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Nr. 226 Ministerrat, Wien, 12. Dezember 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 13. 12.), Krauß 13.12., Bach 14.12., Gyulai 13.12., Schmerling 13.12., Bruck, Thinnfeld 13.12., Thun, Kulmer 13.12.; abw. Stadion.

MRZ. 4598 – KZ. 3858 –

Protokoll der am 12. Dezember 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses, Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Ärarische Forderung an Clemens Wenzel Lothar Fürst Metternich-Winneburg

Der Finanzminister Freiherr von Krauß brachte zu Anfange der Sitzung die Forderung zur Sprache, welche der Staat an den gewesenen Haus-, Hof- und Staatskanzler Fürsten Metternich aus seiner Amtsgestion zu stellen haben dürfte. Er bemerkte, daß schon seit dem Jahre 1815 Verhandlungen über die Rechnungen der Staatskanzlei im Zuge sind, ohne noch zuende geführt worden zu sein. Nur über einen Teil dieser Rechnungen sei bereits entschieden worden, der andere Teil wurde nach den Märzereignissen des Jahres 1848 unerledigt zurückgestellt. Die Forderungen des Ärars wurden auf die Güter des Fürsten pränotiert. Es frägt sich nun, was zu geschehen hat, um mit dieser Sache zuende zu gelangen1.

Nach der Ansicht des Finanzministers wäre, da in diese Angelegenheit vorderhand weder der Ministerrat noch ein Minister allein einzugehen hätte, eine Kommission zusammenzusetzen, welche diesen Rechnungsgegenstand zu prüfen und darüber, was zu geschehen hat, ein bestimmtes Gutachten abzugeben hätte. Diese Kommission hätte nach der Ansicht des Finanzministers aus dem Präsidenten des Generalrechnungsdirektoriums und zwei Hofräten des obersten Gerichtshofes, aus zwei von dem Finanzminister zu bestimmenden Ministerialräten seines Ministeriums, aus dem Hofkammerprokurator und allenfalls noch aus einem Hofrate des Generalrechnungsdirektoriums zu bestehen.

Der Ministerrat erklärte sich mit der Einsetzung einer solchen Kommission umso mehr vollkommen einverstanden, als es unbillig wäre, die Güter des Fürsten Metternich, der noch keineswegs verurteilt ist, mit einer unbestimmten Forderung belastet zu lassen2.

II. Landesverfassung für Oberösterreich

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte hierauf die Landesverfassung für das Kronland Österreich ob der Enns zum Vortrage3.

|| S. 891 PDF || Bei der Lesung der Paragraphen 1 bis 10 ergab sich keine Erinnerung.

Bei dem § 10 wurde bei b. bemerkt, daß dieser Absatz mit Weglassung des Wortes „größeren“ in folgender Art zu textieren wäre: „Aus 15 Abgeordneten der durch die Wahlordnung bezeichneten Städte, Märkte und Industrialorte.“ Hierauf wurde bei diesem Paragraphen die Prinzipienfrage besprochen, ob zur Vertretung der speziellen Interessen des Landes die unter d., e., f., g. und h. erwähnten Abgeordneten, nämlich vier der Handelskammer des Landes, zwei des bischöflichen Konsistoriums der Diözese, zwei des Landesschulrates, einer des Landesmedizinalkollegiums und einer der Ausschüsse der Advokatenkammer, zu dem Landtage zugelassen werden sollen, oder ob man diese Kategorien im Landtage vertreten haben will. Für die Bejahung dieser Frage erklärten sich mit dem Minister Dr. Bach einverstanden die Minister Ritter v. Schmerling, Ritter v. Thinnfeld und Baron Kulmer . Ihre dafür geltend gemachten Gründe waren im allgemeinen, daß die Vertretung der hier angeführten speziellen Interessen, insbesondere die Handels- und Industrialinteressen, so wichtig seien, daß es wünschenswert erscheine, Geschäftsleute vom Fache zu ihrer Vertretung im Landtage zu besitzen, zumal die Reichsverfassung ausdrücklich bestimme, daß in den Landtagen alle Interessen des Landes vertreten sein sollen4. Durch diese Modalität würden die Spezialinteressen gehörig vertreten sein, und ihre Vertreter doch in einer solchen Minorität stehen, daß sie den anderen höheren Interessen nicht gefährlich sein können. Nach der Ansicht dieser Stimmführer würden solche Abgeordnete vom politischen Felde mehr abgeleitet und zu Spezialitäten geführt werden, wodurch die konservative Partei eine nicht unwesentliche Verstärkung erhielte. Die Durchführung dieser Maßregel wäre dem Wahlgesetze vorbehalten. Der Minister Graf Thun erklärte sich mit der diesem Paragraphen zum Grunde gelegten Idee im wesentlichen einverstanden, nur meinte er, daß die Ausführung nicht ganz glücklich gewählt sei und auf Anstände stoßen werde. Der Landesschulrat (der übrigens noch nicht organisiert sei, von dem man daher noch nicht wisse, aus wievielen Individuen, ob aus zwei, drei oder mehreren, er bestehen werde) soll einen Abgeordneten in den Landtag schicken. Wären der Lehrerstand und die Schulfreunde so gruppiert, daß sie ein organisches Leben hätten, dann hätte er gegen eine Wahl von Abgeordneten aus ihrer Mitte nichts einzuwenden. Dies sei aber nicht der Fall. Ähnliche Anstände hätte er auch gegen eine Wahl von Abgeordneten bei dem Medizinalkollegium und bei den Konsistorien. Nach der Ansicht dieses Ministers sollen die Abgeordneten Vertreter des ganzen Landes sein, und eine von der Regierung ernannte Behörde sollte keine Vertreter in den Landtag schicken. Graf Thun bemerkte schließlich, daß er gegen die Absendung der Präsidenten der Handelskammer, der Advokatenkammer und der Konsistorien zur Vertretung der diesfälligen speziellen Interessen in dem Landtage nichts einzuwenden fände. Die Minister Freiherr von Krauß, Ritter von Bruck und Graf v. Gyulai glaubten sich dagegen gegen die in diesem Paragraphen erwähnte Spezialvertretung der besonderen Interessen erklären zu sollen. Nach ihrer Ansicht sind diese Interessen durch die Bestimmungen dieses Paragraphen|| S. 892 PDF || zu a., b. und c. ( nach welchen die höchstbesteuerten Grundbesitzer des Landes außerhalb der Stadt Linz zwölf Abgeordnete, und die Stadt Linz insbesondere zwei Abgeordnete der höchstbesteuerten Realitätenbesitzer, die Städte, Märkte und Industrialorte fünfzehn Abgeordnete und die übrigen Gemeinden zwölf Abgeordnete zu dem Landtage zu schicken haben) schon hinlänglich gewahrt und vertreten. Sie bemerkten, daß die Handelskammer und die meisten der übrigen unter d., e., f., g. und h. erwähnten Institute keinen politischen Charakter haben und in dem Sinne, wie z.B. die Gemeinden, keine Körperschaften für die ganze Provinz sind. Handelsleute, Ärzte und Advokaten gehören irgendeiner Gemeinde an und können in diesen zum Landtage als Abgeordnete gewählt werden. Würden die Handelskammern etc. noch insbesondere aus ihrer Mitte Abgeordnete zum Landtage wählen dürfen, so wären sie doppelt begünstigt. Die Minister Freiherr von Krauß und Ritter von Bruck haben sich nur für die Beibehaltung von Abgeordneten der bischöflichen Konsistorien und für die Weglassung der übrigen Spezialitäten ausgesprochen, während der Minister Graf Gyulai auch diese, und die Minister Bach, Ritter v. Schmerling, Ritter v. Thinnfeld und Baron Kulmer die sämtlichen Punkte d., e., f., g. und h. aus diesem Paragraphen eher gestrichen zu sehen wünschten, als sie zugeben könnten, daß die Präsidenten der Handelskammer, der Advokatenkammer etc. als Abgeordnete in den Landtag geschickt werden. Die Abstimmung über diesen wichtigen Paragraphen der Landesverfassung, welcher und beziehungsweise der hier festzusetzenden Grundsätze maßgebend für die Landesverfassungen der anderen Kronländer sein wird, wurde übrigens auf morgen verschoben.

Der § 15 wäre nach der Ansicht des Finanzministers in der Art zu modifizieren, daß von der Wählbarkeit auch jene Personen ausgeschlossen sind, welche sich über eine Anklage, ein Verbrechen oder eine aus Gewinnsucht entspringende schwere Polizeiübertretung begangen zu haben, in der Untersuchung befinden.

§ 16 wäre statt der Worte „Die Wahlen der Abgeordneten zum Landtage gelten für die Dauer desselben“ zu setzen: „Die Wahlen der Abgeordneten gelten für vier Jahre usw.“

In § 30 wäre der Schlußsatz „Die Art der Wahlen der Oberhausmitglieder bestimmt die Reichstagswahl­ordnung“ in folgender Art zu textieren: „Wie der Landtag die Wahlen der Oberhausmitglieder vorzunehmen hat, bestimmt die Reichstagswahlordnung.“

§ 35 wären statt der Worte „in derselben Session“ die Worte „in derselben Session dieses Jahres“ zu setzen, um es nicht undeutlich zu lassen, daß unter dem Ausdrucke der Session nicht die vierjährige Dauer des Landtages gemeint sei.

Bei dem § 37 bemerkte der Finanzminister, daß in diesem Paragraphen durch eine genaue Textierung sichergestellt werden sollte, daß die Gesetzgebung über Landeskredits-, Hypotheken- oder Leihinstitute, dann Sparkassen wegen Gleichförmigkeit, und weil es notwendig ist, diese Angelegenheiten ihrer Wichtigkeit wegen in zentro zu leiten, von dem Reichstage auszugehen hätte. Auf dem Grunde dieser Gesetze können dann die Provinzen oder Kronländer, denen eine Wirksamkeit in diesen Beziehungen allerdings eingeräumt werden müsse, dasjenige weiter verfügen, was zu ihrem Vorteile gereicht.

Die Abstimmung über diesen Paragraphen wurde wegen der vorgerückten Abendstunde auf morgen verschoben5.

III. Zivilehrenmedaille für Emanuel Tomanek

Der Minister des Handels, der Gewerbe und der öffentlichen Bauten Ritter von Bruck erwirkte schließlich noch die Zustimmung zu seinem an Se. Majestät zu erstattenden Antrage, dem in vielfacher Beziehung verdienstvollen Postmeister in Göding Emanuel Tomanek die mittlere goldene Zivilehren­medaille huldreichst verleihen zu wollen6.

Ah.E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 16. Dezember 1849.