkörper vom Obersten abwärts, diesen mitbegriffen, angehörigen Personen die Stempelfreiheit genießen.
aa) rücksichtlich aller Eingaben und ämtlichen Ausfertigungen, welche in den gerichtlichen Verhandlungen über ihre der Gerichtsbarkeit der Auditoriate bei den Garden, Korps und Regimentern zugewiesenen Rechtsstreitigkeiten vorkommen, dann rücksichtlich jener Amtshandlungen, welche in solchen Rechtsstreiten auf Ansuchen eines Auditoriats von einer anderen Behörde vorgenommen werden;
bb) rücksichtlich der Empfangsbestätigungen über jene Genüsse, welche sie vom Staate in ihrer militärischen Eigenschaft beziehen, sie mögen von ihnen selbst oder ihren Angehörigen behoben werden;
b) die Unteroffiziere und gemeinen Soldaten etc. hinsichtlich der Urlaubspässe als Reiseurkunden.
Wenn man diese Befreiungen mit den früheren vergleicht, so ergibt sich, daß die Offiziere jetzt günstiger behandelt werden, als sie es früher waren.
Bei der Beantwortung der zweiten Frage komme es nur darauf an, ob die dem aktiven Militär zugestandenen Begünstigungen oder Befreiungen auf die Militärgrenze Anwendung finden, d. i. ob die Militärgrenzer, welche nicht ausrücken, zum aktiven Militärstande zu rechnen sind oder nicht. Der Finanzminister würde Bedenken tragen, auf die Ausnahme anzutragen, daß alle Grenzer, welche ausrückungspflichtig sind, stempelfrei sein sollen, weil das ganze aktive Militär seit 1840 nicht stempelfrei war und kein hinreichender Grund vorliegt, bei den Grenzern eine Ausnahme zu machen. Dem Banus wäre hiernach die Aufklärung zu geben, daß, da die Grenzer in Ansehung der Taxen ohnehin schon frei sind, kein Grund vorhanden sei, sie hinsichtlich des adeligen Richteramtes günstiger zu behandeln als andere.
Die übrigen Stimmführer meinten dagegen, daß mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Grenzer früher von allen Lasten frei waren, daß auf ihnen noch immer der beschwerliche Militärdienst lastet, sie ein armes Volk sind, die hier erwähnte Abgabe eine Mißstimmung bei ihnen verursachen würde, und die im Tax- und Stempelpatente angenommene Maximalziffer, welche bei Erbschaften stempelfrei sein soll (50 fr.), wirklich gering ist, die Grenzer überhaupt, weil sie lebenslängliche Soldaten sind und zur Ausrückung|| S. 25 PDF || jederzeit bereit sein müssen, die dem aktiven Grenzmilitär zukommende Stempelfreiheit zu genießen hätten14.
Wien, den 24. Oktober 1850. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 5. November 1850.