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Vorwort - Retrodigitalisat (PDF)

Mit diesem Band, chronologisch gesehen dem dritten nach jenem mit den Protokollen des Revolutionsjahres 1848 und dem ersten Band zum Ministerium Schwarzenberg, kann die Edition ein kleines Jubiläum feiern. Es ist der 20. Textband, den wir hiermit vorlegen können. Noch erfreulicher ist, daß die Personalkosten für die Bearbeitung aller noch ausstehenden Bände abgesichert werden konnten. Dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich sei dafür bestens gedankt. Die Edition der Protokolle des die Politik und Verwaltung des Staates maßgeblich bestimmenden Organs Ministerrat ist längst als unverzichtbare Pflichtaufgabe der Historiographie anerkannt. Davon zeugen auch die Paralleleditionen, auf die hier einmal hingewiesen werden darf, nämlich einerseits die Edition der Protokolle der Ersten und der Zweiten Republik Österreich, die von der Österreichischen Gesellschaft für historische Quellenstudien betreut wird, andererseits die Edition der ungarischen Ministerratsprotokolle der Ausgleichsperiode, die das Magyar Országos Levéltár, das Ungarische Staatsarchiv, herausgibt.

Mit dem Jahr 1850 begann die eindeutig nachrevolutionäre Periode, nachdem im August 1849 Ungarn und Venedig kapituliert hatten. Auch in den deutschen Staaten waren im Laufe des Jahres 1849 die revolutionären Bewegungen überall zum Stillstand gekommen, einzig in Kurhessen hielt sich noch die liberale Verfassung. Mit den finanziellen und politischen Folgen des Bienniums 1848/49 waren die Machthaber freilich noch länger beschäftigt. Die Regierung beriet wiederholt über die Frage der Flüchtlinge in der Türkei, über die Tätigkeit des Armeeoberkommandanten und Leiters der Zivilangelegenheiten in Ungarn, FZM. Julius Freiherr v. Haynau, der mit seinen Aktionen zunehmend die Regierungspolitik störte, oder über die Notwendigkeit, die Finanzen zu sanieren. Dazu wäre aber eine drastische Reduktion der Militärausgaben erforderlich gewesen. Gleichzeitig waren sich die Minister über die Notwendigkeit von Reformen im Klaren. Der Reformstau aus dem entscheidungs­schwachen Vormärz war ja keineswegs beseitigt. So zeugen die Protokolle dieses Bandes wieder von der geradezu hektischen Tätigkeit der Regierung. Nahezu täglich gab es Ministerratssitzungen, in denen entweder zahlreiche – bis zu 19 – Tagesordnungspunkte abgehandelt oder wenige Gegen­stände, dafür umso ausführlicher beraten wurden. In der Regel waren dies Reformvorhaben, die die Ministerialbürokratie und die offenbar unglaublich fleißigen Minister, allen voran Alexander Bach und Philipp Krauß, vorbereitet hatten, wie das Tax- und Stempelgesetz oder die Gemeindeordnung für Wien. Der Fleiß allein war allerdings noch kein Garant dafür, daß ein Reformvorhaben umgesetzt werden konnte. Kaum ein Kronland gab es, dessen Angelegenheiten nicht ein- oder mehrmals auf der Tagesordnung standen, daneben bunt vermischt Personalfragen, Beamtenpensionen, Verleihung von Orden und Titeln, bis hin zur Vorberatung über eine allfällige Begnadigung bei Todesurteilen.

Ein wichtiges Thema, auf das Thomas Kletečka in der Einleitung eingeht, war die Frage des Verhältnisses zwischen Staat und Religion. Der Autor greift dabei auf die Entwicklung seit 1848 zurück und stellt das Thema erstmals in einen konfessionsübergreifenden Zusammenhang. Nicht nur die Bischöfe der katholischen Kirche traten 1849 zur ersten Bischofskonferenz zusammen, auch die evangelischen Superintendenten hielten, ebenfalls 1849, eine Synode ab und forderten vor allem die rechtliche Gleichstellung der Konfessionen. Weniger bekannt ist, daß sich auch die griechisch-orthodoxen Bischöfe 1850 in Wien versammelten, ohne allerdings zu einem Abschluß zu gelangen. Am schwierigsten gestaltete sich das Verhältnis des Staates zur mosaischen Konfession. Aber auch hier kam es zu beachtlichen Fortschritten, und Ende 1850 kam es in Prag zu einer israelitischen Notablen­versammlung, um eine jüdische Kultusgemeindeordnung zu beraten. Alle diese Vorgänge waren sehr kompliziert, und vielfältige Interessen durchkreuzten einander. Vielem machte der Neoabsolutismus zunächst ein Ende, und erst zehn Jahre später wurden manche Fäden wieder aufgenommen. Um so interessanter ist das in den Protokollen, im Kommentar und in der Einleitung vorgelegte Material.

Das Manuskript wurde im Auftrag der ungarischen Kooperationspartner von Vilmos Heiszler begutachtet. Er weist auf die Wichtigkeit der Edition dieser Protokolle hin angesichts des Umstandes, daß die Zeit nach der 1848/49er-Revolution nach wie vor im kollektiven Gedächtnis Ungarns lebhaft präsent ist.

Als Unterstützung für Thomas Kletečka konnte für die Bearbeitung des Bandes, wie auch für die bald nachfolgenden, Anatol Schmied-Kowarzik herangezogen werden. Vorarbeiten für den Kommentar, vor allem Italien und katholische Kirchenfragen betreffend, stammen von Andreas Gottsmann. Ihnen gilt der Dank für die reibungslose Kooperation, ebenso wie allen MitarbeiterInnen des Österreichischen Staatsarchivs und des Országos Levéltár für die wiederholte Hilfestellung. Die Drucklegung wurde durch die Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich ermöglicht. Auch die Hochschul­jubiläumsstiftung der Stadt Wien hat die Edition wieder subventioniert. Ihnen allen sei hier noch einmal Dank gesagt.

Wien, im Mai 2005