Nr. 215 Ministerrat, Wien, 27. November 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 28. 11.), Bach 30.11., Gyulai 29.11., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 29.11., Thun, Kulmer; abw.abwesend Krauß, Stadion.
MRZ. 4345 – KZ. 3768 –
- I. Leopoldsorden für Michael Spoerlin und Johann Herring
- II. Behandlung der mit der Bezeichnung „ab Imperatore“ an die Minister gelangenden Gesuche
- III. Ungarische Aufständische auf türkischem Gebiete
- IV. Csanáder Bistum
- V. Keine kriegsrechtliche Untersuchung gegen Paul Kiss
- VI. Neue Wechselordnung und neuer Wechselprozeß
Protokoll der am 27. November 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Leopoldsorden für Michael Spoerlin und Johann Herring
Der Handelsminister Ritter von Bruck erwirkte die Zustimmung des Ministerrates zu dem beabsichtigten Antrage auf die a.g. taxfreie Auszeichnung mit dem Ritterkreuze des österreichischen kaiserlichen Leopoldordens für zwei um die Industrie des Kaiserstaates hochverdiente und in ihren loyalen Gesinnungen bewährte Männer, nämlich den Fabrikanten Spoerlin in Wien und den Fabrikanten Johann Herring in Brünn1.
II. Behandlung der mit der Bezeichnung „ab Imperatore“ an die Minister gelangenden Gesuche
Der Ministerpräsident eröffnete die Absicht, mittelst eines a.u. Vortrages sich die bestimmte Ah. Weisung für sein und die übrigen Ministerien, dann das Generalrechnungsdirektorium zu erbitten, wie sich dieselben in Ansehung der von Sr. Majestät an sie gelangten, mit den Worten „ab Imperatore“ bezeichneten Gesuchen zu benehmen haben2.
Er bemerkte, unter Kaiser Ferdinand und früher habe die Übung bestanden, die Sr. Majestät überreichten Gesuche im Wege des Kabinetts entweder a. mittelst Ah. Handschreiben oder b. mit Signaturen oder c. ohne diese an die Behörde gelangen zu lassen. Im ersten Falle war der im Ah. Handschreiben enthaltene Auftrag für die Behörden maßgebend. Bei den Signaturen waren die Behörden verpflichtet, über den Gegenstand des Gesuches (auch wenn es nur Gnade betraf) einen Vortrag mit Äußerung ihrer Ansichten zu erstatten. Über die ohne Ah. Bezeichnung herabgelangten, bei den Behörden mit den Worten „ab aula“ notierten Gesuche hatten die Behörden das Amt zu handeln. Diese Modalitäten bestehen noch dermal bis auf die Form der Signatur, welche eine doppelte ist, a. die eigentliche aAh. eigenhändige und b. die von der Hand des Kabinettsekretärs Thiela mit den Worten „ab Imperatore“ angezeigte. Da diesen Worten „ab Imperatore“ wohl ein weiterer Sinn unterlegt werden muß, als daß die Minister über so bezeichnete Gesuche lediglich ihr Amt handeln sollen, was bei den ohne alle Bezeichnung|| S. 850 PDF || hinabgelangten Gesuchen auch der Fall ist, so erachtet der Ministerpräsident mit Zustimmung des Ministerrates sich die Ah. Weisung dahin zu erbitten, über die eigentlich signierten Gesuche müsse ein a.u. Vortrag erstattet werden, über Gesuche aber, welche mit der Signatur „ab Imperatore“ herabgelangen, könne nach dem Ermessen der Minister eine solche Vortragserstattung stattfinden, um so bezeichnet hinabgelangte, bder Ah. Berücksichtigung würdig befundeneb der Ah. Berücksichtigung würdig befundene Gesuche von den ganz unbezeichneten zu unterscheiden3.
III. Ungarische Aufständische auf türkischem Gebiete
Der Ministerpräsident bemerkte weiter, der Konsularagent von Rößler habe die Mitteilung gemacht, daß die auf dem türkischen Gebiete noch zurückgebliebenen ungarischen Rebellen (etwa 200 Ungarn, 200 Polen und ebensoviele Italiener) von Widin nach Schumla gehen, und daß sie den lebhaftesten Wunsch geäußert haben, nach Österreich zurückzukehren4.
Der Ministerpräsident hat dem v. Rößler erwidern lassen, daß jene Individuen (es sind jene, welche den Generalen Hauslab bei der früheren Übernahme der nach Österreich zurückkehren Wollenden verhöhnt haben) bleiben sollen, wo sie sind, indem mit ihnen dem Staate in keiner Beziehung gedient wäre5.
IV. Csanáder Bistum
Ferner teilte der Ministerpräsident mit, das ungarische Kamerale habe an das Kapitel von Csanád geschrieben, daß es sich bei dem Umstande, wo die Ernennung Horváths zum Bischofe von Csanád laut Ah. Entschließung vom 10. Juli d.J. als nicht geschehen zu betrachten ist6, bestimmt gefunden habe, zur Verwaltung der Temporalien dieses Bistums einen Kameralkommissär abzusenden, und daß das Kapitel zu demselben Ende ein Individuum als Kapitularkommissär bestimmen möge.
Das Kapitel hat diesen Gegenstand dem Nuntius und dieser dem Minister des Äußern mitgeteilt. Der Nuntius erwähnt in seinem Schreiben, daß das Bistum Csanád, zu dessen|| S. 851 PDF || Bischofe Horváth von Sr. Majestät dem Kaiser Ferdinand ernannt wurde, nach den katholischen Prinzipien nicht als vakant angesehen werden könne und erbittet sich die Mitteilung der Gründe, aus welchen hierorts das Gegenteil angenommen werde7.
Der Ministerpräsident wird diesen Gegenstand an den Minister des Inneren leiten und davon dem Nuntius die entsprechende Mitteilung machen, wogegen sich keine Erinnerung ergab8.
V. Keine kriegsrechtliche Untersuchung gegen Paul Kiss
Nach einer Mitteilung des Kriegsministers Grafen Gyulai verwendet sich der FZM. Freiherr von Haynau nun dahin, daß dem ungarischen Rebellengeneral Paul Kiss, der in Peterwardein kommandiert hat und von der Amnestie aus dem Grunde ausgeschlossen wurde, weil er als General eine erhöhte Tätigkeit bei der Revolution entwickelt habe, die kriegsrechtliche Untersuchung erlassen werden möge9. Als Grund hiefür wird geltend gemacht, daß Paul Kiss auf die Übergabe der Festung mit seiner Gefahr gewirkt habe, und daß die beschleunigte und unbedingte Übergabe derselben vorzüglich sein Werk sei, was eine billige Berücksichtigung verdiene.
Da der Ministerrat diesen Grund beachtenswert fand, so wird der Kriegsminister mit Zustimmung des ersteren einen a.u. Vortrag mit dem Antrage auf Ah. Gewährung dieser Gnade erstatten10.
VI. Neue Wechselordnung und neuer Wechselprozeß
Der Justizminister Ritter von Schmerling brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß er mit dem deutschen Wechselrechte wie auch mit dem Wechselprozesse bereits fertig sei. Dasselbe soll aber nicht als deutsche Wechselordnung, sondern als ein allgemeines, für die österreichischen Kronländer verbindendes Wechselrecht hinausgegeben werden11.
Man hat bei der Redaktion des deutschen Wechselrechtes nur in drei oder vier Paragraphen Abänderungen als notwendig erachtet, die aber in keiner Weise das System selbst berühren.
Eine der wesentlichsten Abänderungen ist jene des dritten Artikels. Im deutschen Wechselrechte heißt es, der Wechselarrest ist nicht zulässig gegen Frauen, wenn sie nicht Handel oder ein Gewerbe treiben. Diese Bestimmung gründet sich auf das deutsche Recht,|| S. 852 PDF || nach welchem die Frauen dort bei Führung ihrer Geschäfte beschränkter sind als bei uns, die wir diesfalls keinen Unterschied zwischen Mann und Frau machen. Diese Bestimmung hätte daher in unserem Wechselrechte wegzubleiben.
Eine weitere Änderung besteht darin, daß bei uns als Grundsatz ausgesprochen werde, der Wechselarrest könne nur gegen jene Personen verhängt werden, gegen welche ein Personalarrest zulässig ist.
Bei dem Wechselprozesse sind nur einige wenige Modifikationen als notwendig erkannt und Verbesserungen aus dem summarischen Verfahren darin aufgenommen worden. Überhaupt soll das summarische Verfahren für die Wechselprozesse angenommen werden.
Für diese gesetzlichen Vorschriften wird nun der Justizminister mit Zustimmung des Ministerrates die Ah. Genehmigung Sr. Majestät erbitten. Beide Anordnungen werden für die ganze Monarchie ihre Geltung haben und mit besonderen Verordnungen für die verschiedenen Kronländer bekanntgemacht werden12.
Wien, den 28. November 1849. Schwarzenberg.
Ah.E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 5. Dezember 1849.