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Nr. 262 Ministerrat, Wien, 24. Jänner 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 25. 1.), Krauß 26. 1., Bach 25. 1., Gyulai 26. 1., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 25. 1., Thun, Kulmer 25. 1.; abw. Stadion.

MRZ. 356 – KZ. 243 –

Protokoll der am 24. Jänner 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Telegraph zwischen Wien und München

Der Ministerpräsident eröffnete, daß die Verhandlungen wegen Aktivierung des Telegraphen zwischen München, Salzburg und Wien beendiget seien, nachdem der Handelsminister Freiherr v. Bruck die diesfällige Kommission mit dem königlich bayerischen Gesandten abgehalten hat und das entsprechende Protokoll bereits geschlossen wurde1. Es handle sich gegenwärtig nur noch um die Ratifikation dieses Aktes, welche nach der Ansicht des Ministerpräsidenten und des ihm beistimmenden Ministerrates ohne Anstand gewährt werden dürfte2.

II. Zulagen der bei der Wiener Stadtkommandantur verwendeten Mitglieder des Kriegsministeriums

Bemerkte der Ministerpräsident, daß laut einer Zuschrift des Gouverneurs Baron Welden der Ministerrat angegangen werde, den bei der Stadtkommandantur verwendeten, vom Kriegsministerium dahin beorderten Individuen, deren Zahl sich dermal noch auf fünf belauft, die denselben infolge Auftrags des Kriegsministeriums vom 1. Jänner eingestellte monatliche Zahlung von 20 f. für jeden noch ferner auszahlen zu lassen, nachdem diese Individuen eine sehr angestrengte Dienstleistung haben, auch über die Nacht in Permanenz bleiben, und außerordentliche Anstrengungen auch außerordentliche Berücksichtigung verdienen.

Hierüber wurde bemerkt, daß infolge früherer Beschlüsse vom 1. Jänner d.J. alle außerordentlichen Zulagen, somit auch die hier in Rede stehenden, eingestellt werden mußten. Die fraglichen Beamten seien vom Kriegsministerium der Stadtkommandantur zugewiesen, daher auch aller Arbeiten beim Kriegsministerium enthoben worden; ihre frühere außerordentliche und angestrengte Dienstleistung habe eine Zulage begründen können, dieser Grund sei aber jetzt nicht mehr vorhanden.

Der Ministerrat einigte sich demnach in dem Beschlusse, daß es bei der verfügten Einstellung der Zulagen sein Bewenden haben solle. Leistet ein Individuum besondere Dienste, so ist dem Vorsteher, wie der Finanzminister Freiherr v. Krauß || S. 56 PDF || bemerkte, ohnehin nicht benommen, für ein solches Individuum auf eine Remuneration von Fall zu Fall anzutragen3.

III. Brief Ladislaus Újházis an Franz v. Pulszky

Der Minister des Inneren Dr. Bach teilte hierauf den Inhalt eines Briefes des Újházy an Pulszky vom 25. Dezember v.J. aus New York mit, welcher über die Stimmung der dortigen Bewohner in Absicht auf die ungarische Rebellion Aufschluß gibt. Újházy sagt darin im wesentlichen, daß er in New York sehr gut empfangen wurde. Leute von nah und fern sind gekommen, um ihn zu sehen und zu begrüßen. Dasselbe tat auch das Offizierskorps. Im Stadthause sei er festlich empfangen worden. Er habe auch einen Brief des Präsidenten der Vereinigten Staaten erhalten und überall äußere sich Sympathie für die ungarische Sache. Újházy spricht die Hoffnung aus, daß sie daselbst Land entweder umsonst oder unter billigen Bedingungen erhalten werden; er meint, daß sie sich in diesem Lande der Freiheit vereinigen und dort organisieren, in England und Frankreich aber nur einige Agenten zurücklassen sollten4.

IV. Brief Bartholomäus Szemeres an Julius Graf Andrássy v. Csík-Szent Király und Kraszna-Horka

Als Gegensatz zu dem vorigen las der Minister des Inneren zwei Briefe des Szemere an Filek und Grafen Andrássy aus Paris über Kossuth vor. Szemere bemerkt darin, daß der ungarische Aufstand unter einem Führer wie Kossuth, der die Armee und das Land im Stiche gelassen, keinen anderen Erfolg als den erlebten haben konnte. In den Memoiren, welche er bis zum Frühjahre herauszugeben gedenket, werde er diesen trügerischen Komödianten vollständig entlarven5.

V. Patentalurkunden für die Wiener Freiwilligen

Ferner stellt dieser Minister das Ansuchen an den Kriegsminister Grafen v. Gyulai, da die Sichtung der Wiener Freiwilligen rasch vor sich gehe und es wünschenswert sei, mit dieser Sache bald zu Ende zu gelangen, so möchte die Ausfertigung der Patentalurkunden für diese Freiwilligen möglichst beschleunigt werden, was der Kriegsminister zu verfügen übernahm6.

VI. Gemeindeordnung der Stadt Wien

Hierauf wurde über Vortrag des Minister des Inneren die am 22. d.M. begonnene Beratung über den Entwurf der Gemeindeordnung der Stadt Wien fortgesetzt7.

Die beschlossenen Abänderungen bei den einzelnen Paragraphen sind folgende:|| S. 57 PDF ||

§ 21 ist am Schlusse statt „Bezirksvorstände“ „Bezirksvorsteher“ zu setzen.

§ 22. Die Zahl derselben (nämlich der Mitglieder des Gemeinderates) ist auf 120 (statt der angetragenen 144) festgesetzt. Die Anzahl von 120 hat man als vollkommen genügend anerkannt, wornach in jedem der acht Bezirke der Stadt Wien um drei Mitglieder des Gemeinderates weniger zu wählen sein werden.

§ 23. Der Absatz a) dieses Paragraphes wäre in folgender Art zu ändern: „Diejenigen, welche von einem im Gemeindebezirke gelegenen Hause oder Grundstücke direkte Steuer zahlen oder von einem im Gemeindebezirke betriebenen Gewerbe oder Erwerbe ein Einkommen haben, das durch das Gesetz mit einer Einkommensteuer getroffen wird, oder die von einem anderwärtigen Einkommen eine Einkommensteuer von 20 f. bezahlen“.

Nachdem nun die Einkommensteuer eingeführt ist8, wurde diese Änderung für notwendig erkannt. Hierdurch entfällt auch der Absatz h) dieses Paragraphes, indem statt eines dort ausgesetzten Mietbetrages hier eine Ziffer der Einkommensteuer festgesetzt wird. Hierdurch entfallen auch alle sogenannten 5 f.-Männer, welche keine Einkommensteuer, sondern nur eine Schutzgebühr für die Ausübung ihres Gewerbes zahlen. Die mit 5 f. besteuerten ärmeren Bürger bleiben aber als solche wahlberechtigt.

Der Absatz b) hätte so zu lauten: „wirkliche, pensionierte oder quieszierte Hof-, Staats-, ständische, Landtags- und Kommunalbeamte, insofern sie Besoldungen, Pensionen oder Quieszentengehalte beziehen, welche der Einkommensteuer unterliegen.“ Man will hierdurch eine Masse von gering besoldeten Beamten von der Wahlberechtigung im Einklange mit den sonstigen Bestimmungen dieser Gemeindeordnung ausschließen.

Der Absatz c) wäre in folgender Art zu stellen: „Offiziere, welche ihren selbstgewählten bleibenden Aufenthalt in Wien haben oder da im Pensionsstand leben, mit Einschluß derjenigen, welche sich im Invalidenhause befinden“. Die weiteren Worte: „dann die Offiziere der Garnison, wenn sie nach Wien zuständig sind“, hätten wegzubleiben.

Zum Absatze d) wurde bemerkt, daß die hier für Wien angetragene Textierung weiter gehen würde, als nach dem § 28 des provisorischen Gemeindegesetzes vom 17. März 1849 9 das diesfällige Befugnis in andern Gemeinden, in welchen nur die Ortsseelsorger etc. wahlberechtigt sind. Unter den Ortsseelsorgern könne man aber nur die parochos loci verstehen, während unter dem Ausdrucke „katholische Priester“ auch alle Kapläne, Klostergeistliche etc. begriffen wären. Dieser Absatz hätte sonach dahin zu lauten: „Die katholischen Pfarrer und die selbständigen Seelsorger der übrigen anerkannten Glaubensbekenntnisse“.

Absatz e) wäre in folgender Art zu ändern: „Die Doktoren aller Fakultäten, wenn sie den Doktorgrad an einer inländischen Universität erhalten haben“. Alles andere in diesem Paragraphe hätte wegzubleiben, weil die hier Erwähnten entweder Doktoren oder sonst in anderen Kategorien wahlberechtigt sind.

Absatz f) wurde in folgender Art beliebt: „Die Vorsteher der hiesigen Volksschulen und die ordentlichen Professoren an den Lehranstalten“. Das weitere des Absatzes wäre wegzulassen.|| S. 58 PDF || Der Grund dieser Textänderung ist, daß man die Schulgehilfen von der Wahlberechtigung ausgeschlossen haben will.

Der Absatz g) hätte wegzufallen. Die Mitglieder einer inländischen Akademie sind entweder Beamte oder Professoren oder gehören sonst in eine andere Kategorie, in welcher sie das Wahlrecht ausüben können.

Ebenso bleibt der Absatz h) aus dem bereits oben angeführten Grunde weg.

§ 24, Absatz b) wird die Textierung nach der im Protokolle vom 22. d.M. gemachten Andeutung modifiziert werden.

Ebenso wird der Absatz d) in eine bessere Übereinstimmung mit dem § 35 des provisorischen Gemeindegesetzes gebracht werden.

Im § 25: „Wählbar ist jedes Gemeindeglied usw.“ ist zwischen den Worten „jedes“ und „Gemeindeglied“ das Wort „wahlberechtigte“ zu setzen.

§ 26. Durch die mit der Verfassung und dem Gemeindegesetze in Einklang gebrachte Stilisierung, daß die Wahlberechtigung als Bedingung der Wählbarkeit gilt und daß alle, welche vom dem aktiven Wahlrechte ausgeschlossen, auch nicht gewählt werden können, entfallen durch die entsprechende Beziehung aus diesem Paragraphe die Absätze c), d) und e) (unter: ausgeschlossen sind).

Ebenso bleibt der Absatz b) in Übereinstimmung mit der Textierung des § 23 hinsichtlich der Militärpersonen weg (unter: ausgenommen von der Wählbarkeit sind).

Wegen der vorgerückten Stunde wurde die Besprechung über den § 27 und die folgenden einer späteren Sitzung vorbehalten10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 27. Jänner 1850.